Konjunktiv des Futurs: daß es geschehen werde oder würde?

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Buch Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs.
Seitenzahlen 375 - 376

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Unsicherheit

In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle

Text

Vielmehr jedoch als durch solch seltenere Fälle und durch jene äußere Ähnlichkeit der Formen kann das Gefühl für die eigentliche Bedeutung des Konditionals abgeschwächt und unsicher gemacht werden durch die Gleichheit der Form mit der Präteritalstufe des Konjunktivs der Zukunft: er würde gehn neben er werde gehn. Denn zwei Umstände haben hier zusammengewirkt, grade diese Präteritalform des Konjunktivs auch für viele Fälle zu erhalten, in denen für andere Konjunktive bereits die Präsensstufe herrschend geworden ist. Das ist neben dem hier besonders einflußreichen Zusammenfallen der Formen der Indikativ- und Konjunktivreihe der Umstand, daß die Konjunktivform des Futurums nach dem innersten Wesen des Konjunktivs und des Futurums die darin gemachte Aussage als doppelt bedingt erscheinen läßt, als abhängig von allerhand noch möglichen Umständen, ohne daß diese angedeutet zu sein brauchten. Kein Wunder also, daß bei Goethe mit Abwechslung der Zeitstufe steht: Die Anstalten ließen keinen Zweifel mehr übrig, daß die Armeen bald vorwärts rücken und der Prinz zugleich sein Hauptquartier verändern würde; ja es hieß, daß der Graf auch zugleich das Gut verlassen und wieder nach der Stadt zurückkehren werde, und sogar im Bedingungssatze: Dieser ließ sich das wunderliche Begehren insofern gefallen, als es möglich sein würde (direkt: sein wird). Den Futurbegriff glaubte Gellert besonders ausdrücken zu müssen, wenn er schrieb: Er gab mir allerhand Regeln, wie ich meine Kinder ziehen sollte, wenn unsere Ehe fruchtbar sein würde, und ähnlich G. Freytag: Das Weib wünschte uns Unheil, wenn wir auf unserm Wege den Kriegern ihres Volkes begegnen würden. Trotzdem heißt es nicht, der Sprache Gewalt antun, sondern nur, die natürliche Entwicklung fordern, wenn man zwischen ich werde und ich würde tun in der indireken Rede nach denselben Grundsätzen wählt wie zwischen allen andern Konjunktiv- Formen der Präsens- und Präteritalreihe. G. Keller hat denn auch nicht nur geschrieben: Sie glaubte, daß es sich bald verziehen werde, sondern sogar: Als ich damals mit dem Messer nach ihrer Sohle stach, sagte sie, dachte ich nicht, daß ich einst so Ihnen gegenüber sitzen werde, wo nur der Zusammenhang die Auffassung als Indikativ ausschließt. Vollends dann aber wird man zwischen beiden Formen gewissenhaft wählen, wenn man dadurch dem geforderten Sinne gerechter werden kann. Die Deutsche Ztg. hatte z. B. geschrieben: Es gewinnt den Anschein, als ob sich im Schoße der Fortschrittspartei eine Spaltung vorbereite (schon jetzt) und die Partei in zwei Fraktionen zerfallen würde, und dazu hat ein Sprachmeister bemerkt, es müsse heißen: zerfiele. Die gebotene wie die geforderte Form trifft den Sinn nicht genau. Diese schiebt dem Schreiber die Ansicht unter, daß die Partei, noch während er so urteilt, zerfalle; jene läßt uns nach irgend einer Bedingung umblicken, unter der der Zerfall eintreten solle; beide Irrtümer sind ausgeschlossen durch die Form: es gewinnt den $Seite 376$ Anschein, als ob die — Partei zerfallen werde; das ist die Form für eine zwar subjektive, doch unbedingte Behauptung eines zukünftigen Ereignisses. Musterhaft ist dagegen das würde in der Stelle aus dem Tell: Sie entließen mich mit leidgem Trost, der Kaiser habe diesmal keine Zeit .... Er würde sonst wohl einmal an uns denken.

Scan
Matthias(1929) 375-376.pdf