Erstaufführung

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Buch Wustmann (1903): Allerhand Sprachdummheiten. Kleine deutsche Grammatik des Zweifelhaften, des Falschen und des Häßlichen
Seitenzahlen 185 - 188

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Unsicherheit
Text

Ein Gegenstück zu dem fachlichen Unterricht bilden die schönen neumodischen Zusammensetzungen, mit denen man sich jetzt spreizt, wie: Fremdsprache, Fremd-körper, Falschstück (ein gefälschtes Geldstück!) und Falschmeldung, Neuauflage, Neuerscheinung und Neuerwerbung (die Neuerscheinungen des Buchhandels und die Neuerwerbungen der Berliner Galerie), Neuerkrankung und Leichtverwun-dung, Deutschunterricht, Deutschbewußtsein und Deutschgefühl, Erstaufführung und Erstaus-gabe, Jüngstvergangenheit, Einzelfall, Einzel-persönlichkeit und Allgemeingesang, Minder-erlös, Minderausfuhr, Mindestmaß, Mindest-preis und Mindestgehalt, Höchstmaß, Höchst-preis, Höchstgehalt, Höchstarbeitszeit und — Höchststundenzahl! Hier leimt man also einen Ad-jektivstamm vor das Hauptwort, statt einfach zu sagen: fremder Körper, neue Auflage, einzelner Fall, erste Aufführung, allgemeiner Gesang, höchste Stundenzahl usw. Worin liegt das Abgeschmackte solcher Zusammen-setzungen? gibt es nicht längst, ja zum Teil schon seit sehr alter Zeit ähnliche Wörter, an denen niemand Anstoß $Seite 186$ nimmt? Gewiß gibt es die, sogar in großer Fülle. Man denke nur an: Fremdwort, Edelstein, Schwerspat, Braunkohle, Neumond, Weißwein, Kaltschale, Süßwasser, Sauerkraut, Buntfeuer, Kurz-waren, Hohlspiegel, Hartgummi, Trockenplatte, Schnellzug, Glatteis, Rotkehlchen, Grün-schnabel, Freischule, Vollmacht, Hochverrat, Eigennutz, Halbbruder, Breitkopf, Rothschild, Warmbrunn und viele andre. Was ist aber das Eigen-tümliche solcher Zusammensetzungen? Es sind meist Fach-ausdrücke oder Kunstausdrücke aus irgend einem Gebiete des geistigen Lebens, aus dem Handel, aus irgend einem Gewerbe, einer Kunst, einer Wissenschaft, aus der Rechts-pflege, oder es sind — Eigennamen.//*) Auch sie hat es übrigens nicht immer gegeben. Noch im sieb-zehnten Jahrhundert erteilte, wer mit seinem halben Bruder im Streite lag, einem Anwalt volle Macht, den Prozeß zu führen, noch 1820 wurde auf der Leipziger Messe von kurzen Waren gesprochen.// Nun stecken aber dem Deutschen zwei Narrheiten tief im Blute: erstens, sich womöglich immer auf irgend ein Fach hinauszuspielen, mit Fachausdrücken um sich zu werfen, jeden Quark an-scheinend zum Fachausdruck zu stempeln; zweitens, sich immer den Anschein zu geben, als ob man die Fach-ausdrücke aller Fächer und folglich die Fächer auch selbst verstünde. Wenn es ein paar Buchhändlern beliebt, plötzlich von Neuauflagen zu reden, so denkt der junge Privatdozent: aha! Neuauflage — schöner neuer terminus des Buchhandels, will ich mir merken und bei der nächsten Gelegenheit anbringen. Der Professor der Augenheilkunde nennt wahrscheinlich ein Eisensplitterchen, das einem ins Auge geflogen ist, einen Fremdkörper. Da läßt es dem Geschichtsprofessor keine Ruhe, er muß doch zeigen, daß er das auch weiß, und so erzählt er denn bei der nächsten Gelegenheit: die Germanen waren ein Fremdkörper im römischen Reiche. Und wenn er Wirtschaftsgeschichte schreibt, dann redet er nicht von den fremden Kaufleuten, die ins Land gekommen seien, sondern von den Fremdkaufleuten! Wie ge-lehrt das klingt! Der gewöhnliche Mensch lernt in der Schule, Evangelium heiße auf deutsch: frohe Bot-

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Wustmann(1903) 185-188.pdf