Umstandswörter und -angaben als Bindewörter: so gut sie konnten; nun, trotzdem
Buch | Matthias (1929): Sprachleben und Sprachschäden. Ein Führer durch die Schwankungen und Schwierigkeiten des deutschen Sprachgebrauchs. |
---|---|
Seitenzahlen | 273 - 274 |
Nur für eingeloggte User:
Unsicherheit |
---|
In diesem Kapitel behandelte Zweifelsfälle
Behandelter Zweifelfall: | |
---|---|
Genannte Bezugsinstanzen: | Sprachgelehrsamkeit, Mittelhochdeutsch, Harbou - Thea von, Morgenstern - Christian, Bauer - Erwin Heinrich, Kleinberg - Alfred, Beethoven - Ludwig van, Blumentritt - Günther, Wyle - Niklas von, Gegenwärtig, Ursprünglich, 19. Jahrhundert, Alt, Behördensprache, Keller - Gottfried, Goethe - Johann Wolfgang, Thoma - Ludwig, Sprachverlauf, Schiller - Friedrich, Zeitungssprache |
Text |
---|
Bei der unumschränkten Geltung, die das Stellungsgesetz des Nebensatzes genießt, kann es nicht wundernehmen, daß ihm die Kraft innewohnt, immer mehr ursprünglich hinweisende Umstandswörter, was die meisten Bindewörter gewesen sind, in unterordnende Bindewörter zu verwandeln, selbst Mittel- und Hauptwörter. Zwar auf so schwerfällige Formen, wie dahingegen, ohnerachtet oder jetzt ungeachtet, ansonst, die der Aktenstil liebte, braucht man jene Kraft sich nicht ausdehnen zu lassen. Wenigstens wird niemand so leicht schreiben wie der General Günther: Der Verlust, ohnerachtet er zehnmal beträchtlicher ist, kann doch den unsrigen nicht ersetzen, mag schon G. Keller ungeachtet öfter ähnlich brauchen und z. B. auch geschrieben haben: er hoffte, daß er sich noch unter den Lebenden befinde, ansonst der eine oder andre gewiß eine bestimmte Todeskunde gebracht hätte. Dagegen wird so + Adverb oder Adjektiv, das eigentlich in den Hauptsatz gehörte und für den Nebensatz in natürlich auch noch möglicher Weise durch als aufgenommen werden müßte (sie war so rasch gelaufen, als sie nur konnte), $Seite 274$ heute ebenso oft als Relativ an die Spitze des Nebensatzes gezogen: Sie lief, so rasch ihre zitternden Schritte sie zu tragen vermochten, in der Richtung des Kremels weiter (E. Bauer). Solange ist ja längst üblich geworden, und statt des schwerfälligen insofern, als herrscht längst bloßes sofern, wie denn schon Niklas v. Wyle schrieb: Man ist sülchen sünen kain guthait zutun schuldig, soferre inen selhs nit erschynet tugend. Ebensowenig mehr wie hierüber darf gegen die Anwendung von nun als unterordnendes Bindewort etwas eingewendet werden, das auch ohne vermittelndes daz schon mhd. als solches vorkommt; bezeichnet es doch fühlbarer als da zugleich den Grund und das gleichzeitige Eintreten seiner Folge, und zwar ebenso für die Vergangenheit: Sie war beruhigt, nun sie ihn gesund und wohlbehalten wußte (E. Bauer), wie für die Gegenwart: Nun man sich überzeugt, daß dieselbe aufreizt, soll sie aufgehoben werden. Wie von während daß, welches noch in Schillers Prosa durchaus vorherrscht, bloß während übriggeblieben ist, so ist auch nichts dagegen einzuwenden, daß neuerdings bloßes trotzdem oder zumal statt des älteren trotzdem daß, zumal da einrückt. Das Individuum erhält, trotzdem es sich seinen Vorstellungskreis selbst schaffen muß, doch durch die Gesellschaft eine bestimmte Richtung seiner geistigen Tätigkeit, schreibt z. B. ein deutscher Sprachforscher; Goethe (Stella): Sie lebt wie eine Nonne, Zeit ich sie kenne; Beethoven (1. 6. 1806): Ich habe, seit der Zeit du fort bist, alles geschrieben; Thea v. Harbou (Woche 26): Ich hatte Angst, ich würde, im Fall ich länger bliebe, „Herzblättchens Zeitvertreib“ wieder mitnehmen. Nicht zur Nachahmung, sondern nur zum Beweis, wie diese Entwicklung noch immer fortläuft, seien folgende Beispiele angeführt: schon liegen, kaum die Leidenschaft emporgeflammt ist, der zähe Verstandesmensch und der sich überstürzende Phantasiemensch miteinander in Fehde (A. Kleinberg); Es war, vordem der Vater zu uns kam (DAZ. 27); und besonders mit bloßem vor: wie’s Sitte war bei meiner Väter Stamm, vor ich den Schritt auf dieses Rund getan (G. Keller); mir war lange Jahre, vor sich der Wunsch verwirklichen ließ, eine Wanderung durch Italien in Aussicht gestellt worden (L. Thoma); Wer nicht stirbt, vor er stirbt, der verdirbt, wenn er stirbt (Chr. Morgenstern); und: Und waret ihr nicht erst das Halbe, ’vor mein Geheimnis ihr gewußt? (DAZ 18. 8. 29.) |
Zweifelsfall | |
---|---|
Beispiel | |
Bezugsinstanz | Kleinberg - Alfred, alt, 19. Jahrhundert, Beethoven - Ludwig van, Morgenstern - Christian, 19. Jahrhundert, Zeitungssprache, Zeitungssprache, Behördensprache, Sprachgelehrsamkeit, Bauer - Erwin Heinrich, Keller - Gottfried, Keller - Gottfried, Blumentritt - Günther, Goethe - Johann Wolfgang, gegenwärtig, gegenwärtig, Thoma - Ludwig, Sprachverlauf, gegenwärtig, Wyle - Niklas von, Schiller - Friedrich, mittelhochdeutsch, Harbou - Thea von, ursprünglich |
Bewertung |
bezeichnet es doch fühlbarer, ebensowenig darf etwas eingewendet werden, Frequenz/herrscht, Frequenz/längst üblich, ist auch nichts dagegen einzuwenden, Nicht zur Nachahmung, schwerfällige, schwerfälligen, Wird niemand so leicht schreiben |
Intertextueller Bezug |