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E
Der Nominativ hat sich sogar in die verkürzten Vergleichsätze nach der Wendung ''es gibt'' Eingang verschafft, und das nicht unberechtigter Weise, wenn sein grammatisches Objekt und logisches Subjekt einen Komparativ bei sich hat oder durch eine Verbindung ''wie etwas, nicht anders, keinen anderen'' gebildet und danach durch einen mit ''als'' eingeleiteten Vergleichsatz näher bestimmt wird. Nicht nur bei Herder heißt es: ''Gibt es keine andere Empfindbarkeit zu Tränen als körperlicher Schmerz?'' sondern auch beim neusten Übersetzer Drummonds: ''Gibt es etwas Traurigeres'' $Seite 313$ ''als ein nur mit sich selbst beschäftigter Mann?'' Ja in dem Satze des Grimmschen Märchens: ''So glücklich wie ich gibt es keinen Menschen unter der Sonne, würde wie mich geradezu verletzen''. So wenig diese Fügung immer nötig sein mag, so wenig ist sie als fehlerhaft zu bezeichnen, da sich in solchen Fällen das vergleichende Glied tatsächlich zu einem zusammengezogenen Vergleichsatze ausgewachsen hat: ''nichts Traurigeres als ein nur mit sich selbst beschäftigter Mann'' (nämlich: ''ist''). W. v. Humboldt schrieb: ''Es gibt in der Welt nichts Interessanteres für den Menschen als wieder der Mensch'', und Hansjakob: ''Es gibt nichts Köstlicheres als so ein junger Erdenbürger auf der ersten Wanderung zur deutschen Wissenschaft''. Bei dem bloßen ''nichts als'', das lediglich ein bloßes ''nur'' ist, kann freilich von einem andern als formellen Vergleiche nicht die Rede sein, daher auch nicht von einer Ausdehnung der freieren Fügung auch hierauf. Demgemäß ist der Satz aus einem Märchen: ''Es gibt aber nichts als ein Affe'' (statt ''einen Affen'')//1 Noch viel weniger kann mit der Rechtfertigung eines Nominativs in einem wirklichen vergleichenden Gliede nach ''es gibt'' der Nominativ nach ''es gibt'' selber und im Gefolge davon neben einem pluralischen Objekt der Plural ''es geben'' gebilligt werden. Vielmehr beruht diese in der thüringischen und hessischen Mundart heimische Fügung auf gänzlicher Verkennung der Bedeutung von ''es gibt''. Hierin ist nämlich gibt wirkliches transitives Verbum, und es deutet als wirkliches Subjekt die ungenannt gelassene Ursache und Kraft an, die darin wirksam ist. In Sätzen wie: ''Nach der letzten Volkszählung gaben es hier 716 Israeliten'' (Frankf. Journ.) oder: ''Es müssen auch solche Käuze geben'', sieht man die Mundart in die Schriftsprache eindringen, und ähnlich erklärt sich wohl der vorletzte Vers in Goethes „Ungleichen Hausgenossen": ''Es sollen Schläge regnen''.// ebenso falsch wie die Fügung Wilhelms v. Polenz: ''Seine Zärtlichkeit bedeutete ihrer Leidenschaft nur ein magerer Brocken''.
Geradezu ein Fehler ist meist die auch immer häufiger werdende Weglassung des Partizips ''worden'' beim Passiv. Dieses ''worden'' ist nämlich erforderlich in der Wiedererzählung, d. h. wenn die Handlung als eine in einem bestimmten Zeitpunkte unter bestimmten Verhältnissen vollzogene oder sich entwickelnde dargestellt werden soll. Dies kann aber z. B. in der Verbindung: ''der Ausbrecher ist gestern wieder eingefangen worden'', allein das Mittelwort von ''werden'', dem Verbum des Geschehens, ausdrücken; denn bei dessen Weglassung stünden nur zwei Formen, die von ''sein'' und ein zweites Mittelwort da; diese können aber, wie jede einzelne für sich, so auch beide zusammen nur das Abgeschlossene einer Handlung seit einem Zeitpunkte der Vergangenheit oder ihr Fortwirken noch in der Gegenwart bezeichnen, sie reichen also nicht zur vollständigen Wiedererzählung, sondern nur zum Berichte des Ergebnisses aus. Fragt also z. B. ein Geschäftsherr: ''Ist der Brief an Kommerzienrat B. schon beantwortet (worden)?'' so genügt die Antwort: ''Er ist beantwortet'', wenn es nur auf die Versicherung ankommt, daß die Sache in Ordnung sei; will aber der Antwortende angeben, unter welchen Verhältnissen, wann und von wem es geschehen sei, so muß er sagen: ''Er ist gestern, er ist noch denselben Abend, wo er eintraf, er ist von N. beantwortet worden''. Danach sind folgende Sätze aus dem allerliebsten Buche eines Predigers im Drömling (M. Ebeling) nicht gut zu heißen: ''Jener Faulpelz ... war der verbummelte Sohn eines Pastors. An der Wiege und beim Aufwachsen im Pfarrhause waren ihm keine übermütigen Studentenlieder gesungen, sondern das Beten und Kirchengehen als Christenpflicht vorgehalten'' (fehlt: ''worden''). ''Der Ton, der damals in dem ... Gemüte des Pfarrersohnes angeschlagen'' (fehlt: ''worden'') ''war, klang jetzt noch fort. Was besagte dies alles für einen Jungen, der bisher unter der Zucht des Lehrers gestanden hatte, zu Hause bald hierhin, bald dorthin geschuppt'' (fehlt: ''worden'') ''war?'' Wie denn aber, wenn gar auch in einem wieder preußischen Schulbuche steht: ''Hektor ist, während er für das Vaterland kämpfte, von Achill getötet'', oder: ''Preußen ist von Friedrich dem Großen vermehrt''?! Freilich auch W. Raabe hat viele Sätze der Art: ''Alles, was der Mensch nötig hat, ist der Schwester'' [die längst tot ist] ''genommen''; oder: ''P. Holtzmann ist 1849 in einer römischen Villa von französischen Plünderern erstochen, als er Raphaels Madonna vor ihrer Zerstörungswut schützen wollte''. Aus Th. Storms Briefen sei zu dem § 115 verzeichneten Beispiele noch angemerkt: ''Ämil sagte mir, meine Sachen seien in Gotha sehr bekannt und noch neulich in einem Kränzchen vorgelesen'' (6. 2. 52 statt: ''vorgelesen worden''). P. Ernst schreibt: ''Die Freiheit'' $Seite 103$ ''ist oft mißverstanden'', und: ''Ophelia ist von fast allen Menschen als eine der geglücktesten Gestalten des Dichters betrachtet'' //1 Behaghel, Deutsche Syntex II (1924), S. 209 sieht in dieser Abknapsung von ''worden'', eine Erfindung der Kanzleisprache, und ihre überwiegende Häufigkeit bei norddeutschen Schriftstellern führt er darauf zurück, daß im Norden die Schriftsprache mit den Mundarten weniger Fühlung hat als im Süden.//.
Auch das Widerspiel einer Verneinung im Nebensatze zu einer andern, die im Hauptsatze steht oder doch in dessen Zeitwort oder in der Einleitung des Nebensatzes steckt, kann nicht kurzer Hand als fehlerhaft bezeichnet werden. Ja die Fälle, wo das ''nicht'' zwar nie stehen muß, aber auch sein Vorhandensein nicht als Fehler bezeichnet werden kann, sind weit zahlreicher als die, wo es auf alle Fälle verpönt ist. Nicht gehört es in Infinitivkonstruktionen, weil hier das fehlt, was ein ''nicht'' in ''daß''-Sätzen und anderen Fällen oft entschuldigt: der Nachklang ehemaliger Selbständigkeit der Sätze. Man wird also nicht mehr wie Goethe sagen: ''Mit Mühe enthielt ich mich, dich nicht zu besuchen'', oder: ''Ich genierte mich, meine Landkarten nicht aufzunageln'', sondern ohne das ''nicht'', wie es auch nur heißt: ''Jede Macht hütet sich, als die herausfordernde zu erscheinen. Es ist verboten zu rauchen''. Bei ''verbieten'' wird die Verneinung heute überhaupt auch im ''daß''-Satze vermieden: ''Der Arzt hat verboten, daß jemand zu dem Kranken gelassen wird.'' +
Ebenso wird nach den Wendungen: ''es kann nicht fehlen, es fehlt nicht viel, es fehlt wenig'' die zweite Verneinung heute besser gemieden. Also nimmt man besser nicht mehr den Satz Schillers zum Vorbilde: ''Es kann nicht fehlen, daß sie auf den verschiedenen Wegen nicht zuweilen aufeinanderstoßen''. Denn auch hier wird die zweite Verneinung sehr oft bedeutsam benötigt: ''Es fehlt nicht mehr viel, daß dem Altreichskanzler nicht mehr gestattet wird, Berlin, die Hauptstätte seines beispiellosen Wirkens, zu betreten''. Wenn der Inhalt des ''daß''-Satzes bejahend bleiben soll, hält man sich also lieber an das Muster Wielands: ''Erzählt uns nicht Ovid, wie wenig gefehlt hätte, daß sogar die ehrwürdige Vesta von dem gefährlichsten Liebhaber überrascht worden wäre?'' +
Eine ganz andere Bewandtnis als mit dem ''s'' des Wesfalls der Einzahl hat es mit dem ''e'' vor diesem und besonders mit dem ''e'' des 3. Falls. Im allgemeinen gebührt im sorgfältigen und getragenen Stile allen Wörtern, die zu den Gruppen I, III und VI (§ 54) gehören, die vollständige Endung ''-es''. Notwendig ist sie sogar, wenn sonst schwerfällige, unschöne Konsonantenhäufungen entstünden, so selbstverständlich nach Zischlauten, aber auch nach ''-ld'', ''-nd'', ''-mpf'': ''Feldes, Grundes, Kampfes'', und nach weichen Mitlauten wie ''b, d'': ''des Leibes, Grades''. Neben den Endungen sind die Verwendungen des Wortes zu berücksichtigen. Manches Wort, das für sich allein im sorgfältigen Stile die volle Endung beansprucht, verzichtet darauf, wenn es das weniger betonte zweite Glied einer Zusammensetzung ist, also daß es gut nur ''des Steines, Pferdes, Baumes, Strauches'' lauten kann und doch daneben gleich gut stehen kann ''des Edelsteins, Reitpferds, Apfelbaums, Dornstrauchs'', wie denn aus gleichem Grunde die Ableitungssilben ''-and'' und ''-end'', ''-ig'', ''-ing'', ''-rich'', ''-sal'', ''-tum'' gewöhnlich nur ''s'' annehmen: ''Heilands, abends, Röhrichts, Käfigs'' u. ä. Auch wenn ein Genetiv formelhaft in besonderer Bedeutung steht und kaum noch als Hauptwort im 2. Falle, sondern als ganz andere Wortart empfunden wird, hat dies gewöhnlich zur Folge, daß die kürzere Form gewählt wird. So stehn nebeneinander am Rande ''des Weges'' und ''geradenwegs'', ''des Rechtes'' und ''von Rechts wegen'', ''die Länge des Tages'' und ''tags darauf''. +
Am häufigsten von allen Gallizismen ist endlich wohl die buchstäbliche Nachäffung der Formel ''c’est — que''. Zwischen deren Teile schiebt der Franzose den hervorzuhebenden Teil eines Satzes ein, und zwar gleich in dem von diesem geforderten Abhängigkeitsverhältnisse, ohne auf dieses in dem Satze mit ''que'' noch einmal Rücksicht zu nehmen. Vom Standpunkte seiner Sprache aus mit Recht, insofern ''que'' hier gar nicht ''daß'' bedeutet, sondern eine Relativpartikel ist, die die Fähigkeit hat, jeden vorausgehenden Begriff aufzunehmen. Das ''daß'' in solchen französelnden Wendungen ist also eigentlich das Dümmste, was man sich denken kann; und wenn ein Übersetzer einen Satz Dumas’ so wiedergibt: ''Es war nicht ohne lebhafte Genugtuung, daß er seinen Geburtsort wiedersah'', so ist das wie alle die vielen ähnlichen Formeln beim Jungen Deutschland wie bei dem „vor und nach der Wende des Jahrhunderts“ durchaus keine Nachahmung im Geiste. Als Nachäffung erweist es sich am deutlichsten durch die ganz undeutsche Gleichgültigkeit gegen die Zeitverhältnisse, wenn z. B. F. Lewald schreibt: ''Es ist bei dieser Gelegenheit, daß jenes Bekenntnis zustande kam.''
3. Dazu nimmt man abgesehn von dem berechtigten Spotte der Franzosen, daß die Deutschen unverdaute Brocken ihrer Sprache verschlucken, auch noch einen dreifachen Schaden in Kauf, den die Formel an echt deutschem Sprachgute anzurichten droht. +
Von den mit der bloßen Nennform verbundenen Hilfszeitwörtern wird ''wollen'' jetzt oft in tadelnswerter Weise mit einem Passivum verbunden, wo von einem ''Müssen'' und ''Sollen'' die Rede ist. So ist zwar richtig: ''er will von niemand getadelt sein'', d. h. er will nicht, daß ihn jemand tadle, aber verkehrt, was in der Tgl. R. ein Professor schrieb: ''Es ist unbegreiflich, daß dieser haarsträubende Unsinn von der modernen Welt nicht eingesehen werden will''! Denn da schreibt man Dingen, mit denen etwas geschehen soll, einen Willen zu und nicht dem allein willenbegabten Wesen, hier der modernen Welt, die wollen sollte! Es ist hier eine Ausdrucksweise bis zum äußersten überspannt, welche innerhalb gewisser Grenzen, namentlich in allgemeinen Sätzen, gar nicht unwirksam ist, insofern sie, dem Geiste der Sprache entsprechend, Leben und Empfindung in das Tote hineinlegt; ich meine Fügungen der Art: ''Dazu will viel sein. Dabei will viel berücksichtigt sein. Auch das wolle beachtet sein''. Ja, die Nennform der Zukunft können wir Deutsche gar nicht anders umschreiben als: ''es scheint regnen zu wollen'', ganz zu schweigen vom englischen ''will''. Die mißbräuchliche Überspannung ist hauptsächlich süddeutsch. Man höre nur ein Beispiel dorther: ''Ein Heizer des württembergischen Dampfbootes „Königin“ wollte'' (statt ''sollte'') ''wegen Raufhändeln vor dem Thurgauer Bezirksgerichte belangt werden, wußte sich aber dem Arme der Justiz zu entziehen''; ein sonderbarer Kauz, der vors Gericht kommen wollte und zu diesem Zwecke — davonlief. +
F
In beängstigender Weise hat in neuerer Zeit die Neigung zugenommen, statt des Bestimmungswortes einer Zusammensetzung ein Adjektiv zu setzen, also z. B. statt ''Fachbildung'' zu sagen: ''fachliche Bildung''. Sie hat in kurzer Zeit riesige Fortschritte gemacht, wie sie sich nur daraus erklären lassen, daß diese Ausdrucksweise jetzt für besonders schön und vornehm gilt. Früher sprach man von ''Staatsvermögen, Gesellschaftsordnung, Rechtsverhältnis, Kriegsereignissen, Junkerregiment, Soldatenlaufbahn, Bürgerpflichten, Handwerkstraditionen, Geschäftsverkehr, Sonntagsarbeit, Kirchennachrichten, Kultusordnung, Gewerbeschulen, Betriebseinrichtungen, Bergbauinteressen, Forstunterricht, Steuerfragen, Fachausdrücken, Berufsbildung, Amtspflichten, Schöpferkraft, Gedankeninhalt, Körperbewegung, Sprachfehlern, Lautgesetzen, Textbeilagen, Klangwirkungen, Gesangvorträgen, Frauenchören, Kunstgenüssen, Turnübungen, Studentenaufführungen, Farbenstimmung, Figurenschmuck, Winterlandschaft, Pflanzennahrung, Abendbeleuchtung, Nachtgespenstern, Regentagen, Landaufenthalt, Gar-'' $Seite 181$ ''tenanlagen, Nachbargrundstücken, Elternhaus, Gegenpartei, Endresultat'' usw. Jetzt redet man nur noch von ''staatlichem Vermögen, gesellschaftlicher Ordnung, rechtlichem Verhältnis, kriegerischen Ereignissen, junkerlichem Regiment, soldatischer Laufbahn, bürgerlichen Pflichten, handwerklichen Traditionen, geschäftlichem Verkehr, sonntäglicher Arbeit, kirchlichen Nachrichten, kultischer'' (!) ''Ordnung, gewerblichen Schulen, betrieblicher Einrichtung, bergbaulichen Interessen, forstlichem Unterricht, steuerlichen Fragen, fachlichen Ausdrücken, beruflicher Bildung, amtlichen Pflichten, schöpferischer Kraft, gedanklichem Inhalt, körperlicher Bewegung, sprachlichen Fehlern, lautlichen Gesetzen, textlichen Beilagen, klanglichen Wirkungen, gesanglichen Vorträgen, weiblichen'' (!) ''Chören, künstlerischen Genüssen, turnerischen Übungen, studentischen Aufführungen, farblicher Stimmung, figürlichem Schmuck, winterlicher Landschaft, pflanzlicher Nahrung, abendlicher Beleuchtung, nächtlichen Gespenstern, regnerischen Tagen, ländlichem Aufenthalt, gärtnerischen Anlagen, nachbarlichen Grundstücken, dem elterlichen Hause, der gegnerischen Partei, dem endlichen'' (!) ''Resultat'' usw. Die „Pädagogen" reden sogar von ''schulischen Verhältnissen'' und ''unterrichtlicher Methode'', und in Schulprogrammen kann man lesen, nicht als schlechten Witz, sondern in vollem Ernste, daß ''Herr Kand. X im verflossenen Jahre mit der Schule in unterrichtlichem Zusammenhang gestanden habe''. Aber auch da, wo man früher den Genitiv eines Hauptwortes oder eine Präposition mit einem Hauptwort oder ein einfaches Wort setzte, drängen sich jetzt überall diese abgeschmackten Adjektiva ein; man redet von ''kronprinzlichen Kindern, behördlicher Genehmigung, erziehlichen Aufgaben, gedanklicher Großartigkeit, gegnerischen Vorschlägen, zeichnerischen Mitteln, einer buchhändlerischen Verkehrsordnung, gesetzgeberischen Fragen, erstinstanzlichen'' (!) ''Urteilen, stecherischer Technik, gemischtchörigen Quartetten, stimmlicher Begabung, textlichem Inhalt, baulicher Umgestaltung, seelsorgerischer Tätigkeit'', wo man früher ''Kinder des Kron-'' $Seite 182$ ''prinzen, Genehmigung der Behörden, Aufgaben der Erziehung, Großartigkeit der Gedanken, Vorschläge des Gegners, Mittel der Zeichnung, Verkehrsordnung des Buchhandels, Fragen der Gesetzgebung, Urteile der ersten Instanz, Technik des Stechers, Quartette für gemischten Chor, Stimme, Text, Umbau, Seelsorge'' sagte. Ein Choralbuch wurde früher ''zum Hausgebrauch'' herausgegeben, jetzt ''zum häuslichen Gebrauch''; eine Bildersammlung hatte früher ''Wert für die Kostümkunde'' oder ''Kunstwert oder Altertumswert'', jetzt ''kostümlichen'' (!), ''künstlerischen'' oder ''altertümlichen'' (!) ''Wert''. Die Sprachwissenschaft redete früher von dem ''Lautleben der Sprache'' und vom ''Lautwandel'', jetzt nur noch von ''dem lautlichen Leben'' und ''dem lautlichen'' (!) ''Wandel''; die Ärzte sprachen sonst von ''Herztönen des Kindes'' und von ''Gewebeveränderungen'', unsre heutigen medizinischen Journalisten schwatzen von ''kindlichen'' (!) ''Herztönen''//* Es handelt sich um Beobachtungen an dem noch ungebornen Kinde!// und ''geweblichen'' (!) ''Veränderungen''. Auch Fremdwörter mit fremden Adjektivendungen werden mit in die alberne Mode hineingezogen; schon heißt es nicht mehr: ''Stilübungen, Religionsfreiheit, Kulturfortschritt, Maschinenbetrieb, Finanzlage, Inselvolk, Kolonieleitung, Artilleriegeschosse, Infanteriegefechte, Theaterfragen, Solo-, Chor- und Orchesterkräfte'', sondern ''stilistische Übungen, religiöse Freiheit, kultureller Fortschritt'' (scheußlich!), ''maschineller Betrieb'' (scheußlich!), ''finanzielle Lage, insulares Volk, koloniale Leitung, artilleristische Geschosse, infanteristische Gefechte'' (alle Wörter auf ''istisch'' klingen ja äußerst gelehrt und vornehm!), ''solistische, choristische'' und ''orchestrale Kräfte''. Auch von'' Alpenflora'' wird nicht mehr gesprochen, sondern nur noch von ''alpiner'' (!) ''Flora''. Am Ende kommts noch dahin, daß einer erzählt, er habe ''in einer alpinen Hütte in sommerlichen Hosen sein abendliches Brot nebst einem wurstlichen Zipfel verzehrt''.
$Seite 183$ Was soll die Neuerung? Soll sie der Kürze dienen? Einige der angeführten Beispiele scheinen dafür zu sprechen. Aber die Mehrzahl spricht doch dagegen; man könnte eher meinen, sie solle den Ausdruck verbreitern, ein Bestreben, das sich ja auch in vielen andern Spracherscheinungen jetzt zeigt. Man fragt vergebens nach einem vernünftigen Grunde, durch den sich diese Vorliebe für alle möglichen und unmöglichen Adjektivbildungen erklären ließe: es ist nichts als eine dumme Mode. Wenn so etwas in der Luft liegt, so steckt es heute hier, morgen da an; ob das Neugeschaffne nötig, richtig, schön sei, darnach fragt niemand, wenns nur neu ist! Um der Neuheit willen schlägt man sogar gelegentlich einmal den entgegengesetzten Weg ein. Hätte man bisher ''Silberhochzeit'' gesagt, so kann man zehn gegen eins wetten, daß sich über kurz oder lang Narren finden würden, die von nun an ''silberne Hochzeit'' sagten; da es aber bis jetzt ''silberne Hochzeit'' geheißen hat, so finden sich natürlich nun Narren, die gerade deshalb jetzt mit Vorliebe von ''Silberhochzeit'' reden. //* Fühlt man denn gar nicht, daß bei der ''silbernen'' und der ''goldnen Hochzeit'' das ''silbern'' und ''golden'' nur ein schönes Gleichnis ist, wie beim ''silbernen'' und ''goldnen Zeitalter''? und daß, dieses Gleichnis durch ''Silberhochzeit'' sofort zerstört und die Vorstellung in plumper Weise auf das Metall gelenkt wird, das dem Jubelpaar in Gestalt von Bechern, Tafelaufsätzen u. dgl. winkt? Ober wollen wir in Zukunft auch vom ''Goldzeitalter'' reden? Wir reden von einem ''Bronzezeitalter'', aber in wie anderm Sinne! Daß schon Goethe einmal das Wort ''Silberhochzeit'' gebraucht — in einem Brief an Schiller nennt er Gedichte Wielands ''Schoßkinder seines Alters, Produkte einer Silberhochzeit'' —, auch Rückert einmal (in trochäischen Versen, wo ''silberne Hochzeit'' gar nicht unterzubrringen gewesen wäre), will gar nichts sagen.// In einer Lebensbeschreibung Bismarcks ist gleich das erste Kapitel überschrieben: ''Unter dem Zeichen des Eisenkreuzes''. Also aus dem geschichtlichen ''Eisernen Kreuze'', das doch für jeden heilig und unantastbar sein sollte, wird ein ''Eisenkreuz'' gemacht — aus bloßer dummer Neuerungssucht.
Die Adjektiva auf ''lich'' bedeuten eine Ähnlichkeit; ''lich'' ist dasselbe wie ''Leiche'', es bedeutet ''den Leib, die Gestalt''; daher auch das Adjektivum ''gleich'', d. i. geleich, was dieselbe Gestalt hat. ''Königlich'' ist, was die $Seite 184$ Gestalt, die Art oder das Wesen eines Königs hat. Will man nun das mit den ''kronprinzlichen Kindern'' sagen? Gewiß nicht. Man meint doch die Kinder des Kronprinzen, und nicht bloß kronprinzenartige Kinder. Was kann eine Arbeit ''sonntägliches'' haben? eine Bewegung ''körperliches''? eine Wirkung ''farbliches''? eine Pflicht ''bürgerliches''? ein Herzton ''kindliches''? eine Frage ''theatralisches''? Gemeint ist doch wirklich ''die Arbeit am Sonntage, die Bewegung des Körpers, die Wirkung der Farben'' usw.//* Darum gehört auch die Behandlung dieses Fehlers nicht, wie manche wohl meinen könnten, in die Wortbildungslehre, sondern sie gehört in die Satzlehre. Der Fehler liegt nicht in der Bildung der Adjektiva — gebildet sind sie ja richtig —, sondern in ihrer unlogischen Anwendung.// Und hat man denn gar kein Ohr für die Häßlichkeit vieler dieser neugeschaffnen Adjektiva (''fachlich, beruflich, farblich, klanglich, stimmlich, forstlich, pflanzlich, prinzlich, erziehlich'')?
Hie und da mag ja ein Grund für die Neubildung zu entdecken sein, so mag zwischen ''Regentagen'' und ''regnerischen Tagen'' ein Unterschied sein: an ''Regentagen'' regnets vielleicht von früh bis zum Abend, an ''regnerischen'' (früher: ''regnigten'') ''Tagen'' mit Unterbrechungen. Der Chordirektor, der zuerst von einem ''Terzett für weibliche Stimmen'' anstatt von einem ''Terzett für Frauenstimmen'' gesprochen hat, hatte sich wohl überlegt, daß unter den Sängerinnen auch junge Mädchen sein könnten. Und der Ratsgärtner, der seiner Behörde zuerst einen Plan zu ''gärtnerischen Anlagen'' am Theater vorlegte, hatte wohl daran gedacht, daß ein eigentlicher Garten, d. h. eine von einem Zaun oder Geländer umschlossene Anpflanzung nicht geschaffen werden sollte. Aber bedeutet denn ''Frau'', wo sichs um die bloße Gegenüberstellung der Geschlechter handelt, nicht auch das ''Mädchen''? Kann sich wirklich ein junges Mädchen beleidigt fühlen, wenn es aufgefordert wird, einen Frauenchor mitzusingen?//** Zu welcher Geschmacklosigkeit sich manche Leute verirren vor lauter Angst, mißverstanden zu werden, dafür noch ein Beispiel. Ein Zeichenlehrer wollte einen Unterrichtskursus für Damen ankündigen. Aber das Wort ''Damen'' wollte er als Fremdwort nicht gebrauchen, ''Frauen'' auch nicht, denn dann wären am Ende die Mädchen ausgeblieben, auf die ers besonders abgesehen hatte, ''Frauen'' und ''Mädchen'' aber auch nicht, denn dann wären vielleicht Schulmädchen mitgekommen, die er nicht haben wollte. Was kündigte er also an: ''Zeichenunterricht für erwachsene Personen weiblichen Geschlechts!''// Und können denn nicht $Seite 185$ ''Gartenanlagen'' auch Anlagen sein, wie sie in einem Garten sind? müssen sie immer in einem Garten sein? ''Gärtnerische Anlagen'' möchte man einem Jungen wünschen, der Lust hätte, Gärtner zu werden, wiewohl es auch dann noch besser wäre, wenn er Anlagen zum Gärtner hätte. Nun vollends von einem ''künstlerischen Genuß'' zu reden statt von einem ''Kunstgenuß, von gärtnerischen Arbeiten'' statt von ''Gartenarbeiten'' (''die Rekonvaleszenten der Anstalt werden mit gärtnerischen Arbeiten beschäftigt''), ist doch die reine Narrheit.
Noch größer als bei Infinitivsätzen mit ''um zu'' ist bei Partizipialsätzen die Gefahr eines Mißverständnisses, wenn das Partizip an ein andres Wort im Satze als an das Subjekt angelehnt wird; das nächstliegende wird es auch hier immer sein, es auf das Subjekt des Hauptsatzes zu beziehen. Entschieden schlecht, wenn auch noch so beliebt, sind Verbindungen, wie folgende: ''angefüllt mit edelm Rheinwein, überreiche ich Eurer Majestät diesen Becher — kaum heimgekehrt, wandte sich die engherzigste Philisterei gegen ihn — im Begriff'' (nämlich ''seiend''), ''mit Dampf das Weite zu suchen, ward man ihrer auf dem Bahnhofe habhaft — einmal gedruckt, kehre ich dem Buche den Rücken — erhaben über Menschenlob und dessen nicht bedürftig, wissen wir, was wir an unserm Fürsten haben — an der Begründung unsers Unternehmens wesentlich beteiligt und während der ganzen Dauer desselben an der Spitze des Aufsichtsrates stehend, verdanken wir der Tatkraft und Geschäftskenntnis des verehrten Mannes unendlich viel — abstoßend, schroff, von der mildesten Güte, verschlossen und hingebend, konnte man ganz irre an ihm werden — durch Rotationsdruck angefertigt, sind wir in der Lage, das Verzeichnis zu einem Spottpreis zu liefern — verzweiflungsvoll umherblickend, schlotterten dem Angeredeten die Kniee''.//* Der Verfasser dieses Satzes könnte sich allerdings auch ''die Kniee umherblickend'' gedacht haben. Bei Romanschreibern ist alles möglich. Erzählt doch ein andrer, daß eine junge Dame einen ihr erwiesenen Ritterdienst „mit einem lächelnden Schlage ihrer kleinen Hand" belohnt habe.// Besonders beliebt ist es jetzt, das Partizip ''anschließend'' so zu verbinden, daß man immer eine Zeit lang im Satze suchen muß, worauf es sich eigentlich beziehen soll, z. B. ''schon in Ingolstadt hatte er sich, anschließend an seine astronomischen Arbeiten, optischen Studien gewidmet''. Das ''anschließend'' soll hier auf ''Studien'' gehen: ''er schloß die optischen Studien an seine astronomischen Arbeiten an''. Ebenso: ''anschließend an diese allgemeine Einführung dürfte es zweckmäßig sein, einmal das Gebiet der Einzelheiten'' $Seite 170$ ''zu übersehen''. Das schlimmste ist es, vor den Hauptsatz ein absolutes Partizip zu stellen, für das man sich dann vergebens in dem Satze nach einem Begriff umsieht, auf den es bezogen werden könnte, z. B.: ''wiederholt lächelnd und lebhaft grüßend, fuhr das Kriegsschiff vorüber''. Die Partizipia sollen sich auf ''den Kaiser'' beziehen! Es braucht nicht immer ein so lächerlicher Sinn zu entstehen wie hier, auch so beliebte Partizipia, wie: ''dies vorausgesetzt, dies vorausgeschickt, dies zugegeben'' u. ähnl., sind nicht schön. Ja man kann noch weiter gehen und sagen: das unflektierte Partizip überhaupt, wenigstens das der Gegenwart (''1870 wandte er sich an Richard Wagner, ihn fragend — er schlich sich feige davon, nur ein kurzes Wort des Abschieds zurücklassend''), hat im Deutschen immer etwas steifes; die Sprache erscheint in solchen Partizipien wie halb erstarrt.
Ein gemeiner Fehler, dem man in Relativsätzen unendlich oft begegnet, ist der, daß an einen Relativsatz ein zweiter Satz mit ''und, aber, jedoch'' angeknüpft wird, worin aus dem Relativ in das Demonstrativ oder in das Personalpronomen gesprungen oder sonstwie schludrig fortgefahren wird, z. B. ''eine Schrift, die er auf seine Kosten drucken ließ und sie umsonst unter seinen Anhängern austeilte — Redensarten, welche der Schriftsteller vermeidet, sie jedoch dem Leser beliebig einzuschalten überläßt — die vielen Fische, die er bisweilen selbst füttert und ihnen zuschaut, wenn sie nach den Krumen schnappen — ein Bauer, mit dem ich über Feuerversicherungsgesellschaften sprach und ihm meine Bewundrung dieser trefflichen Einrichtung ausdrückte — am Schlusse gab Herr W. Erläuterungen über die Vorzüge der Neuklaviatur, welch letztere'' (!) ''übrigens in der hiesigen Akademie für Tonkunst bereits eingeführt ist und der Unterricht auf derselben'' (!) ''mit bestem Erfolge betrieben wird'' (das richtige Dummejungendeutsch!) — ''eine übermächtige Verbindung, welcher der Herzog schnell mürbe gemacht wich und sich zu einer Landesteilung herbeiließ — dieser Kranke, an den ich seit zwanzig Jahren gekettet war und nicht'' $Seite 128$ ''aufatmen durfte — er entwendete verschiedne Kleidungsstücke, die er zu Gelde machte und sich dann heimlich von hier entfernte — sie erhielt Saalfeld, wo sie 1492 starb und in Weimar begraben wurde — die Seuche, an der zahlreiche Schweine zu Grunde gehen und dann noch verwendet werden — es geht das aus dem Testament hervor, das ich abschriftlich beifüge und von fernern Nachforschungen absehen zu können glaube — ein Augenblick, den der Verhaftete benutzte, um zu entweichen, und bis zur Stunde noch nicht wieder aufgefunden worden ist.''
Es ist klar, daß durch ''und'' nur gleichartige Nebensätze verbunden werden können. Geht also ein Relativsatz voraus, so muß auch ein Relativsatz folgen; die Kraft der relativen Verknüpfung wirkt über das ''und'' hinaus fort. In den ersten Beispielen muß es also einfach heißen: ''und umsonst austeilte —, jedoch einzuschalten überläßt'' —, in den folgenden: ''und denen er zuschaut, und dem ich meine Bewundrung ausdrückte''. In den übrigen Beispielen ist der Anschluß eines zweiten Relativsatzes überhaupt unmöglich, weil der Begriff, der im Relativ erscheinen müßte, in dem zweiten Satze gar nicht wiederkehrt; es kann höchstens heißen: ''worauf er sich heimlich entfernte — sodaß ich absehen zu können glaube''.
Steht das Pronomen der Relativsätze im Genitiv, so ist es ein beliebter Fehler, in dem zweiten Relativsatz, obwohl das Subjekt dasselbe bleibt, dieses Subjekt durch ein Relativpronomen zu wiederholen, z. B.: ''der Kaiser, dessen Interesse für alle Zweige der Technik bekannt ist, und das gerade bei der Berliner Ausstellung wieder klar zu Tage tritt — das Sprachgewissen, dessen Stimme sich nicht überhören läßt, die sich vielmehr geltend macht bei allem, was wir lesen und schreiben''. Das ebenso beliebte Gegenstück dazu ist es dann, einen zweiten Relativsatz, der dem ersten untergeordnet ist, mit ''und'' anzuknüpfen, z. B.: ''eine Ehe, vor deren Sündhaftigkeit sie ein wahres Grauen hat, und das sie doch allmählich überwinden muß — er sollte ihr ein Wort ins Ohr flüstern, von deren Antlitz sein Herz geträumt'' $Seite 129$ ''hatte, und von dem es sich nicht abwenden konnte''. In den ersten beiden Sätzen muß das zweite Relativpronomen weichen, in den letzten beiden das ''und''; der letzte Satz bleibt freilich auch dann noch Unsinn.
Ein abscheulicher Fehler ist es, wenn man zwei Relativsätze miteinander verbindet, ohne das Relativum zu wiederholen, obwohl das Relativpronomen in dem einen der beiden Sätze Objekt, in dem andern Subjekt ist, der eine also mit dem Akkusativ, der andre mit dem Nominativ anfängt, z. B.: ''die Festschrift, die Georg Bötticher verfaßt hat und von Kleinmichel mit Schildereien versehen worden ist — die Veranlassung ist dem kleinen Gedicht entnommen, das man auf S. 95 findet und hier angeführt sein möge''. Dieser Fehler gehört unter die zahlreichen Sprachdummheiten, die dadurch entstehen, daß man ein Wort nicht als etwas Lebendiges, Sinn- und Inhaltvolles, sondern bloß als eine Reihe von Buchstaben ansieht, also — durch die Papiersprache. Ob diese Buchstabenreihe das einemal Akkusativ, das andremal Nominativ ist, ist dem Papiermenschen ganz gleichgiltig. Schreibt doch eine Memoirenerzählerin sogar: ''Natur und Kunst lernten wir lieben und wurden in unserm Hause gepflegt!''
Man höre nach jenen Mustersätzen die folgenden aus Zeitungen, und man wird deutlich den Ruck verspüren, den einem ihr Verlauf versetzt, weil er den Ansprüchen unseres Geisteslebens, unseres Denkvermögens gerade entgegengesetzt ist, das von dem Gegebenen und Vorausgesetzten zum Weitern und Folgenden fortschreitet und das vorher Genannte wohl als bestimmend für alles Folgende, nicht aber Späteres ebenso leicht für das Frühere zu berücksichtigen vermag. ''Der Schuß wurde bei Herstellung der Schleier nicht fest angeschlagen, sondern die Kunst bestand darin, allen Fäden den gleichen Abstand von den andern zu geben. Verschiedene Muster, Blumen, Streifen usw. wurden durch besondere von Kindern dirigierte Züge am Stuhle diesen Stoffen eingewirkt'' (statt mit dem Bekannten am Anfange: ''Diesen Stoff wurden'' usw.). — ''Den Besuchern'' (''des Königsteins'') ''wurde durch die Anwesenheit des Kriegsministers der seltene Genuß zuteil, das Echo des Liliensteins zu hören, indem ein kleines Geschütz dem Herrn Minister'' (statt: ''indem dem Herrn Minister ein kleines Geschütz'') ''vorgeführt wurde. — Die neuere Oper, die Mascagni nach Erkmann Ch.'s Drama „Die Rantzau“ bearbeitet, hat ebenfalls zu einem Prozeß geführt. Die französischen Verleger des Dramas haben gegen Sonzogno und Mascagni die Klage eingereicht, weil ohne ihre Erlaubnis die Bearbeitung der Rantzau zu einer Oper vorgenommen worden ist'' (statt: ''weil die Bearbeitung der Rantzau — das Alte, Gegebene — ohne ihre Erlaubnis — das Neue''). +
Falsche Stellung führt oft zur Fälschung des ganzen Gedankens. So schon in dem Satze Grimms: ''Dies war die erste und letzte Ungerechtigkeit, die Theodorich begangen hatte, daß er den S. und B. verurteilte, ohne wider seine Gewohnheit'' $Seite 401$ (statt: ''wider seine Gewohndheit, ohne'') ''die Sache näher untersucht zu haben''; gar erst in dem folgenden: ''Bei den Zigeunern ist der Name Christobal als Vorname sehr beliebt''; ''es soll aber nicht gesagt werden, daß sie trotz dieses Namens'' (statt: ''es soll aber trotz dieses Namens nicht gesagt werden, daß sie'') ''gute Christen wären''. Ebenso unmöglich ist die Stellung: ''Der Major gilt als ein bei Vorgesetzten und Kameraden hochbefähigter Offizier'' (Münchner Allg. Ztg. 1907, 31. Dez.). Nicht minder gröblich ist die Stil- und Anstandsverletzung in der Überschrift: ''Bekanntmachung betr. Maul- und Klauenseuche des Herrn Regierungspräsidenten'', und in dem Landgerichtsurteil: ''Wenn auch die Identität des Schweines mit dem Vorderrichter anzunehmen ist'' usw.; lächerlich auch die Empfehlung: ''Halbseidene Strümpfe für Damen mit kleinen Fehlern'' (§ 171 ff.), und Kopfschütteln über Verkehrsbehörden muß die Meldung erregen: ''Zug 1 stieß fahrplanmäßig'' statt: ''Der fahrplanmäßige Zug 1 stieß um 5,30 infolge Nebels mit dem 5,30 aus Weimar nach Legefeld abgehenden Reichspostauto am Straßenübergange zusammen. Ich bin dort bald einmal'' (= ''oft'') ''gestolpert besagt'' etwas anderes als ''Ich bin dort einmal bald'' (= ''beinahe'') ''gestolpert. Die Stellung eine Raupe, die in Farbe und Form kaum im dichten Dickicht sichtbar ist'', legt die lächerliche Fortsetzung nahe: ''geschweige denn im Finstern'', während alles klar wäre bei der Folge: ''die ... im dichten Dickicht kaum sichtbar ist''. Chamisso, dessen Wortstellung man überhaupt oft noch etwas Französisches anmerkt, steckt: ''Ich hatte mich schon wirklich durch den Rosenhain den Hügel hinab glücklich geschlichen'', so daß man unwillkürlich fragt: Kann man sich auch unglücklich machen durch Schleichen? Und doch ist gemeint: ''es war mir geglückt, mich'' — ''zu schleichen''. Gerade solche Adverbien, die keine eigentliche Artangabe enthalten, sondern ein Urteil, indem sie einen Satz ersetzen, also auch ''törichter-, glücklicherweise'', auch ''leider, entschieden, gewiß, sicher'' (vgl. § 45) stehn, wie bei Goethe tatsächlich, am besten an der Spitze des Satzes oder Satzteiles. Das ist nicht beachtet in dem Satz R. Schickeles: ''Er stürtzte 8m tief, ohne sich wunderbarerweise'' (statt: ''wunderbarerweise ohne sich'') ''ernstlich zu verletzen''. Am leichtesten wird der Spötter oft vom ernstesten Schriftstück, der Todesanzeige, herausgefordert, oder wenn man liest: ''Nach längerm Leiden hat es dem lieben Gott gefallen, meinen guten Mann zu sich zu nehmen'', und: ''Es hat dem allmächtigen Schöpfer der Welt gefallen, während er auf einer Reise nach Mexiko abwesend war, unsern geliebten Bruder zu sich zu nehmen'', muß man da nicht wenigstens lächeln über den leidenden und auf Reisen befindlichen lieben Gott? Denn so muß man nach Stellung und Tonstärke zunächst wenigstens die schräggedruckten Worte beziehen, während bei richtiger gegenseitiger Zusammenrückung des Zusammengehörigen die Lächerlichkeit vermieden worden wäre.
Ein völlig vernachlässigtes Kapitel der deutschen Grammatik ist die Lehre von der Wortstellung. Die meisten haben kaum eine Ahnung davon, daß es Gesetze für die Wortstellung in unsrer Sprache gibt. Gewöhnlich besteht die gesamte Weisheit, die dem Schüler oder dem Ausländer, der Deutsch lernen möchte, eingeflößt wird, in der Regel, daß in Nebensätzen das Zeitwort am Ende, in Hauptsätzen in der Mitte zu stehen pflege; im übrigen meint man, herrsche in unsrer Wortstellung die „größte Freiheit."
Ein Glück, daß das natürliche Sprachgefühl noch immer so lebendig ist, daß die Gesetze der Wortstellung, wie sie sich teils aus dem Sinne, teils aus rhythmischem Bedürfnis, teils aus der Art der Darstellung (schlichte Prosa, Dichtersprache oder Rednersprache) ergeben, trotz der angeblichen „Freiheit" im allgemeinen richtig beobachtet werden. Dennoch gibt es auch eine Reihe von argen Verstößen dagegen, die außerordentlich verbreitet und beliebt sind. Auf Abgeschmacktheiten, wie die des niedrigen Geschäftsstils, bei Preisangaben von ''Mark 50'' zu reden, statt, wie jeder vernünftige Mensch sagt, von ''50 Mark'', oder auf Briefadressen zu schreiben, wie man es neuerdings, natürlich wieder die Engländer nachäffend, tut: ''20 Königsstraße Leipzig'', statt, wie jeder vernünftige Mensch sagt: ''Leipzig, Königsstraße 20'', soll dabei gar nicht Rücksicht genommen werden; ebenso- $Seite 291$ wenig auf die Ziererei mancher Schriftsteller, in schlichter Prosa einen Genitiv immer vor das Hauptwort zu stellen, von dem er abhängt. Auch der häßliche Latinismus, den manche so lieben: ''Goethe, nachdem er'' (vgl. ''Caesar, cum''), soll nur beiläufig erwähnt werden. Ein Nebensatz, der mit einem Fügewort anfängt, und ein Infinitivsatz können in einen Hauptsatz nur dann eingeschoben werden, wenn das Zeitwort des Hauptsatzes bereits ausgesprochen ist. Eine Wortstellung, wie in dem Fibelverse: ''die Gans, wenn sie gebraten ist, wird mit der Gabel angespießt'', oder: ''dem Hunde, wenn er gut gezogen, ist auch ein weiser Mann gewogen'' — ist wohl dem Dichter erlaubt, aber in Prosa sind Satzgefüge, wie folgende, undeutsch: ''die Pflanzen, um zu gedeihen, bedürfen des wärmenden Sonnenlichts — die katholische Kirche, wie sie sich gern der Siebenzahl freut, zählt auch sieben Werke der Barmherzigkeit — alle andern Parteien, wenn sie im übrigen noch so bedenkliche Grundsätze haben, erkennen doch den Staat als notwendig an — der Verband der Sattler, obwohl er erst ein Jahr besteht, umfaßt bereits 37 Vereine.'' Entweder muß es heißen: ''der Verband der Sattler umfaßt, obwohl er'' — oder der Nebensatz muß mit dem Hauptworte vorangestellt werden: ''obwohl der Verband der Sattler'' usw., ''so umfaßt er doch''. Auch der Fehler, der in Satzgefügen wie folgenden liegt: ''um die Reisekosten, die er auf andre Weise nicht beschaffen konnte, aufzutreiben — auf einem der schönsten Plätze der Welt, der zugleich ein Hauptkreuzungspunkt städtischen und vorstädtischen Verkehrs ist, gelegen — M. ist nun auch unter die Novellisten, wohl mehr der Mode folgend als dem innern Drange, gegangen — mir liegt das Stammbuch eines Holsteiners, der um 1750 in Helmstedt studierte, vor — sieht man von der kurzen Würdigung, die Waldberg 1889 in der Allgemeinen Deutschen Biographie gegeben hat, ab — am Neumarkte rissen gestern zwei vor einen Korbwagen gespannte Pferde eine Frau, die auf der Straße stand und sich mit einer andern Frau unterhielt, um — der Redner brach, da die Zeit inzwischen längst die zulässige Frist von zehn Minuten'' $Seite 292$ ''Überschritten hatte und noch ein andrer Redner zu Worte kommen wollte, auf die Aufforderung des Vorsitzenden, mit der Bemerkung, daß er noch viel zu sagen habe, ab'' — auch dieser Fehler soll nur im Vorbeigehen gestreift werden. Die Fälle brauchen nicht immer so lächerlich zu sein wie der letzte; ein eingeschobnes (Satzglied muß zusammen mit dem Gliede, in das es eingeschoben wird, stets folgende Gestalt ergeben, wenn die Verbindung angenehm wirken soll:
[----------[----------]--------- —]
Sehen sie zusammen so aus:
[----------- ------[-----------]-]
so ist der Bau verfehlt, und es ist dann besser, die Einschiebung lieber ganz zu unterlassen, die Glieder so zu ordnen:
[---------- —][------- ----------]
und zu schreiben: ''M. ist nun auch unter die Novellisten gegangen, wohl mehr der Mode folgend als dem innern Drange.''
Der zweite Fall tritt mehrgestaltig auf. Besonders häufig ist der Fehler, daß ein Umstand oder seltner auch ein andrer Satzteil an die Spitze gestellt wird und nun, indem er an der Spitze des zweiten Satzes nicht durch einen neuen gleichartigen Satzteil abgelöst oder durch einen entgegengesetzten aufgehoben wird, unpassend für den ganzen Satz weiterklingt und zu gelten scheint. So in dem Satze eines Gerichtsassessors: ''Während des am 1. August 1859 in Neustädtl stattgehabten'' (!) ''Jahrmarktes ist daselbst ein Stück blauen Bettzeugs in Beschlag genommen und anher eingeliefert worden ... Schneeberg, den 2. Februar 1860''. Auch in besseren Büchern findet sich ähnliches. G. Freytag scheint mit dem Satze: ''In den Flußarmen, welche durch die Stadt führen, hat das Vieh seine Schwemme; dort brüllt und grunzt es und verengt den Weg für Menschen und Karren'', uns alles Ernstes weismachen zu wollen, daß sich die Leute und Fuhrwerke in mittelalterlichen Städten ihre Wege dort, d. h. in den Flußarmen, suchten! Gleich falsch schreibt M. Ebeling: ''Erst im letzten Jahrzehnte sind im Drömlingsbruche deren mehrere gefunden und wohl erhalten geblieben'' statt: ... ''sind deren mehrere gefunden worden, die wohl erhalten geblieben waren''. Der nämliche macht gar einen Sprung über fünfzehn Jahrhunderte hinweg, wenn er also über den Kirchenschlaf klagt: ''In W. wurde 1599 ein Knabe angestellt, der die Aufgabe hatte, in der Kirche mit dem Stocke etwaige Schläfer anzurühren; danach war der Kirchenschlaf schon früher nichts Unbekanntes, ja eigentlich so alt wie die christliche Gemeinde, da selbst eine gewaltige Rede wie die des Apostels Paulus den Eutychus nicht hinderte, einzuschlafen und vom dritten Söller herabzustürzen''; da wird der Form nach der zweite Schluß erst auch aus jener Einrichtung des Jahres 1599 gezogen (''danach''); zwei verschiedene Schlüsse bedürfen einfach zwei verschiedener Sätze, etwa so: ''ja er ist'' (''schließlich'') ''so alt'' usw. Die zwei nächsten Beispiele mögen noch zeigen, daß ebenso andere Satzteile, ja selbst ein Satz fälschlich zu mehreren gezogen werden können: ''Das wohlschmek-'' $Seite 309$ ''kende Fleisch und die Haut, aus der ein starkes Leder bereitet wird, machen das Erdferkel zu einem geschätzten Wild und, wenn es gerade beim Eingraben in den Boden oder in einem Termitenbau überrascht wird, zur sichern Beute des Jägers, wahrlich eine Eigentümlichkeit, die man zur Freude der Sonntagsjäger allem Wild wünschen mochte. — Am Sonnabend gingen alle Bahnen zurück, nur die böhmischen und rheinischen stiegen sogar, wohl weil die Hochwasser am Rhein für einige Zeit mehr Güter dem Bahn- als dem Schiffsverkehr zuweisen dürften''; jeder sieht, daß da der Form nach ein nur für die rheinischen Bahnen geltender Grund auch auf die böhmischen übertragen wird; es mußte etwa heißen: ''die böhmischen und rheinischen stiegen sogar, die letzteren wohl, weil'' usw. Endlich ein Beispiel dafür, wie ein an der Spitze stehender Satzteil am Anfange des zweiten Satzes durch einen gleichartigen in seiner Wirkung aufgehoben werden kann: ''Am Sonntage vor dem vorjährigen Dresdner Fastenmarkt ist zwischen Pulsnitz und dem Gasthofe zum W ... eine Pferdedecke aufgefunden und vor kurzem anher abgegeben worden''.
Alles freilich, was an derartigen Kürzungen und Vertretungen heute gewagt wird, kann nicht gutgeheißen werden. Vor allem muß ein solches Eigenschaftswort in seinem eigentümlichen Gebrauch dadurch beleuchtet werden, daß es neben einem Zeitwort gleichen Stammes oft als Umstandswort vorkommt (''er ißt stark; ein starker Esser''); oder es muß die Vorzüge vereinigen, kürzer und bequemer als die peinlichere, breitere Fügung und gleich treffend und verständlich zu sein. Jene Forderung ist z. B. nicht erfüllt, wenn man einen, der kirchliche oder religiöse Stoffe malt, einen ''religiösen Maler''//2 Wer ''einen kränklichen, gesunden, alten, klugen, liebenswürdigen Eindruck machen'' tadelt, weil ein Eindruck nicht liebenswürdig sein könne, berücksichtigt nicht, daß sich an so viele ältere Wendungen wie ''einen übeln Eindruck machen'' in der § 198 gekennzeichneten Weise diese Verbindungen um so leichter anschließen mußten, überdies kraft einfacher Metonymie, indem die Ursache (''Krankheit'') für die Wirkung (''übel'') eintrat.// nennt, insofern niemand sagt: ''er malt religiös''; dazu bezeichnet ''er'' gewöhnlich einen religiös gesinnten; wie man ähnlich ''urkundliche Fragen'' nicht als ''Urkunden betreffende'' (d. h. ''Urkundenfragen''), sondern nur als ''in Urkunden erhaltene'' verstehen kann; beide Voraussetzungen fehlen auch für die Ausdrücke ''soziale Prügelei'' (statt ''eine von Sozialisten angezettelte Prügelei'') oder das ''hebräische Aufgehn des Präsens im Futurum'', insofern doch das Präsens nicht hebräisch, d. h. auf hebräische Weise im Futurum aufgeht, sondern $Seite 184$ im Hebräischen. Die folgenden zunächst einfach unklaren Fügungen: ''bauliche Überraschungen, schwarzbraune Studien, der hundertjährige theatralische Geburtstag von Kabale und Liebe'' u. m. ä. beruhen auf nichts als auf geistreichelnder Jagd nach gesuchten und rätselhaften Überschriften. Darum, daß der modischen Fügung auch jeglicher Vorzug vor der älteren natürlicheren abgeht, sind auch die folgenden tadelnswert: ''französischer Aufenthalt'' statt ''Aufenthalt in Frankreich, knechtische Strafe'' statt ''Strafe für Knechte, die weiße Einwanderung'' statt ''die Einwanderung Weißer'' oder ''der Weißen, weibliche Auswanderung nach Kanada'' statt ''die Auswanderung von'' (''der'') ''Frauen nach Kanada, weibliches Schulwesen'' statt ''Mädchenschulwesen'' oder ''Einrichtung der Mädchenschule, geographisches Abendessen'' statt ''Abendessen der versammelten Geographen''; selbst ''forstliches Versuchswesen'' statt ''Versuche im Forstwesen'' wird dadurch nicht schöner, daß es in Eberswalde im amtlichen Gebrauche ist. Besonders garstig wirkt auch die Ersetzung eines objektiven Genetivs durch ein Adjektiv; niemand mag also Goethen ''die Klopstockschen Nachahmer'' noch Rümelin die Fügung nachmachen: ''ein landschaftliches Vermissen'' statt ''das Vermissen landschaftlicher Schönheiten'' oder Brandstätter die andere: ''zahlreiche fremde Nachahmungen'' statt ''Nachahmungen des Fremden'', noch der Lit-W. Schr. 29 ''den begabten Eindruck, den der Student machte''.
Gemäß der Bedeutung des gewöhnlichen Einleitungswortes ''welcher'' (= ''was für einer'') und des der Bedeutung nach heute davon kaum noch unterschiedenen ''der'' haben Relativsätze die Aufgabe, eine Eigenschaft, eine Beifügung anzuführen oder doch eine Angabe zu machen, die für den übergeordneten Gedanken irgendwie bestimmend oder beschränkend ist. Damit sie aber diesem ihrem Wesen, eine dem Beziehungsworte innewohnende Eigenschaft oder eine ihm anhaftende Erscheinungsform anzugeben, gerecht werden können, müssen sie von dem Beziehungsworte genau in dessen durch seinen eigenen Satz geforderter Bedeutung gelten, ja wenn jenes durch eine Beifügung schon näher bestimmt ist, von dem dadurch gewonnenen enger umgrenzten Gesamtbegriffe. Statt dessen wird der Relativsatz oft auf Dinge bezogen, die wohl ganz oder teilweise sprachlich mit dem nämlichen Ausdrucke bezeichnet werden wie dasjenige, was der Relativ- $Seite 290$ satz ausdrücken soll, die aber trotz der gleichen Bezeichnung tatsächlich getrennte, andere anderen Personen oder Zeiten angehörige Dinge bezeichnen. So heißt es nichts anderes als ''alte'' und ''neue Truppenübungen'' gleichsetzen, wenn in der Augsb. Allg. gestanden hat: ''Er gedenkt daselbst neue Truppenübungen vorzunehmen, von denen er erst vor wenigen Tagen zurückgekehrt ist'' (statt ''während'' oder ''obgleich er doch erst vor wenigen Tagen von welchen, von anderen zurückgekehrt ist''). Sehr ähnlich stand in der Tgl. R.: ''E. Pasqué nahm längeren Aufenthalt in Darmstadt, den er nur vorübergehend mit Weimar vertauschte''. Die Köln. Zeitg. setzte sogar einen ''Kollektivschritt'' und die ''Vorstellung einer einzelnen Macht'' gleich: ''um damit zu einem Kollektivschritte zu gelangen, welcher bis dahin individuell geblieben war'' (statt: ''während das Vorgehen nur ein individuelles gewesen war''); und ein Romanschreiber brachte es fertig, ein vor der Tür stehendes Mädchen den Schrei ausstoßen zu lassen, den ein junger Mann im Fallen unterdrückte. Auch Schillers Satz: ''Stolze Selbstgenügsamkeit zieht das Herz des Weltmannes zusammen, das in dem rohen Naturmenschen noch sympathetisch schläft'', ist im Grunde ebenso bedenklich.
Die relativische Anfügung eines neuen, selbständigen Gedankens an den vorhergehenden muß getadelt werden, wenn beide knapp und hart aneinandergerückt sind; denn da muß dem Sprachbewußtsein der Widerspruch zwischen dem gleichen Werte der Gedanken und ihrer verschiedenen Form zu fühlbar werden, wie denn auch bei solch abgerissener Form ein Bedürfnis, den Gedanken in andrer Form weiterzuspinnen, nicht vorliegen kann. Allein deshalb sind alle folgenden fünf Sätze tadelnswert, ob sie nun, wie die ersten drei, der Reihe nach von den Sprachmeistern Grimm, Goethe und Schiller herrühren, oder aus Zeitungen, wie die letzten zwei: ''Der Jäger befahl dem Schützen, ihn festzuhalten, der sich aber weigerte. Ein alter Hausknecht öffnete die Tür des alten Gebäudes, in das sie mit Gewalt eindrangen. Seine Augen suchten Biondello, den er herbeirief. Heute Nacht brach Feuer in der Landwehrkaserne aus, das erst am Morgen gelöscht werden konnte. Da sah er plötzlich, daß ein Fenster geöffnet und eine Flasche herausgeworfen wurde, von welcher er getroffen wurde. Wirklich, er sah eine solche Flasche werfen, von welcher er getroffen wurde, und wich nicht aus?'' Auch wenn Jensen meldet: ''Man benutzte den Klosterbau zur Anlage einer Tuchfabrik, die in Flammen aufging und den jetzigen Ruinen'' $Seite 291$ ''zustand hinterließ, soll man wohl den Begründern im stillen dafür danken, daß sie gerade eine solche errichteten, um der Gegend einen romantischen Reiz zu verleihen?'' Auch das auf den ganzen Satz gehende ''was'' ist nicht geeignet, einen so scharfen Gegensatz anzuführen wie in dem Satze der Tgl. R.: ''Das Modell in Chelsea ist nicht vollständig; denn wir sehen es nur von der Wasserlinie an vor uns, was aber genügt, da der obere Teil das meiste geschichtliche Interesse bietet''.
Der Widerstreit zwischen Form und Inhalt fällt noch mehr auf, wenn der Nebensatz mit seinem sachlich späteren Ereignisse mitten in den Hauptsatz eingefügt, der spätere Gedanke also früher zu Ende gehört und gedacht wird und somit noch stärker der Eindruck hervorgerufen werden muß, als ob der Inhalt des Nebensatzes etwas den Hauptsatz Bestimmendes sei. Wie groß der nachhinkende Teil des Hauptsatzes ist, macht dabei keinen Unterschied. Der Satz der Deutschen Ztg.: ''Der Blitz warf einen Arbeiter, der in ein Krankenhaus befördert werden mußte, nieder'', ist also gleich schlimm wie der bei Ebers: ''Nach wenig Minuten kehrte der Sicherheitswächter mit einem großen Mantel, in den Klea sich hüllte, und einem breitkrempigen Hut, den sie auf ihr Haupt drückte, zurück. Wie hart, möchte man rufen, daß ein schon auf dem Wege in das Krankenhaus befindlicher Arbeiter auch noch vom Blitze getroffen wurde''! Jedoch auch ohne solche Zwischenstellung genügt Unklarheit über die Folge der Ereignisse und Zweideutigkeit schon allein, einen Relativsatz als fehlerhaft erscheinen zu lassen. Man lese noch den § 325, Abs. 2 in anderem Zusammenhange besprochenen Satz Schillers.
Am allerwenigsten darf die in § 308, 4 bes. besprochene Art zusammengezogener Relativsätze entstehen; und doch gerät in deren Ungeheuerlichkeiten leicht jeder, der sich öfter der relativischen Anknüpfung für Hauptsätze bedient. Das läßt sich an keinem Geringeren als Schiller beobachten, in dessen Denkwürdigkeiten aus dem Leben des Marschalls v. Vieilleville sich neben einer erklecklichen Anzahl berechtigter Anwendungen des weiterführenden Relativs eine noch viel größere Menge solcher findet, welche nimmer nachgeahmt werden dürfen, bis herab zu dem außer Rand und Band gegangenen Satze: ''Der König wünschte, daß Vieilleville den Friedensunterhandlungen mit Spanien ... beiwohnte, welches er auch tat und durch seine weisen Ratschläge es in kurzem soweit brachte, daß sie den 7. April 1559 abgeschlossen wurden und mit welcher Nachricht er selbst an den König geschickt wurde''. Freilich war Sch. damals mehr noch Schreiber ums Brot als Meister deutscher Prosa.
Um so nötiger erscheint es, das Zulässige festzustellen, damit jedes Übermaß von Bequemlichkeit desto entschiedener zurückgewiesen werden könne.
Andere Verbindungen solcher Personalsubstantive mit ähnlichen Verhältnisattributen muten oft wenigstens ungewöhnlich an, so z. B. wenn P. Keller eine Wahrsagerin — allerdings mit humoristischer Wirkung — ''das alte Fernrohr in die Zukunft'' nennnt oder Br. Tanzmann ''vom Bootsmann über den Lethe'' spricht. Wenn sich dadurch sogar das Sprachgefühl verletzt fühlt, so hat das zwei Gründe. Einmal fehlt die entsprechende Fügung beim Zeitwort als die nötige Vorstufe für ein Verhältnisattribut, so in den Zeitungswendungen: ''Redner an die deutsche Nation'' und ''Anfeindung der Zentrumspresse an Herrn Dr. Kopp''. Häufiger liegt der Grund in dem Mangel des Gefühls für die Bedeutung der abgeleiteten Personennamen, der sich in den Fügungen verrät. In den Verbindungen: ''Eindringling in seine Herde und Felder, Flüchtlinge auf fremden Boden''//1 ''Die Flüchtlinge in ihrer Mitte wurden wieder unruhig, Flüchtlinge aus Frankreich'' u. ä. erklärt sich in der § 166 erläuterten Weise.// widerstreitet es dem Wesen der Bildungen auf -''ling'', die den Träger der durch das Stammwort angedeuteten Handlung oder Eigenschaft in einer für sich abgeschlossenen Weise bezeichnen (''Männer, die zum Eindringen geneigt sind''), daß diese wie die Stammverben mit Ortsangaben verbunden werden. Ähnlich ist es oft bei den Wörtern auf -''er''. Deren Geltung als Gattungsbegriffe, ihre Entwicklung in einer dem zugehörigen Verbum nicht ebenso innewohnenden Sonderbedeutung, namentlich zur Bezeichnung eines Standes oder des Wesens eines, der dieselbe Tätigkeit regelmäßig ausübt, verträgt es wohl, daß sie auf die § 169 beleuchtete Art mit demselben Umstande wie das Zeitwort verbunden werden. Aber nimmer kann jeder, wenn er einmal die durch das Stammverbum ausgedrückte Tätigkeit ausführt, auch durch das entsprechende Verbalsubstantiv bezeichnet werden. Die gewöhnliche Bedeutung von ''Bringer'' = ''Überbringer, Verleiher'' läßt z. B. Grimms Ausdruck ''Bringer ins Brautgemach'' unangenehm empfinden, und ebenso die von ''Einbrecher'' (= ''Dieb'') den der Köln. Zeitung: ''Einbrecher in unser Land''. Die Färbung des Gattungs- und Artbegriffs fehlt dem Ausdrucke einer Zeitung: ''„der Schreiber der acht Schillerschen Gedichte auf einer Postkarte“''; soll doch da ''Schreiber'' den bezeichnen, der einmal geschrieben hat, während man es nur als Be- $Seite 164$ zeichnung des Standes (Schreiber beim Rechtsanwalt) und der Art (der beste Schreiber in der Klasse) gewohnt ist.
Solch artikellose Fügungen sind nicht angebracht, wenn die Form, die
dazu geschaffen ist, Unbestimmtheit anzudeuten, mit der vollständigen Bestimmt- $Seite 132$ heit, mit der alten gleich bekannten Abgrenzung eines Begriffes in Widerspruch gerät. Noch eher ist es dem Handwerker zu verzeihen, wenn er im Anzeiger bekannt macht: ''Junger Arbeiter ... wird gesucht'', als wenn Therese Leo die Heimkehr eines Elternpaares mit ihrem Kinde, das uns schon lange beschäftigt hat, also erzählt: ''dann kehrten sie zurück, Vater, Mutter und müdes Töchterchen''. Auch Scheffel überschreitet die Grenze des zulässigen, wenn er schreibt: ''Gewichtiger Schlüsselbund klapperte an des Kellermeisters Seite; bei Übersiedelung an neuen Wohnsitz'' und: ''Darstellungen aus heiliger Geschichte''. Das letzte wird wahrlich dadurch nicht gerechtfertigt, daß ein Gymnasiallehrer ''Biographische Blätter aus deutscher Geschichte'', ein Minister ''zur Vorgeschichte deutscher Nation'' und selbst Joh. Müller eine ''Geschichte schweizerischer Eidgenossenschaft'' geschrieben hat. Friedrich Wilhelm IV. durfte auch nicht sagen: ''Deutsche Nation hat ein tausendjähriges Anrecht'', noch: ''Der russische Kaiser wird dieser Gattung deutschen Kaisers den Rang nun und nimmer geben''. +
Mit der Billigung dieser Sätze sollen nimmermehr auch solche gebilligt werden wie: ''Als ein Hauptführer der Brüderschaft galt sein Wort'' bei Brachvogel, oder: ''Als sichtbare'' (statt ''sichtbarer'') ''Malerei muß die Schönheit ihr'' (der Schauspielkunst) ''höchstes Gesetz sein'' (bei Lessing)//2 Den Mangel der richtigen Form in diesen Sätzen darf man nicht etwa dadurch entschuldigen, daß die Apposition vorangeht, wenn ihn das auch erklärlicher erscheinen läßt. Durch solche Voranstellungen werden vielmehr umgekehrt selbst Fügungen im Nominativ mit ''als'', die als prädikative Aussagen neben dem Hauptworte an sich richtig sein könnten, fehlerhaft, so in dem Satze Eltzes: ''Ich gebe zu, daß die offiziellen Aussprüche von einigen der Minister nicht glücklich gewählt waren; aber als Staatsregierung kann ich in ihrem Verhalten nichts Tadelnswertes finden''. Denn so kann man ''Staatsregierung'' nur zu ''ich'' in Beziehung sehen; soll es zu ''„Verhalten“'' gehören, muß es als nachgestellte Beifügung hinter diesem bleiben: ''aber in ihrem Verhalten als Staatsregierung kann ich ''usw. Höchst tadelnswert schreibt H. O. Meis- $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ner bei völligem Mangel einer (grammatischen) Beziehung: ''Die noch als Kronprinz niedergeschriebenen Gedanken über die Regierungskunst würde man gern missen''.//. Auch der Satz Hansjakobs: ''Als Witwe ver-'' $Seite 231$ ''geudete ihr der Sohn Hab und Gut'', ist nicht sonderlich schön, weil die sachlich eindeutige Beziehungsmöglichkeit keinen Ausdruck in der Form findet. Noch gröber sind natürlich die Fehler derartiger Sätze: ''Er besang den Kaiser als Held'' (st. ''Helden''). ''Sie gaben ihm als dichterisches'' (st. ''dichterischem'') ''Genie den Preis. Meine Kinderjahre verflossen mir als Berliner Schusterjunge'' (Rodenberg statt -''jungen''). Ein Romandichter hat gar geschrieben: ''Wir haben ihr als Ebelings geliebte Cousine'' (st. ''geliebter Cousine'') ''nahe gestanden'', und eine seiner Schwestern in Apoll das doppelte: ''Uns war als halbes Kind'' (statt ''als halben Kindern'') ''eine schöne Liebe zuteil geworden'', und: ''Mit ein paar Dukaten als einzige'' (statt ''einziger'') ''Mitgift''. Im übrigen werden hier Fehler selbst von sprachlich besser Gebildeten besonders dadurch gemacht, daß man ein Eigenschaftswort, dem nach als kein Geschlechtswort vorangeht, schwach statt stark beugt und so oft scheinbar einen vierten Fall neben einen dritten stellt, oder dadurch, daß man einem Fremdworte (vgl. § 68—71) die Endung vorenthält. So stand bei Eltze: ''Man hört nie von einem italienischen Staatenbunde mit dem Papst als Präsident'' (statt ''Präsidenten''); in der Deutschen Zeitung: ''Die Kabinettsbildung mit Stremayer als Präsident gilt als abgeschlossen'', und bei Hindenburg: ''der Eindruck, den ich von Conrad v. H. als Soldat'' (statt: ''Soldaten'') ''und Führer erhalten hatte''; und: ''so schwer dieser Schritt mir als Soldat auch wurde''. Dagegen mit dem ersteren Fehler in der Tgl. R.: ''kleine Vorteile, die ihm als ältesten'' (statt ''ältestem'') ''Hauptmann eigentlich zukamen; zu der wichtigen Entscheidung, die ihm als politischen'' (st. ''politischem'') ''Ratgeber des Thronfolgers zufiel''; und bei einem sprachgelehrten Professor wie E. Troeltsch: ''werden diese Tugenden von dem Deutschen als solchen'' (statt ''solchem'') ''sozusagen mit naturgesetzlicher Sicherheit bewiesen'', und: ''diesem Zustande als solchen kann kein Bildungsziel entnommen werden''.
Man sieht, welche Unordnung in festgeregelte Verhältnisse gekommen ist, fast allein infolge der Unklarheit//1 An dieser Unklarheit sind freilich die Sprachlehrer selber schuld. Selbst Lyon (bei Heyse, 28. Aufl. S. 519), der allerdings auf dem Wege zum Richtigen ist, indem er von der Verwandlung in einen Satz redet, verwirrt die Sache wieder, indem er als Hauptmittel, sich für zweiten oder ersten Fall zu entscheiden, das Vorhandensein oder Fehlen eines Attributes vor dem Zusatze mit ''als'' aufstellt und den Nominativ nun als mit dem Nominative der Substantive kongruierend hinstellt, die bei der Umwandlung der Sätze in ein Substantiv herausgekommen sind, den Genetiv mit ihren genetivischen oder possessivischen Attributen. Liegt darin schon ein Widerspruch an sich, so versagt das Mittel ganz vor Fügungen, in denen ein Nominativ mit einem dieselbe Person bezeichnenden Dative oder Akkusative in Widerspruch geraten könnte. Angedeutet ist die richtige Auffassung von Paul, Prinzip (S. 257) und ausführlich dargetan von Th. Matthias in der Zeitschrift des Allgem. Deutschen Sprachvereins 1900 (S. 121 ff.). — Eine verwandte Erscheinung, insofern da auch Aussage und Beisatz vermengt werden, ist die besonders in Süddeutschland vorkommende Verschiebung der eigentlich mit ''als'' einzuleitenden in weiterem Sinne appositionellen Erklärung oder Erläuterung zum Subjekt und des Subjekts zum Prädikat mit ''als: Als Vögel zeigen sich auf der Ebenalp der Meerspecht, der Schneefink und die Bergschwalbe'' statt: ''Auch besondere Vogelgattungen zeigen sich auf der Ebenalp, als'' (auch ''wie'') ''der Meerspecht'' usw. Richtig gebraucht ist dieses ''als'' z. B. in dem Satze Goethes: ''Sie setzten die gewöhnlichen ritterlichen Übungen fort, als jagen, Pferde kaufen, tauschen, bereiten und einfahren''.// über den Unterschied jener prädikativen Zusätze und der Apposition mit ''als''; freilich wird sie, von der grammatischen Unbildung zu schweigen, außerdem auch durch die Ähnlichkeit der $Seite 232$ unvollständigen Vergleichsätze mit ''wie'' herbeigeführt; man lese nur, um sich von der Möglichkeit ihrer Einwirkung zu überzeugen, das § 321 über diese Gesagte.