Attribut: KapitelText

Aus Zweidat
Wechseln zu: Navigation, Suche

Dies ist ein Attribut des Datentyps Text.

Unterhalb werden 20 Seiten angezeigt, auf denen für dieses Attribut ein Datenwert gespeichert wurde.
W
Nicht für alle Objektivsätze mit ''daß'' kann ein Infinitiv mit ''zu'' eintreten. Dieser ist vielmehr auf die Zeitwörter beschränkt, die die Äußerung oder Befriedigung eines Begehrens oder einer Absicht enthalten, z. B. ''befehlen, raten, erlauben'', in mehr oder minder fühlbarem, doch unverkennbarem Zusammenhange mit der Bedeutung des Wörtchens ''zu'', das jetzt hauptsächlich auf ein Richtung- oder Zweckverhältnis deutet. Dagegen ist er ausgeschlossen von den Zeitwörtern, die die bloße uninteressierte Mitteilung oder die rein verstandesmäßige Wahrnehmung oder Vorstellung einer Tatsache bezeichnen wie ''sagen, berichten, schreiben, ankündigen, bemerken, wahrnehmen, wissen'' u. a. Zumal ''wissen etwas zu tun'' soviel ist wie ''verstehen, vermögen etw. zu tun'', muß es eine Vergewaltigung des guten Sprachge- $Seite 335$ brauchs heißen, wenn ein Denker wie R. Hönigswald öfter fügt: ''Der Ideenflüchtige kennt keinen Faden, von dem er abzuweichen, genauer: abgewichen zu sein weiß'', oder Adele Gerhard (25): ''Man vergeht fast, in Köln zu sitzen''. Wohl aber tritt der Infinitiv auch zu einer Reihe zwischen den Ausdrücken für das Begehrungs- und denen für das Erkenntnisvermögen mitteninne stehender Ausdrücke für das Gefühlsleben (''glauben, fühlen, meinen, wähnen, sich einbilden, sich einschmeicheln''); desgleichen steht er bei einer Reihe von Zeitwörtern sogar der Aussage, bei denen lebhafter oder leiser das Gefühl und der zur Abgabe einer gewünschten oder erwarteten Erklärung bereite Wille mitschwingt (''versprechen, zusagen, schwören, behaupten, versichern, erklären''). Kein Wunder denn, daß sich die Nennform von hier aus auch nach den Zeitwörtern der bloßen Mitteilung und Wahrnehmung einzudrängen sucht. So liest man nicht gut bei Maurenbrecher: ''Sie bemerkten, die Bischöfe dadurch zu beleidigen'', und bei Jensen: ''eine Frau, von der sie die sicherste Auskunft auf der Insel erhalten zu können wußten, und sogar von einer Stube, die gewiß weder Gefühl noch Willen hat: Sie beließ keinen Zweifel, das Arbeitszimmer eines deutschen Gelehrten darzustellen''. Nicht besser ist, was schon 1633 eine Priorin geschrieben hat: ''Der Kommandant gibt Antwort, sich zu wehren'' (statt ''er wolle'' oder ''werde sich wehren'') ''bis auf den letzten Mann''; denn da wird zwar der Inhalt der Nennform durch eine Gefühls- oder Willensäußerung gebildet, aber das regierende Zeitwort deutet dies nicht an, und darum muß dies im Nebensatze durch eine Konjunktion oder das Hilfszeitwort sollen geschehen. Ähnlich unklar müssen auch die Fügungen G. Kellers genannt werden: ''Kein Mann hatte mir gesagt, mich grad zu halten. Ich sah voraus, bald allein neben ihr durch die Landschaft zu reiten''. Schleiermacher, der die Fügungsweise, wohl durch das Griechische verleitet, sehr häufig hat, schrieb sogar: ''Er hat sogleich bewirkt, unter die Boten aufgenommen zu werden''.  
Innere Verwandtschaft des vierten Falles, der den als Ziel unmittelbar Getroffenen bezeichnet, und des dritten, der den Beteiligten bezeichnet, ist der Grund der Lebhaftigkeit, mit der der Grenzstreit auch zwischen diesen beiden Fällen noch immer hin und her wogt. Am lebhaftesten noch bei allen den Zeitwörtern, die bedeuten, daß eine Person oder ein persönlich gedachter Gegenstand durch eine innerliche oder äußerliche Einwirkung getroffen wird, aber nur an einem besonders bezeichneten Teile. Es sind namentlich folgende: ''beißen, boxen, brennen, drücken, fassen, greifen, hauen, kitzeln, klopfen, kneifen'' und ''kneipen, küssen, packen, pfeifen, puffen, schießen, schlagen, schneiden, speien, spucken, stoßen, streichen, streicheln, streifen, treffen, treten, werfen, zwicken''. — Wenn solche Zeitwörter von altersher den 4. Fall bei sich haben und dieser die schlechthin, als Ganzes getroffene Stelle angibt, so bleibt dieser auch bei besonderer Bezeichnung des von der Berührung getroffenen Teiles bewahrt, zumal dann, wenn die Wendung ein abschließendes Ergebnis oder einen augenblicklichen Erfolg bezeichnet oder ein sachliches, keine bewußte Handlung ausübendes Subjekt hat. So steht neben: ''einen fassen, - packen, - puffen, - küssen: er faßt ihn um den Leib, er packte ihn am Kopfe, er puffte ihn in die Seite, er küßte ihn auf die Stirn'', und es heißt: ''den Feind aufs Haupt'' (d. h. ''erledigend, abschließend'') ''schlagen''. Den augenblicklichen Eindruck gibt der 4. Fall wieder bei: ''einen kitzeln, - kneifen, - kneipen, - streicheln, - zwicken''. Das Sachsubjekt fordert den 4. Fall in Wendungen wie: ''die Nadel sticht mich in den Rücken; mich hat etwas ins Bein'' (''am Bein'') ''gebissen''. Bei ''treffen'' überwiegt durchaus der Akkusativ selbst bei Sachsubjekt: ''Das'' (''diese Nachricht'') ''traf ihn ins Herz''. Sonst zieht übertragene Bedeutung oder intransitiver Gebrauch auch neben einen sonst den Akkusativ fordernden Zeitwort den Dativ nach sich, durch den die Wendung so mehr bildlichen Charakter erhält. Man vergleiche für den ersten Fall: ''Das drückt mir aufs Herz, das sticht mir in die Augen; einem ins Herz -, in die Seele schneiden; der Wahrheit ins Gesicht schlagen'', wie auch: ''Mit dieser Behauptung schlägst du dir selbst ins Gesicht; einem an die Ehre greifen''. Der andere Fall liegt in solchen Wendungen vor: ''Mir schossen die Tränen in die Augen, wie ein Feuerstrom schoß mirs ans Herz, die Fingernägel schnitten ihr ins Fleisch, die Flammenröte schlug ihm ins Gesicht, die Brandung schlug ihm ans Ohr''. Natürlich erhält sich $Seite 195$ der 3. Fall auch bei gleichzeitiger Verhältnisbestimmung neben den Zeitwörtern, neben denen er auch für sich allein und kein 4. Fall möglich war, wie ''speien, spucken, pfeifen: Die Bevölkerung spie den deutschen Gefangenen ins Gesicht, er spuckt ihm auf die Glatze, der Schrot pfiff ihm um den Kopf''. — Ebenso gehört der 3. Fall neben sonst transitive Zeitwörter, wenn die Handlung nicht wie bei Verbindung mit dem bloßen (4.) Fall, die ganze Person oder doch einen ganz bestimmten Körperteil trifft. Also zwar: ''Der Vater strich den Jungen'' (''mit der Rute''), aber: ''die Mutter strich ihm begütigend über das Haar, einem in die Tasche, ans Kinn greifen'' und erst recht: ''einer Dame auf die Schleppe, auf das Kleid treten'' und ebenso bei Rückbeziehung aus das Subjekt: ''ich strich mir übers Haar, was greifst du dir ans Herz?, damit schneidest du dir ins eigene Fleisch'' (bildlich !). Neben diesen durch die Leitkraft der Zeitwörter oder die Bildkraft der Wendungen ziemlich eindeutig geregelten Fügungsweisen bleibt immerhin eine Anzahl von Fällen übrig, in denen — wesentlich bei eigentlicher, sinnlicher Anpassung — der 4. und 3. Fall gleich möglich sind. Aus den Zusammenstellungen von Schwartz//1 Diese Gesichtspunkte für die Erklärung und Wahl des vierten und dritten Falles wesentlich nach Behaghel, Ztschr. des Allg. D. Sprachvereins 1915, S. 224—228, und H. Schwartz, Zur nhd. Verbalrektion, Ztschr. f. deutsche Philol. 17, 79. —// seien herausgehoben: ''Der Hund biß ihn'' und: ''beißt endlich gar ihm ins Bein, — hieb ihn der Mönch mit seinem Stock über den Kopf'' und: ''hieb er dem Grafen dreimal über has Gesicht, — er schlägt mich mit der Faust ins Gesicht, da schlug er seinen Neffen auf die Schulter ''und: ''er schlug mir auf die Schulter; schlägt dem Passagier mit der Peitsche ins Gesicht''. Dazu sei gegenüber der Fügung: ''er klopfte ihn auf die Schulter'' (H. Löns 1918 und R. Greinz) aus Fr. Schanzens Warnung vor der Betonung Böcklin das Verspaar gefügt: ''Da komm ich mit dem Stöcklin und klopf ihm auf das Röcklin!'' Oft wirkt gegenüber den allmählich herausgebildeten Formen-Unterschieden auch die ursprüngliche, in sinnlicher Anschauung bewahrte Fügung fort, so in der dauernden Beliebtheit von: ''einen'' (neben: ''einem'') ''vor den Kopf stoßen'', oder landschaftlicher Brauch, so südwestdeutsch er in dem 4. Fall bei ''brennen'' zumal in der Bedeutung ''schießen: Da brannt' ich ihn auf das Fell'' (Uhland); ''den ersten, der sich aus der Ecke wagt, brenne ich auf die Stirne'' (Hauff). ''Es brannte mich auf der Seele'' (Grimm), oder endlich Einfluß eines sinnverwandten Zeitwortes: ''Der Ziegel schlug'' (— ''fiel'') ''ihm grad auf den Kopf''. Ergänzung im bloßen Falle und Verhältnisbestimmung stehen oft in Wechselwirkung, und zwar so, daß neben dem 3. Fall eine Richtungsangabe (Verhältniswort mit 4. Fall), neben dem 4. Fall dagegen das Verhältniswort mit dem 3. Fall erscheint, also gegenüber der ungewöhnlichen Weise ''ich faßte mich an den Kopf'' bei Rud. Huch vielmehr: ''er faßte'' (''griff'') ''ihm an den'' — oder: ''er faßte ihn an dem Kragen, der Arzt schnitt ihn am Arme'' oder: — ''schnitt ihm in den Arm''. Doch allgemein läßt sich nur sagen, daß neben dem 3. Fall die Richtungsangabe vorherrscht, neben dem 4. dagegen ebensogut eine Angabe der Ruhelage möglich ist: ''die Last drückte ihm auf den Rücken. Der Strolch faßte ihm nach der'' (''an die'') ''Kehle'', — doch auch: ''die Arbeit brennt ihm auf den Nägeln'' neben: ''auf die Nägel. — Die Schuld drückt ihn schwer auf dem'' oder: ''auf das Gewissen. — Die Zweige streiften ihm an das Gesicht'', aber: ''sie streiften ihn im Gesicht. — Der Angriff traf'' $Seite 196$ ''ihn in die'' — oder: ''in der Flanke'', aber nur: ''der Angriff traf ihm in die Flanke''.  
Wenn zu einem Worte zwei (oder mehr) Relativsätze zu fügen sind, so halten es viele für eine besondre Schönheit, mit dem Relativpronomen abzuwechseln. Es ist das der einzige Fall, wo sie einmal mit Bewußtsein und Absicht zu dem Relativum ''der'' greifen, während sie sonst, wie die Schulknaben, immer ''welcher'' schreiben. Jeden Tag kann man Sätze lesen wie: ''das Allegro und das Scherzo fanden nicht das Maß von Beifall, welches wir erwartet hatten, und das sie verdienen — jedes Grundstück, welches mindestens zu einem Grundsteuerertrage von 200 Mark eingeschätzt ist, und das mindestens einen Taxwert von 1000 Mark hat — lehrreich ist die Niederschrift durch die Korrekturen, welche der Komponist selbst darin vorgenommen hat, und die sich nicht nur im Ändern einzelner Noten zeigen — es hat das tiefere Ursachen, um die sich das Publikum freilich nicht kümmert, welche aber die dramatischen Dichter beachten sollten — in eine weite Hausflur mündete die Treppe, welche in die obern Stockwerke führte, und die man gern als Wendeltreppe gestaltete — die ehrwürdigen Denkmäler der Druckkunst, welche uns der Meister selbst hinterlassen hat, und die man mit dem Namen Wiegendrucke bezeichnet — es geht nicht an, daß wir Schäden groß wachsen sehen, die uns als schwache Köpfe erscheinen lassen, und auf welche die Fremden mit Fingern weisen — es war ein Klang in seinen Worten, welcher alle Herzen ergriff, und dem sie gern weiter gelauscht hätten — Aufsätze, welche bereits in verschiednen Zeitschriften erschienen sind, und die durch ihre Beziehungen auf Schwaben zusammengehalten werden''. Kein Zweifel: in allen diesen Fällen liegt ein absichtlicher Wechsel vor: alle, die so schreiben, glauben eine besondre Feinheit anzubringen. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Abgesehen davon, daß die Wiederholung des Relativpronomens bisweilen ganz überflüssig ist, weil das Satzgefüge dasselbe bleibt, ist es auch unbegreiflich, wie jemand in seinem Sprachgefühl so irre gehen kann. Wenn man an ein $Seite 120$ Hauptwort zwei oder mehr Relativsätze anschließt, so stehn doch diese Sätze als Bauglieder innerhalb des Satzgefüges parallel zueinander, etwa so: Hauptsatz Erster Relativsatz Zweiter Relativsatz. Wie kann man da auf den Gedanken kommen, diese beiden parallelstehenden Sätze verschieden anknüpfen zu wollen! Das natürliche ist es doch, parallellaufende Sätze auch gleichmäßig anzuknüpfen, ja es ist das geradezu notwendig, die Abwechslung stört nur und führt irre. Wenn ich erst ''der'' lese und im nächsten Satze ''welcher'', so suche ich unwillkürlich bei dem wechselnden Pronomen auch nach dem wechselnden Hauptwort und sehe zu spät, daß ich genarrt bin. Mit der vermeintlichen Schönheitsregel ist es also nichts; auch sie ist nur ein Erzeugnis der abergläubischen Furcht, kurz hintereinander zweimal dasselbe Wort — geschrieben zu sehen. Die vernünftige Regel heißt: Parallele Relativsätze müssen mit demselben Relativpronomen beginnen, also alle mit ''der, die, das''. ''Es gibt viele Talente, die vielleicht nie selbständig etwas erfinden werden, die man daher auf der Akademie zwecklos mit Kompositionsaufgaben plagt, die aber beweglich genug sind, das in der Kopierschule erlernte frei umzubilden'' — das ist gutes Deutsch. ''Welcher, welche, welches'' ist auch hier entbehrlich. Etwas andres ist es, wenn auf einen Relativsatz ein zweiter folgt, der sich an ein neues Hauptwort in dem ersten Retativsatz anschließt, etwa so: Hauptsatz Erster Relativsatz Zweiter Relativsatz. Da wechselt die Beziehung, und da hat es etwas für sich, auch das Pronomen wechseln zu lassen; die Abwechslung kann da sogar die richtige Auffassung erleichtern und beschleunigen, wie in folgenden Sätzen: ''Klaviere, die den Anforderungen entsprechen, welche in Tropengegenden an sie gestellt werden — Gesetze, die bestimmte Organisationen zum Gegen-'' $Seite 121$ ''stande haben, welche nur bei der katholischen Kirche vorkommen — die Bühnen, die mit einer ständigen Schar von Freunden rechnen können, welche mit liebevollem Interesse ihrer Entwicklung folgen — Verbesserungen, die der Dichter der dritten Ausgabe seiner Gedichte zu geben beabsichtigte, welche er leider nicht mehr erlebte — Amerika zerfällt in zwei Hälften, die nur durch eine verhältnismäßig schwache Brücke zusammenhängen, welche sich nicht zu einem Handelsweg eignet — in dem Pakt, den Faust mit dem Geiste der Verneinung schließt, welcher sich als der Zwillingsbruder des Todes bekennt — es fehlte bisher an einer Darstellung, die allen Anforderungen entsprochen hätte, welche an Kunstblätter von nationaler Bedeutung zu stellen sind — es gelang uns, in Beziehung zu den Stämmen zu treten, die eigentlich die Artikel produzieren, welche unsern Kaufleuten zugehen, und die zugleich ein weites Absatzgebiet für unsre Industrie bieten''. Dabei empfiehlt sich übrigens (aus rhythmischen Gründen, der Steigerung wegen), ''der'' immer an die erste, ''welcher'' an die zweite Stelle zu bringen, nicht umgekehrt! Aber nötig ist der Wechsel auch hier nicht; was in der lebendigen Sprache nicht mißverstanden wird — und da fällt es keinem Menschen ein, zu wechseln —, wird wohl auch auf dem Papier zu verstehn sein.  
Die Einzahl der Aussage neben der Mehrzahl des Subjektes ist noch das übliche, wenn dieses nachträglich durch eine distributive Apposition in einzelne Teile zerlegt wird: ''die Brüder, die sich nach des Vaters Tode sofort entzweiten und offenbar jeder nur eine beschränkte Sinnesart für das Rechte erkannte''. Aus demselben Grunde beruht es, wenn bei allen irgendwie sondernden Bindewörtern, die zwischen mehreren Subjektwörtern stehen (''sowohl — als auch, nicht nur — sondern auch, teils — teils, entweder — oder, aber, sondern, bloßes'' nicht in einem Gliede), Zahl und Person der Aussage stets durch das ihnen zunächst stehende Subjektswort bestimmt werden: ''Du entweihest diesen Ort, nicht ich. Friedrich den Großen hat teils sein Genie, teils die Eifersüchteleien seiner Gegner gerettet. Nicht sowohl die alten Anschauungen der Römer in Stadt und Land, als vielmehr das Wohlergehen der außeritalischen Provinzen war für die Politik der römischen Kaiser maßgebend''; nicht: ''Hier wurzeln'' (sondern: ''wurzelt'') ''die ihm vorgeworfene Verstiegenheit, aber auch seine antibürgerliche Ironie''. Wer streng logisch verfahren will, wird nach dem einfachen ''oder'' und dem ''genau genommen'' einen einzelnen Vergleich einführenden wie ''ebenso verfahren''. Insofern aber beide Wörtchen oft kaum mehr als ein bloßes ''und'' sind//1 Natürlich nur insofern; bei strenger Ausschließung wird sich neben ''oder'' das Zeitwort immer nach dem Subjekt richten, dem es zunächst steht: ''du oder ich bin überflüssig, du bist überflüssig oder ich'', nie: ''du oder ich sind überflüssig''//, kann bei ihnen ebensogut ein zusammenfassender Plural stehen als bei ''weder — noch'', wenn es nicht ''sowohl'' trennt als vielmehr andeutet, daß Verschiedenes gleichmäßig verneint werden muß. Die Tgl. R. bietet denn auch: ''In Deutschland werden die bildende Kunst wie das Kunstgewerbe den gebührenden festen Halt erst in einem nationalen Baustile finden''; und wie es beim Entdecker des Höllenbreughel heißt: ''Dieses Naturgesetz besagt auch, daß weder Stoff noch Kraft im Weltenganzen verlorengehen'', so hat schon Goethe geschrieben: ''Es werden weder Donner noch Blitz noch Zauberei ihn verletzen''.  
Der erste Fall tritt am öftesten bei strenger Satzteilung ein, sei es, daß diese nur durch die einfachen Bindewörter ''aber, sondern, oder'' oder noch deutlicher durch die entsprechenden: ''sowohl — als auch, nicht nur — sondern auch, entweder — oder, weder — noch, teils — teils'' u. a. zur grammatischen Anschauung gebracht wird. In $Seite 308$ dem Satze Goethes: ''die Natur wird so angegriffen, daß teils ihre Kräfte verzehrt, teils außer Wirkung gesetzt werden'', wird durch die Stellung der Worte ''ihre Kräfte'' hinter ''teils'' die Erwartung hervorgerufen, daß auch diese Worte unter die Teilung fallen, was nicht der Fall ist, also daß sich die gewählte Form nicht so völlig mit dem Gedanken deckt wie die richtige: ''daß ihre Kräfte teils'' usw. Noch schlimmer klingt der folgende Satz: ''Hiervon wünschte ich, lieber Herr Pfarrer, zu warnen, weil sowohl diese'' — man erwartet ''„als auch etwas anderes“'', es geht aber weiter: ''Ihnen wie der christlichen Sache den größten Schaden bringt'' (statt: ''weil diese sowohl Ihnen als der christlichen Sache'' usw.). Das Gemeinsame gehört eben vor solche die Teilung anzeigende Wörtchen.//1 Freilich darf diese Forderung nicht allzu peinlich genommen werden. Ein aufgestelltes Muster: ''Leute, die lesen weder können noch sollen'', oder: ''die weder lesen können noch lesen sollen'', wirkt in der zweiten Form durch die Wiederholung unschön; gegen die erste aber steht der Brauch, und mit Recht, weil die Trennung des eng mit seinem Hilfszeitworte zusammengehörenden Infinitivs von jenem hart ist. Das Üblichste: ''die weder lesen können noch sollen'' verdient also den Vorzug wirklich, zumal in solchen Fällen Betonung und Nähe des zweiten Leitglieds über die kleine Abweichung von der logischen Ordnung ungezwungen hinweghelfen.//  +
Die unbestimmten Maßwörter sind auch für die Schriftsprache fast durchgängig zu ungebeugten Bestimmungswörtern herabgesunken, so daß sie das Fügungsverhältnis auszudrücken, soweit möglich, den von ihnen abhängigen, jetzt richtiger den ihnen nachfolgenden Wörtern überlassen, Substantiven wie substantivierten Adjektiven: ''das Altenteil der Bauern besteht namentlich aus der Wohnung, etwas Milch und Butter, etwas guten Speisekartoffeln und Feldfrüchten, zuweilen auch Fuhren und Anzügen''. Eigenschaftswörter erscheinen daneben in den durch die folgenden Muster vertretenen Formen: erster und vierter Fall: ''etwas Ähnliches'', zweiter Fall: ''wegen etwas Schlimmeren''//1 Diese schwache Form des Adjektivs ist nötig, weil die an sich richtige starke (''wegen etwas'') ''Schlimmeres'' als Nom.-Akk. und somit als ein Mangel der Kasusbezeichnung empfunden werden würde. Die oben § 157 besprochene Ausweichung nach dem starken Dative: ''wegen etwas Schlimmerem'', ist möglich, aber nicht nötig//, dritter Fall: ''mit etwas ander''(''e'')''m''. Es heißt ''viel Geschrei'' und ''wenig Wolle'', lieber ''von vielen'' (''wenigen'') als ''viel'' (''wenig'') ''klangvollen Namen'' (§ 104), aber ''mit viel Neuem''. Auch mit ''genug'' sind Fügungen derart das gewöhnliche: ''Geld genug, mit Mut genug, gerade Versprechungen genug, mit gerade genug Versprechungen''.  +
Bei zusammengesetzten Wörtern wie ''vor Sonnenaufgang, bei Mondenschein, bei Morgengrauen, nach Sonnenuntergang, vor Torschluß'' wirkt vielleicht auch die Erinnerung an deren Entstehung aus Grundwort und vorangestelltem Genetiv mit, der heute den Artikel des Grundwortes ausschließt (''vor den Pforten des Klosters'' = ''vor'' [''des''] ''Kloster''[''s'']''pforten''). Noch entschiedener schließen solche Zusammensetzungen den Artikel aus, wenn sie allgemein gebraucht sind und in singularischer Form doch das Gemeingültige oder selbst Vielfache bezeichnen: ''An Freundesherz sich aufrichten; eine Mahnung aus Frauenmund; Wie beschämt die rückhaltlose Wahrheit in Kindesmund die reservierte'' (!) ''Zurückhaltung der Erwachsenen! Unter Dichterhand nimmt ein Stoff gleich andere Gestaltung an''.  +
Es wäre verkehrt, wegen der oben erklärten etymologisch-logischen Grundbedeutung der Relative alle die Relativsätze zu verurteilen, welche etwas Neues beibringen und am besten weiterführende Relativsätze genannt werden. Denn sogut die 1ateinische Sprache im sogenannten relativischen Anschlusse ein Mittel gesunden hat, dem Gedankengehalte nach ganz selbständige Sätze inniger anzuknüpfen, stimmt es auch zu der eigentümlich deutschen Stilart, der ein allmähliches Abspinnen eines im Hauptsatze einmal aufgesteckten Stoffes am gemäßesten ist, wenn sozusagen die anknüpfendsten aller Für- und Umstandswörter, die relativen, zum bequemen Fortspinnen des Redefadens benutzt werden. Nur müssen auch da bestimmte Grenzen innegehalten werden.  +
An einen ganzen Rattenkönig von Sprachdummheiten rührt man mit der so beliebten Verbindung: ''welcher letztere''. Auf die häßliche unorganische Bildung ''ersterer'' und ''letzterer'' — eine komparativische Weiterbildung eines Superlativs! — Soll dabei kein Gewicht gelegt werden, denn solche Erscheinungen gibt es viele in der Sprache und in allen Sprachen, wenn es auch nichts schaden kann, daß man sich einmal das Unorganische dieser Formen durch die Vorstellung zum Bewußtsein bringt, es wollte jemand ''der größtere, der kleinstere, der bestere, der schönstere'' bilden. Viel schlimmer ist ihre unlogische Anwendung. $Seite 122$ Wenn ein Relativsatz nicht auf ein einzelnes Hauptwort, sondern auf eine Reihe von Hauptwörtern, zwei drei, vier oder mehr folgt, so ist es selbstverständlich, daß das Relativ nicht an das letzte Glied angeschlossen, sondern nur auf die ganze Reihe bezogen werden kann, also nicht so: Erstes Hauptwort Zweites Hauptwort Drittes Hauptwort Relativsatz sondern so: Erstes Hauptwort Zweites Hauptwort Relativsatz. Drittes Hauptwort Die Hauptwörter werden gleichsam zu einer Gruppe, zu einem Bündel zusammengeschnürt, und der Relativsatz muß an dem ganzen Bündel hängen. Es kann nicht heißen: ''Lessing, Goethe und Schiller, der'', sondern nur:'' Lessing, Goethe und Schiller, die''. Das fühlt auch jeder ohne weiteres. Nun möchte man aber doch manchmal, nachdem man zwei, drei, vier Dinge aufgezählt hat, gerade über das letzte noch etwas näheres in einem Relativsatz aussagen. Ein bloßes ''welcher'' — das fühlt jeder — ist unmöglich; es gehn ja drei voraus! Aber ''welcher letztere'' oder ''welch letzterer'' — das rettet! Also: ''das Bild stellt Johannes den Täufer und den Christusknaben dar, welch letzterer von dem Täufer in die Welt eingeführt wird — einen Hauptartikel des Landes bildeten die Landesprodukte, wie Kobalt, Wein, Leinwand und Tuch, welch letzteres allerdings dem niederländischen nachstand — er war Regent der Weimarischen, Gothaischen und Altenburgischen Lande, welche letztern ihm aber erst kurz vor seinem Tode zufielen — die Summe des Intellektuellen im Menschen setzt sich Zusammen aus Geist, Bildung und Kenntnissen, welchen letztern auch die Vorstellungen zugezählt werden dürfen — dies trug ihm eine gerichtliche Untersuchung und zwei Jahre Haft ein, welch letztere er zu volkswirtschaftlichen Studien benutzte — der Neger'' $Seite 123$ ''überflügelt zuerst seine weißen Schulkameraden weit, besonders in der Mathematik und in den Sprachen, für welch letztere seine Begabung erstaunlich ist''. Dieses ''letztere'' ist ein bequemes, aber sehr häßliches Auskunftsmittel; ein guter Schriftsteller wird nie seine Zuflucht dazu nehmen. Es läßt sich auch sehr leicht vermeiden, z. B. indem man das letzte Glied für sich stellt: ''das Bild stellt Johannes den Täufer dar, und den Christusknaben, der'' usw., oder indem man statt des Relativsatzes einen Hauptsatz bildet, worin das letzte Hauptwort wiederholt wird. Noch schlimmer ist es freilich, wenn, wie so oft, ''welch letzterer'' selbst da geschrieben wird, wo nur ein einziges (!) Substantivum vorhergeht, eine falsche Beziehung also gänzlich ausgeschlossen ist, z. B.: ''der Plan ist der Wiener Fachschule nachgebildet, welch letztere ihn schon seit längerer Zeit hat — der Urkunde ist die durch den Bischof von Merseburg erteilte Bestätigung beigegeben, welch letztere aber nichts besondres enthält — den gesetzlichen Bestimmungen gemäß scheiden vier Mitglieder aus, welch letztere aber wieder wählbar sind — die Menge richtet sich nach den Beamten, nicht nach dem Gesetz, welch letzteres sie selten kennt — überall wechseln üppige Wiesengründe mit stattlichen Waldungen, welch letztere namentlich die Bergkuppen und Hänge bedecken — der König nahm in dem Wagen Platz, welch letzterer schon nach einer Minute vor dem Hotel hielt''. Welcher Schwulst! vier Silben, wo drei Buchstaben genügen! Er greift aber immer weiter um sich, und wenn er nicht bekämpft wird, so ist zu befürchten, daß einmal eine Zeit kommt, wo das deutsche Relativpronomen überhaupt — ''welch letzterer'' heißt.  
Daraus, daß der zusammengesetzte Satz eine Verbindung, eine engere Vereinigung darstellt, ergibt sich auch vom stilistischen Standpunkt die einzige Hauptbedingung für die Vereinbarkeit mehrerer Vorstellungen innerhalb desselben: sie müssen in einer inneren Beziehung stehen und ihrem Inhalte nach verwandt sein. Wenn diese Forderung nicht erfüllt ist, muß auch der formell fehlerloseste Satz verfehlt heißen. Während wir den Krämer entschuldigen, der in einem Atem ''Kieler Sprotten, Bücklinge und Lichte zur Illumination'' empfiehlt, weil diese Ankündigung ein im Augenblick gerade begründetes Bedürfnis ist und für die Kürze die Rücksicht auf die Billigkeit der Anzeige maßgebend sein kann, werden gegen dieses Hauptgesetz verstoßende Sätze in einer zusammenhängenden Darstellung nie unsere Billigung und Zustimmung finden dürfen, wenn schon eine verschiedene Beurteilung. Bei dem Satz der Köln. Ztg.: ''Dieser Pasta, Rossels Freund und Beichtvater, ist selbst aus den Cevennen und sehr geeignet, auch die Unglücklichsten zu trösten'', fragen wir unwillkürlich: dieser Herkunft wegen? und lächeln, wie überhaupt über Ungereimtes, dessen Verbindung und Verkettung in Wort und Sache ja in das Gebiet des Witzes und der witzigen Darstellung fällt. Oder wenn die Sache nicht danach angetan ist wie etwa der Satz einer Besprechung: ''Der Verfasser hat seine Aufgabe vortrefflich gelöst, und Druck und Papier lassen nichts zu wünschen übrig'', so ärgern wir uns über die Geschmacklosigkeit, die so Verschiedenes, hier die Anerkennung einer Geistestat mit dem Äußerlichsten am Buche, auf gleiche Stufe stellt. Überhaupt spielt hier der Geschmack eine große Rolle, dessen Ausbildung nur einer feinsinnigen Betrachtung vieler Muster verdankt werden kann.  +
Genauer: wie verhält es sich mit dem ersten Gliede des Hauptsatzes und dem, das im Nebensatze auf das Bindewort, folgt oder auf sein einleitendes Fürwort, falls dies kein Nominativ ist? Die richtige Antwort darf freilich nicht lauten wie bei den meisten Grammatikern: das Subjekt//1 Vgl. vor allen Erdmann (S. 183) und Poeschel an dem § 205 a. O. (S. 233). Ebenso gut wie der Subjektsnominativ kann jeher oblique Kasus, jede adverbiale oder prädikative Bestimmung vorantreten, wenigstens auf der Höhe der entwickelten Sprache, und zwar sowohl nachdrücklich betonte als auch ganz unwichtige, sowohl kurze als sehr umfangreiche Bestimmungen (nur nicht mehr das Reflexiv). Erklärlich ist der Irrtum der meisten Grammatiker immerhin, da tatsächlich das Subjekt am häufigsten an der ersten Stelle des Haupt- und der zweiten des Nebensatzes steht. Sie haben nur den Grund davon verkannt, daß dieses nämlich öfter als ein anderer Satzteil das Satzglied ist, welches psychologisch am nächsten liegt, von dem die neue Satzbildung ausgeht, für das sie gilt. Andrerseits hätte der Irrtum an dem Widerspruche erkannt werden müssen, daß die nämlichen Grammatiker ein und dieselbe Stellung: Prädikat + Subjekt, die sie als bezeichnend für den selbständigen Frage- und Wunschsatz hinstellen, auch für jeden Aussagehauptsatz zugeben müssen, wenn auch als sogenannte Umkehr (inversio), sobald er einen anderen Satzteil als das Subjekt an der Spitze hat; und dabei läßt sich dieses Eindringen des für ganz andere Satzarten charakteristischen Aufbaues auch in die Aussagesätze nicht im geringsten dadurch erklären, daß in diesen dann immer ein unsichrer Frage- oder lebhafter Wunschton anklänge.//, sondern muß allgemein heißen: der Satzteil, der psychologisch am nächsten liegt, d.h. $Seite 392$ der nach dem Zusammenhange der Sätze und dem Fortschritte der Darstellung vom Gegebenen, Vorausgehenden oder doch Vorausgesetzten der ist, welcher in unserm Bewußtsein oben aufliegt, weil wir die nächste Aussage als von ihm oder für ihn geltend erwarten. Was das bedeutet, mögen einige Mustersätze zeigen. ''Einen Abend'' — das gibt den zeitlichen Rahmen für das ganze Folgende an, ohne betont zu sein — ''stritt die Gesellschaft, ob der Roman oder das Drama den Vorzug verdiene .... Endlich war folgendes ohngefähr das Resultat ihrer Unterhaltung. Im Roman wie im Drama'' — diese Gegenstände der Unterhaltung sind bekannt, nicht aber betont — ''sehen wir menschliche Natur und Handlung .... Im Roman'' (gegeben und betont) ''sollen vorzüglich Gesinnungen und Begebenheiten vorgestellt werden, im Drama Charakter und Taten. Der Romanheld muß leidend ... sein, von dem dramatischen verlangt man Wirkung und Tat. So vereinigte man sich auch darüber'' usw. (Goethe). — ''Ich war nun einmal in einen Kreis hineingesperrt. Gewisse Verbindungen'' (''eine Ausführung jenes Kreises'') ''konnte ich nicht so los werden, und in der mir so angelegenen Sache'' — ist schon genannt — ''drängten und häuften sich die Fatalitäten''. Auch im Nebensatze ist es durchaus die Regel, daß der Satzteil, der psychologisch näher liegt als das Subjekt, unmittelbar auf die Einleitung folgt, so namentlich oblique Fälle von Fürwörtern, die sich ja schon durch ihre Beziehung als dieser näher liegende Satzteil darstellen. Man ver- $Seite 393$ gleiche wieder Goethe: ''Sie setzte ihre Freigebigkeit gegen die Armen auf dem Heimwege fort, indem sie zuletzt, als ihr und ihren Reisegefährten'' (sind schon genannt) ''das Geld ausging'' (das stellte sich erst heraus), ''einem Mädchen ihren Strohhut ... hinauswarf. — Nun sollte Leseprobe gehalten werden, Wilhelm hatte die Rollen vorher kollationiert, so daß von dieser Seite'' (was das schon erwähnte ''kollationieren'' anlangt) ''kein Anstoß sein konnte ... Serlo versicherte, daß er jeder andern Probe ... nachsehn wolle, sobald der Leseprobe'' (schon vorher gegeben) ''ihr Recht widerfahren seiv. Dazu zwei etwas anders geartete Beispiele: ''Er erlaubte durchaus keine Freiheit, als die allenfalls die ganze Welt hätte wissen dürfen. — Da nun auch unglücklicherweise Regentage einfielen ..., so dankte er dem Himmel, als er sich dem flachen Lande wieder näherte''. Man stelle nur um: ''die die Welt allenfalls hätte wissen dürfen'', und: ''als Regentage unglücklicherweise einfielen'', so ist jeder versucht zu fragen: „allenfalls wissen, aber nicht ahnen?" „Konnten die Regentage auch glücklicherweise einfallen?" Die Nachstellung würde zu einem Urteile nur über die Art des Kennenlernens und Einfallens führen, während die Voranstellung dieser Adverbien für die ganze Aussage, das Subjekt eingeschlossen, die richtige Auffassung gebietet. Daher kommt es ebensowohl, daß solche urteilende Adverbien (§ 45), als auch, daß Orts- und Zeitbestimmungen, die den Rahmen für das Ganze abgeben, gern vorangehn, letztere namentlich in Hauptsätzen.  
Was unter den hinweisenden Fürwörtern ''derselbe'', ist unter den rückbezüglichen ''welcher'', das manche so ausschließlich brauchen, als wüßten sie garnichts von dem andern gefälligeren und natürlicheren: ''der, die, das''. Und doch kann dies außer in Verbindung mit folgendem Hauptworte//2 Z. B. ''Dann erst griff er zum Äußersten, dem Prügel, welches Züchtigungsmittel er im allgemeinen verabscheute.'' — Relativisches ''der'' vor einem Hauptwort wagt immerhin Raabe: ''den Herrn Pastor, gegen den guten jungen Herrn ich sonst ja eigentlich nichts hatte''; und ähnliches dieser ein sächsischer Bezirksschulinspektor: ''Unser Herr Oberbürgermeister hat den Vorsitz übernommen, diesem beizutreten auch Sie höflichst gebeten werden''.// oder einem Fürworte wie letzterer, wo nur ''welcher'' möglich ist, heute//3 Ihrem Ursprunge nach ist freilich ein Unterschied in der Bedeutung zwischen ''der'' und ''welcher'', also daß der auf einen Begriff in seiner Ganzheit hinweist, ''welcher'', als entsprechend dem ''solcher'', nur auf die einem Gegenstande anhaftende Eigenschaft und ihren Grad, wonach ''welcher'' besonders nach ''solcher'' und nach Substantiven mit unbestimmtem Artikel, auch nach ''derjenige'' stehn müßte. Wer noch Zeit und Gefühl $Seite81$ für den feinen Unterschied hat, mag auch noch scheiden nach Art der beiden Sätze: ''Es war ein rechter Herbsttag, und ein Tag'' ( = ''ein solcher Tag''), ''welcher nur Nebel und Wolken und fallende Blätter sehen ließ, war gewiß nicht dazu angetan, ihre trostlose Stimmung zu bessern. Aber morgen wollten sie einmal fröhlich sein, als zu ihrem Hochzeitstage, den sie immer miteinander gefeiert hatten'' (H. Hoffmann). Nach Personennamen und besonders persönlichen Fürwörtern ist ''der'' wie richtiger, auch noch üblicher.// überall stehen. Selbst das ist nach S. 79 //* Vgl. unten § 286 einen Gebrauch des Wortes, der selbst darüber hinausgeht.// nicht so schlimm, daß bei seiner Wahl für das Auge zweimal die- $Seite81$ selbe Form nebeneinander zu stehen kommt: ''So wurde der Ehrenplatz, der der Gattin gebührt, ihr entzogen'': ''die Schranken, die die Verhältnisse ... ziehen.'' Feinfühligen Stilisten unsrer neuhochdeutschen Klassik widerstrebt freilich solches Zusammentreffen: Lessing z. B. vermeidet nicht nur: ''die Tiefe, der der durch welcher der Sprudel entströmt'', sondern auch Gleichheit des Relativs mit dem Artikel vor dem Hauptworte, er sagt also nicht: ''die Lücke, die er'': sondern, ''welche er gelassen hatte''. Auch Schiller und ähnlich Gellert sagt immer ''welche die, welche diese'', und ebenso fast nur ''nach welchem, seit welchem, in welchem'' (oder ''worin'') zur Vermeidung des Gleichklangs mit ''nachdem, seitdem, indem'' //* Vgl. hierzu Wunderlich, Satzbau § 196. Minor, Allerh. Sprachgrobheiten, S. 10 u. 28 und in Paul und Brs. Beiträgen zur Gesch. d. deutschen Spr. u. L. XVI. § 498, u. unten § 303 ff.//. Ob es im übrigen auf die Verehrer des papiernen Deutsch, die Züchter auch dieser Pflanze aus den Kanzleien, einen Eindruck machen wird, wenn sie erfahren, daß unser ältester neuhochdeutscher Sprachmeister Luther, der soviel mit der sächsischen Kanzlei zu tun hatte, dennoch in seiner Bibelübersetzung immer dreimal, in seinen freien Schriften gar sechsmal das Schlichte ''der, die, das'' gesetzt hat, ehe ihm jener Einfluß einmal ein ''welcher'' aufzudrängen vermochte? Der natürlich sprechende Mann aus dem Volke, das kann jeder täglich beobachten, bringt es sogar noch jetzt kaum über die Lippen oder doch nur so berechtigt und so selten, wie — nun wie ? — die volkstümlichen Erzähler der deutschen Märchen, die Brüder Grimm. Als alleinstehender Genetiv an der Spitze des Relativsatzes überwiegt gleichmäßig in Abhängigkeit von Haupt- wie Zeitwort ''dessen, deren; der Bauer, dessen Felder —; um dessen willen; der Tag, dessen sie sich nicht mehr erinnerte.'' Doch verwendet G. Keller, der auch den Formen von ''derselbe'' garnicht abgeneigt ist, gern die Form ''welcher'': ''keine vornehmen Sitten, welcher man sie teilhaftig machte''; und: ''eine tiefe Stille, während welcher.'' Auch die kürzere ältere Form ''der'' kommt neben ''deren'' noch vor: ''eine Art Mimikry, der er sich bediente''; und: ''Lange Stille, während der Groner mit aller Anstrengung, deren er noch fähig war, nachdachte'' (DAZ. 28). Wer die Kraft der alten schlichteren Formen ''der, die, das'' noch fühlt, der wird sich auch freuen, wenn noch jetzt oder richtiger jetzt wieder öfter statt der Präposition mit dem Relativ, also statt auf ''welchem'' oder ''dem'', ''an welche'' oder ''die'' usw. die zugleich hinweisenden Adverbien ''daran, darauf, darin, danach'' oder ''darnach'' u. a. auch relativ angewendet werden. Nur sinnerschwerend darf das nicht wirken. Sätze wie die folgenden verdienen diesen Vorwurf gewiß nicht: ''Gerechtigkeit ist die Grundfeste, darauf alle Königreiche ruhen''. ''Er erkannte es an dem reinen Brusttone, danach Lüge und Heuchelei vergebens ringen.''  
Viel härter ist es schon, wenn für einen zweiten Relativsatz aus dem den ersten einleitenden Fürworte eine ganz andere Form ergänzt werden soll, wie in dem Satz Th. Seidels: ''Verehrer des Fortschrittes, denen es nicht um das Verständnis desselben zu tun ist, sondern'' (fehlt ''die'') ''ihm nur anhängen, weil er das Lärmmachende in der Welt ist''. Nur wenn das allgemeine Relativ (''wer, wes, wem, wen'') an der Spitze steht, das dem alten ''s(o)wer'', d. h. ''so —, wenn einer, entspricht'' (§ 101), fordert die Vereinigung des verallgemeinernden Bindeworts und der Deutekraft des Fürwortes in einer Form eine größere Freiheit. Nicht bloß im Verse, wie bei Goethe: ''Wems Herze schlägt in treuer Brust und ist sich rein wie ich bewußt, der hält mich wohl am höchsten''; sondern heute noch in Prosa ist eine derartige Freiheit möglich: ''Wes du dich einmal nicht bemächtigen und nicht erreichen kannst, darauf mußt du stark genug sein zu verzichten''. Um zu fühlen, $Seite 297$ daß hier die gleiche Kraft Duldung der Freiheit fordert wie auf der vorigen Seite bei ''was'', braucht man nur den Goethischen Satz regelrecht umzugestalten: ''wems Herze schlägt in treuer Brust und wer sich rein wie ich bewußt ist'', usw.; ja man würde in dieser Form sogar die Möglichkeit geboten sehn, zwei verschiedene Personen zu erkennen.  +
Nicht aus dem fragenden, sondern aus dem unbestimmten Fürworte (''so'') ''wer'' ist ein anderes ''wer'' hervorgegangen, das sich darum auch der Satzfügung gar nicht einordnet, sondern einem Bedingungssatze — ''so jemand'' — entspricht. Leider wußten bisher nur wenige Schriftsteller, wie Goethe, Freytag und Hebel, diesen Brauch dem das Alte oft so treu bewahrenden Volke abzulauschen; und einige Germanisten, zuletzt besonders Hildebrand, haben ihn aus der mittelalterlichen Literatur in ihr Deutsch hinübergenommen: ''Freiheit? Ein schönes Wort, wer's recht verstünde'' (Goethe). ''Es wären solche Dinge täglich genug zusammenzubringen, wer sich darauf legt'' (Hildebrand).  +
In der Natur des männlichen Geschlechtes, das sich auf solche allgemeine Für- und Eigenschaftswörter wie auf Sätze $Seite83$ nicht beziehen kann, liegt es, daß der Gebrauch von ''wer'' eingeschränkter ist als der von ''was''. Es ist nicht einmal üblich nach vorausgehenden unbestimmten Zahl- und Fürwörtern: ''der(jenige), einer, mancher, jeder, kein, niemand'', die aus der Allgemeinheit zwar nicht sachlich, aber doch nach Zahl und Form bestimmt nur einen herausheben und deshalb bloß ''der'' (und ''welcher'') nach sich haben. Also nicht: ''die Schilderungen muß jeder gelesen haben, wer'', sondern: ''der die Geschichte jener Tage schreiben will''. Selbst wenn kein solches Beziehungswort vorausgeht, ist nur ''der'', nicht ''wer'' am Platze, sobald der Relativsatz die Umschreibung für ein bestimmtes Einzelwesen ist, wofür es kein belehrenderes Beispiel gibt als immer wieder die Verse aus Goethes Mignon: ''Nur wer die Sehnsucht kennt'' (das sind viele), ''weiß was ich leide''; aber: ''der mich liebt und kennt'' (nur ein Bestimmter), ''ist in der Weite''. Nur dann steht in diesem Falle ''wer'', wenn die durch den Relativsatz bezeichnete Person zwar ein Einzelwesen ist, aber eines, von dem es noch nicht festgestellt, noch fraglich ist, ob es mit jener Person sich deckt; woran man denn noch recht deutlich fühlt, wie das rückbezügliche ''wer'' aus dem fragenden herausgewachsen ist. So heißt es in Grimms Märchen: ''Wer aber herein kam, das war der Wolf.'' (Lebhafter gelesen: ''Wer aber herein kam? — das war der Wolf'') und oft genug in den Spalten der Zeitungen: ''Wer mir den Täter so anzeigt, daß ich ihn gerichtlich belangen kann, erhält 50 M. Belohnung ''//1 Ebenso fein ist der Wechsel zwischen beiden Wörtchen in der Stelle von „Wallensteins Lager 880 ff.: ''wenn hier in dem Streite, wer sie bezahle, der Arkebusier sagt: Und der uns bezahlt, das ist der Kaiser, der Trompeter aber wer uns nicht bezahlt, das ist der Kaiser'', so klingt da in dem ''wer'' die Unsicherheit der Entscheidung und — wieder die Entstehung aus der Frage durch!//.  
Außer ''welcher'' hat sich noch ein Wort neben das ursprünglich alleinige Relativ ''der'' gestellt: ''wer'' und ''was''; und zwar deuten diese Formen, während ''der'' und ''welcher'' auf bestimmt abgegrenzte Dinge und Begriffe gehen, ihrerseits auf noch Unbekanntes oder auf Allgemeines. So stehn ''wer'' und ''was'', und zwar in diesem Falle ebensogut fragend als rückbezüglich, zur allgemeinen Andeutung eines Seins, einer Person oder Sache, deren besondere Art noch nicht umgrenzt, auch nicht durch ein anderes vorausgehendes Wort angedeutet ist: ''wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Was ich denk und tu, trau ich andern zu''. Die Anwendung beider Formen wird auch dadurch nicht gehindert, daß ein solches allgemeines Relativ hinterher im Nachsatze durch ein Demonstrativ aufgenommen wird, wie es die Regel ist. Wenn der Relativsatz einem Genetiv-, Dativ- oder Verhältnisobjekt entspricht: ''Was ich denke, (das) darf ich sagen. Wes'' //1 Hierin sei besonders auf die ältere Form ''wes'' und ''des'' hingewiesen, die für Sprichwörter statt ''wessen'' und ''dessen'' beizubehalten empfohlen werden muß.// ''Brot ich esse, des Lied ich singe.'' Sobald ein Beziehungswort voransteht, wandeln Maskulinum und Neutrum ''wer'' und ''was'', dagegen verschiedene Wege.  +
Am gefährlichsten wird den einfachen Konjunktiven das Hilfszeitwort ''werden''. Mancher, der für das Lateinische genau weiß, daß nach Verben des Strebens und Verlangens das regierende Verb selbst, dazu das abhängige Bindewort mit seinem Konjunktiv gerade genug Andeutungen der Zukunft sind, scheint davon im Deutschen nichts zu wissen, obgleich hier die Sache kein Haar anders liegt. Auch hier also darf das Erstrebte nur im (wünschenden) Konjunktiv je nachdem des Präsens oder Imperfekts erscheinen, nie in dem des Futurs (''er werde'' —, ''würde tun''). Ein Geschichtsmann in der Tgl. R. hat demnach falsch geschrieben: ''Margarete v. Parma hätte es am liebsten gesehn, daß Graf Egmont sich wieder bereit zeigen werde'' (statt: ''zeigte'') ... ''dem Könige die Wünsche des Volkes zu überbringen''; und nicht besser ebendort ein Mitarbeiter am politischen Teile: ''Es wäre dringend zu wünschen, daß die jüdische Presse dieselbe Toleranz auch dann beweisen würde'' (statt ''bewiese''), ''wenn es sich um jüdische Angelegenheiten handelt''.  +
Noch jetzt hat unsere Sprache ein Gefühl für dieses Wesen ihres Neutrums, ein feineres sogar als z. B. die lateinische, die in gleichzeitiger Beziehung auf männliche und weibliche Lebewesen nur das stärkere zu setzen weiß, während wir dann richtiger eine bestimmte Geschlechtsbezeichnung vermeiden. Die Stelle des Ovid, wo er von Pyramus und seiner Geliebten Thisbe sagt: „partique dedere oscula quisque suae non pervenientia contra", hätte denn Voß nicht getreulich übersetzen dürfen: „und hefteten Küsse jeder — als ob von mehreren Jünglingen die Rede wäre! — der eigenen Seite"; und bei R. Herzog durfte eine Frau im Gespräch mit ihrem Verehrer nicht sagen: „Wir haben, jeder für seine Person, unsere Separatwünsche". Zugleich Verstöße gegen das Gesetz der Kongruenz (§ 228 ff.) enthalten die Fügungen: ''Er war der jüngste Sohn, elfter der Geschwister'' (W. Vesper) u. Form und Leben haben jedes ihre eigene Gesetzlichkeit (ZDB. 27). Musterhaft sind Sätze wie: „Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken, ob Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll; oft siegt auch keines" bei Lessing, oder wie: „Kommt alle herein, Mutter, Kinder, fürchte sich keines" bei Schiller. — Das heutige//1 Eigentlich ist dieses anders ein Teilungsgenetiv.// Sprachgefühl findet dieses Neutrum auch in einigen Zusammenstellungen wie ''wer-, niemand-, jemand anders'', wie sich in den Formen ''(n)iemand(em)''//2 Bei Gelegenheit sei bemerkt, daß ''(n)iemandem'' und ''(n)iemanden'' für den 3. ''(n)iemanden ''für den 4. Fall erst späte, nicht nötige Formen sind statt des für diese Fälle genügenden bloßen: ''niemand, jemand''.// ''anderem'', ''(n)ie-mand ander(e)n'' verrät, die für den Dativ und Akkusativ neben ''(n)iemand-(em)-, (n)iemand(en) anders'' auch möglich sind, während nur ''wem'' und ''wen anders'' üblich sind. Hart klingt daher in Molos „Luise": ''Es war niemand Vernünftiger da''.  +
An Ausdrücken, die der sinnlichen Anschauung und Lebenserfahrung nähergerückt sind, muß man noch eine erschreckendere Vorstellung davon erhalten, wie gedankenlos $Seite 453$ Unzusammengehöriges zusammengereimt wird. Eine Zeitung redet von ''zugkräftigen Magneten'' (= Künstlern), ''unter denen Sterne von leuchtendem Glanze seien''. Einem Musikschriftsteller scheint gar in Schumann ''eine der schönsten Blüten der Romantik dem Grundsteine entsprossen, den Bach gelegt''. Ein andermal wird wieder gehofft, daß es ''in vielen Herzen neue Saaten treibe, wenn der Frost liebloser Berührung die früheren versengt habe''; oder man sieht über einer Gesellschaft ''einen günstigen Stern blühen'' und ''Häuser durch Fluten eingeäschert werden''. Eine Zeitung ereifert sich über eine Schwester, weil sie ''in die Freihandels-Pauke blase'', und eine andere klagt: ''Mit dem einen Fuße stehen sie im Grabe, während sie mit dem andern am Hungertuche nagen''! Da ist es nicht mehr weit bis zur ''Reise einer blinden Frau, die'' — mit einem Gallizismus — ''ihren Sohn sehen will'', oder bis zu der andern, die ''lautlos wie eine Leiche einfällt: „Ist er tot?“'' was sonst immer laut geschieht, gewöhnlich von Chören und andere übertonend. Wenn die Ärmste wirklich gestorben wäre und ohne Kinder zu hinterlassen, hätte man im heutigen Stile gewiß ihren kinderlosen Tod gemeldet! Doch hinweg vom Tode zum Leben! Jeder weiß, was eine ''Geburt'' ist und daß er selbst geboren ist, und zwar von einer Frau, die deshalb ''seine Mutter'' heißt. Trotzdem ist es nicht nur fertiggebracht worden, den ''Codex Friedrichs d. Gr. sich selbst gebären zu lassen'', sondern ein Musikkritiker, dessen Zunft sich freilich bei ihrem Gefühlsleben vor andern der Verpflichtung überhoben glaubt, auf Verstand und Verständlichkeit Rücksicht zu nehmen, läßt gar jemanden seine Geburt meißeln und intonieren: ''er fing an, seine neuste Geburt, die erst unter dem poetischen Meißel hervorgegangen war, zu intonieren''! Auf die Geburt folgt die Taufe, auch sie in schönen Bildern verwendet, wie denn z. B. bei einem Diplomaten ''König Wilhelm das Definitivum des neuen Deutschen Reiches in Versailles aus der Bluttaufe hebt''. Jede Handlung, die von nun an ein Mensch in seinem Leben ausführt, wird am liebsten nicht mit ihrem eigentlichen Namen bezeichnet und ihrem eigentlichen Träger beigelegt, in Romanen namentlich, sondern bis zum Unsinne verziert und verzerrt und unnatürlich ausgedrückt. Da blickt uns nicht ein Mädchen selbst an, sondern ''ihr Auge'' (so!); nicht sie stampft mit dem Fuße auf, sondern ''ihr Fuß tut es''. Etwa damit sie selber liebenswürdiger bleibe? Nicht sie verzieht das Gesicht, sondern ''ihre Züge verziehen sich'' usw., vielleicht daß das naturalistischer sein soll! Noch häßlicher wirkt es natürlich, wenn sich mit dem Geziere Verkehrtes verbindet. Bringt es doch ein Mädchen fertig, ''den Kopf um den Hals des Vaters zu schlingen'', oder eine andere ''umklammert, innehaltend, den Angeredeten mit den Augen''; ja es vermag sogar ''ein weiblicher Fuß ins Zimmer zu schleichen und mit eigner Hand die Kerze auszulöschen''; oder die Stimmung wird so gereizt, daß die ''erhitzten Köpfe handgreiflich werden''.  
Daß Präpositionen in Verbindung mit dem Relativpronomen ''durch'' die hübschen relativen Adverbia ''worin, woraus, womit, wobei, woran, wofür'' usw. ersetzt werden können und in der lebendigen Sprache sehr oft ersetzt werden, wenn sich das Relativ auf eine Sache $Seite 117$ (nicht auf eine Person!) zurückbezieht, daran denken beim Schreiben die wenigsten, und wenn sie daran denken, so wagen sie nicht, Gebrauch davon zu machen. Am ehesten getrauen sie sichs noch da, wo sie auch ''was'' statt ''das'' sagen würden. Aber ''ein Brief, worin — eine Fläche, woraus — ein Messer, womit — ein Mittel, wodurch — eine Regel, wobei — ein Geschenk, worüber — eine Gefahr, wovor'' — (auch: ''der Grund, weshalb'') — wie wenigen will das aus der Feder! Sie halten es womöglich gar für falsch. Irgend ein Schulmeister, der sich nicht vom Lateinischen hatte losmachen können, hat ihnen vielleicht einmal in der Jugend davor bange gemacht, und so schreiben sie denn: ''diese beiden Punkte sind es, an welchen Grimm aufs strengste festgehalten hat — der innige Zusammenhang, in welchem Glaube, Recht und Sitte stehen — das einfache, schmucklose Gewand, mit welchem uns die Natur wie eine Mutter umfängt'' usw. Und doch heißt es in dem Bürgerschen Spruch: ''Die schlechtsten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen''. Nun gar das einfache ''wo'': ''das Gebäude, wo — ein Gebiet, wo — in einer Stadt, wo — in allen Fällen, wo — eine Gelegenheit, wo — eine Ausgabe, wo'' (z. B. ''der Sopran die Melodie hat''), und vollends dieses einfache ''wo'' von der Zeit gebraucht: ''wir gedenken an jene Zeit der Jugend, wo wir zuerst auszogen — die Eltern sind genötigt, über den Bildungsgang ihrer Kinder schon zu einer Zeit Bestimmungen zn treffen, wo deren Anlagen noch zu wenig hervorgetreten sind — seit dem 29. März, wo die neue Bewegung begann — seit dem Jahre 1866, w o er sein Amt niedergelegt hatte'' — wie wenige wagen das zu schreiben, wie wenige haben eine Ahnung davon, daß auch das grammatisch ganz richtig und hundertmal schöner ist, als das ungeschickte: ''seit dem 29. März, an welchem Tage — seit 1866, in welchem Jahre'' usw.//* Hier ist eine Apposition, die vor dem Relativpronomen stehen müßte, in den Relativsatz versetzt. Das ist vollends undeutsch, es ist ganz dem Lateinischen nachgeahmt.// Ist es nicht kläglich $Seite 118$ komisch, in einem Manuskript sehen zu müssen, wie der Verfasser erst Geschrieben hat: ''die Depesche gelangte an demselben Tage in seine Hände, als'' usw., dann das ''als'' wieder durchgestrichen hat und darübergesetzt: ''an welchem, aber auf das gute, einfache, natürliche wo nicht verfallen ist?'' Und genau so ist es mit ''wie''. ''Die Art und Weise, wie — in dem Grade, wie — in jenem Sinne, wie — in dem Maße, wie — über die Richtung, wie'' — wie wenige getrauen sich das zu schreiben! ''Die alten Innungen waren Produktivgenossenschaften in jenem vernünftigen Sinne, in welchem jeder Staat es ist — man war im Zweifel über die Art und Weise, in welcher die soziale Gesetzgebung vorzugehen habe — ein Bier, das in demselben Grade ungenießbar wird, in welchem sich seine Temperatur über den Gefrierpunkt erhebt — in dem Maße, in welchem'' (''wie''!) ''sich die Partei dem Augenblicke nähert, in welchem'' (''wo''!) sie ihr Versprechen erfüllen soll — anders schreibt der Papiermensch nicht. Das relative Adverbium ''wo'' bedeutet keineswegs, wie so viele glauben, mir den Ort, es bedeutet, wie das ihm entsprechende ''da'', ebenso gut auch die Zeit. Merkwürdigerweise hat man noch eher den Mut, zu schreiben: ''die Zeit, da'' — als: ''die Zeit, wo''. Manche lieben sogar dieses ''da'', ziehen also hier das Demonstrativ in der relativen Bedeutung vor, während sie doch sonst immer'' welcher'' für ''der'' schreiben. Aber ''da'' als Relativ klingt uns heute doch etwas veraltet (man denke nur an den Bibelspruch: ''seid Täter des Worts und nicht Hörer allein, damit ihr euch selbst betrüget''), es kann auch leicht mit dem kausalen ''da'' verwechselt werden, z. B. ''mitten in einer trüben Zeit, da ihn ein Augenleiden heimsuchte''. Für ''in welchem'' sollte man, wo es irgend angeht, schreiben ''worin''; bei ''in dem'' entsteht der Übelstand, daß es mit dem Fügewort ''indem'' (entstanden aus ''in dem daß'') verwechselt werden kann. Auf dem Papier natürlich nicht, aber das Papier geht uns auch gar nichts an: beim Hören kanns verwechselt werden — das ist die Hauptsache!