Attribut: KapitelText
Aus Zweidat
Dies ist ein Attribut des Datentyps Text.
A
Von ihrer rein adverbialen, gelegentlich auch nominalen Natur haben sich die Bindewörter etwas weiter entfernt, die zwar an beliebigen Stellen innerhalb des Satzes und auch an der Spitze stehen können, hier aber sowohl so, daß sie noch gleich anderen Satzteilen Einfluß auf die Wortstellung haben, also das Zurücktreten aller Satzteile hinter das finite Verb veranlassen, als auch so, daß sie als echte Satzbindeglieder zwischen die zu verbindenden Sätze treten, ohne auf die Stellungsverhältnisse des zweiten, dem sie an sich so wenig angehören als dem ersten, irgend welchen Einfluß zu üben. Diese Doppelnatur zeigen ''also, indessen, doch'', seltener ''jedoch'' und auffälligerweise oft auch ''entweder''//1 Nicht gut wird gelegentlich auch ''sogar'' so behandelt: ''Sogar er entblödete sich nicht, dieser Partei gegen Thomasius als Werkzeug zu dienen''; ''sogar'' betont hier die Verneinung der Infinitivfügung und gehört als Adverb, wie jedes Adverb, zu dem von ihm bestimmten Gliede, so hier zum Infinitiv: ''er entblödete sich sogar nicht'' usw. (auch: ''sogar entblödete er sich nicht''). Bei ''auch'' kommt es darauf an, ob es zum ganzen Satze, also zu dessen Verb oder zu einem einzelnen Worte gehört. In jenem Falle heißt es: ''Er billigte dein Verfahren nicht, auch wollte er dich warnen'' usw.; in diesem: ''auch der Vater billigt dein Verfahren nicht''.//. Denn obgleich das letzte bedeutet: eine von den folgenden zwei Möglichkeiten und sonach, vor beiden stehend, die Stellung keines Gliedes beeinflussen sollte, sagen wir heute doch nicht nur wie Luther: ''Entweder er wird einen hassen und den andern lieben, oder wird einem anhangen und den andern verachten'', sondern auch: ''Entweder bin ich ihrer oder sie sind meiner nicht wert gewesen''. Bei ''jedoch'' ist die Stellung eines Satzgliedes zwischen dieses Binde- und das Aussagewort im wesentlichen auf unbedeutsame Formwörter beschränkt: ''Er ist fleißig genug, jedoch es fehlt ihm an natürlicher Anlage'' (lieber: ''jedoch fehlt ihm die ... Anlage''). Es hat dieses seinen tieferen Grund. ''Jedoch'' ist eine Abschwächung von ''doch''; die Stellung: Bindewort + psychologisch am nächsten liegender Satzteil (§ 383) + Aussagewort, drückt aber gerade eine stärkere Hervorhebung des Gegensatzes aus, wie das jeder daran merken kann, daß bei dieser Stellung das Bindewort durch eine dahinter gemachte Pause einen stärkeren Ton erhält: ''Freilich hatte das der Kaiser gesagt, indessen der Kaiser war auch ein irrender Mensch''. Aus einem ähnlichen Widerstreite zwischen der Schwere eines durch ''doch, indes, allein'' angedeuteten Gegensatzes und der vereinigenden Wirkung der nur einmaligen Setzung des Subjekts in einer Satzverbindung erklärt es sich auch, daß ein ''doch, indes, allein'' + Verbum am Anfange eines Satzes ohne besonderes Subjektswort hart erscheint. Wir sagen deshalb lieber nicht, wie Jensen ähnlich oft: ''Die Erzählung Scheffels (Hugideo) bietet manche Ahnlichkeit mit der eben erwähnten Sage, doch handelt noch zu römischer Zeit'', sondern: ''handelt jedoch, handelt aber'', allenfalls auch: ''aber handelt noch''; oder: ''doch handelt sie'' usw.
Ein abscheulicher Fehler, der wieder recht ein Zeichen der immer mehr zunehmenden Verrohung unsers Sprachgefühls ist, ist die gemeine Zusammenkoppelung des Dativs und des Akkusativs, die neuerdings bei Datenangaben aufgekommen ist und mit unbegreiflicher Schnelligkeit um sich gegriffen hat. Fast alle Behörden, alle Berichterstatter, alle Programme, alle Einladungen schreiben schon: ''am Donnerstag, den 13. Februar''. Sogar die amtlichen stenographischen Berichte des Reichstags sind so überschrieben!
Jede von beiden Konstruktionen für sich allein wäre richtig. Auf die Frage: ''wann ist das Konzert?'' kann ebensogut mit dem bloßen Akkusativ geantwortet werden: ''den Donnerstag'', wie mit ''an'' und dem Dativ: ''am Donnerstag''.//* Bei Handlungen, die noch bevorstehen, wird die erste Verbindung vorgezogen, bei Handlungen, die vorüber sind, die zweite. Wann wird er zurückkehren? ''(Den) Donnerstag''. Wann ist er zurückgekehrt? ''Am Donnerstag''.// Aber beide Konstruktionen zusammenzukoppeln, einen Akkusativ als Apposition zu einem Dativ zu setzen, ist greulich. Fühlt man das gar nicht? Was $Seite 259$ glaubt man denn, daß es für ein Kasus sei, wenn auf die Frage: ''wann wird er zurückkehren?'' geantwortet wird: ''Donnerstag''. Ist man so stumpfsinnig geworden, daß man hier den Akkusativ nicht mehr fühlt, auch wenn der Artikel nicht dabei steht, wenn bloß geschrieben wird: ''Donnerstag, den 13. Februar?'' Muß das ''am'' dazu? Man lasse doch das dumme ''am'' wieder weg, und alles ist in Ordnung! ''Den'' wegzulassen, wie manche tun (''am Freitag, 7. November''), macht die Sache nicht besser.
Man schreibt aber auch schon: ''vom Ende Februar, vom Dienstag, den 6. dieses Monats'' ab. Das ist fast noch abscheulicher. Die Akkusative ''Ende Februar, Dienstag, den 6.'' gelten für den Satzbau genau so viel wie jedes Adverbium der Zeit, das auf die Frage: ''wann?'' antwortet, wie ''gestern, heute, morgen''. Ebenso nun wie auf die Fragen: ''von wann?'' und ''bis wann?'' geantwortet wird: ''von heute bis morgen'', ebenso muß auch geantwortet werden: ''von Ende Februar, von Dienstag, den 6. bis Donnerstag, den 8. April.'' Denn nicht ''Ende'' oder der Artikel ''den'' hängt von ''von'' ab, sondern die ganze, wie ein Adverbium der Zeit aufzufassende Formel: ''Dienstag, den 6.''
Derselbe Fall kommt auch bei Ortsbestimmungen vor. ''Zuhause'', das auf die Frage: ''wo?'' antwortet, wird für die Konstruktion ganz zum Ortsadverbium, wie ''hier, dort, oben, unten'' u. a. Auf die Frage: ''wo kommst du her?'' ist es also durchaus nicht falsch, zu antworten: ''von zuhause''. Wir in Mitteldeutschland sagen immer so (nicht wie der Norddeutsche sagt: ''von Hause'', das uns fremdartig und geziert klingt), ebenso wie wir auch sagen: ''er spricht viel von zuhause, er denkt den ganzen Tag an zuhause.''
Genau denselben Fehler, nur umgekehrt den Akkusativ in Beziehung auf den Dativ oder Genetiv, enthält die häufige Form des Datums: ''Am Montag(e), den 19. September'', oder ''Montags, den 19. September'', die auch auf alle Fälle wegen des Widerstreites der verschiedenen Fälle unschön und wenig geschmackvoll ist. Entschuldbar und leicht erklärlich ist die Form statt der beiden streng richtigen, der bequemen und häufigeren: ''Montag, den 19. September'', und der als lautlich unbequemer auch seltneren: ''am Montage, dem 19. Sep-'' $Seite 234$ ''tember'', freilich insofern, als zwei für sich gleich richtige Ausdrucksweisen aneinander gerückt scheinen können//1 Freilich nur scheinen; denn baß wirklich die Präp. + Dat. und der alleinstehende, die Zeitdauer bezeichnende Akk. zusammengerückt seien, ist ausgeschlossen, da eine solche Zusammenrückung nie erfolgt, wenn die Apposition ein Neutrum ist, indem es dann nie so lautet: ''am 6. Jan., das Dreikönigsfest'', sondern nur, wie z. B. in der T. R.: ''am 15. Aug., dem Napoleonsfeste''. Die häufige falsche Form ist im Grund nichts als die in einem Falle mehr oder minder geduldete schriftliche Bestätigung der bequemen und liederlichen Aussprache des ''m'' = ''n'' !//. Übrigens beruht das Widerstreben gegen die letztere Fassung auf einem richtigen Gefühl für die Bedeutung von am mit folgendem Namen des Tages. Infolge der darin steckenden Kraft des Artikels kann es nämlich streng genommen nur von dem letztverflossenen oder dem durch einen Genetiv oder präpositionalen Zusatz fest bestimmten Tag des genannten Namens gebraucht werden. ''Am Freitage'' ist also eigentlich an dem letzten Freitag vor dem Zeitpunkte, wo der Ausdruck angewendet wird, ähnlich wie mit der Wendung ''am Donnerstage der Pfingstwoche, vor Weihnachten'' ein fest bestimmter Tag gemeint ist. Der bloße vierte Fall des Tages eignet sich dagegen, jeden früheren oder späteren, durch den folgenden Zusatz genau bestimmbaren Tag zu bezeichnen; und so wird bei Berichterstattern, wo sie nicht von den letztvergangenen Tagen reden, diese Form: ''Montag, den 7. Januar 1791'', am richtigsten sein. Im allgemeinen gar nicht geeignet, durch eine genaue Angabe des Datums erläutert zu werden, ist der Genetiv, der die regelmäßige Wiederkehr bezeichnet: ''die Dampfer verkehren nur Donnerstags'' (= jeden Donnerstag); ''dieser Zug verkehrt nur Sonn- und Feiertags'' (= an Sonn- und Feiertagen). Etwas anderes ist es um die Darstellung der sich erst entwickelnden Rede im Roman z. B. oder in der freien Rede des Redners: hier kann sehr wohl erst nur die Erinnerung an den und den Wochentag auftauchen: ''es war am Freitage nach Ostern, es war Freitags''; und dann kann, vielleicht gar nach einer Nachrechnung erst, nicht eigentlich als Apposition, sondern als selbständige genauere Angabe des Datums folgen: ''den xten April''; und niemand wird daraus dem Redner einen Vorwurf machen. Es kann auch aus dem Zusammenhange klar sein, welcher einzelne Tag gemeint ist und doch die sonst die Wiederkehr bezeichnende Form stehen: ''„Ja, man kann immer noch etwas lernen, so alt man ist“, sagte sie nachmittags, als sie in ihrem Sessel saß'' (Adele Gerhard).
Ein feiner Unterschied besteht zwischen den mit Hilfe der Wörtchen ''auf'' und ''an'' gemachten Zeitangaben. Die mit ''auf'' bezeichnen eine zeitliche (auch räumliche) Ausdehnung, bis zu deren Endpunkte eine Tätigkeit oder ein Zustand andauert, und zwar meist beachteter und gewünschter Weise: ''Der Pünktliche trifft auf die Minute ein; man mietet auf drei Jahre; man geht auf eine Stunde plaudern''; indem statt der Zeit das, womit sie ausgefüllt wird, gesetzt wird: ''die Nachbarin kommt auf eine Tasse Kaffee''. Es kann nicht wundernehmen, daß daraus allmählich der Brauch erwuchs, dieses Wörtchen auf solche Zeitangaben zu beschränken, die deutlicher oder versteckter den Begriff des Zieles und Zweckes mit enthalten. Während es also früher auch bei Angabe eines beliebigen Zeitpunktes der Vergangenheit ganz gleichbedeutend mit ''an'' (''in'') stehn konnte//1 Vgl. bei Luther: ''Auf Montag der ersten Woche nach Advent zog Heinrich durch das Stift''.//, bezeichnet es bei Goethe und im Volksmunde nur einen Punkt der Zukunft, der als Ziel gleichsam in der Höhe weit draußen liegt. ''Charlotte war überzeugt, Ottilie werde auf seinen Geburtstag wieder zu sprechen anfangen'', hat jener geschrieben, und das Volk sagt: ''es wird Regen geben auf die Nacht'', und unterscheidet nachahmenswert: ''Ich bin am Sonnabende'' (d. h. ''den letzten Sonnabend'') ''dort gewesen'', und: ''Er wird mich auf den Sonntag'' (= ''den nächsten, bevorstehenden Sonntag''), ''aufs Jahr besuchen'', gerade wie bei G. Keller ''ein Mädchen den Anspruch erhob, auf nächste Ostern bei der Mutter als Buchhalterin einzutreten''. +
Ein garstiger Mißbrauch herrscht in der Deklination bei den Adjektiven, deren Stamm auf ''el'' und ''er'' endigt, wie ''dunkel, edel, eitel, übel, lauter, wacker''; auch die Komparativstämme, wie ''besser, größer, unser, euer, inner, außer, ander'', gehören dazu. Bei diesen Adjektiven kommen in der Deklination zwei Silben mit kurzem ''e'' zusammen, also ''des eitelen Menschen, dem übelen Rufe, dem dunkele' Grunde, unseres Wissens, mit besserem Erfolge, aus härterem Holze''. Diese Formen sind unerträglich; man schreibt sie wohl bisweilen, aber niemand spricht sie, eins der beiden ''e'' muß weichen. Aber welches von beiden? Die richtige Antwort darauf gibt der Infinitiv der Zeitwörter, die von Stämmen auf ''el'' und ''er'' gebildet werden. Auch da treffen zwei ''e'' zusammen, von denen eins beseitigt werden muß. Nun ist es zwar hie und da in Deutschland, z. B. in Hannover, beliebt, zu sagen: ''tadlen, handlen, wandlen, veredlen, vermittlen, verdunklen, verwechslen, ausbeutlen, mildren, verwundren, erschüttren, veräußren, versilbren, versichren, erläutren'', im allgemeinen aber spricht, schreibt und druckt man doch ''tadeln, veredeln, erinnern, erläutern'', d. h. man opfert das ''e'' der Endung und bewahrt das ''e'' des Stammes. Ebenso geschieht es auch in der Flexion des Verbums: ''er vereitelt, er verändert, nicht er vereitlet, er verändret''. Und so ist es gut und vernünftig. Denn nicht nur daß das Stamm-''e'' wichtiger ist als das der Endung, die Formen auf ''eln'' und ''ern'' klingen auch voller und schöner.//* Genau genommen wird freilich auch nicht ''vereiteln, verändern'' gesprochen, sondern ''vereitln, verändrn'', ''l'' und ''r'' werden geichsam vokalisiert. Aber gemeint ist doch mit dieser Aussprache ''eln, ern, nicht len, ren''. Eigentlich gehören auch noch die Wortstämme auf ''en'' hierher, wie ''rechen, zeichen, orden, offen'', $Fußnote auf nächster Seite fortgeührt$ ''eben, eigen, regen'' (vgl. ''Rechenschaft, Eigentum, Offenbarung''). Die Infinitive können da natürlich nur ''rechnen, ordnen, eignen'' lauten; die flektierten Formen aber, die wir jetzt leider allgemein ''zeichnet, zeichnete, öffnete, gerechnet, geordnet, geeignet'' schreiben, lauteten im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert noch überall schöner: ''zeichent, gerechent, geordent, geeigent''. Der Volksmund spricht auch heute noch so, selbst der Gebildete sagt — er mag sich nur richtig beobachten —: ''es regent, es regente, es hat geregent'' (genau genommen freilich auch hier wieder ''regnt, geregnt'', mit vokalisiertem ''n''). Nur wer sich ziert, wer „wie gedruckt" redet, sagt: ''ausgezeichnet''. ''Net'', womöglich ''nett''! Man muß ja förmlich eine Pause machen und Kraft sammeln, um das ''net'' herauszubringen! Unsre besten und hervorragendsten Zeitschriften brauchten nur einmal die vernünftigen Formen ''zeichent, öffent, zeichente, öffente, gezeichent, geöffent'' eine Reihe von Jahren beharrlich drucken zu lassen, so wären sie wieder durchgedrückt. In ''atmen'' (Stamm: atem) hat natürlich das Stamm-''e'' ausgeworfen werden müssen, weil ''atemn'' niemand sprechen kann; für ''atmet'' hört man aber im Volksmunde auch oft genug ''atent'', wie denn auch schon in der ältern Sprache ''Aten'' neben ''Atem'' erscheint (und wie auch ''bodem, gadem, besem, busem'' zu ''Boden, Gaden, Besen, Busen'' geworden sind).// Genau so verhält sichs bei den genannten $Seite 28$ Adjektiven. Aber fast in allen Büchern und Zeitungen druckt man die häßlich weichlichen Formen: ''unsres Jahrhunderts, des üblen Rufes, die ältren Ausgaben, meiner teuren Gemeinde, in der ungeheuren Menschenmenge'', und doch spricht fast jedermann: ''unsers Jahrhunderts, des übeln Rufes, die ältern Ausgaben, meiner teuern Gemeinde, in der ungeheuern Menschenmenge''. Man druckt ja nicht: ''die Eltren'', überall wird richtig ''Eltern'' gedruckt; warum also nicht auch ''die ältern''? beides ist doch dasselbe. Bei dem Dativ-''m'' kann man zugeben, daß, wenn das Stamm-''e'' erhalten und das ''e'' der Endung ausgeworfen wird, zuweilen etwas harte Formen entstehen; im allgemeinen ist aber auch hier ''auf dunkelm Grunde, mit besserm Erfolge'' gewiß vorzuziehen.
Neben allen diesen berechtigten Gesichtspunkten muß noch ein unberechtigter erwähnt werden, dieser zugleich für Adjektive, Adverbien und Substantive mit dem Ausgange ''e''. Es herrscht nämlich die Einbildung, als seien die oberdeutschen Formen ohne ''e'' feiner als die mit ''e'', während sie doch im Grunde lediglich mundartlich sind. Man wird daher allein Formen wie ''Stirn, Gedräng, Getös, bang, behend, blöd, bös, irr, nah, beinah, eng, trüb'' u. ä. im Munde feiner reden wollender Leute vernehmen, dieselben Wörter aber mit ''e'' im Volke wie überhaupt im ungezwungenen Stile besonders Mitteldeutschlands. Dabei ist freilich nicht zu leugnen, daß das weitergehende Schwinden des ''e'' im Munde der Feineren nur ein weiterer Fortschritt auf dem Wege ist, $Seite61$ den wir für zahllose andere Wörter schon lange wandeln. Schließlich muß gerade für dieses Ausgangs-''e'' bemerkt werden, daß es für seine Bewahrung oder Abwerfung belanglos ist, ob es ein organisch entwickelter Vertreter früherer vollerer Vokale oder ein jüngerer unorganischer Ansatz ist. So ist z. B. die Endung in ''Beere, Mühle, Kehle, Weise'' ebenso neu wie in ''Türe'', und doch wird sie in jenen vier Wörtern stets beibehalten; umgekehrt kann sie selbst dann wegfallen, wenn sie mehr als einen alten Vokal vertritt, wie in ''heut(e)'', das für ''hiutagu'' = ''an diesem Tage steht''. So immer ''heutzutage'', und bei K. v. Heigel z. B. ''heut nicht, heut nicht, aber morgen''. Dagegen ist es wünschenswert, das ''e'' des Zeitadverbs lange zu bewahren, das in ungezierter Prosa außer in fast präpositionaler Verwendung nach Zeitbestimmungen (''4 Jahre, Stunden lang'') immer zweisilbig erscheint; denn die Sprache hat sich dadurch eine Unterscheidung von dem adjektivischen und hauptsächlich zu Raumangaben dienenden lang ermöglicht, und gegen die seit langem übliche Gestaltung des prädikativen Adjektivs steht in C. F. Meyers Versuchung des Pescara: ''Laßt Euch die Zeit nicht lange werden''. +
Ein entsetzlicher Schwulst greift neuerdings unter gewissen Eigenschaftswörtern um sich: man fühlt nicht mehr oder tut so, als ob man nicht mehr fühlte, daß diese Eigenschaftswörter eben die Art, die Eigenschaft eines Dinges bezeichnen, sondern glaubt, das noch besonders ausdrücken, richtiger: ausquetschen zu müssen, indem man das Wort ''Art'' zu Hilfe nimmt. Bildungen wie ''gutartig, bösartig'' und ''großartig'' sind ja schon alt und haben mit der Zeit einen Sinn angenommen, der sich von dem einfachen ''gut, böse'' und ''groß'' unterscheidet, wiewohl zwischen einem ''bösen Hund'' und einem ''bösartigen Hund'', einer ''großen Auffassung'' und einer ''großartigen Auffassung'' ein recht geringer Unterschied ist. Aber schon ''fremdartig'' und ''verschiedenartig'' ist doch oft nichts als eine überflüssige Verbreiterung von $Seite 391$ ''fremd'' und ''verschieden''. Oder wäre es wirklich nicht mehr deutlich, wenn man sagt: ''es ist dem innersten Wesen des Deutschen fremd'' — oder wenn man Gaslicht und elektrisches Licht ''verschiednes Licht'' nennt? Vollends unnötiger Schwulst aber ist in den meisten Fällen das neumodische ''andersartig'' für ''anders''. Oder ist es etwa nicht mehr zu verstehen, wenn jemand sagt: ''die Befriedigung, die wir aus der Kunst schöpfen, ist eine ganz andre, als die, die uns die Natur gewährt''? (Vgl., was S. 359 über ''eigen'' und ''eigenartig'' gesagt ist.)
Man begnügt sich aber schon nicht mehr mit den Zusammensetzungen von ''artig'' — es scheint das noch nicht schwülstig genug zu sein —, sondern hat das herrliche Partizip ''geartet'' erfunden und schreibt nun nicht bloß von einer ''anders gearteten Zeit'' und ''anders gearteten Verhältnissen'', sondern auch von ''einer so gearteten Begabung'' (statt von ''einer solchen''), von ''ähnlich gearteten Unternehmungen'' (statt von ''ähnlichen'') usw. ''Ist der heutige Sextaner anders geartet als der frühere? — man sah der Ausführung zwar mit anders gearteter, aber nicht geringerer Spannung entgegen — wären alle Deutschen Österreichs so geartet wie die Siebenbürger Sachsen — das Schöffengericht hat in einem ganz ähnlich gearteten Falle auf Freisprechung erkannt — mit der besondern Veranlassung war auch eine besonders geartete Zuhörerschaft gegeben'' — so spreizt man sich und ist dabei womöglich noch stolz auf seinen Scharfsinn, der den Unterschied zwischen ''ähnlich'' und ''ähnlich geartet'' ausgedistelt hat.
Vielleicht erleben wirs noch, daß auch ''anders geartet'' nicht mehr genügt, daß man sagt: ''die Befriedigung, welche'' (!) ''wir aus der Kunst schöpfen, ist eine ganz andersartig geartete, als diejenige, welche'' (!) ''uns die Natur gewährt''. Breiter könnte dann der Ausdruck beim besten Willen nicht genudelt werden.
''Wie'' wird häufig auch bei Ausdrücken der Verschiedenheit falsch gebraucht: ''anders, niemand, nichts, umgekehrt, das Gegenteil, entgegengesetzt'', die zwar keine komparativische Form, aber noch viel weniger den Sinn der Gleichheit haben und eben deshalb ''als'' nach sich fordern. Mustergültig schrieb Stifter: ''Er stieg auf der entgegengesetzten Seite, als er heraufgekommen war, hinab'', und ein anderer: ''Er behauptete schnurstracks das Gegenteil als sein Partner''. Falsch stand dagegen in der Leipz. Ztg.: ''um kein Haar anders wie'' (statt ''als'') ''die Berliner Freisinnigen'', bei Langbehn: ''in umgekehrter Richtung wie'' (statt: ''als'') ''das Jahr 1848''; und bei einem Germanisten: ''Der Nebensatz kann sogut wie jeder andre Satzteil nach psychologischen Gesichtspunkten eine andre Einkleidung verlangen wie'' (statt: ''als'') ''nach rein grammatischen''. Selbst wenn der Vergleich einem positiv + ''so'' und einem Komparativ gemeinsam gilt, setzt man am besten die Partikel, die dem Gliede entspricht, dem sie unmittelbar nachfolgt. Also stelle man: ''so schön wie der Konditor und besser'' oder: ''so schön und besser als der K''. +
Wieder allgemeiner kann man sagen, daß der Artikel häufig in Angaben der Zeit und der Art und Weise fehlt. Es heißt gewöhnlich ''bei Nacht'', nicht wie bei Koser: ''bei der Nacht''; ebenso ''bei Tage'', ''zu Ende, von -, zu Anfang, vor Mitte'', nicht ''vor Ende, vor -, nach -, über -, zu Tisch'', also auch unbeanstandbar bei Schiller: ''bis nach Tafel; Tag über, in Zukunft'', auch ''Nachmittag über'' wie ''den Nachmittag über, gegen Morgen, vor Sonntag, vor Mittag, vor Abend'' (doch auch ''vor dem Abende''); aber nur ''gegen Abend'', nicht mit einer französelnden Schriftstellerin ''gegen den Abend''.
Bei Bestimmungen der Weise und des Grundes wie: ''aus Liebe, Hochachtung, mit Güte, vor Angst, in Frieden'' u. v. a. entspricht das Fehlen des Artikels dem Wesen der Begriffsnamen; demgemäß heißt es auch: ''in Ruhe'' (nicht wie Karl August schrieb: ''Bäder in der Ruhe nehmen''), wohl aber als jünger: ''in der Stille'', wogegen wieder Zschokke ein ungebräuchliches ''in Stille'' wagte), ''in Menge, nach Wunsch, nach Belieben, in Ordnung haben'' und ''in Ordnung sein'', d. h. ''in geordnetem Zustande'', neben ''in der Ordnung sein'', d. h. ''in dem bestimmten'', besonders von rechtlichem Standpunkte sich gebührenden Zustande; ''in Huld, in Gnaden, mit Fleiß, mit Absicht, nach Vorschrift''; ''auf Kundschaft -, Beute -, Raub ausgehn''; aber wieder ''zu'' und ''zur Nacht essen''. +
Die Seiten über die Wortbildung haben dem Sprachbaumeister Winke geben wollen, nach denen er die Bausteine beurteilen, wählen und beschaffen kann. Auf denen über die Wortbeugung war davon die Rede, wie sie zu behauen und zuzuputzen sind, damit sie sich fest zu zwei und zwei aneinanderfügen. Die Betrachtung über die Wortfügung und die Fügung des einfachen Satzes lehrt ihre Zusammensetzung zu einfachen Werksteinschichten. Es gilt zum Schluß zu zeigen, wie sich die so gewonnenen Teile, indem sie Reihe an Reihe verschränkt übereinander geschichtet werden, wenn nicht zu einer harmonisch gefügten Schauseite, deren Anlage man am sichersten dem sinnenden Studium musterhafter Sprachschöpfer und künstlerischer Anlage verdanken wird, so doch zu einer leidlich und glatt gefügten Mauer zusammenschließen. Den Bindegliedern, die dabei zwischen Schicht und Schicht oder zwischen größern Mauerteilen zur Andeutung ihrer Gliederung eingefügt werden, entsprechen jene Wörtchen der Sprache, die an sich unbedeutend, für sich nichtssagend und in ihrer Urbedeutung oft kaum mehr kenntlich sind, für das Verständnis und die Gliederung der Satzglieder und Satzreihen aber die größte Bedeutung haben: das sind die Konjunktionen oder Bindewörter. Wie aber die Baukunst heute nicht mehr, wie in ihren Anfängen, mit lauter gradlinigen Bauteilen und entsprechenden gleichartigen Bindegliedern, Säulen und Querbalken, auszukommen vermag und zu ganz andre Fügungen fordernden Rundlinien und den diesen ansprechenden Bogen fortgeschritten ist, welche die von ihnen beherrschten Glieder zu mancher Umgestaltung und Anbequemung zwingen: so hat sich auch die Sprache von ihrer ursprünglichen Einfachheit, in der sie nur gleich $Seite 269$ artige Sätze, lauter Hauptsätze, durch bloße nebeneinanderreihende Bindewörter, die beiordnenden Konjunktionen wie ''und, auch, aber, doch'', denn aneinanderreihte, zu größerer Kunstfertigkeit weiterentwickelt, in der sie nun auch anders geordnete Glieder, die Nebensätze, durch unterordnende Konjunktionen einzufügen weiß; und auch diese drängen — ähnlich den Bögen der Baukunst — gerade den beherrschenden Teil des Satzes, das Zeitwort nach Stellung und Modus jetzt in andere Verhältnisse. Ja in keiner Sprache ist dieser Einfluß namentlich auf die Stellung der Satzaussage so ausnahmslos durchgeführt wie in der deutschen, indem in allen ihren mit Für- und Bindewörtern eingeleiteten Nebensätzen das Zeitwort
oder in zusammengesetzten Formen das Hilfszeitwort an oder doch gegen das Ende rückt: ''Du hast etwas Unrechtes getan! Was hast du getan?
''Er wollte durchaus wissen,''
''ob ich etwas''
''was ich''
''Unrechtes getan hätte''.
Bei ''machen'' + Infinitiv eines transitiven Verbums hat der dritte Fall einen ähnlichen Anhaltepunkt und einen Kreis, innerhalb dessen er gestattet ist, wie bei ''lassen''. Gestatten doch Formeln wie ''zu schaffen, zu tun, zu schreiben, zu wissen machen'' u. a. nur den dritten Fall. Dazu kommen die Wendungen ''einem'' oder ''einen angst'' oder ''bange'' (in Anlehnung daran auch ''heiß'') ''machen'', deren dritter Fall sich bei jenem aus der auch substantivischen Natur von ''Angst'', bei diesem aus der ursprünglich nur adverbialen von ''bange'' als das Ursprünglichere ergibt. Daran schloß sich leicht ''einem'' oder ''einen zu fürchten machen'', und auch für ''gruseln'' und ''grauen machen'' muß der Wechsel zugestanden werden. Selbst ''einem etwas glauben machen'' ist bei der Anlehnung an ''aufbinden, weiß machen'' neben dem richtigeren ''einen etwas glauben machen'' kaum mehr auszurotten. Doch damit muß die Grenze erreicht sein. Beiläufig gilt es überhaupt, mit der Zusammenstellung von ''machen'' mit Infinitiven in der sorgfältigen Sprache sparsam zu sein. Oft ist ''machen'' geradezu undeutsch, ganz besonders, wenn es anstatt ''lassen'' steht. So in neueren Romanen: ''Wir machten die Jugend des Dorfes bis in die Nacht hinein springen. Man sah darauf, auch den Schein vermeiden zu machen. Der Tod machte ihr ein namhaftes Vermögen zufallen''; ähnlich freilich bisweilen schon bei den Klassikern. In der Umgangssprache begünstigt noch eins den dritten Fall neben den genannten Zeitwörtern: die Bequemlichkeit einer Leideform. Denn niemand bildet zu der Tätigkeitsform: ''Man läßt mich wissen, fühlen'' eine Leideform: ''ich werde wissen -, fühlen gelassen''. Aber wie schon B. Schupp der Tätigkeitsform ''einem etwas zu wissen tun'' entsprechend bildete: ''es wurde mir durch ... Briefe zu wissen gemacht'', so hört man in bequemlicher Rede noch heute: ''jetzt wurde ihm seine damalige Härte fühlen gelassen'', der Schriftsprache natürlich gleich wenig angemessen als nach § 215, 9 das Passivum ''mir ist etwas gelehrt worden''.
§ 217. Eine freiere Art von Ergänzungen des Verbalbegriffes sind auch viele Orts- und Zeitbestimmungen entweder noch oder doch ursprünglich gewesen, mögen sie auch jetzt als Umstandsbestimmungen aufgefaßt werden. Oder wer verstünde nicht die Verwandtschaft solcher Wendungen wie: ''seine Zeit absitzen und vier Wochen sitzen, seinen Weg -, seiner Wege gehn'' und ''allerorten zu finden sein''? Auch hier waltet ein Bedeutungsunterschied zwischen dem zweiten und vierten Falle ob.
Ursprünglich hat ''ankommen'' nur den vierten Fall bei sich (''etwas kommt an mich''), und so ausschließlich noch bei Luther, gleichviel ob es mit persönlichem Subjekte bedeute ''befallen'' (''Angst kam die Philister an'') oder unpersönlich soviel als ''werden, fallen'' (''es kommt ihn hart an''); heute steht in beiden Fällen der dritte Fall daneben, im zweiten sogar überwiegend und immer im Perfekt: ''Als diese Wallung dich ankam stand M. N. N. 26'', aber: ''Nicht einen Augenblick ist mir die Furcht vor der Hölle angekommen'', sagt schon Goethe, und Gellert: ''das kommt mir sauer an; Furcht ist -, es ist mir sauer angekommen''. Ähnlich ist das Verhältnis bei ''anwandeln''; ja da ist neben die regelrechte empfehlenswertere Form: ''Ihn hat die Lust angewandelt, die Äpfel zu brechen'', nicht nur die Form getreten: ''Was ist dir angewandelt'', sondern sogar die wegen des Hilfszeitwortes ''sein'' beim Transitivum auffälligere: ''Was ist dich angewandelt?'' Ganz entschieden muß dagegen von den recht ähnlichen Zeitwörtern ''anlegen'' und ''angehn'' jenem die Berechtigung abgesprochen werden, sich mit dem vierten Fall, diesem, sich mit dem dritten zu verbinden. Denn wenn der vierte Fall neben ''anliegen'' auch bei den Klassikern bisweilen vorkommt, so bleibt er doch damit, da liegen kein Richtungsverhältnis ausdrückt, doppelt unverträglich und lediglich eine Folge schwindenden Gefühles für die sinnliche Schönheit der Wendung. Man ahme also nicht mit P. Richter und Putlitz den Satz Lessings nach: ''Hier lag Antonio den König an, ihm mit einer Summe beizuspringen'', sondern füge das Wort wie Goethe und Schiller immer: ''Ich lag der Mutter an, und diese suchte den Vater zu bereden''. Dagegen fordert ''anspringen'' in feindlichem Sinne den 4. Fall: ''Fritz sprang meinen Vater mit einem Messer an'' (L. Corinth), und auch bei ''angehn'' soll ja der Norddeutsche dem geschichtlich gerechtfertigten Akkusative gegenüber mit seinem Dative dahintenbleiben, den im wesentlichen nur er in das Schrifttum des 17. Jahrhunderts einschmuggelte und auch heute im wesentlichen nur er einschwärzen möchte//1 Infolge dieser Beobachtungen über die Herkunft des dritten Falls kann ich Hildebrand, Deutsch. Unterr. (S. 66), nicht zustimmen, der im Übergänge zum Dative eine gesunde Entwicklung erblickt, eine Folge der Gleichstellung mit ''nahekommen, -treten''. Doch liegt diese gar nicht so nahe, und schließlich führt allzugroße Nachgiebigkeit gegen jede Anlehnung eines Wortes an ein sinnverwandtes auch in der Fügung eher zur Auflösung als zur Freiheit der Sprache, die als rechte Freiheit doch nur in einer gewissen Gebundenheit bestehen kann. Oder man müßte auch überwiegen mit dem Dative gestatten, weil es einzelne, so Grimm, mit überlegen sein gleich gefühlt haben! Man müßte auch kein Gefühl mehr für den Widerspruch haben, der darin liegt, wenn man statt (gut, schlecht) ''stehn, passen'' (''lassen'') (''die Farbe steht ihr nicht'') das sinnliche Bild ''kleiden'' wählt (''die Farbe, das Benehmen kleidet sie nicht'') und dieses gleich wieder in die Fügung jener abgezogneren Begriffe steckt und (falsch) sagt: ''Die Tracht, dieser Leichtsinn will ihm nicht kleiden'', was einfach ein Mischmasch ist.//. Dagegen bei ''dünken'', dessen Zusammensetzung ''bedünken'' natürlich (§ 34, 2) nur den vierten Fall neben sich hat, ist neben dem ursprünglich herrschenden vierten Fall der dritte zur Gleichberechtigung durchgedrungen, übrigens von recht alten Anfängen aus; steht doch schon in Lamprechts Alexanderliede nicht nur ''mir dûhte'' (5082), sondern sogar uns allen ''dô'' $Seite 199$ ''bedûhte'' (5072). Heute fügt auch der Schweizer G. Keller: ''Die Zukunft dünkte (!) ihnen so lieblich'' u. ä. m.
Unrettbar dem Schwulst verfallen sind unsre Präpositionen. Als Präpositionen gebrauchte man früher eine Menge kleiner Wörtchen, die aus zwei, drei, vier Buchstaben bestanden. In unsern Grammatiken findet man sie auch jetzt noch verzeichnet, dieses lustige kleine Gesindel: ''in, an, zu, aus, von, auf, mit, bei, vor, nach, durch'' usw.; in unserm Amts- und Zeitungsdeutsch aber fristen sie nur noch ein kümmerliches Dasein, da sind sie verdrängt und werden immer mehr verdrängt durch schwerfällige, schleppende Ungetüme, wie: ''betreffs, behufs, zwecks, seitens, angesichts, mittelst, vermittelst, vermöge, bezüglich, hinsichtlich, rücksichtlich, einschließlich, ausschließlich, anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, ausweislich, antwortlich, abzüglich, zuzüglich, zusätzlich, vorbehältlich'' usw. Wie lange wird es dauern, so wird in unsern Grammatiken auch der Abschnitt über die Präpositionen vollständig umgestaltet werden müssen; alle diese Ungetüme werden als unsre eigentlichen Präpositionen verzeichnet, die alten, wirklichen Präpositionen in die Sprachgeschichte verwiesen werden müssen.
Früher wurde einer, der mit einem Messer gestochen worden war, ''mit einer Droschke'' ins Krankenhaus gebracht; so wird auch heute noch gesagt. In der Zeitung geschieht es aber nur noch ''vermittelst eines Messers'' und ''vermittelst einer Droschke''. Ein herrliches Wort, dieses ''vermittelst''! Dem Anschein nach eine Superlativbildung, aber wovon? Ein Adjektivum ''vermittel'' gibt es nicht, nur ein Zeitwort ''vermitteln''. Daran ist aber doch bei ''vermittelst'' nicht zu denken. Offenbar ist das Wort in schauderhafter Weise verdorben aus ''mittels'',//* Das ''t'' ist dasselbe unorganische Anhängsel wie in ''jetzt, selbst'' und ''Obst''. In Leipzig sagt das Volk auch ''anderst, Rußt, Harzt''.// dem Genitiv von ''Mittel'', der in ähnlicher Weise zur Präposition gepreßt worden ist wie ''behufs'' und ''betreffs'', zu denen sich neuerdings noch ''zwecks, mangels'' und ''namens'' gesellt haben — lauter $Seite 400$ herrliche Erfindungen.//* Früher hieß es ''im Namen des Königs, aus Mangel an genügendem Angebot'', jetzt nur noch ''namens des Königs — mangels genügenden Angebots''. Schon der häßliche Gleichklang, der ganz unnötigerweise durch die Häufung der Genitiv-''s'' entsteht, hätte von solchen Bildungen abhalten sollen. Aber manche Leute sind ganz vernarrt in solche Genitive; man denke auch an: ''anfangs'' (!) ''Oktober'' (vgl. S. 256).// Das Zwischenglied wäre dann ''mittelst'', das es ja auch gibt; fürstliche Personen reisen stets ''mittelst Sonderzugs'', und ein „Etablissement," das früher ''mit'' oder ''durch Gas'' erleuchtet wurde, wird jetzt natürlich ''mittelst Elektrizität'' erleuchtet, Handelsartikel, die früher ''mit der Hand'' hergestellt wurden, werden jetzt ''mittelst Maschinen'' gewonnen; ja es kommt sogar vor, daß ausgediente Mannschaften ''mittelst Musik'' auf den Bahnhof gebracht werden!
Daß ''zu'' unter anderm auch den Zweck bezeichnet, ist dem Beamten und dem Zeitungschreiber gänzlich unbekannt. Früher verstand man es sehr gut, wenn einer sagte: ''er ist der Polizeibehörde zur Einsperrung überwiesen worden — die Nummern sind zur Registrierung beigefügt''; jetzt heißt es nur noch: ''behufs'' oder noch
lieber ''zwecks Einsperrung, zwecks'' (oder ''zum Zwecke'') ''der Registrierung, zwecks Feststellung der Krankenkassenbeiträge, zwecks Stellungnahme'' usw. ''Behufs Bildung einer Berufsgenossenschaft — behufs Wahrung des Prestiges der italienischen Flagge — ein Bündnis Englands mit Rußland zwecks Niederhaltung Deutschlands— die Leiche wurde zwecks Verbrennung nach Gotha überführt'' (!) — ''die Bank hat zwecks Erweiterung ihrer Räume das Nachbarhaus angekauft — die Schülerinnen fallen zwecks Schonung ihrer Augen acht Tage vom Unterricht dispensiert werden und dann zwecks erneuter Untersuchung sich wieder in der Schule einfinden'' — so ''hufst'' und ''zweckeckeckst'' es durch die Spalten unsrer Zeitungen.
Einen Brief fing man früher an: ''auf dein Schreiben vom 17. teile ich dir mit'' —; jetzt heißt es nur noch: ''antwortlich'' (oder ''in Beantwortung'' oder ''Erwiderung'') ''deines Schreibens'' (vgl. S. 170). Früher $Seite 401$ verstand es jedermann, wenn man sagte: ''nach der Betriebsordnung'' oder ''nach den Bestimmungen der Bauordnung, nach dem Standesamtsregister, nach Paragraph 5''; das Volk spricht auch heute noch so. In den Bekanntmachungen der Behörden aber heißt es nur: ''auf Grund der Betriebsordnung, inhaltlich der Bestimmungen der Bauordnung, ausweislich des Standesamtsregisters'', und was das allerschönste ist: ''in Gemäßheit von Paragraph 5, in Gemäßheit des Beschlusses der Stadtverordneten''. Also statt einer einsilbigen Präposition ein so fürchterliches Wort wie ''Gemäßheit'', flankiert von zwei Präpositionen, ''in'' und ''von''! Früher sagte man: ''nach seinen Kräften, bei der herrschenden Verwirrung, durch den billigen Zinsfuß'' — jetzt heißt es: ''nach Maßgabe seiner Kräfte, angesichts der herrschenden Verwirrung, vermöge des billigen Zinsfußes''. Eine Festschrift erschien früher ''zum Geburtstag eines Gelehrten, beim Jubiläum eines Rektors, zur Enthüllung eines Denkmals'', jetzt nur noch ''aus Anlaß'' oder ''anläßlich des Geburtstags, gelegentlich des Jubiläums, bei Gelegenheit der Enthüllung. Bei dem Auftreten der Influenza hat sich gezeigt — in den Verhandlungen über den Entwurf wurde bemerkt — auf der Weltausstellung in Sydney traten diese Bestrebungen zuerst hervor'' — versteht das niemand mehr? Es scheint nicht so, denn jetzt heißt es: ''gelegentlich des Auftretens der Influenza — gelegentlich der über den Entwurf gepflognen'' (!) ''Verhandlungen — bei Gelegenheit der Weltausstellung in Sydney''. Für ''wegen'' wird ''aus Anlaß'' gesagt: ''der Botschafter X hat sich aus Anlaß einer ernsten Erkrankung seiner Gemahlin nach B. begeben''. Für ''über'' heißt es ''betreffs'' oder ''bezüglich'': ''das letzte Wort betreffs der Expedition ist noch nicht gesprochen — die Mitteilung der Theaterdirektion bezüglich der Neueinstudierung des Don Juan war verfrüht''. Früher verstand es jeder, wenn gesagt wurde: ''mit der heutigen Versammlung sind dieses Jahr zehn Versammlungen gewesen, ohne die heutige neun''; jetzt heißt es: ''einschließlich der heutigen Versammlung, ausschließlich der heutigen Versamm-'' $Seite 402$ ''lung''. Unsre Kaufleute reden sogar davon, was eine Ware zu stehen komme ''zuzüglich der Transportkosten, abzüglich der Fracht'' oder ''zusätzlich der Differenz'', statt: ''mit den Transportkosten, ohne die Fracht, samt der Differenz'', was man doch auch verstehen würde, und ein Verein macht bekannt, daß er den Jahresbeitrag ''zuzüglich der dadurch entstehenden Kosten durch Postauftrag erheben werde'', statt ''samt'' oder ''nebst den Kosten''. ''Ein Betrüger ist mit 10000 Mark entflohen'' — ist das nicht deutlich? Der Zeitungschreiber sagt: ''unter Mitnahme von 10000 Mark''! Endlich: ''mit Zuhilfenahme von, unter Zugrundelegung von, in der Richtung nach, in Höhe von, an der Hand von'' (jetzt sehr beliebt: ''an der Hand der Statistik''), was sind alle diese Wendungen anders als breitspurige Umschreibungen einfacher Präpositionen, zu denen man greift, weil man die Kraft und Wirkung der Präpositionen nicht mehr fühlt oder nicht mehr fühlen will. ''Ohne Zuhilfenahme von fremdem Material'' — was heißt das anders als: ''ohne fremdes Material''? ''Der Staatsanwalt machte an der Hand einer Reihe von Straftaten'' (!) ''die Schuld des Angeklagten wahrscheinlich'' — was heißt das anders als: ''mit'' oder ''an einer Reihe''? Ist es nötig, daß in Bekanntmachungen einer Behörde geschrieben wird, daß ein gewisser Unternehmer eine Kaution ''in Höhe von 1000 Mark zu erlegen habe, daß eine Straße neu gepflastert werden solle in ihrer Ausdehnung von der Straße A bis zur Straße B''? Sind wir so schwachsinnig geworden, daß wir eine Kaution ''von 1000 Mark'' nicht mehr verstehen, uns bei dem einfachen ''von'' — ''bis'' keine Strecke mehr vorstellen können? Muß das alles besonders ausgequetscht werden? Rührend ist es, wenn der „Portier" auf dem Bahnhof ausruft: ''Abfahrt in der Richtung nach Altenburg, Plauen, Hof, Bamberg, Nürnberg'' usw. Der Bureaumensch, der das ausgeheckt hat, verdiente zum Geheimen Regierungsrat ernannt zu werden! Er wird es längst sein. Bei einem bloßen ''nach'' könnte sich ja ein Reisender beschweren und sagen: Ich wollte nach Gaschwitz, das ist aber nicht mit ausgerufen worden, nun bin ich sitzen geblieben. Aber ''in der Richtung nach'' — da kann sich niemand beschweren.
Nach einer Reihe der Ergänzung bedürftiger (sog. relativer) Eigenschaftswörter wie: ''ansichtig, habhaft, gewahr, satt, überdrüssig, zufrieden'' stand ehedem durchaus der 2. Fall, und erst später ist infolge eines Irrtums des Sprachgefühls auch ein 4. Fall neben sie getreten. In so häufigen Wendungen wie ''es zufrieden sein, es satt haben'' ward nämlich dieses ''es'', ursprünglich ein genetivisches ''es'', als 4. Fall(es) angesehen, und so wurden diesen Wörtern dann nach dem Muster dieses vermeintlichen pronominalen Akkusativs auch substantivische beigesellt. So sagt man z. B.: ''Man suchte gewisse Wiener Trinkgläser habhaft zu werden'' neben dem ursprünglich richtigeren: ''Da bin ich deiner endlich habhaft geworden''. Ebenso wie: ''Ich bin es'' (das) ''zufrieden'', ist jetzt Rückerts Satz möglich: ''Ich bin die Probe zufrieden geworden''; ebenso: ''Er war das überdrüssig''; ''die Krimskramsbücher war er leid'' (Castelli). Wen der 4. Fall hier noch hart ankommt, der soll ja den 2. Fall setzen, wo er möglich ist, oder auch eine präpositionale Wendung wie: ''zufrieden mit etwas''. Selbst in einer so kühnen Verbindung wie: ''Um Hilfe wende ich mich nur ans ausbündig Schöne und ans alles Überwindsame'' (Siegfr. Friedmann) liegt vielleicht unbewußte Erinnerung an den Genetiv alles vor. +
Kein Vorteil, sondern nur eine verschwommene Ausdrucksweise ist es, wenn neuerdings ''anstatt'' im Sinne von ''und nicht'' angewendet wird, ohne daß die Vorstellung einer Stellvertretung möglich wäre; wenn es also z. B. heißt: ''das Vorurteil, als wäre Sklaverei der volkstümliche, gesetzliche Brauch in Amerika statt einer ausnahmsweisen, örtlich beschränkten Einrichtung'' (statt: ''und nicht'' [''vielmehr''] ''eine ausnahmsweise Einrichtung''). Vgl. auch § 414, 2 +
Vereinzelt werden selbst Angaben der Weise und des Zweckes und Grundes so beigefügt: ''ein Polizeistaat mit bewußter sozialpolitischer Richtung. Ein Mann mit Schafen — das war für den nach Nahrung Verlangenden die Hauptsache — kam daher'', steht z. B. in der Tägl. Rundschau. Dahin gehören die meisten der Fälle, in denen ''von'' berechtigt ist (vgl. § 161, 3 u. 201), und vor allem Verbindungen, die sich an häufige Wendungen mit den zugehörigen Umstands- und Zeitwörtern anlehnen können, so Goethes $Seite 162$ Quidam, ''der Narr auf eigne Hand''; dazu das verbreitete ''Arbeiter auf Stück- und auf Tagelohn''. Dazu kommen Titel wie ''Verein für Erdkunde, gegen Tierquälerei, der allgemeine deutsche Kongreß zur Förderung überseeischer Interessen''; und vor allem auch die satzartigen Überschriften und Schlagwörter wie: ''Verbrecher aus verlorener Ehre, Deserteur aus Kindesliebe, Erbin und Schwiegermutter wider Willen, Spitzbuben aus Gefälligkeit, Selbstmörder mit Wissen und Willen''. Sie sind ein gleichberechtigtes Gegenstück der partizipialen und adjektivischen Beifügungen zu Substantiven, die mit diesen zusammen genau genommen das Prädikat zu einem nicht genannten Subjekt sein sollten: ''sein ehemaliger Herr samt vielen ähnlichen, ein sogenannter Vetter mit nicht minder zahlreichem Gefolge'' und besonders solche Wendungen bei Lessing: ''mit einem sich stellenden Stummen'', oder Herder: ''sein wollendem Originale'' bis herab zu einem neusten bei H. Vambéry: ''die französischen Touristen schicken sich zur Fahrt nach Samarkand an, einzig und allein, um das Lob des sein sollenden Alliierten verkünden zu können''. +
Jedes Eigenschaftswort entwickelt neben seiner den einfachen Stamm darstellenden unveränderten Form (''gut, alt'') zugleich die Formen der starken und schwachen Beugung zugleich an sich. Die schwache ist auch hier durch die Endung ''-en'' gekennzeichnet, die durch alle Fälle außer den Nominativ der Einzahl in allen drei Geschlechtern und den Akkusativ der Einzahl im weiblichen und sächlichen durchgeht (''der gute Wein, die gute Frau; das gute Kind''). Dagegen ist die starke Adjektiv-Deklination nicht die der Substantive, sondern die der mehrgeschlechtigen Fürwörter wie jener, dessen fettgedruckte Endungen man in dem unten angeführten Beispiele//1
Sing.
Nom.
Gen.
Dat.
Akk.
Mask.
''jen-er alt-er Wein''
''je-es'' (''gutes Muts'')
''jen-em mit alte-m Weine''
''jen-en alt-en Wein''
Fem.
''jen-e frisch-e Luft''
''jen-er frisch-er Luft''
''jen-er frisch-er Luft''
''jen-e frisch-e Luft''
Neutr.
''jen-es ein rein-es Herz''
''jen-es'' (''rein-es Herzens'')
''jen-em mit rein-em Herzen''
''jen-es ein rein-es Herz''.
Mehrzahl aller Geschlechter:
''jen-e alte Weine, reine Herzen''
''jen-er alter Weine, frischer Lüfte''
''jen-en alten Weinen, frischen Lüften''
''jen-e frische Lüfte, reine Herzen''.//
alle am daruntergestellten Adjektive wiederkehren sieht. +
Ohne Artikel stehn mit Recht im allgemeinen die Begriffs- und Stoffnamen, zu welch letzteren auch die sächlichen Substantivierungen der Eigenschaftswörter gehören, wenn ihr Inhalt ganz allgemein und in beliebiger, d. h. zwar nicht endloser Ausdehnung, sondern nur ohne Andeutung irgend welcher Begrenzung gedacht ist: ''Geduld ...,Lust ..., Zeit haben;es ist Zeit'' (nicht, wie oft zu hören: ''die Zeit'') ''zu gehn''. ''Wasser holen, Wein trinken, ein Glas Wasser. Platin, Gold'' ''und'' ''Silber'' ''sind'' ''Edelmetalle''. Sätze wie diese: ''Zur Andrassy-Krise liegt wenig des Tatsächlichen'' (oder ''des tatsächlichen Materials'') ''vor, kein Tropfen des Regens fiel'', N. leistete das Unglaubliche in seiner Kunst, wie sie jetzt gar nicht selten sind, verraten sich durch die auf dem undeutschen Artikel beruhende Gespreiztheit als — fremdartige Fügungen. Die nämlichen Wörter erfordern aber den Artikel, wenn sie in ihrem vollen Umfange genommen sind, was sich oft damit deckt, daß sie zu andern in Gegensatz treten, oder wenn sie in bestimmter Begrenzung gedacht sind, sei diese auch noch so leise, wie durch einen Genetiv oder durch Beziehung auf das Vorher- $Seite123$ gehende angedeutet, oder endlich, wenn sie in den durch Einzelfall bestimmten Teilen erscheinen. So gewiß es also z. B. falsch und ein Gallizismus ist zu sagen: ''Nehmt euch die Zeit'' (statt bloß ''Zeit'') ''zu eurer Erzählung'', oder: ''er ließ mir die Ruhe nicht'' (statt ''ließ mir keine -, nicht Ruhe''), so sicher durfte Paul Richter schreiben: ''Ich finde dazu die Zeit nicht'' (die zu dem bestimmten Geschäfte nötige); oder wer, Pindarverehrer oder Kaltwasserarzt, ausruft: ''Das Wasser ist die höchste Gabe'', meint das Wasser in seiner Gesamtheit, während in der Verdeutschung des bekannten lateinischen Spruches:'' Das Gold ist schädlicher als das Eisen'' an das Gold und Eisen in einer bestimmten Anwendung gedacht ist. ''Not bricht Eisen'', heißt es ganz allgemein im Sprichwort; aber ein anderes lautet: ''Wenn die Not am höchsten, ist Gottes Hilfe am nächsten'', weil da die Not durch die Andeutung der Entwicklungsstufe bestimmt ist. Der Begriff der Allgemeinheit ist es endlich auch, der so vielen Wörtern, die in der Einzahl nie ohne Artikel stehn, eine Mehrzahl ohne Artikel ermöglicht; denn wenn man auch noch darauf verzichtet, aus einer Gattung, wenn auch willkürlich, doch immer einen einzelnen Gegenstand durch den unbestimmten Artikel herauszuheben, so führt das dazu, daß man von beliebigen, d. h. beliebig vielen, nicht einmal der Zahl nach andeutbaren spricht: ''Pappeln verleihen einer Gegend etwas nordisch Nüchternes, preußisch Gerades und Straffes''. Ein Hinweis auf die im einzelnen Falle gegebene Zahl oder Erscheinung fordert natürlich alsbald wieder den Artikel: ''Die Zypressen sind eigentümliche Himmelszeiger in der südlichen Landschaft''.
Ohne Artikel stehn zweitens auch die Ortsnamen, selbst oft, wenn ''Kloster, Schloß, Burg'' davorsteht: ''Burg Niedeck; die Maiandachten in Kloster Mariental''. Nur eigentliche Zusammensetzungen mit ''Burg'', welche die einzelne Burg, besonders die eines Geschlechtes bezeichnen, haben immer den Artikel: ''die Wartburg, die Boytzenburg''; diese deshalb, weil hier ''Burg'' noch zu sehr als Gattungsbegriff empfunden wird, wie sonst von Ortsnamen nur etwa noch ''der Haag''; daher ''im Haag''. Unter den Ländernamen hat bekanntlich eine größere $Seite121$ Zahl den Artikel angenommen, z. B. ''die Champagne, Türkei, Wallachei, (Tschecho)slowakei, Schweiz, Krim''. Oft stehn so auch die Zusammensetzungen mit ''Land'', deren erster Bestandteil die voll ausgeprägte Form des entsprechenden Volksnamens ist, und zwar gewöhnlich in der Mehrzahl (''im Hessenland'' neben ''in Hessenland, im Schwaben-'', neben ''in Schwabenland bei Uhland, im Böhmerland'' neben ''in Böhmen''), doch auch in der Einzahl (''im Bayerland''); der Grund für die Möglichkeit, den Artikel zu setzen, ist wohl, daß hier die Auslösung ''in das Land der Hessen'' noch sehr nahe liegt. Etwas anderes ist es, wenn Ländernamen Landschaften und Teile eines großen Ganzen bezeichnen, so Namen mit vorgesetztem oder angehängtem ''Mark'', Zusammensetzungen mit ''Gau'' u. ä. Da steht durchaus der Artikel: ''im Breisgau, in der Mark Brandenburg, in der Neumark''; es sei denn, daß sich der Name des jetzigen Landesteils mit dem eines alten Volkes oder früher selbständigen Landes deckt, so alle Landschaftsnamen auf ''-en'' und ''-ern'': ''in Westfalen, in Vorpommern'', aus jüngster Vergangenheit: ''in Nassau'' und trotz Zusammensetzung mit ''Land'': ''Bischof von Ermeland, in Samland''. Aber z. B. für den Ausdruck ''die Bevölkerung Rheinlands'' fehlt solche Erklärung und damit die Berechtigung. Dagegen bleibt der Artikel wieder weg, wenn ein Eigenschaftswort und ein Ländername zu Grund- und Bestimmungswort zusammenrücken, gleichviel ob sie ganz zusammengeschrieben werden oder nicht: ''in Kleinrußland, in Preußisch-Schlesien, in Polnisch-Oberschlesien''; ebenso bei Unterbleiben der Biegung: ''in ganz Preußen, für halb Europa''.
Ferngehalten wird nach dem in der Schriftsprache herrschend gewordenen Kanzleibrauche meist der Artikel von Namen, soweit ihn diesen nicht Formmangel als Notbehelf aufnötigt; denn Namen scheinen schon an sich geeignet, nur ein ganz bestimmtes, in dieser Eigenart nur einmal vorkommendes Einzelwesen zu bezeichnen. Daher gilt es denn für eine Härte statt ''Alexanders, Karls'' zu sagen ''des Alexander, des Karl'', während man ''des Rhodius, des Aristophanes'' hinnehmen muß. Nur zum Hinweis auf eine eben besprochene Persönlichkeit, die eintritt, die in dem einzelnen Falle wieder in Frage kommt, etwa in der Bedeutung der bewußte, pflegt selbst in der Schriftsprache der Artikel auch zu Eigennamen noch in besonderer Kraft hinzuzutreten, freilich immer mit einem Hauche des Volkstümlichen und Häuslichen//2 Vgl. über diese besonders in Süddeutschland empfundene und ausgenützte $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ Kraft des Artikels: H. Wunderlich, im 12. u. 13. Beihefte zur Zeitschrift des Allgem. Deutschen Sprachvereins (1897), S. 49.//, der auch über $Seite 120$ den Worten Schillers liegt: ''Ihn kennen muß der Baumgart von Alzellen''. Er wird sogar gefordert, wenn der Personenname zum Gattungsnamen verallgemeinert wird, zur Bezeichnung einer Klasse Gleichgearteter oder mit einer gewissen Metonymie zur Bezeichnung der Werke eines Mannes oder der Rolle eines Helden: ''Die Gottsched sind zahlreicher als die Goethe''; ''N. N. hat den Caesar (dessen Bücher de bello Gallico) vergessen''; ''der Raphael in der Dresdner Galerie''; ''den Egmont spielen. Auch Gott ist dem Christen'', wenn er schlechthin von ''seinem Gott'' redet, zu einem Eigennamen geworden, ebenso wie ''Christus''. +