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Aus Zweidat
Dies ist ein Attribut des Datentyps Text.
D
Weniger läßt sich gegen die fast herrschend gewordene Weglassung des Zeichens für den Wes-Fall bei den Monatsnamen sagen, das bei den selbst genetivischen ''Juni'' und ''Juli'' ohnehin nicht angebracht ist. Wie schon Schiller schreibt: ''Mit Ausgang des März'', so ist diese ungebeugte Form allein herrschend geworden in den bequemen Formeln Umgans- und Geschäftssprache: ''Anfang April, Mitte Februar, Ende Januar'' und nicht viel weniger in Verbindung mit Ordnungszahlen: ''des 4. Oktober'' schreibt auch Koser, wie ''des 28. September'' schon Ranke. Immerhin mag man in diesem Falle das Genetivzeichen anhängen, wie auch sonst ''des Januars, Februars, Märzes'' (so z. B. schon Gellert) oder älter ''Märzen, Aprils, Mai(e)s'', und dichterisch: ''Maien; Augusts, Septembers'' usw. gewissenhafter und sorgfältiger ist, besonders wenn der übergeordnete Begriff auch sein gebührendes Kasuszeichen hat: ''Am Anfang des Aprils, in den letzten Tagen des Januars''. Die Unsicherheit erhellt deutlich, wenn man sieht, wie die Ebner-Eschenbach z. B. innerhalb fünf Zeilen schreibt: ''am Morgen des letzten September'', aber: ''die Sonne des ersten Oktobers''.
Alle anderen Namen, Ruf- wie Familien-, Land- wie Ortsnamen, haben an sich kein Geschlechtswort vor sich und werden selber gebeugt oder nicht, je nachdem sie ohne das Geschlechtswort oder mit diesem stehen; nur bei Landnamen ist selbst neben dem Geschlechtswort die Anhängung des Kasuszeichens mindestens noch gleich häufig als seine Weglassung. +
Vielfache Unsicherheit herrscht in der Deklination der Ortsnamen. Haben sie keinen Artikel, wie die meisten Länder- und Städtenamen, so bildet wohl jedermann einen richtigen Genitiv (''Deutschlands, Wiens''); bei den Berg- und Flußnamen aber, die den Artikel bei sich haben, muß man jetzt immer öfter Genitive lesen: wie ''des Rhein, des Main, des Nil, des Brocken, des Petersberg, des Hohentwiel, des Vesuv'', und ebenso ist es bei Länder- und Städtenamen, wenn sie durch den Zusatz eines Attributs den Artikel erhalten; auch da verbreitet sich immer mehr die Nachlässigkeit, zu schreiben: ''des kaiserlichen Rom, des modernen Wien, des alten Leipzig, des damaligen Frankreich, des nordöstlichen Böhmen, des erst noch zu erobernden Jütland''. Bei den Personennamen ist ja, wenn sie den Artikel haben, der Genitiv rettungslos verloren; ''des großen Friedrichs'' oder ''die Leiden des jungen Werthers'' (wie Goethe noch 1774 schrieb) getraut sich heute niemand mehr zu schreiben. Ebenso geht es den Monatsnamen. Auch diese wurden früher alle zwölf richtig dekliniert: ''des Aprils, des Oktobers'' (Klopstock: ''Sohn des Mais''; Schlegel: ''Nimm vor des Märzen Idus dich in acht''). Heute schreibt man fast nur noch: ''zu Anfang des Oktober'', wenn man nicht lieber gar stammelt: ''Anfang Oktober''. Aber bei Ortsnamen sind wir doch noch nicht so weit. +
Ob in der starken Deklination die volle Genitivendung ''es'' oder das bloße Genitiv-''s'' vorzuziehen sei, ob man lieber sagen solle: ''des Amtes, des Berufes'', oder ''des Amts, des Berufs'', darüber läßt sich keine allgemeine Regel aufstellen. Von manchen Wörtern ist nur die eine Bildung, von manchen nur die andre, von vielen sind beide Bildungen nebeneinander üblich; selbst in Zusammensetzungen stehen ''der Landsmann'' und ''der Landsknecht'' neben ''dem Landesherrn'' und ''dem Landesvater''. Oft kommt es nur auf den Wohlklang des einzelnen Wortes und vor allem auf den Rhythmus der zusammenhängenden Rede an: die kurzen Formen können kräftig, aber auch gehackt, die langen weich und geschmeidig, aber auch schleppend klingen, je nach der Umgebung. Ich würde z. B. schreiben: ''die sicherste Stütze des Throns ist die Liebe und Dankbarkeit des'' $Seite 6$ ''Volkes, die täglich neu aus der Überzeugung geboren werden muß, daß die berechtigten Interessen des Volks ihre beste Stütze im Throne finden''.
Sehr zu beklagen ist es, daß immer mehr die Neigung um sich greift (teils von Norddeutschland, teils von Süddeutschland aus), das Dativ-''e'' ganz wegzuwerfen und zu sagen: ''vor dem König, in dem Buch, aus dem Haus, nach dem Krieg, im Jahr, im Recht, im Reich, im Wald, am Meer'' (statt ''Könige, Buche, Hause, Kriege, Jahre, Rechte'' usw.). Abgesehen davon, daß der Formenreichtum unsrer Deklination, der ohnehin im Vergleich zu der ältern Zeit schon stark verkümmert ist, immer mehr verkümmert, erhält auch die Sprache, namentlich wenn das ''e'' bei einsilbigen Wörtern überall weggeworfen wird, etwas zerhacktes. Ein einziges Dativ-''e'' kann oft mitten unter klapprigen einsilbigen Wörtern Rhythmus und Wohllaut herstellen. Man sollte es daher überall sorgfältig schonen, in der lebendigen Sprache wie beim Schreiben, und die Schule sollte alles daransetzen, es zu erhalten. Besonders häßlich wirkt das Abwerfen des Dativ-''e'', wenn das Wort dann mit demselben Konsonanten schließt, mit dem das nächste anfängt, z. B. ''im Goldland des Altertums''. Nur wo das Wort mit einem Vokal anfängt, also ein sogenannter Hiatus entstehen würde, mag man das ''e'' zuweilen fallen lassen — zuweilen, denn auch da ist immer der Rhythmus zu berücksichtigen; eine Regel, daß jeder Hiatus zu meiden sei, soll damit nicht ausgesprochen werden. ''Von Hause aus'' klingt sicherlich besser als ''von Haus aus''.
An den Wörtern auf ''nis'' und ''tum'' und an Fremdwörtern wirkt das Dativ-''e'' meist unangenehm schleppend; man denke an Dative wie: ''dem Verhältnisse, dem Eigentume, dem Systeme, dem Probleme, dem ''Organe'', dem Prinzipe, dem Rektorate, dem Programme, dem Metalle, dem Offiziere, dem Romane, dem Ideale, dem Oriente, dem Manifeste, dem Archive'' usw. Man kann nicht sagen, daß diese Formen an sich häßlich wären, denn die Plurale, die die meisten dieser Wörter bilden, klingen ja genau so; aber als Dative des Singulars wirken sie häßlich.
Der Ersatz des Genetivs durch ''von'' unterliegt denselben Regeln wie dieser selbst, und in feinem Stilgefühl verbesserte Billroth sich selbst: ''aus Bismarcks Bildern von Lenbach'' (besser umgekehrt). Statt mit Schiller: ''die Besitzergreifung der Bayern von Regensburg'' wird man also besser sagen: ''der Bayern Besitzergreifung'' (lieber ''Einnahme'') ''von Regensburg'' oder ''Regensburgs''; oder man greift zu dem zweiten Aushilfsmittel, das bei der unsrer heutigen Prosa im allgemeinen eigenen Abneigung gegen die Voranstellung des Genetivs sogar beliebter ist: d. h. man behält den objektiven Genetiv bei und ersetzt den subjektiven durch die sonst freilich nur zur Angabe des Mittels und der Mittelsperson dienende Präposition durch oder auch durch das schwerfällige ''seiten''(''s''), ''von seiten: die Erstürmung von Leipzig'' (''der Stadt Leipzig'') ''durch die verbündeten Heere'' (Pertz), ''die Verletzung des Freundes durch Matthieu'' (P. Richter), und schwerfälliger: ''die Verhängung von Strafen seitens der Gesamtheit gegen einzelne'' (Tägl. R.). Das Mittel ist umso angemessener, je fühlbarer die rein verbale Kraft des regierenden Hauptwortes noch ist und je mehr darauf ankommt, den Urheber von dem im Genetive immer zunächst gesuchten Besitzer oder Objekte zu unterscheiden, so daß es denn in der Tägl. R. nicht hätte heißen sollen: ''gegen unverschämte Belästigung Eingeborner'', sondern: ... ''durch die Eingebornen ist die Europäerin vollständig gesichert''. +
Eine Regel, die schon der Quintaner lernt, lautet: eine Apposition muß stets in demselben Kasus stehen wie das Hauptwort, zu dem sie gehört. Das ist so selbstverständlich, daß es ein Kind begreifen kann. Nun sehe man sich aber einmal um, wie geschrieben wird! Da heißt es: ''das Gastspiel des Herrn R., erster Tenor an der Skala in Mailand — der Verfasser der Sylvia, ein Buch, das wir leider nicht kennen — es gilt das namentlich von dem mitteldeutschen Hofbau, die verbreitetste aller deutschen Bauarten — der First ist mit freistehenden Figuren, Petrus und die vier Evan-'' $Seite 210$ ''gelisten geschmückt — offenbar hat Trippel von jener Skulptur, eine dem Apoll von Belvedere nicht allzufernstehende Arbeit, die Anregung erhalten — in Koblenz war ich ein Stündchen bei Bädeker, ein recht liebenswürdiger, verständiger Mann — das Grab war gut unterhalten, mit Reseda und Monatsrosen, die Lieblingsblumen der Verstorbnen''. Solche Verbindungen kann man sehr oft lesen; mag der Genitiv, der Dativ, der Akkusativ vorausgehen, ganz gleich: die Apposition wird in den Nominativ gesetzt. Sie wird behandelt wie eine Parenthese, als ob sie gar nicht zum Satzgefüge gehörte, als ob sie der Schreibende ''„beiseite"'' spräche oder in den Bart murmelte.
Auch dieser Fehler ist, wie so manches in unsrer Sprache, durch Nachäfferei des Französischen entstanden. Nicht daß das Französische bei seiner strengen Logik eines solchen Unsinns fähig wäre, zu einem Hauptwort im Genitiv eine Apposition im Nominativ zu setzen, bewahre! Wenn der Franzose schreibt: ''le faite est orné de statues, St. Pierre et les quatre évangélistes'', so empfindet er natürlich ''les évangélistes'' so gut von ''de'' abhängig wie das vorhergehende. Der Deutsche aber, der ein bißchen Französisch gelernt hat, sieht nur die unflektierte Form, bildet sich ein, das sei ein Nominativ, und plumpst nun hinter ''des'' und ''dem'' und ''den'' mit seinem ''der'' drein. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, ein solcher Nominativ als Genosse und Begleiter eines casus obliquus.
Auch wenn die Apposition mit ''als'' angeschlossen wird, muß sie unbedingt in demselben Kasus stehen wie das Wort, zu dem sie tritt, z. B.: ''ein Vortrag über Victor Hugo als politischen Dichter'' (nicht ''politischer''!) — ''ein Portal mit zwei gefesselten Türken als Schildhaltern'' (nicht ''Schildhalter''!) — ''eine Zusammenfassung Schlesiens als eines Ganzen'' (nicht ''ein Ganzes''!). Nur wenn sie sich an das besitzanzeigende Adjektiv anschließt, also eigentlich im Genitiv stehen müßte, nimmt man sich allgemein die Freiheit, zu sagen: ''mein Beruf als Lehrer, seine Bedeutung als Dichter''.
$Seite 211$ Ja nicht zu verwechseln mit der Apposition hinter ''als'' ist das Prädikatsnomen hinter ''als'' und dem Partizip eines Zeitworts, wie ''gesandt, berufen, bekannt, berühmt, gefeiert, bewährt, berüchtigt'' usw. Manche schreiben hier neuerdings: ''die Stadt hat ihr als ausgezeichneten Verwaltungsbeamten bekanntes Oberhaupt verloren''. Das ist nun wieder des Guten zu viel. Das Prädikatsnomen steht in solchen Fällen stets im Nominativ, mag der Kasus, auf den es sich bezieht, sein, welcher er will, z. B.: ''auf die Vorstellungen des als Gesandter an ihn geschickten Tilo — an die Stelle des als Professor nach Aachen versetzten Baumeisters — als Nachfolger des als Gehilfe des Finanzministers nach Petersburg berufnen Geheimrats ― dem als vortrefflicher Dirigent bekannten Kapellmeister''. Dieser Nominativ erklärt sich daraus, daß er stets hinter dem verbuum finitum steht, sogar oft bei rückbezüglichen Zeitwörtern, wie ''sich zeigen, sich beweisen, sich verraten, sich entpuppen, sich bewähren'', wo doch der Akkusativ am Platze wäre: ''er hat sich als ausgezeichneter Verwaltungsbeamter bewährt''. Hier ist zwar ein Unterschied möglich; ''er zeigte sich als feinen Kenner'' - ist etwas andres als: ''er zeigte sich als feiner Kenner''. Der Akkusativ entspricht einem Objektsatz im Konjunktiv (''er zeigte, daß er ein feiner Kenner sei''), der Nominativ einem Objektsatz im Indikativ (''er zeigte, daß er ein feiner Kenner ist''). Aber diesen Unterschied werden die wenigsten nachfühlen; die meisten schreiben unwillkürlich überall den Nominativ.
Aus Frankreich und vor allem wieder durch das Junge Deutschland und seine journalistische Tätigkeit ist das Reflexivum in verheerenderem Zuge über unser Passivum hereingebrochen. Fast ausnahmslos darf man denn auch verwerfliche Gallizismen überall wittern, wo sich ein Reflexiv ungezwungen in das einfache Passiv auflösen läßt//1 Dasselbe Mittel genügt ebenso, um von übertriebener Gallizismenjagd abzuhalten, z. B. auf solche Sätze wie: ''Das Leben setzt sich nur aus kleinen Ereignissen zusammen. Das Haus füllte sich ganz allmählich''. Auch im Deutschen ist das Reflexiv nämlich am Platze, wo es sich um einen Vorgang handelt, der sich allmählich und ungemacht vollzieht aber doch ohne daß die ihn herbeiführenden genannt werden könnten. So auch wenn es bei Goethe heißt: ''Drum füllt sich das Bier in den Krügen'', bei Eltze: ''Es braut sich ein Unheil zusammen''. Selbst der Satz kann so erklärt werden: ''Unter dem Paris, durch welches wir gehen, hat sich ein anderes gebaut'' (Rodenberg).//; so z. B. in den zwei Sätzen: ''Meine Abreise bestimmte sich plötzlich durch eine günstige Nachricht'', und: ''Die ganze Nation durchdringt sich von solchem Sinn ''(Treitschke!). Bei Auerbach steht gar: ''Die Andacht des Hauses unterbricht sich'', wie denn der ganze Mißbrauch, außer bei den nach Paris ziehenden Jungdeutschen, besonders auch bei den Frankreich nahen West-, zumal Südwestdeutschen heimisch ist. Schließlich geht es bis zum Widersinn: ''So früh hielt sich heute der Senat'', oder: ''Der Krieg zwischen dem Verbrecher und der Polizei hat sich nun erklärt''. Und wenn wir dann bei dem nämlichen, der diese beiden Sätze auf dem Gewissen hat, z. B. lesen: ''Der Roman verkauft sich in großem Format mit Illustrationen'', so vernehmen wir darin deutlich den Jargon des Kaufmanns, ''von dessen Ware sich das Dutzend so und so hoch verkauft'' oder ''das Stück sich stellt'' oder ''sich berechnet, sich herstellt zu dem Preise''; und nicht besser klingen die Sätze des Grafen Keyserling: ''Diese Frage stellt sich überhaupt nicht mehr'', und: ''ebenso wenig stellt sich die Frage, ob'' ... Auch dadurch, daß eine Qualitätsbestimmung eingefügt wird, wird dieses Reflexiv nicht schlechthin schriftgemäß. Wenn man dem Kaufmann Wendungen zugesteht wie: ''Diese Größe verkauft sich schwere als jene; die Ware bringt sich bei diesem Preise schlecht unter'', so mag man allgemeiner auch das oft zu hörende: ''Es begreift, erklärt sich leicht belieben'' statt des längern: ''es läßt sich ..., es ist leicht zu begreifen''. Ja: ''es macht sich nicht, es fragt sich; es findet sich nichts'' (''keine Stelle''), ''es fügt sich nicht'' können nach der Anmerkung unten kaum anders lauten. Aber damit ist z. B. Auerbachs Ausdruck: ''Es tat sich nicht anders'', noch nicht gleich schriftgemäß wie der Goethes: ''Es läßt sich anders nicht tun''. Auch $Seite 219$ gegen ''es fragt sich'' (''nur''), ''ob'' — ist nichts einzuwenden, soweit es rein unpersönlich ist und fast soviel als ''es ist fraglich'' bedeutet; aber es verdient Tadel in einem Satze, wo von einem wirklichen Fragen und Forschen die Rede ist: ''Es fragt sich nur nach der besten Art der Empfehlung des nationalen Geistes'' (Tgl. R.). Selbst das immer häufigere ''sich nennen'' (''Er nennt sich Peter Rüffer'') ist nichts als der Abklatsch des französischen ''se nommer'', außer wenn betont wird, daß sich jemand selbst den Namen beigelegt oder von sich gebraucht habe.
§ 225—227: Wie in kühnen Neuschöpfungen (§ 4) wirkt sich die lebhafte Sprachbewegung der jüngsten Zeit auch in vielfachen Verrückungen der Grenzen zwischen transitiven, intransitiven und reflexiven Zeitwörtern aus, nicht als ob solche Verschiebungen etwas ganz Neues wären, nur werden sie aus dem Zuge nach Verjüngung und Neuheit der Sprache wie aus dem Gefühl für deren Kraft jetzt weit häufiger gewagt.
Nicht zufrieden damit, daß der Wortkörper bei dem § 262 berührten Verfahren aufgedunsen genug geworden ist, müssen ihn solche Sprachfolterer noch weiter zerdehnen, indem sie den ganzen in substantivierter Form zum Subjekt machen und diesem als Prädikat einen jener verwaschenen ausdrücke ''stattfinden, statthaben''//1 Vgl. § 32, § 180 u. § 214, 3 a. E.; S. 113).//, ''erfolgen, sich vollziehen'' zugesellen. Da erfolgt also nicht nur ''die Klarlegung der durch eine Zusammenkunft angebahnten Besserung'', oder ''der Aufbruch von Babira'' — wirklich, der Aufbruch?! — ''findet eine Stätte'' —, und nicht nur ''geschieht die Beförderung des Materials mit der Bahn; der Hauptmann X. wird nicht mehr nur zur Disposition gestellt'' und ''ein Grundstein gelegt'', sondern ''die zur Dispositionsstellung des Herrn X. erfolgt'' so gut, als ''statthaben, stattfinden'' und ''erfolgen'' ''Grundsteinlegungen, Ausschreibungen von Lieferungen für Einrichtungen, Eröffnungen'' u. a. ''Eine neue Bahn wird'' nicht mehr ''in Angriff genommen'', sondern ''die Inangriffnahme des Baues beginnt'' oder ''erfolgt''; es heißt nicht mehr: ''das Dach der Nicolaikirche soll ausgebessert werden'', sondern ''die Ausbesserung'' und noch lieber ''die Instandsetzung des Daches soll vor sich gehen, vorgenommen werden''! Statt daß ein Angefeindeter ''geschützt wird, erfolgt'' heute ''die Inschutznahme desselben'', wie ähnlich ''die'' (''In''-)''Beschlagnahme einer Zeitung durch die Zensur''. Unter dem Einflusse dieser Strömung schreibt ein v. Hörmann nicht bloß: ''Dieses in Bergfahren wiederholt sich, bis ... , in ähnlicher Weise geht die Herabschaffung des Bergheues vor sich'', sondern sogar: ''Das Garbenbinden geschieht gewöhnlich von dem Schnitter oder von der Schnitterin selbst''! und ein Mitarbeiter an den Mitteilungen des D. u. Ö. A.: ''die ... Ausgestaltung des Hauses und ... die Verbindung des Hauses mit der Außenwelt verdankt Rojachers ... Schaffensdrange ihre Ausführung''. Am besten wird diese Sucht nach schwerfälligen Hauptwortfügungen vielleicht kenntlich gemacht und geheilt, wenn der Leser die folgenden Fassungen gleichen In- $Seite 253$ haltes links in der jetzt üblichen, rechts in einer empfehlenswerteren nebeneinander sieht, besser sich laut vorliest:
[links] ''Die Sandstein-Architekturteile der Fronten des Zeughauses in Berlin bedürfen infolge starker Verwitterung einer gründlichen Instandsetzung, welche, da bereits einzelne Sandsteinstücke von erheblichem Gewicht herabgestürzt sind, nicht länger aufschiebbar ist. Die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten soll im Verlaufe von 3 Jahren erfolgen. Eine genaue Veranschlagung der Gesamtkosten wird erst nach den im ersten Baujahre gemachten Erfahrungen erfolgen können. Als mutmaßlichen Bedarf für das nächste Jahr ist ein Betrag von 30 000 M. ausgeworfen, mit welchem die Instandsetzung einer der Hauptfronten vorgenommen werden soll''.
[rechts] ''Die sandsteinernen Teile an den Schauseiten des Berliner Zeughauses sind so stark verwittert, daß schon einzelne besonders schwere Teile herabgestürzt sind; sie müssen daher in allernächster Zeit erneuert werden. Die Arbeit wird drei Jahre dauern, die Kosten lassen sich erst nach den Erfahrungen im ersten Baujahre berechnen. Vorläufig sind für dieses Jahr 30 000 M. ausgeworfen, womit die eine Hauptfront instand gesetzt werden soll''.
Die getadelte erste Fassung enthält 80, die empfohlene zweite 62 Wörter, die erste 22 Hauptwörter mit 72 Silben, darunter 7 auf -''ung'' die zweite nur 14 Hauptwörter mit nur einem einzigen auf -''ung'' und zusammen nur 28 Silben.
Daß bei der tadelnswerten Weise die Substantive, die verbalen zumal, überwuchern, das muß natürlich den ganzen Bau des einfachen Satzes verrücken und erschüttern. Während jedes neue Zeitwort einen neuen Vorgang vor das geistige Auge stellt, und zwar während er sich vollzog, hat es jetzt der vorherrschende Verstand oder auch der an der historischen Periode der Lateiner verbildete Geschmack immer gleich auf das Ergebnis einer ganzen Reihe solcher Handlungen abgesehen. So werden die einzelnen Stufen einer Entwicklung, die Kräfte, Arten, Beweggründe, die bei ihr zutage getreten sind, in einer endlosen Reihe von Nebenumständen angegeben, zwischen denen man sich kaum zurechtzufinden vermag. Einem einzigen Zeitworte werden so viele Nebenbestimmungen, adverbiale besonders, aufgebürdet, daß sie, von ihm nicht mehr umspannt, haltlos vor den Augen und Ohren des Lesers und Hörers vorüberzittern. Da aber diese Zeitwörter mit ihren endlosen Ergänzungen und Bestimmungen nach dem schlimmen Zuge der Zeit auch wieder substantiviert werden, drängt sich auch um die Hauptwörter, zunächst die verbalen, nach deren Muster auch um die anderen, ein oft nicht weniger unabsehbarer Haufen besonders präpositionaler Attribute. Sind diese Wucherungen der Beifügungen neben einem Zeitworte um so viel häßlicher, als jenes überhaupt weniger fähig ist, Nebenbestimmungen zu tragen, so verdient doch eine Fügung so wenig Beifall als die andere. Denn es heißt nichts anderes als die alte Entwicklung der Sprache umkehren, deren Nebensätze aus Satzgliedern herausgewachsen $Seite 254$ sind, wenn man jetzt statt mehrerer bei- und untergeordneter Sätze lauter gleichartige Satzglieder aneinanderreiht, in die Gliederung und Wohllaut bringen zu wollen meist ein vergebliches Bemühen ist.
Eine hässliche Gewohnheit, die in unserm Satzbau eingerissen ist, ist die, das Prädikat, wenn es durch ein Adjektiv gebildet wird, nicht, wie es doch im Deutschen das richtige und natürliche ist, in der unflektierten, prädikativen Form hinzuschreiben, z. B.: ''das Verfahren ist sehr einfach'', sondern in der flektierten, attributiven Form, als ob sich der Leser das Subjekt noch einmal dazu ergänzen sollte: ''das Verfahren ist ein sehr einfaches'' (nämlich ''Verfahren''). Es ist das nicht bloß ein syntaktischer, sondern auch ein logischer Fehler, und daß man das gar nicht empfindet, ist das besonders traurige dabei.
Ein Adjektiv im Prädikat zu flektieren hat nur in einem Falle Sinn, nämlich wenn das Subjekt durch die Aussage in eine bestimmte Masse oder Sorte eingereiht werden soll. Wenn man sagt: ''diese ganze Frage ist eine rein ästhetische, eine rein wirtschaftliche — der Genuß davon ist mehr ein sinnlicher, kein rein geistiger — die Kirsche, die du mir gegeben hast, war eine saure — das Regiment dort ist ein preußisches — der Begriff der Infektionslehre ist ein moderner — die Macht, die das bewirken sollte, mußte'' $Seite 91$ ''eine weltliche sein — das Amt des Areopagiten war ein lebenslängliches — das Exemplar, das ich bezogen habe, war ein gebundnes — das abgelaufne Jahr war für die Geschäftswelt kein günstiges'' — so teilt man ''die Fragen, die Genüsse, die Kirschen, die Regimenter'' usw. in verschiedne Klassen oder Sorten ein und weist das Subjekt nun einer dieser Sorten zu. Es wäre ganz unmöglich, zu sagen: ''diese Frage ist rein ästhetisch'' oder: ''das Regiment dort ist preußisch. Die Kirsche ist sauer'' — das kann man wohl von einer unreifen Süßkirsche sagen, aber nicht wenn man ausdrücken will, daß die Kirsche zu der Gattung der sauern Kirschen gehöre. Das unflektierte Abjektiv also urteilt, das flektierte sortiert. An ein Sortieren ist aber doch nicht zu denken, wenn jemand sagt: ''meine Arbeit ist eine vergebliche gewesen''. Es fällt doch dem Schreibenden nicht im Traume ein, die Arbeiten etwa in ''erfolgreiche'' und ''vergebliche'' einteilen und nun die Arbeit, von der er spricht, in die Klasse der ''vergeblichen'' einreihen zu wollen, sondern er will einfach ein Urteil über seine Arbeit aussprechen. Da genügt es aber doch, zu sagen: ''meine Arbeit ist vergeblich gewesen''.
In der Unterhaltung sagt denn auch kein Mensch: ''die Suppe ist eine zu heiße, aber eine sehr gute — die Not ist eine große — der Kerl ist ein zu dummer''. Der lebendigen Sprache ist diese unnötige und häßliche Verbreiterung des Ausdrucks ganz fremd, sie gehört ausschließlich der Papiersprache an, stellt sich immer nur bei dem ein, der die Feder in die Hand nimmt, oder bei dem Gewohnheitsredner, der bereits Papierdeutsch spricht, oder dem gebildeten Philister, der sich am Biertisch in der Sprache seiner Leibzeitung unterhält. Die Papiersprache kennt gar keine andern Prädikate mehr. Man sehe sich um: in zehn Fällen neunmal dieses schleppende flektierte Adjektiv, im Akten- und im Zeitungsdeutsch durchweg, aber auch in der wissenschaftlichen Darstellung, im Roman und in der Novelle. Lächerlicherweise ist das Adjektiv dabei oft durch ein Adverb gesteigert, so daß gar kein Zweifel darüber sein kann, daß ein Urteil ausgesprochen werden soll. Aber es wird nirgends mehr $Seite 92$ geurteilt, es wird überall nur noch sortiert: ''die Ausstattung ist eine überaus vornehme — die Organisation ist eine sehr straffe, fast militärische — der Andrang war ein ganz enormer — der Beifall war ein wohlverdienter — diese Forderung ist eine durchaus gerechtfertigte — die Stellung des neuen Direktors war eine außerordentlich schwierige — in einigen Lieferungen ist die Bandbezeichnung eine falsche — der Erfolg mußte von vornherein ein zweifelhafter sein — die persönliche Selbständigkeit war in der Schweiz eine weit größere als in Deutschland — das Zeugnis Verschiedner ist keineswegs immer ein einmütiges — sein Standpunkt ist ein gänzlich verkehrter — diese Anschauung vom Leben der Sprache ist eine durchaus verkehrte — die Verfrachtung ist eine außerordentlich zeitraubende und kostspielige — Napoleons Lage war am 16. Oktober eine wenig günstige — leider ist dieser Standpunkt ein völlig undurchführbarer — die wirtschaftliche Lage des Landes ist eine sehr erfreuliche — die Aussicht auf die kommende Session ist eine sehr trübe — dieses Gedicht ist ein dem ganzen deutschen Volke teures (!) — der Text im Merkur ist ein von Ramler verballhornter (!) — allen Verehrern Moltkes dürfte der Besitz dieses Kunstblattes ein sehr willkommner (!) sein'' usw. Ebenso dann auch in der Mehrzahl: ''die Meinungen der Menschen sind sehr verschiedne — die Pachtsummen waren schon an und für sich hohe — die mythologischen Kenntnisse der Schüler sind gewöhnlich ziemlich dürftige — ich glaube nicht, daß die dortigen Verhältnisse von den unsrigen so grundverschiedne (!) seien''. Ist das Prädikat verneint, so heißt es natürlich ''kein'' statt ''nicht'': ''die Schwierigkeiten waren keine geringen — die Kluft zwischen den einzelnen Ständen war keine sehr tiefe — die Rührung ist keine erkünstelte — die Grenze ist keine für alle Zeiten bestimmte und keine für alle Orte gleiche'' — bei Goethe und Schiller ist der Abstand von der Gegenwart ''kein so starker mehr''. Eine musterhafte Buchkritik lautet heutzutage so (das Beispiel ist nicht erfunden!): ''ist der Inhalt des'' $Seite 93$ ''Lexikons ein sehr wertvoller und die Behandlung der einzelnen Punkte eine vorzügliche, so hält die Ausstattung gleichen Schritt damit, denn sie ist eine sehr gediegne''.//* Der Unsinn geht so weit, daß man sogar feststehende formelhafte Verbindungen, wie: ''eine offne Frage, ein zweifelhaftes Lob, ein frommer Wunsch, ein blinder Lärm'', auseinanderzerrt, das Prädikat zum Subjekt macht und schreibt: ''die Frage war lange Zeit eine offne — dieses Lob ist doch ein sehr zweifelhaftes — dieser Wunsch wird wohl ewig ein frommer (!) bleiben — der Lärm war zum Glück nur ein blinder (!)''.//
Von dem einfachen mit der Kopula gebildeten Prädikat geht aber der Schwulst nun weiter zu den Verben, die mit doppeltem Akkusativ, einem Objekts- und einem Prädikatsakkusativ, verbunden werden. Auch da heißt es nur noch: ''diesen Kampf kann man nur einen gehässigen nennen'' (statt: ''gehässig nennen''!) — ''mehr oder minder sehen wir alle die Zukunft als eine ernste an'' (statt: ''als ernst an'') — ''ich möchte diesen Versuch nicht als einen durchaus gelungnen bezeichnen — ich bin weit davon entfernt, diese Untersuchung als eine abschließende hinzustellen — das, was uns diese Tage zu unvergeßlichen macht'' (statt: ''unvergeßlich macht''!) und passiv: ''der angerichtete Schade wird als ein beträchtlicher bezeichnet — abhängige Arbeit löst sich los und wird zu einer unabhängigen'' (statt: ''wird unabhängig'') — ''bis die Bildung der Frauen eine andre und bessere wird'' (statt: ''anders und besser'') — ''unsre Kenntnis der japanischen Industrie ist eine viel umfassendere und gründlichere geworden — durch diese Nadel ist das Fleischspicken ein müheloseres'' (!) ''geworden''. Selbst an die Stelle eines Adverbs drängt sich bei gedankenlosen Zeitungsschreibern dieses prädikative Adjektiv: ''Das Gericht sah den Fall als einen außerordentlich milden an!''
Besonders häßlich wird die ganze Erscheinung, wenn statt des Adjektivs oder neben dem Adjektiv ein aktives Partizip erscheint, z. B.: ''das ganze Verfahren ist ein durchaus den Gesetzen widersprechendes''. Hier liegt ein doppelter Schwulst vor: statt des einfachen $Seite 94$ verbum finitum widerspricht ist das Partizip gebraucht: ''ist widersprechend'', und statt des unflektierten Partizips nun auch noch das flektierte: ''ist ein widersprechendes''. Aber gerade auch solchen Sätzen begegnet man täglich: ''das Ergebnis ist insofern ein verstimmendes — da die natürliche Beleuchtung doch immer eine wechselnde ist — der Anteil war ein den vorhandnen männlichen Seelen entsprechender — die Mache ist eine verschiedenartige, der Mangel selbständiger Forschung aber ein stets wiederkehrender — die Stellung des Richters ist eine von Jahr zu Jahr sinkende — das schließt nicht aus, daß der Inhalt der Sitte ein verwerflicher'', d. h. ''dem wahren Besten der Gesellschaft nicht entsprechender sei'' (statt: ''verwerflich sei'', d. h. ''nicht entspreche'') — ''die Armierung ist eine sehr schwache und absolut nicht ins Gewicht fallende — die Sprache des Buchs ist eine klare, einfache und allgemein verständliche, vom Herzen kommende und zum Herzen gehende — im ganzen ist das Werk freilich kein den Gegenstand erschöpfendes'' — auch: ''der Zweck des Buchs ist ein durchaus anzuerkennender'' (statt: ''durchaus anzuerkennen'').
Es ist kein Zweifel, daß diese breitspurig einherstelzenden Prädikate jetzt allgemein für eine besondre Schönheit gehalten werden. Wer aber einmal auf sie aufmerksam gemacht worden oder von selbst aufmerksam geworden ist, der müßte doch jeden Rest von Sprachgefühl verloren haben, wenn er sie nicht so schnell als möglich wieder abschüttelte.
Unter den Eigennamen muß man solche unterscheiden, die nur mit dem Geschlechtsworte verbunden auftreten, und solche, die an sich ohne dieses stehen.
Neben wenigen Ländernamen, besonders weiblichen Geschlechtes, wie ''die Krim, Schweiz'', und mehreren auf ''-ei'' stehen nur mit dem Geschlechtswort die Namen der Flüsse, Seen, Berge und, was oft dasselbe ist, Wälder und Gebirge. Wie diese oft nichts sind als ein Gattungsbegriff (''Berg, See, Wald'') mit einem damit verwachsenen oder ihnen gar nur vorgestellten substantivischen oder adjektivischen Bestimmungsworte, so werden sie auch durchaus als Gattungswörter aufgefaßt und als solche gebeugt. Kurz: ob nun zwischen Geschlechtswort und Namen ein Eigenschaftswort steht oder nicht, die männlichen und sächlichen bilden den 2. Fall ausnahmslos mit ''s'' Hier sind es wieder die Zeitungen gewesen, die zuerst als tägliche — ''Augenweide des Main, des Rhein, des Schwarzwald'' u. ä. aufgetischt haben, leider nicht ohne fortan gelehrige Nachtreter zu finden. Denn auch aus Federn von Professoren und gefeierten Schriftstellern fließt jetzt derartiges, so aus der Roseggers ''im Westen des Dachstein'', aus ''der Scheffels unsers Hohentwiel'', aus ''der Jensens des Feldberg, des Kandel'', selbst in einem Schulbuche ''des Inn'' und ebenso aus G. Freytag ''des Nil''. Diese traurige Entwicklung wird am ehesten aufzuhalten sein, wenn man das ''s'' auch fremdklingenden Namen anhängt, damit deren zeichenlose Formen nicht auch die einheimischen ihres Zeichens berauben. Also sage man lieber ''des Kongos, des Himalayas''. Noch weniger als der fremde Klang darf die Hinzufügung eines Eigenschaftswortes Wegwerfung des ''s'' veranlassen, mag jenes zum Namen gehören oder beschreibend oder unterscheidend hinzugesetzt sein. Während also von der sächsischen Stadt Schneeberg der Genetiv lautet ''des hohen Schneeberg'' heißt er ''vom Berge des Hohen Schneeberg(e)s'', wie auch allein richtig ist: ''des'' $Seite 51$'' blauen -, des weißen Nils, des bei Köln schon recht breiten Rhein(e)s, des kahlen Fichtelberges''.
Daß uns Fremdwörter unentbehrlich sind und in welchen Grenzen, ist schon oben § 53 bemerkt; wie auch schon bei Gelegenheit von § 53 u. 60 der Standpunkt angedeutet ist, den man sich immer mehr gewöhnen muß ihnen gegenüber einzunehmen. Sie müssen sich, soweit als möglich, den $Seite55$ Gesetzen der deutschen Biegung fügen, der sie sich nach folgenden Gesichtspunkten eingliedern lassen //*So auch Kieseritzky im gen. Buche, S. 120. Die Formen Papyrusse, Atlasse auch für Karten nennt er geradezu Urnatur, etwas wie einen neuen Gedanken gegenüber Papyri u. ä.//. +
Als schwache Maskulinen (nach Gruppe V) werden fast nur Personennamen behandelt, diese freilich ohne Ausnahme, wenn sie eine vom Nominativ der fremden Sprache abweichende Nominativendung haben, die Endung sei, welche sie wolle: ''-e'' (''Novize''), ''-at, -et, -it, -ot, -ut'' (''der Legat, Anachoret, Bandit, Pilot, Rekrut''), ''-ast'' (''Phantast'') oder ''-ist'' (''Bassist''), ''-ant'' oder ''ent'' (''Adjutant, Assistent''), ''-ik'' (''Katholik''), ''-og'' oder ''om-'' (''Astrolog, Astronom''), ''-nd, -ll, -ph, -ct'' (''-kt'') und ''pt'' (''Konfirmand, Vasall, Theosoph, Architekt, Adept''). Nur die Endung ''-isk'' gehört keinen Personennamen an (''Obelisk, Basilisk''); und einige Nicht-Personennamen stecken auch in den langen Reihen der Wörter auf ''-et, -it, ant'': ''Planet, Komet, Dendrit, Elefant, Foliant, Demant, Diamant''. Nur ''Magnet'' ist bereits überwiegend und ''Malachit'' ganz aus der früheren schwachen in die starke für Sachnamen auf ''-it'' und ''-et'' üblichere Biegung ''des Magnets, die Magnete'' übergetreten: ebenso ''Pedell'', (''des Pedells, die Pedelle''), wohl unter Beeinflussung durch ''Büttel''. Ebenso stehen neben ''der Scholar, des —, die Scholaren'' als starke Formen: ''die Archivare, Jubilare, Vikare''. Ganz ausschließlich herrscht die schwache Beugung bei den unserer Sprache angepaßten Femininen aus fremden Sprachen (''Republik, Republiken; Basilika, Basiliken''), also daß für diese gar keine Schwierigkeit entstehen kann. +
Alles was in der Deklination des Substantivs, d. h. seiner Beugung nach den vier Fällen und zwei Zahlen, an Schwankungen vorhanden ist, beruht im wesentlichen darauf, daß die Grenzen zwischen den beiden Hauptarten der deutschen Deklination, der vokalischen und der konsonantischen oder der starken und der schwachen einerseits oder zwischen den Unterarten der ersteren anderseits verrückt worden sind und noch werden. Bekanntlich, d. h. freilich heute meist noch, ohne daß davon die etwas erfahren haben, welche die griechischen und lateinischen Deklinationen am Schnürchen herzusagen wissen, — nicht bekanntlich also nennt man auf dem heutigen Stande unserer Fallbiegung stark gebeugt die Maskulinen und Neutren, die im Genetivus Singularis die Endung ''es'' oder ''s'' und im Nominativus Pluralis ''e, er'' oder gar keine En- $Seite43$ dung, sowie die Femininen, die im Nominativus Pluralis//1 Die Einzahl kann bei weiblichen Wörtern nicht berücksichtigt werden, weil sie in dieser jede Endung verloren haben.// die Endung ''e'' haben; auch der Umlaut im Plural ist eine Eigentümlichkeit nur stark gebeugter Wörter. Je nachdem nun nur ein oder mehrere dieser Bildungsmittel verwendet werden, ordnen sich die der starken Beugung unterliegenden Wörter in mehrere Gruppen, in die man nach den Merkformen der Gruppen alle einzelnen Wörter einzuordnen vermag. Der ersten (I.) gehören dann nur Maskulinen und Neutren an mit einem Gen. Sing. auf ''(e)s'' und Nominat. Plur. auf ''e'', gleichviel ob in der Mehrzahl Umlaut auftritt oder nicht. So ''Fisch'', des ''Fisches'', die ''Fische''//2 Hier folgen vollständig dekliniert Muster jeder Gruppe:
I. Gruppe:
Sing. Nom. Akk. ''der, den Fisch, Stand, das Pferd''
Gen. ''des Fisches, Standes, Pferdes''
Dat. ''dem Fische, Stande, Pferde''
Plur. Nom. Akk. ''die Fische, Stände, Pferde''
Gen. ''der Fische, Stände, Pferde''
Dat. ''den Fischen, Ständen, Pferden.''
Das ''e'' verlieren im Gen. Sing. besonders die Wörter auf ''-ig'' und ''-ing'' (''Königs, Däumlings'').
II. Gruppe:
Die Deklinationsreihen dieser Wörter lauten demnach sehr einförmig: ''der Adler, des Adlers, dem, den, die, der, die Adler, den Adlern, das Hühnchen, des Hühnchens, dem, das, die, der, den, die Hühnchen''. Dieser Gruppe gehören nach der Endung und dem überwiegenden Gebrauche auch ''Lehen'' und ''Darlehen'' an, deren Mehrzahl also besser nach dieser Gruppe ''die (Dar-)Lehen'' heißt als nach der ersten ''die Darlehne''. Dagegen bildet die Seelenkunde von ''Bewußtsein'' durchaus die Mehrzahl: ''die Bewußtseine; die Zellbewußtseine''. Den Umlaut in der Mehrzahl haben auch ''Vater, Kloster'' (ebenso ''Mutter'' und ''Bruder''), sonst aber nie Wörter mit stamhaftem ''-er'', wie ''Lager, Puder'' (Mehrzahl wieder ''die Lager, Puder''), sondern nur Wörter nach der dritten Gruppe, deren ''-er'' nur der Mehrzahl angehört:
$Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ III. Gruppe:
Sing. Nom. Akk. ''der, den Leib, das Gut''
Gen. ''des Leibes, des Gutes''
Dat. ''dem Leibe, dem Gute.''
Psur. Nom. Akk. ''die Leiber, Felder, Güter''
Gen. ''der Leiber, Felder, Güter''
Dat. ''den Leibern, Feldern, Gütern.''
IV. Gruppe:
Sing. Nom. Akk. ''der Befugnis, Nacht''
Gen. ''der Befugnis, Nacht''
Dat. ''der Befugnis, Nacht''
Plur. Nom. Akk. ''die Befugnisse, Nächte''
Gen. ''der Befugnisse, Nächte''
Dat. ''den Befugnissen, Nächten.''
V. Gruppe:
Sing. Nom. ''der Mensch Bote''
Gen. ''des Boten Menschen''
Dat. ''dem Boten Menschen''
Akk. ''den Boten Menschen''
Plur. Nom. ''die Boten Menschen''
Gen. ''der Boten Menschen''
Dat. ''den Boten Menschen''
Akk. ''die Boten Mensch''
Fem.
''die Frau Laune Fabel''
''der Frau Laune Fabel''
''der Frau Laune Fabel''
''die Frau Laune Fabel''
''die Frauen Launen Gabeln''
''der Frauen Launen Gabeln''
''den Frauen Launen Gabeln''
''die Frauen Launen Gabeln''
Von abgezogenen Begriffen, von denen frühere nur die Einzahl üblich war, kommen jetzt, zumal bei den Jüngsten, Mehrzahlen vor, z. B. Gr. I: ''die Ehrgeize, Stolze'' und bei Trentini; Gr. IV: ''Sehnsüchte'', allerhand ''Süchte''; Gr.V: ''Glanze, Zwänge''. ''Wer kennt die Hand des Herrn? ihre Launen, ihren Willen, ihren Spott, ihre Güten, ihre Herben?'' bei H. Johste u. ''die Glätten, Stillen'' bei Trentini, wie schon Hölderlin schrieb: ''sogenannte Irren oder Fehler.''
VI. Gruppe:
Sing. Nom. ''der Mast, Stachel, das Auge, Ohr''
Gen. ''des Mastes, Stachels, Auges, Ohres''
Dat. ''dem Maste, Stachel, Auge, Ohre''
Akk. ''den Mast, Stachel, das Auge, Ohr.''
Plur. Nom. ''die Masten, Stacheln, Augen, Ohren''
Gen. ''der Masten, Stacheln, Augen, Ohren''
Dat. ''den Masten, Stacheln, Augen, Ohren''
Akk. ''die Masten, Stacheln, Augen, Ohren.''
Hierher gehört auch die von der Biologie eingeführte Einzahl das ''Elter'' (''eines der beiden Eltern''), ''des Elters'' zu der früher allein üblichen Mehrzahl ''die Eltern''.//
''der Stand, des Stan-'' $Seite44$ ''des, die Stände''; ''das Pferd, des Pferdes, die Pferde''. Eine zweite (II.) bilden alle Wörter mit der einzigen Endung ''s'' im Gen. Sing. und z. T. ''n'' im Dat. Plur.; es sind alle mehrsilbigen männlichen auf ''-er, -el, -en'' und ''-em'' und alle sächlichen auf ''-en, -chen'' und ''-lein'': ''der Adler, des Adlers; das Hühnchen, des Hühnchens'' und mit Umlaut in der Mehrzahl: ''der Garten, des Gartens, die Gärten''. Die dritte Gruppe (III.) bildet den Gen. Sing. auf ''-es'', den Nom. Plur. auf ''-er'', das eine umlautfähige Stammsilbe stets umlautet; ihr gehören neben wenigen männlichen, wie ''Leib, des Leibes'', besonders sächliche Wörter an: ''Feld, des Feldes, Felder; Gut, des Gutes, Güter''. Endlich in eine vierte Gruppe (IV.) gehören alle weiblichen Wörter mit ''e'' im Nom. Plur., ob sie nun umgelautet bleiben, wie die auf ''-nis'' und ''-sal'' (''Befugnis, die Befugnisse'') oder umgelautet werden, wie ''Nacht, die Nächte''. Diesen vier Einzelgruppen steht nun einheitlicher als eine große fünfte Gruppe (V.) die gesamte schwache Deklination gegenüber, zu der alle die männlichen Wörter gehören, die in allen Fällen außer im Nom. Sing., sowie die weiblichen, die in allen Fällen der Mehrzahl die Endung ''-en'' oder, wenn sie auf ''-e, -er, -el'' ausgehen, bloßes ''n'' anhängen. Endlich entsteht eine sechste Gruppe (VI.), die sogenannte gemischte Deklination, dadurch, daß eine Reihe männlicher und sächlicher Wörter in der Einzahl stark (Gen. auf -''es'' oder ''-s''), in der Mehrzahl schwach (''-en'' oder ''-n'') gebeugt werden: ''Mast, Mastes, Masten; Auge, Auges, Augen''.
Bei dem Worte ''Bildervermengung'' denkt wohl jeder an Wendungen wie: ''das ist wie ein Tropfen auf einen hohlen Stein'', oder: ''er wurde an den Rand des Bettelstabes gebracht'', oder: ''der Zahn der Zeit, der schon so manche Träne getrocknet hat, wird auch über dieser Wunde Gras wachsen lassen'' — und meint, dergleichen werde wohl beim Unterricht als abschreckendes Beispiel vorgeführt, komme aber in Wirklichkeit nicht vor. Zeitungen und Bücher leisten aber fast täglich ähnliches; gilt es doch für geistreich, möglichst viel in Bildern zu schreiben! Oder wäre es nicht ebenso lächerlich, wenn von einer Nachricht gesagt wird, daß sie ''wie ein Donnerschlag ins Pulverfaß gewirkt habe'', wenn in einem Aufsatz über das Theater von ''gaumenkitzelnden Trikotanzügen'' gesprochen wird, oder $Seite 287$ wenn es in einem Börsenberichte heißt: ''der Verkehr wickelte sich in ruhigem Tone ab'', in dem Bericht über eine Kunstausstellung: ''was bei den Russen zum Zerrbilde des Fanatismus geworden ist, leuchtet bei den Spaniern als Flamme der Begeisterung'', oder wenn gar geschrieben wird: ''wo finden wir einen roten Faden, der uns aus diesem Labyrinth hinausführt?'' Auch folgende Beispiele sind, wie ausdrücklich bemerkt sein mag, nicht erfunden, sondern aus Zeitungen und Büchern gesammelt: ''das politische Knochengerüst, über dessen Nacktheit durch eine schöne Verbrämung hinweggetäuscht werden soll — unsre Universitäten sind wie rohe Eier: sobald man sie antastet, stellen sie sich auf die Hinterbeine — Prinz Ferdinand hat schon im ersten Jahre seiner Regierung manches Haar in seiner Krone gefunden — alle diese Mitteilungen schweben in der Luft, aus der sie geschnappt sind'' (''in der Luft schweben, aus der Luft greifen, nach Luft schnappen'') — ''das ist eins jener Kolumbuseier, deren der Genius Shakespeares verschiedne ausgebrütet hat — das sind vom nationalökonomischen Gesichtswinkel aus in kargem Gerippe die geistreich variierten Grundzüge seiner Lehre — die Millionen fliegen zum Fenster hinaus und leeren das Reichsfaß bis zum Boden — natürlich muß das Pflaster auf die verschiednen kalten Wasserstrahlen gegen ihre Eitelkeit ein wenig gekitzelt werden — dieses Schreckgespenst ist schon so abgedroschen, daß nur noch ein politisches Wickelkind darauf herumreiten kann — um ihrem geschwächten Parteimagen neue Nahrung zuzuführen, angeln sie in dem Wasser des Bauernbundes nach faulen Fischen — es wäre sehr zu wünschen, daß die Regierung diesem alten Zopf einmal gründlich den Star stäche.''
Dergleichen erregt ja nun die Heiterkeit auch des gedankenlosesten Lesers. Ein Berliner Schriftsteller hat sich sogar (unter dem Namen Wippchen) jahrelang planmäßig dem Anbau dieses Sprachunkrauts gewidmet und große Erfolge damit gehabt. Es gibt aber auch zahlreiche Bildervermengungen, die genau so schlimm sind, $Seite 288$ und die doch von Tausenden von Lesern, auch von denkenden, gar nicht bemerkt werden, weil sie nicht so zutage liegen, sondern etwas verschleiert sind. Unsre Sprache ist überreich an bildlichen Ausdrücken, über deren ursprüngliche Bedeutung man sich oft gar keine Rechenschaft mehr gibt. Schon wenn jemand schreibt: ''die Sache machte keinen durchschlagenden Eindruck'' — so lesen sicher unzählige darüber weg, denn ''Eindruck machen'' und ''ein durchschlagender Erfolg'' sind so abgebrauchte Bilder, daß man sich ihres ursprünglichen Sinnes kaum noch bewußt ist. Und doch liegt hier eine lächerliche Bildervermengung vor, denn ''einen Eindruck machen'' und ''durchschlagen'' schließen doch einander aus; wenn man ''das Kalbfell einer Pauke durchschlägt'', so ist es mit dem ''Eindruckmachen'' vorbei. Ebenso ist es, wenn ein Kritiker von Leistungen eines Schriftstellers redet, die nicht den vollen Umfang seiner Fähigkeiten erschöpfen, denn beim ''Umfang'' denkt man an ein Längenmaß, ''schöpfen'' kann man aber nur mit einem Hohlmaß. In solchen mehr oder weniger verschleierten Bildervermengungen wird sehr viel geleistet. Man schreibt: ''die kleinen Staaten werden von der Wucht ganz Deutschlands getragen — er hatte sich in eine solche Schuldenlast gestürzt — diese Maßregel ist von sehr ungünstigem Einfluß begleitet gewesen — als die auf die Hebung der Hundezucht abzielende Bewegung feste Wurzeln geschlagen hatte — bis sie ihm die Unterlage für Börsenspekulationen eröffnet hatten'' usw.//* Übrigens kann ein Bild auch ohne Vermengung mit andern geschmacklos wirken, nämlich dann, wenn es gar zu sehr ausgetitscht wird; so, wenn es von den Arbeiten, die ein Schriftsteller seinem Verleger einsandte, heißt: ''jede jährliche Ernte seines Fleißes und Talentes hat er in den Hof des befreundeten Hauses eingefahren.''//
Die Erfüllung der Forderung(en) des Reichstages, nicht: die Erfüllung der Forderungen der Abgeordneten! +
Auch genetivische Attribute verstoßen oft gegen die Schönheit und Klarheit der Sprache, zunächst durch ihre Häufung. Höchstens zwei dürfen so nebeneinanderstehn, daß das eine vom andern abhängt, und auch die womöglich nur, wenn ihre Form besonders im Artikel und anderen Formwörtern nicht gleich ist. Also wenn ''die Prüfung der Erfindung des Barons v. Wahrendorf, die Frage der Zulässigkeit dieses Rechtsmittels, die Schaffung des Gewerkvereins der Dockarbeiter'' u. ä. Verbindungen durchaus zulässig sind, gilt dies nicht so von ''der Entdeckung der Gesetze der Schwingungen elastischer Oberflächen, der Pracht des Waldes des Mittelgebirges, den Stufen des Weiterschreitens des Leidens'' oder gar von dem Satze einer Reichsgerichtsentscheidung: ''Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der Unkenntnis der Tatsache der Existenz einer solchen Verordnung ist vom Gesetz nirgends versagt''. Natürlich wächst die Häßlichkeit mit der Zahl der Genetive überhaupt, vollends vom gleichen Geschlechtsworte begleiteter. So soll man schon nicht aneinanderreihen: e''in Beweis der Unreife des Nachdenkens des Verfassers, wegen Besetzung des Postens des Staatssekretärs des Auswärtigen'', mag schon ehedem ein Minister in einem Trinkspruche zwölf Genetive hintereinander über die Lippe gebracht haben, indem er trank ''auf das Wohl der Armee, des Stolzes des Thrones, der Stütze der Verfassung und der Gesetze des Landes, der Wächterin des Friedens, des Unterpfandes des Sieges unsrer Waffen''! Die Härte wird noch größer, d. h. zum Mißklang gesellt sich noch Unklarheit der Beziehung, wenn ein Genetiv ohne Geschlechtswort vor einen anderen tritt und diesen ebenfalls seines Geschlechtswortes, oft auch noch der Endung beraubt. Also nicht: ''die Auslieferung du Chateis, seines Vaters Mörders und seines Königs besten Freundes'' (statt: ''du Ch., des Mörders s. V.'' usw.); ebensowenig: ''durch Dietrichs Waffenmeisters Hildebrand Eingreifen''. Noch viel weniger mit Tilgung jedes Abhängigkeitszeichens: ''mit Hilfe Achills Myrmidonen; die Opferung Iphigeniens, Agamemnons Tochter'', oder gar (mit G. Keller): ''König Albrechts Ermordung wegen'', (mit Rosegger): ''Ihr Besuch meines Geburtshauses und meiner Mutter Grab''; oder mit v. d. Planitz: ''keiner'' $Seite 168$ ''denkt mehr seiner Väter Taten, harren ihres Kaisers Ankunft'', und: ''Friedrich Wilhelms, Preußens großen Kurfürst''. Selbst ein vor einen Wesfall vorgeschobenes ''dessen'' wirkt hart: ''im 11. Bande dessen Allgemeiner deutschen (!) Bibliothek'' (Koschmieder, Breslauer Diss. 1913).
Wie schon in § 209 angedeutet worden ist gibt eine Ergänzung im zweiten Falle immer mehr oder weniger die Ursache an (1. ''Die Christen getrösten sich des Jenseits''), eine mit Verhältniswort geht mehr auf eine sinnliche, örtliche Auffassung zurück (2. ''Die Juden harren noch auf den Messias''), und im dritten Falle tritt gewöhnlich die beteiligte Person auf (3. ''Dem, der sich selbst bezwingt, gebührt der Preis''. 4, ''Man tat ihm Schimpf und Schande an''). — Von all den Verben mit allen diesen Ergänzungen, den intransitiven wie den neutralen (''gehen, stehen''), unterscheiden sich nun die, welche eine Ergänzung im vierten Falle bei sich haben, indem nur sie einer unbedingten und unbeschränkten Umwandlung in die Leideform fähig sind; denn dazu gehört es, daß ein Akkusativ-Objek des aktiven Satzes das Subjekt des passiven werden könne. Vgl. § 120). +
Ebenso einfältig ist noch ein andrer Unfug, der auch auf bloße Nachäfferei des Französischen und des Englischen zurückzuführen ist. Der französische Geschäftsstil setzt ''père, fils'' und ''frères'', der englische ''brothers'' als Apposition hinter den Personennamen: ''Dumas fils, Shakelford brothers''. Im Deutschen ist das ganz unmöglich, wir können nur von dem ''Wörterbuch der Gebrüder Grimm'' reden, nicht ''der Grimm Gebrüder''. Aber unsre Kaufleute müssen natürlich das Fremde nachäffen; sie nennen sich ''Schmidt Gebrüder, Blembel Gebrüder, Ury Gebrüder''. Sie gehen aber noch weiter. Während der Franzose sagt: ''Veuve Cliquot'', schreibt der Deutsche: ''M. D. Schwennicke Witwe'', ja selbst wo es $Seite 201$ sich gar nicht um ein Verwandtschaftsverhältnis handelt, leimt er ein Appellativ und einen Personennamen in dieser Weise zusammen, statt ein Attribut zu bilden; in unsrer Geschäftswelt wimmelt es schon von Firmen, die alle so aussehen, als ob ihre Inhaber den Familiennamen ''Nachfolger'' und dabei die seltsamsten Vornamen führten, wie: ''C. F. Kahnt Nachfolger, Johann Jakob Huth Nachfolger'', ja sogar ''Gebrüder Hutzelmann Nachfolger'' und ''Luise Werner Nachfolger''. In großen Städten findet man kaum noch eine Straße, wo nicht Mitglieder dieser weitverzweigten Familie säßen. Auch daraus ist eine richtige dumme Mode geworden. Während früher ein Geschäft, wenn es den Inhaber wechselte, die alte Firma meist unverändert behielt, um sich deren Ruf zu erhalten — in Leipzig gibt es Firmen, die noch heute so heißen wie vor hundert und mehr als hundert Jahren, und sie befinden sich nicht schlecht dabei! —, ist jetzt manchmal ein Geschäft kaum zwei, drei Jahre alt, und schon prangt der ''Nachfolge'' auf der Firma. Manchen will ja nun die Dummheit, den Personennamen dabei im Nominativ stehen zu lassen, nicht recht in den Kopf; man sieht das an der verschiednen Art und Weise, wie sie sich quälen, sie hinzuschreiben. Die meisten schreiben freilich dreist: ''Ferdinand Schmidt Nachfolger''. Andre schreiben aber doch mit Komma: ''Ferdinand Schmidt, Nachfolger'', was zwischen einem ''Schneider'' und einem ''Fleischer'' so aussieht, als ob die Beschäftigung dieses Biedermanns im ''Nachfolgen'' bestünde, andre ganz klein, als ob sie sich ein bißchen schämten: ''Ferdinand Schmidt Nachfolger''. Nur auf das einzig vernünftige: ''Ferdinand Schmidts Nachfolger'' verfällt keiner.
Namentlich auch im deutschen Buchhandel hat das fruchtbare Geschlecht der Nachfolger schon eine Menge von Vertretern. Einer der wenigen, die den Mut gehabt haben, der abgeschmackten Mode zum Trotz dem gesunden Menschenverstande die Ehre zu geben, ist der Verleger der Gartenlaube: ''Ernst Keils Nachfolger''. Dagegen überbietet alles an Sprachzerrüttung die ''Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger''; das soll $Seite 202$ heißen: ''der Nachfolger der Cottaischen Buchhandlung''! In solchem Deutsch prangt jetzt die Buchhandlung, in der einst Schillers und Goethes Werke erschienen sind!
Auf eins darf man gespannt sein: wenn die gesamte deutsche Geschäftswelt nur noch aus ''Nachfolgern'' bestehen wird — und dahin wird es ja in einiger Zeit kommen —, was dann?
So wenig der Wesfall wie sein Ersatz durch ''von'' darf von dem regierenden Worte durch eine adverbiale Verbindung getrennt werden, wie in den folgenden, in den ersten Nummern wieder Andresen verdankten Beispielen: 1. ''die Art zu spielen des Akteurs'' (statt ''die Art des Akteurs zu spielen''); 2. ''das Ertrinken im Rheine der Magd''; 3. ''die Abstimmung gegen das Gesetz eines früher altliberalen Staatsmannes''; 4. ''Ehre sei der unermüdlichen Aufopferung um die Bergung und Rettung der Opfer der Saarbrückener Bevölkerung''//2 Hier hilft, wie gewöhnlich, nur ein Satz: ''Ehre sei der .... Aufopferung, mit der die Saarbrücker Bevölkerung die Opfer zu bergen und zu retten suchte''.//; 5. ''die Flucht Hals über Kopf unserer hiesigen europäischen Matadore''; 6. sogar aus der Feder eines Lehrers: ''von der taucherartigen Vertrautheit mit dem Wasser der unversehrten nervigen Körper''; aus neuster Zeit 7. aus der Tägl. R.: ''ein Modell in voller Größe der Viktoria, des berühmten Schiffes Nelsons''; 8. aus der Teutschen Ztg.: ''zu der Entfernung vom Hofe des ganzen Intrigantenkreises''; 9. ''nach der Auflösung durch die russische Regierung des 1905 ins Leben gerufenen Vereins'' (Gg. Cleinow in den Grenzboten 1918); 10. ''die völlige Übereinstimmung mit sich des gesunden Menschen'' (P. Ernst) und 11. gar lächerlich: ''Bekanntmachung betr. Maul- und Klauenseuche des Herrn Regierungspräsidenten''.
$Seite 166$ Daß solche Stellungen als Fehler bezeichnet werden müssen, beruht darauf, daß der Genetiv wie sein Ersatz an sich zu jedem Hauptworte treten und bezogen werden kann, und demnach, sobald er von dem seinigen getrennt und einem andern nachgestellt wird, irrtümlich zu diesem bezogen werden kann, wie man denn oben in den Beispielen 3, 4, 6, 8 und 11 stark dazu versucht ist. Übrigens ist ja die Nachbarschaft, räumlich wenigstens, mit dem Nachbar zur Rechten gleich nahe wie mit dem zur Linken; und so kann der Wunsch, die adverbiale Bestimmung dem Hauptwort auch näher zu rücken, bisweilen dadurch erfüllt werden, daß das Genetivattribut voraustritt; nur müssen die § 177 dafür aufgestellten Bedingungen erfüllt sein. Fügungen wie die folgenden sind denn auch in Zeitungen gar nicht selten: ''Deutschlands Beteiligung an der Londoner Konferenz, Deutschlands Beziehungen zu Großbritannien, Frankreichs Stellung in der neuen Frage''.
Aus dieser andern Seite nun, d. h. wenn sich ein Substantiv mit ''als'' auf ein Objekt oder Attribut bezieht, aber ohne daß die Gültigkeit oder Möglichkeit dieser von ''als'' begleiteten Aussage von dem im Verbum oder einem regierenden Substantiv offen oder versteckt ausgedrückten Begriffe einer Handlung oder Zuständlichkeit abhinge, tritt die strenge Form des Beisatzes ein, also Gleichsetzung des erklärenden Wortes mit dem Beziehungsworte im Falle. Je nach der Verschiedenheit der Beziehung und des Sinnes heißt es also: ''Ich rate dir als guter Freund'', aber: ''ich verrate es nur dir als meinem besten Freunde; Pfichttreue, Fleiß und Ehrenhaftigkeit des Beamtenkörpers als Ganzen seien rückhaltlos zugegeben; Deutsches Wesen ist es, sich der Menschheit als Ganzer verantwortlich zu fühlen. Die Ideen der Arbeiterpolitik sind die Herrschaft des Volkes als Ganzen'' (die letzten drei Beispiele bei Wolfgang Heine, Zu Deutschlands Erneuerung). Man erkennt an den Beispielen zugleich deutlichst, daß die mit ''als'' eingeführte Erklärung in keiner Weise von den regierenden Verben abhängig ist//1 Das ist dagegen z. B. bei ''sich bedienen'' der Fall, welches ausdrückt, daß der betuchte Gegenstand erst durch die Benutzung in das durch ''als'' angeführte Verhältnis gesetzt wird. Daher heißt es ganz natürlich: ''wobei ich mich seines langen Haares als Leitseil bediente'', und umgekehrt mutet es gezwungen an, wenn Junker schreibt: ''Ich bediente mich nicht des Kamels, sondern eines Esels als Reittiers''.//. Richtig also schrieb Eltze: ''was uns vor Krieg mit den beiden Mächten als Alliierten der Sklavenstaaten geschützt hat'', und ein Politiker: ''Das Mißtrauen vor Kaiser Wilhelm dem II. als einem leidenschaftlichen Soldaten ist allgemeiner Verehrung für ihn als einen Menschenfreund gewichen''. Natürlich muß, auf ein eigentliches Genetivattribut bezogen, im Beisatz ein zweiter Wesfall erscheinen: ''Die Ersetzung Tamisiers als Oberbefehlshabers der Nationalgarde durch den General Thomas; Die Wahl des Grafen Waldersee als desjenigen Offiziers, den Moltke selbst als seinen fähigsten Schüler bezeichnet hatte, zur Stelle des Generalstabschefs* wird freudig begrüßt; Bismarck bezeichnete eine Reihe von Vorgängen fälschlich als von Sheridan als Augenzeugen erzählt'' (Freifr. v. Spitzenberg). Falsch hat dagegen Scheler geschrieben: ''Für die Völker als Ganzer'' (statt: ''Ganze'') ''bleiben die hier gemeinten Mißverständnisse notwendig'', und mit gleich unbegründetem Wesfall Rud. Huch: ''Es sei schwierig für den Gebideten, an alle Tatsachen als solcher zu glauben''; Gymn.-Prof. W. Sprink: ''Die Darstellung der Erregung im Volk mit Thoas als ungewollter'' (statt: ''ungewolltem'') ''Zuhörer''; L. Corinch: ''Er zog mit sechs großen und forschen jungen Leuten als seine Schüler'' (statt: ''seinen Schülern'') ''im kleinen Neste herum''; Sächs. Staats-Ztg.: ''Man darf von ihm als bekannten'' (statt: ''bekanntem'') ''Psychiater Lehrreiches erwarten''; Deutscher Wille 1917, Dez. I: ''die Freude an der eigentlichen Kunst als solche'' (statt: ''solcher''); ''Ein entsprechender Einfluß geht von der Beschaffenheit des akustischen Ein-'' $Seite 230$ ''drucks als solchem'' (statt: ''solchen'') ''aus''; Grenzboten: ''die durch Darwin als Biologe'' (statt: ''Biologen'') ''vertieften Bevölkerungsgesetze''.
Unter den persönlichen Fürwörtern tauchen immer öfter die Genetive [sic!] ''uns(e)rer'' und ''eurer'' auf: ''wer erbarmt sich unserer'' statt ''unser?'' ''ich konnte eurer'' statt ''euer nicht habhaft werden'', ohne Berechtigung. Denn obwohl ihr Vordringen nur ein Nachspiel zu dem Kampfe ist, durch den sich ''meiner, deiner, seiner, ihrer'' an Stelle der alten, nur noch in poetischer Rede vorfindlichen Formen ''mein, dein, sein, ihr'' (''gedenke mein!'') in der Prosa ausschließliche Geltung verschafft haben, so braucht doch das Nachspiel nicht ebenso abzulaufen wie der Hauptkampf, zumal gegenüber den andern vier die zwei Formen ''uns(e)rer, eu(e)rer'' noch schwerfälliger klingen. Offenbar verleitet zu ihrer Anwendung die Vermengung mit den gleichen weiblichen Genetiven der Einzahl und Mehrzahl und Dativen der Einzahl vom Possesiv: ''die Forderungen uns(e)rer Zeit, die Folge eu(e)rer Schwäche''. Die Formen des Akkusativs der Einzahl und die Dative beider Zahlen lauten übrigens nach § 76 lieber ''unsern, euern, unserm, euerm'', neben ''unseren'' usf., als ''unsren'' usw. +
Man muß vom Genusse des Deutsch herkommen, wie es im vorigen klassischen Jahrhundert geschrieben wurde, oder gar von der Versenkung in frühere Prosa, vollends die Luthers, oder in so echt volkstümliche wie in Grimms Märchen; und noch umwogt von der Beweglichkeit und selbst erfrischt von der jugendlichen Leichtigkeit und Munterkeit jener Werke, muß man einmal der Prosa heutiger gelehrter und kritischer Abhandlungen und Aufsätze, der Berichte in Amtsblättern und Zeitschriften näher getreten sein. Dann wird man um so deutlicher die Eigenschaft herausgefühlt und empfunden haben, die alle diese Darstellungen, die gehaltvollsten nicht viel weniger als die tagtäglichsten, immer noch kennzeichnet: Schwerfälligkeit und Gespreiztheit; man könnte dafür auch sagen: ein Zuviel von Haupt-, ein Zuwenig von Zeitwörtern. Der Grund liegt darin, daß das Gefühl für den Hauptträger des einfachen Satzes, das Zeitwort, abgestumpft und damit das Verständnis für den natürlichen Bau des Satzes verloren gegangen ist. Das Zeitwort, das mit seinem Formenreichtum nicht nur die Tätigkeiten als die Äußerungen der lebenatmenden Bewegung, sondern auch die dadurch hervorgebrachten Zustände in ihren verschiedenen Zeiten und Entwicklungsstufen auszudrücken vermag, ist die lebenatmende und belebende Kraft der Sprache; die Substantive, wie ihr Name sagt, der Ausdruck für etwas Seiendes, sind das Gegenteil davon, das Starre, Feste, und daher wohl geeignet zu Trägern der Tätigkeit und benötigt, wo es sich darum handelt, das flüssige, wogende Leben auf sichere Begriffe zurückzuführen. Jene herrschen also in sinnlich lebendiger Darstellung vor; diese sind am Platze oder doch unvermeidlich, wo die künstlerische, freie Gestaltung vor der früher Geschaffenes zergliedernden Gelehrsamkeit zurückweicht. So hat sich die griechische Sprache, weil der griechische Geist sich so lebhaft der Philosophie zuwandte, einen reichen Bestand abstrakter Hauptwörter geschaffen; die lateinische, die von einem Volke gesprochen wurde, das länger dem praktischen Leben, der Tat und der Ausübung zugewandt blieb, hat sie dagegen so lange gemieden, daß selbst die Nachblüte der Literatur im ersten Jahrhundert der Kaiserzeit längst verwelkt ist, als die Flut solcher Substantive erst hereinbricht. Auf welcher Stufe wir danach stehen müssen, ist klar, aber erschreckend. Haben wir uns doch bald ein Jahrhundert an nichts genährt als an Gedanken und Theorien, und dem zuletzt lebenden Geschlechte vollends waren jahrzehntelang nur Begriffe statt Leben gereicht worden. Noch immer äußert sich dies in unserm heutigen Stile in einer Leben und Beweglichkeit gefährdenden Überwucherung der Hauptwörter, derjenigen natürlich, die z. B. oben § 35 als die jüngsten und häßlichsten bezeichnet worden sind und die zu meiden oft nicht wegen ihrer an sich falschen Bildung, sondern aus den hier angedeuteten Gesichtspunkten geboten ist.
Dazu trifft der Gang der Geistesentwicklung von der sinnlichen Anschauung des Stoffes zur abstrahierenden Erhebung über ihn noch zusammen mit der Entwicklung der Sprache, die ja nur ein Teil jener ist. Was man von der Abkehr unserer Jahrzehnte von der Theorie und dem Spiele mit Begriffen, was man von dem frischen Pulsschlage wirklichen Lebens in den Werken gottbegnadeter Dichter, die Gott sei Dank! auch mir noch $Seite 250$ haben, für die Rückkehr der Sprache zu größerer Natürlichkeit und Lebendigkeit hoffen konnte, wurde somit leider durch viele nicht so schnell wirkungslos werdende Kräfte wettgemacht. Die Gelehrten stehen noch zumeist unter dem Einflusse der Schule, in der es eine Hauptübung war, deutsche nominale in lateinische verbale Fügungen, lateinische verbale in deutsche nominale zu verwandeln, selbst wenn das im Deutschen schwerfällig wurde. Jedenfalls wurde das deutsche Sprachgefühl dadurch nicht gekräftigt, ja öfter verletzt, weil kaum mit einem Worte darauf hingewiesen wurde, daß dieser Zug des Deutschen nicht zu fördern, wohl aber einzudämmen sei. Die Juristen, deren Entscheide ein gut Teil der Zeitungen füllen, suchen und müssen suchen nach Begriffsbestimmungen, und vor Substantivierungen ''„eines Vergehens als eines Nichtbeachtens der Vorschriften über das rechtzeitige Erstellen eines Ersatzmannes"'' u. a. ähnlich ungeheuerlichen erkennen sie nie die eigene Schuld, die sie gegen ihre Muttersprache auf sich laden.
Den größten Einfluß üben freilich in unserer Zeit, die unter dem Zeichen körperschaftlicher Tagungen, großer und kleiner, steht und die die Presse von ihrer Stellung als siebente Großmacht noch weiter hat nach oben rücken lassen, die Berichterstatter aller dieser Versammlungen mit ihren Verhandlungsschriften und die der Zeitungen wie deren Leiter aus. Wer Verhandlungsschriften daraufhin durchliest, wird über die Zeugung der in ihnen wimmelnden Satzungeheuer leicht den richtigen Aufschluß finden. An die Spitze ist gewöhnlich eine endlose Substantivkonstruktion gestellt, die entweder genau dem Wortlaut auf der Tagesordnung entspricht oder die zu einem wahren Rattenkönige von Hauptwörtern zusammengereihten Kernpunkte einer Erörterung enthält; und mit dem echten Kunststücke eines Kanzlisten, die das ja so schön vorgemacht haben, ehe sie von den kaufmännischen und anderen nicht vom Aktenstaube bedeckten Berichterstattern abgelöst wurden, wird dann mit einer oft gar wunderlichen Satzverrenkung das Ergebnis der Erörterung in einer kurzen Verbalform angefügt, die dem vorangehenden starken substantivischen Ballaste nicht gewachsen sein kann. Ein Beispiel erläutert die ganze Mache am besten: ''Der vom Stadtrate beschlossenen Überweisung des Bestandwertes der Hölzer auf der von Frau Rehnisch in Bertsdorf erkauften Forstparzelle in Höhe von 4000 Mark an das Substanzvermögen'' — das sind 26 Wörter — ''wird beigetreten''.
Ähnlich verfährt gar oft der Zeitungsmann, nur aus einem anderen Grunde. Er will es seinen lesemüden oder die Zeitung nur überfliegenden Lesern bequem machen und ihnen ersparen, eine ganze Ausführung oder ihnen ferner Liegendes zu lesen, indem er Stichworte an die Spitze stellt, die sogleich verraten, wovon die nächste Erörterung handle, möglichst auch, welches ihr Ergebnis sei. Das ist bei der Unmenge von Schriften und Schriftstücken, die es in unserer Zeit regnet, an sich gewiß löblich; nur ließe sich der Zweck auch in einer die Sprache nicht schädigenden Weise erreichen, wenn eine wirkliche Überschrift, fett oder gesperrt gedruckt und mit einem Punkte dahinter, am Kopf stünde//1 Ein Beispiel ist § 265, Nr. 3 gegeben.//. So aber werden die Anfangsworte, die oft von einer Präposition oder immer aus der Not helfenden Wörtern $Seite 251$ wie ''anlangend, betreffend'' abhängen, mit dem Folgenden stets zu einem großen Satzungeheuer zusammengekoppelt. Man sehe nur eins: ''Das Gebundensein der zwecks'' (!) ''Studiums der russischen Sprache nach Rußland geschickten deutschen Offiziere an eine bestimmte Stadt betreffend, erfährt die Kreuzzeitung, daß das nicht Astrachan, sondern Charkow sei''.
Doch wir sind weit entfernt, den genannten Kräften und Ständen die Schuld an diesem Reden in lauter Hauptwörtern allein beizumessen; sie sind nur die Stellen, von denen aus dieser unschöne Zug unserer Sprache immer wieder genährt und gekräftigt wird. Zu einem kleinen Teile auf der Entwicklung der Sprache überhaupt beruhend, wird er zum größeren durch die unsere Bildung leitenden Mächte verschuldet, nicht zuletzt die Schule mit ihrer immer noch vorherrschenden Ablenkung der heranwachsenden Geschlechter, die doch am liebsten handelten und unmittelbar anschauten, zum begriffsmäßigen Denken und Reden über die Dinge. Damit aber an allen diesen Stellen erkannt werde, wo und daß Abhilfe möglich ist, wenn anders man sich nur einmal ernstlich vornimmt, wo es angeht, in Zeitwörtern zu reden, sollen zunächst unter diesem Gesichtspunkte einige Satzteile beleuchtet werden, zuerst: das Subjekt und das Prädikat.