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F
Durchaus als tadelnswert gilt es denn heute, ein das Hauptwort vertretendes Fürwort auf ein vorangehendes Eigenschaftswort zu beziehen. Also ahme man nicht nach: ''So waren wir auf der Grenze von Frankreich alles französischen Wesens auf einmal bar und ledig. Ihre Lebensweise fanden wir'' (statt: ''Wir fanden die Lebensweise der Franzosen'') ''zu bestimmt und zu vornehm, ihre Dichtung kalt'' (Goethe). Ebenso will uns die Beziehung eines Fürwortes auf das Bestimmungswort einer Zusammensetzung nicht gefallen, und zwar um so weniger, je eingebürgerter die Zusammensetzung ist und je weniger das Bestimmungswort nach dem Sinne der Zusammensetzung und seiner eigenen Gestalt die durch das Fürwort bezeichnete Form enthält. Man wird sich demnach solcher Beziehungen enthalten wie: ''Der hochdeutsche Sprachgebrauch kann nur aus sich selbst beurteilt werden; denn diese ist nicht die allgemeine Stammsprache. — Fischfang und deren Verkauf'' (statt ''Verkauf des Erträgnisses''). — ''Die Fischerei ist in Rußland sehr wichtig, alle Gewässer wimmeln von diesen Tieren. Aus dem Briefwechsel hat der Chronist diese aufbewahrt'' (L. Weichmann 1919). Denn Sprachgebrauch (lateinisch einfach ''usus''!) zeigt gar nicht mehr die volle Form des Substantivs Sprache und ist so festgeprägt, daß es schon etwas anderes bedeutet als Gebrauch der Sprache; auch ''Fischfang'' enthält den Begriff der Vielheit nicht deutlich genug, und vollends in ''Fischerei'' liegt auf der letzten Stufe nicht ''Fisch(e)'', sondern ''Fischer'' zugrunde. Auch der Bericht L. Corinths: ''Wir lernten Skatspielen, ein Student brachte uns ihn bei ist nicht besser''. Anders muß man urteilen, wenn die Zusammensetzung mehr oder minder für den einzelnen Fall gemacht und so das Bestimmungswort in größerer Selbständigkeit oder gar in vollständiger pluralischer Form erhalten ist oder sonst die ganze Zusammensetzung den Begriff der durch das Fürwort geforderten Menge deutlich genug ausdrückt//1 Während bei dem letztern Falle im eigentlichen Sinne eine Fügung nach dem Sinne vorliegt, so beruht die Möglichkeit der freieren Fügung im ersten Falle vielmehr auf dem von mir oben angegebenen Grunde oder, wie das Paul (S. 290) bezeichnet, darauf, das solche Neubildungen noch halb syntaktische Fügungen und erst halb Zusammensetzungen sind.//. Der letzte Umstand rechtfertigt selbst eine Fügung wie die Goethes: ''Er hatte eine Vogelhecke darunter'' (''unter dem Hute''), ''die möchten hervorfliegen''; oder die Grimms: ''Er hatte einen Ameisenhaufen zertreten, die seine Herrschaft nicht anerkennen wollten.'' Jenes Verhältnis läßt Fügungen berechtigt erscheinen wie die Schillers: ''Ein streitendes Gestaltenheer, die seinen Sinn in Sklavenbanden hielten; Es gibt im Menschenleben Augenblicke, wo er'' $Seite 139$ ''dem Weltgeist näher ist als sonst''; selbst die Grimms: ''über Frauenputz und die Tiere, die sie auf dem Schoß hielten.'' In einem Adjektiv steckt das Beziehungswort in der gewiß von niemand anders gewünschten Wendung von O. Ehlers: ''lange Züge teebeladener Kamele oder Herden die gleiche Last tragender Esel.''  
Man spricht so viel von fließendem Stil, beneidet wohl auch den und jenen um seinen fließenden Stil. Ist das Sache der Begabung, oder ist es etwas Erlernbares? Zum Teil beruht das, was man fließenden Stil nennt, unzweifelhaft auf der Klarheit des Denkens und der Folgerichtigkeit der Gedankenentwicklung — nur wer sich selbst über eine Sache völlig klar geworden ist, kann sie andern klar machen —, zum Teil auch auf dem Rhythmus — es wird viel zu viel stumm geschrieben, während man doch nichts drucken lassen sollte, was man $Seite 318$ sich nicht selber laut vorgelesen hat!//* Bedingungssätze statt mit ''wenn'' mit dem Verbum anzufangen ist an sich nicht übel, nur darf das Verbum dann nicht unmittelbar hinter dem des Hauptsatzes stehen, z. B. ''ein gewissenhafter Mann darf, will er seinen Ruf nicht gefährden'', oder: ''es ist manches verschwiegen, was gesagt werden müßte, sollte die Veröffentlichung überhaupt Berechtigung haben''. Wer laut schreibt, wird so etwas nie schreiben. Die beiden Verba platzen aufeinander wie ein paar Lokomotiven. Schreibt man ''wenn'', so mündet der Nebensatz leicht und natürlich ein wie ein Nebenflüßchen, das den Fluß des Hauptsatzes beschleunigt. Hüten muß man sich aber vor der Häufung einsilbiger Wörter. Doch kann auch eine lange Reihe einsilbiger Wörter ganz fließend klingen, wenn sie durch den Accent zu Gruppen zusammengefaßt werden, z. B. ''ein Umstand, wie es ihn bis jetzt noch fast gar nicht gegeben hat''.// —, zum größten Teil aber beruht es auf gewissen technischen Handgriffen beim Satzbau — Handwerksvortelchen möchte ich sagen —, die man eben kennen muß, um sie anwenden zu können. Unbewußt und unwillkürlich wendet sie niemand an. Es gibt allerdings auch einen Naturburschenstil, der den Leser durch eine gewisse Gewandtheit ein paar Seiten lang täuschen kann; dann kommt aber plötzlich ein Satz, der deutlich verrät, daß der Verfasser nur zufällig, nicht mit Bewußtsein fließend geschrieben hat. Den angenehmen Eindruck, daß jemand fließend schreibe, hat man dann, wenn beim Lesen das Verständnis, die geistige Auffassung des Geschriebnen immer gleichen Schritt hält mit der sinnlichen Auffassung, die durch das Auge vor sich geht. Ist das nicht der Fall, ist man öfter genötigt, stehen zu bleiben, mit den Augen wieder zurückzukehren, einen ganzen Satz, einen halben Satz oder auch nur ein paar Worte noch einmal zu lesen, weil man sieht, daß man das Gelesene falsch verstanden hat, so spricht man von holprigem oder höckrigem Stil. Solch ärgerliches Mißverständnis kann aber die verschiedensten Ursachen haben. Wer diese Ursachen zu vermeiden weiß, wer den Leser jederzeit zwingt, gleich beim ersten Lesen richtig zu verstehen, der schreibt einen fließenden Stil. Das ist das ganze Geheimnis. Im folgenden sollen einige Haupthindernisse eines fließenden Stils zusammengestellt werden. Vor allem gehört zu ihnen die leider in unsrer Sprache weitverbreitete, ungemein beliebte und doch das Ver- $Seite 319$ ständnis, namentlich dem Ausländer, aber auch dem Deutschen selbst überaus erschwerende Unsitte, (so, wie es hier soeben geschehen ist!) zwischen den Artikel und das zugehörige Hauptwort langatmige Attribute einzuschieben, statt diese Attribute in Nebensätzen nachzubringen. Dergleichen Verbindungen sind geradezu eine Qual für den Leser. Man sieht einen Artikel: ''die''. Dann folgt eine ganze Reihe von Bestimmungen, von denen man zunächst gar nicht weiß, worauf sie sich beziehen: ''verbreitete, beliebte, erschwerende''. Endlich kommt das erlösende Hauptwort: ''Unsitte''! Während also das Auge weiter gleitet, weiter irrt, wird unmittelbar hinter dem Artikel der Strom der geistigen Auffassung unterbrochen, es entsteht eine Lücke, und der Strom schließt sich erst wieder, wenn endlich das Hauptwort kommt. Dann ist es aber zu spät, man hat die Übersicht über das Eingeschobne längst verloren, muß wieder umkehren und das Ganze noch einmal lesen. Eine solche Unterbrechung tritt zwar bei jedem eingeschobnen Attribut ein, aber bei kurzen Attributen doch in so kleinem Maße, daß man sie nicht fühlt. Je länger das Attribut ist, desto empfindlicher und störender wird die Lücke. Nur der gute Stilist hat ein richtiges und feines Gefühl dafür, was er dem Leser in dieser Beziehung zumuten darf. Unsre Kanzlisten und Zeitungschreiber haben meist keine Ahnung davon; sie schreiben seelenvergnügt, indem sie immer ein Attribut ins andre schachteln: ''das Gericht wolle erkennen, der Geklagte'' (!) ''sei schuldig, mir für die von mir an die in dem von ihm zur Bearbeitung übernommenen Steinbruch beschäftigten Arbeiter vorgeschossenen Arbeitslöhne Ersatz zu leisten'' — oder: ''von einer durch einen in einer Umwälzung in den wichtigsten Einrichtungen aller Kulturstaaten bestehenden Vorteil ausgezeichneten Erfindung sind einige Gewinnanteile zu verkaufen'' — oder: ''mit einem von dem auf der nach dem Wasser zu gelegnen Veranda aufgestellten Musikkorps des ersten Gardedragonerregiments geblasenen Choral wurde die Feierlichkeit eröffnet.'' Ein zweites Haupthindernis eines fließenden Stils ist schon früher besprochen worden und soll hier nur $Seite 320$ einmal kurz erwähnt werden: es ist der unvorsichtige Gebrauch der Fürwörter (vgl. S. 218). Wie ärgerlich wird man beim Lesen aufgehalten durch ein ''er, sie, ihm, ihn, sein, ihr, diesem'', wenn man nicht sofort sieht, auf wen oder was es sich bezieht! Wo irgend ein Mißverständnis möglich ist, sollte immer statt des Fürworts wieder das Hauptwort gesetzt werden. Eine dritte Unsitte, die das Verständnis alles Deutschgeschriebnen in neuerer Zeit in der peinlichsten Weise erschwert, besteht darin, daß man das eigentliche und wirkliche Hauptwort des Satzes, nämlich das Verbum, immer in ein Substantiv verwandelt, entweder in ein wirkliches Substantiv oder in einen substantivierten Infinitiv. Da wird z. B. geschrieben: ''der Zuhilfenahme eines besondern Rechts der Persönlichkeit bedarf es nicht'' (statt: ''ein besondres Recht zu Hilfe zu nehmen ist nicht nötig'') — ''beim Unterbleiben einer baldigen Inangriffnahme des Projekts'' (statt: ''wenn das Projekt nicht bald in Angriff genommen wird'') — ''nach Umarbeitung eines Teils der Lieder zum Zwecke der Herstellung ihrer Sangbarkeit für Männerchöre an höhern Schulen'' (statt: ''nachdem ein Teil der Lieder umgearbeitet worden ist, um sie sangbar zu machen'') — ''trotz der seitens des Vorsitzenden erfolgten Ablehnung des Antrags des Angeklagten auf Vorladung des Kellners'' (statt: ''obgleich der Vorsitzende den Antrag des Angeklagten ablehnte, den Kellner vorzuladen'') — ''das plötzliche Hinüberlaufen eines normal entwickelten sieben bis acht Jahre alten Kindes über den Straßendamm vor einem schnell herankommenden sichtbaren und durch sein Rollen hörbaren Straßenbahnwagen, ohne auf die Warnung andrer Personen zu hören, kann dem Kinde zum Verschulden angerechnet werden'' (statt: ''wenn ein Kind plötzlich hinüberläuft, ohne'' usw.) — ''das Mißlingen des Versuchs muß natürlich sein Aufgeben zur Folge haben'' (statt: ''wenn der Versuch mißlingt, muß er natürlich aufgegeben werden'') — ''für die Mehrzahl der Reisenden hat die Erweiterung des Gesichtskreises aufgehört der Reisezweck zu sein'' (statt: ''die meisten reisen nicht mehr, um ihren Gesichtskreis zu erweitern'') — $Seite 321$ ''die Voraussetzung für die Patentierung eines Advokaten bildet eine mehrjährige Hilfsarbeiterschaft in einem Bureau'' (statt: ''wer als Advokat patentiert sein will, muß mehrere Jahre Hilfsarbeiter gewesen sein'') — ''es gibt eine Grenze, bei deren Überschreitung die Vermehrung der Bevölkerung nicht zur Erhöhung, sondern zur Verminderung des Wohlstandes führt'' (statt: ''das Wachstum der Bevölkerung hat eine Grenze; wird diese überschritten, so wird der Volkswohlstand nicht vermehrt, sondern vermindert''). Es gibt Schriftsteller, bei denen diese Art, sich auszudrücken, vollständig zur Manier geworden ist: sie haben sich so hinein verrannt, daß sie gar nicht wieder davon loskommen. Jeder Gedanke, der vor ihrer Seele auftaucht, nimmt sofort die Gestalt eines Substantivs an, jeder Hauptsatz, jeder Nebensatz gerinnt ihnen zu einem Substantiv. Erweitern — das können sie gar nicht mehr denken, sie denken nur noch Erweiterung.//* Sehr komisch ist es, wenn unwillkürlich einmal die gesunde Natur durch die Manier durchbricht, wo es zu spät ist. Dann entstehen Sätze wie: ''es ist zu bedauern, was für ein Aufwand von Zeit und Mühe darauf verwendet worden ist — die Erfahrungen, die man in Dresden mit dieser Einrichtung gemacht hat, dürften den Beweis für die Notwendigkeit derselben genügend bewiesen haben — eine telegraphische Nachricht, wonach die Möglichkeit einer persönlichen Begegnung für möglich erachtet wurde''.// Statt ''um zu, weil, so daß, wenn'' schwebt ihnen sofort Zweck, Grund, Folge, Voraussetzung vor. Wenn ein gewissenhafter Redakteur mit solchen Mitarbeitern zu tun hat, so bleibt ihm gar nichts weiter übrig, als Satz für Satz die harten Substantivschalen entzwei zu schlagen und überall den weichen Verbalkern herauszuholen, mit andern Worten: Satz für Satz umzuschreiben, aus der Substantivsprache in die Verbalsprache zu übersetzen. Verba erhalten den Satzbau geschmeidig und flüssig, sie lassen sich in der mannigfaltigsten Weise bekleiden, ohne daß die Sätze beschwert werden und dadurch schleppend werden. Sowie man aber den Verbalbegriff substantiviert, entstehen nicht nur so häßliche Bildungen, wie ''Zuhilfenahme, Inangriffnahme, Inanspruchnahme, Beiseiteschiebung, Zugänglich-'' $Seite 322$ ''machung, Zurannahmebringung, Inanklagestandversetzung'', sondern diese zähen Verbalextrakte müssen nun auch erst wieder durch irgend einen wäßrigen, gehaltlosen Zusatz wie ''stattfinden, erfolgen, bewirken'' in den flüssigen Zustand zurückversetzt werden, der für den Satzbau notwendig ist. Außerdem verbaut man sich durch solche Substantivierung selbst den Weg, verfitzt sich den Satz, und adverbielle Bestimmungen geraten in die Gefahr, falsch bezogen zu werden, wie in folgenden Sätzen: ''Seine Majestät gab das Zeichen zum Beginn der Feier durch Absingung eines Chorals'' (statt: ''durch Absingung zu beginnen'') — ''man verzichtete auf die Beantwortung einer Thronrede durch eine Adresse'' (statt: ''durch eine Adresse zu beantworten'') — ''K. wurde der Körperverletzung mittels eines schweren Werkzeuges angeklagt'' (statt: ''mittels eines schweren Werkzeuges verletzt zu haben'') — ''ein Expedient wurde wegen Unterschlagung von 750 Mark zum Nachteil seines Prinzipals verhaftet'' (statt: ''weil er zum Nachteil seines Prinzipals'' oder einfach: ''seinem Prinzipal unterschlagen hatte'') — ''die Fischerinnung hat das Befahren der Flüsse innerhalb der Stadtflur mit Booten und Kähnen verboten'' (statt: ''mit Booten und Kähnen zu befahren''). Eine adverbielle Bestimmnng gehört, wie ihr Name sagt, zunächst zum Verbum; wird dieses Verbum substantiviert, so flüchtet sie eben zu einem andern Verbum, und der Unsinn ist fertig. Namentlich in unsrer Gesetz- und Verordnungssprache spielt dieser Fehler eine große Rolle; Tausende von Bekanntmachungen, Verordnungen, Warnungen und Verboten, aber auch die einzelnen Punkte von Tagesordnungen und Protokollen fangen gewöhnlich gleich mit einem Verbalsubstantiv oder einem substantivierten Infinitiv an und quälen dann sich und die Leser mit allem, was darauf folgt. Ein vierter, sehr häufiger Fehler, aus dem das gerade Gegenteil eines fließenden Stils entspringt, besteht darin, daß ein casus obliquus eines Hauptworts so im Satze gestellt wird, daß er beim ersten Lesen entweder nicht erkannt wird oder falsch bezogen werden $Seite 323$ muß. Sehr gewöhnlich ist es z. B., daß ein Satz mit einem Akkusativ angefangen wird, der, weil er ein Femininum, ein Neutrum oder ein Plural ist oder keinen Artikel hat, nicht eher als Akkusativ erkannt wird, als bis — oft ziemlich spät — das Subjekt folgt//* Schon als Knaben haben mich die Verse nachdenklich gemacht: ''Ritter, treue Schwesterliebe widmet euch dies Herz''. Dann heißt es weiter: ''fordert keine andre Liebe'' — wo mir wieder ''fordert'' wie ein zweites Prädikat zu ''Schwesterliebe'' erschien.//; bis dahin hält ihn jeder Leser für den Nominativ, also für das Subjekt des Satzes, z. B.: ''die Pflege und die Wartung des jüngsten Kindes besorgt die Hausfrau selbst — die Frage, ob es richtig war, auch die schon seit längerer Zeit ansässigen Einwandrer auszuweisen, untersuche ich hier nicht — seine Erziehung hatte bisher nach der allgemeinen Gewohnheit in hochadligen Familien ein Priester geleitet — die beste Schilderung Corneliens, zugleich ein herrliches Denkmal dankbarer Liebe, haben wir in Wahrheit und Dichtung — die zu Anfang des Jahrgangs ausgesprochne Bitte, den Herausgeber der Handschriften des verehrten Lehrers durch Darleihung von Nachschriften zu unterstützen, wiederhole ich noch einmal dringend — die Einreihung der nicht teuern Bände in jede Familienbibliothek befürworte ich aufs wärmste — das Orchester führte schneidig und mit Umsicht Herr Kapellmeister Porst — das große Pferd, dessen mythologische Bedeutung schon durch die Statue auf der Säule nahe gelegt wird, hat Thausing als Herkules gedeutet — anerkannte Namen von bestem Klange wie aufstrebende neue Talente hat unsre Mitarbeiterliste aufzuweisen — des Kaisers Sieg bei Mühlberg, nach dem die Tage des Evangeliums gezählt schienen, feierte Agricola durch einen Dankgottesdienst — die Herren, die sich an unserm Fortbildungskursus beteiligen wollen, ersuchen wir'' usw. Aber auch andre Fälle solcher falscher Beziehungen kommen vor, wie folgende Beispiele zeigen (das Mißverständnis, in das jeder Leser zunächst verfällt, soll durch den Druck hervorgehoben werden): ''diese volle Unabhängigkeit fordernde Stelle — in einem Ende November 1862'' $Seite 324$ ''an das Ministerium gerichteten Schreiben — die Sozialdemokratie besteht noch in dem Staate gefahrdrohender Weise — es handelt sich um eine sehr weite Kreise interessierende Angelegenheit — um sie zu allen Anforderungen entsprechenden Soldaten zu machen — die Absicht, den Platz mit dem Festzweck entsprechenden Dauerbauten zu versehen — sie hat ihm zu seinem Aufsehen erregenden Mädchenbilde gesessen — mit Rücksicht auf die Befähigten zu erteilende Ausbildung — das nationale Gefühl ist durch Jahrhunderte lange Trennung geschwächt — die beiden Täler werden von Steinforellen enthaltenden Bächen durchflossen — diese Konglomerate von kleinlichen, detaillierten Spezialforderungen anzupassenden Verwaltungsräumen'' usw. In allen diesen Sätzen verbindet man im ersten Augenblicke falsch; im nächsten Augenblicke sieht man natürlich die richtige Verbindung, aber seinen Stoß hat man weg. Viele Druckseiten könnten hier mit Beispielen der verschiedensten Art gefüllt werden, die alle darauf hinauslaufen, daß der Leser beim ersten Lesen falsch versteht, an einer gewissen Stelle merkt, daß er falsch verstanden hat, und deshalb umkehren und das Gelesene gleichsam umdenken muß. Sehr häufig ist der Fall, daß dem Schreibenden bei einem Fürwort, einem Partizip, einem Adverb ein erst später folgendes Hauptwort oder Zeitwort vorschwebt, während es der Leser, der das nicht wissen kann, auf ein schon dagewesenes bezieht. Welche Störung dann! Da wird z. B. geschrieben: ''in Berlin gelang es Bandel nicht, festen Fuß zu fassen; mit der brutalen Deutlichkeit, die ihm eigen war, erklärte ihm Schadow'' usw. (hier wird jeder Leser ihm zunächst auf ''Bandel'' beziehen, während es auf ''Schadow'' gehen soll) — ''die Gedichte wurden meine Einführungsbriefe bei den Dichtern Münchens, die ich fast alle in diesen Jahren im Hanse meines Vaters kennen lernte; als Glied des Leseausschusses, als Regisseur, als Träger der Heldenrollen und wahrlich nicht am wenigsten als einsichtsvoller und wohlwollender Berater, als ein in allen Stücken prächtiger Mann war er von den'' $Seite 325$ ''Herren gar eifrig gesucht'' (hier bezieht der Leser alle die schönen Prädikate des zweiten Satzes auf ''ich'', bis er ganz zuletzt merkt, daß sie sich auf ''er'' beziehen) — ''wie sehr unsre Landsleute am Vaterlande hängen, bewies die reiche Spende, die sie zum Bismarckdenkmal herübersandten. In herrlichem Gartengrün verborgen, umgeben von tropischer Blumenpracht, hat der deutsche Verein in Honolulu sein eignes Heim'' (hier versucht man, die Partizipia ''verborgen'' und ''umgeben'' zunächst auf ''Spende'' zu beziehen, bis man endlich merkt, daß sie zu ''Heim'' gehören sollen) — ''diese Idee kam von außen, aus der römisch gebildeten Umgebung des Königs und aus den Bedürfnissen des römischen Papsttums erwuchs sie'' (hier merkt man erst ganz zuletzt, daß man das zweite ''aus'', und was darauf folgt, fälschlich mit ''kam'' verbunden hat) — ''obgleich ich nicht wußte, ob ich sitzen bleiben dürfte oder mich zurückziehen müßte, blieb ich doch sitzen. So sehr hatte mich die bewundernswerte Persönlichkeit des Grafen gefangen genommen, daß ich selbst die gewöhnlichsten Gesellschaftsregeln außer acht ließ'' (hier bezieht man ''so sehr'' zunächst auf das vorhergehende ''sitzen bleiben'', es soll aber den kommenden Folgesatz vorbereiten) — ''das ist zum erstenmal der volle, unvergleichliche Beethoven; und angesichts dieser Stelle kann man es nur mit der Eile, mit der er schrieb, entschuldigen, daß Berlioz in dieder Sinfonie nur Haydnsche Musik gesehen hat'' (hier bezieht jeder Leser das ''er'', womit ''Berlioz'' gemeint ist, zunächst auf ''Beethoven''). Auch wenn geschrieben wird: ''diese Urkunden ändern das Bild, das man sich von jenen Sekten und von der zu ihrer Vertilgung eingesetzten Inquisition gemacht hatte, nicht wesentlich — die jetzige ritterschaftliche Vertretung besitzt in ihrer Mehrheit das nötige Verständnis für die Aufgaben ihrer Zeit nicht'' — so liegt derselbe Fehler vor. Daß die Urkunden das Bild nicht wesentlich ändern, erfährt der Leser zu spät; bis dahin hat er glauben müssen, sie änderten es. Abzuhelfen ist solchen Anstößen, wie man sieht, auf die verschiedenste Weise, aber immer sehr leicht: ein denkender Schriftsteller wird sich überall schnell zu helfen $Seite 326$ wissen, sobald er nur den Anstoß bemerkt. Aber das ist eben das schlimme, daß der Schriftsteller selber gewöhnlich solche Anstöße nicht bemerkt, nur der Leser bemerkt sie. Wie dem abzuhelfen sei? Vor allem dadurch, daß man sich beim Lesen dessen, was andre geschrieben haben, überall da, wo man hängen bleibt, sorgfältig darüber Rechenschaft gibt, warum man hängen bleibt, und dann dergleichen vermeidet. Man kann es darin bei einigem guten Willen sehr bald zu einer gewissen Fertigkeit bringen. Ein andres, sehr einfaches Mittel ist, daß man nichts naß in die Druckerei gibt, sondern alles, was man geschrieben hat, wenn auch nicht nonum in annum, so doch einige Tage lang beiseite legt und dann wieder vornimmt. In dieser Zwischenzeit ist es einem gewöhnlich so fremd geworden, daß man von all den Anstößen, die jeden andern Leser verletzen würden, selber verletzt wird, sie also noch rechtzeitig beseitigen kann. Auf jeden Fall sollten folgende stilistische Haus- und Lebensregeln beobachtet werden: 1. schreibe Zeitwörter, nicht Hauptwörter! 2. schreibe Hauptwörter, nicht Fürwörter! 3. schachtle nicht, sondern schreibe Nebensätze! 4. schreibe laut! schreibe nicht immer bloß für die Augen, sondern vor allem auch für die Ohren! Mit der Beobachtung dieser Regeln und Ratschläge wird man freilich noch lange kein großer Schriftfteller, aber ohne sie auch nicht. Die Schriftstellerei ist eine Kunst, und jede Kunst hat ihre Technik, die gelehrt und gelernt werden kann. Wie der Maler malen, so muß der Schriftsteller schreiben können, und der geistvollste Schriftsteller kann sich um alle Wirkung bringen, wenn er seine Leser aller Augenblicke durch Ungeschicklichkeiten und lumpige technische Schnitzer stört und ärgert.  
In einer andern Art der Allgemeinheit beharrt ein Begriff, wenn er in formelhaften Fügungen, besonders Umstandsangaben allgemeiner Bedeutung erscheint, mit wie ohne Verhältniswort. So zunächst besonders in genetivischen Angaben des Ortes, der Zeit und Art: ''schlimmstenfalls, höheren Orts, tags, nachts, morgens, Sommers'', wo wirklich kein Grund vorhanden ist, den angeblich vornehmeren Zug nach Vorsetzung von Geschlechts- und oft auch Verhältniswort zu fördern: ''des Nachts, am Morgen''. Selbst der Akkusativ erhält den Artikel nur, wenn er in einer bloß für den einzelnen Fall gültigen Weise steht, dagegen nicht, wenn gewohnheitsmäßig, formelhaft; ebenso wenig, wenn er nicht als Objekt, sondern als Zeitangabe zum Verbum tritt, ja häufig bleibt der Artikel selbst bei Anwendung der einmal geprägten Form auf den Einzelfall weg: ''achtgeben, achthaben, in acht nehmen, Feuer machen'' (d. h. ''frühmorgens zur gewöhnlichen Zeit; bei außergewöhnlicher Gelegenheit macht'' (auch ''facht'') ''man ein Feuer an'', z. B. bei der Kartoffelernte), ''Folge leisten, Karte''(''n'') ''geben'' oder ''spielen, Frieden schließen, Hand anlegen; Wort halten'' (aber auch ''sein Wort halten'', wie ''das'' oder ''sein Wort geben'', immer für eine bestimmte Verpflichtung), ''reinen Mund halten'' (aber in etwas eigentlicherer Bedeutung ''den Mund halten''); ''Atem holen'' und nur mit besonderer malender Wirkung bei einem neuen Dichter: ''er holte den Atem tief aus der Brust; Guten Abend'', auch wohl ''einen guten Abend'', nicht, wie eine Dichterin: ''den guten Abend bieten'', was französisch ist, wohl aber ''die Tageszeit'', d. h. den der vorliegenden Tageszeit entsprechenden Gruß ''bieten''.  +
Mehrfach dient auch ''t'' einem ähnlichen Zwecke. So heißt es nur noch ''selbst'' neben ''selbständig'', ''jetzt'' und ''einst'', und zugleich ''eins-'' oder ''einstmals'', ''vermittels'' oder ''vermittelst''. Ebenso ist das ''t'' des zweiten Partizipiums von den vielen zugleich adjektivisch verwendeten Partizipien her an einige Adjektive getreten, so in ''doppelt'' und ''gewohnt'', wofür das Volk noch ''gewohne'' sagt. Nur daß ''gewohnt'', das auch Mittelwort von dem immer seltener werdenden Zeitwort ge''wo''hnen (= ''gewohnt sein'') sein kann, dann vom Partizipium ''gewöhnt'' von ''gewöhnen'' auch $Seite 3$ noch den Umlaut herübergenommen hat, ist ein Übelstand. Wenigstens dann sollte man ''gewohnt'' und ''gewöhnt'' auseinander halten, wenn es zu unterscheiden gilt, ob jemand etwas ''gewohnt geworden ist'', ohne daß von anderer Seite bewußt darauf hingearbeitet worden, oder ob er ''an etwas gewöhnt'', d. h. durch von anderer Seite bewußt veranlaßte Gewöhnung zu etwas erzogen, hingeleitet worden ist. In jenem Sinne Schreibt Jul. Ponten: ''Ich bin eine gewohnte Taube, ich komme von selbst zurück'', und ebenso hätte z. B. E. Förster lieber Schreiben sollen: ''„Ich bin das Gehen im Tretrad des häuslichen Lebens schon gewohnt'' (statt: ''gewöhnt'').“ Über ''meinet''-, ''euertwegen'' u. ä. vergl. § 156.  +
Nichts weiter als eine Modeziererei ist es auch, daß man das Adverbium ''weg'' verdrängen und überall ''fort'' an seine Stelle setzen möchte. Die Mode stammt aus dem Niederdeutschen, hat sich zunächst in das Berliner Deutsch eingedrängt und dann von da aus weitergefressen. Unleugbar gibt es eine Anzahl von Zeitwörtern, bei denen es keinen fühlbaren Unterschied macht, ob sie mit ''weg'' oder mit ''fort'' zusammengesetzt werden. Aber ebenso sicher gibt es eine Anzahl andrer, bei denen bisher in der Anwendung von ''weg'' und ''fort'' nicht bloß ein feiner, sondern ein ziemlich grober Unterschied gemacht worden ist, den alle guten Schriftsteller beobachtet haben und noch beobachten. ''Fort'' nämlich (verwandt mit ''vor'' und ''vorn'') steht in dem Sinne von ''vorwärts'', wobei stets ein bestimmtes Ziel vorschwebt, wenn es auch nicht $Seite 386$ genannt ist; es wird überdies nicht bloß vom Raume, sondern auch von der Zeit gebraucht. ''Weg'' dagegen (dasselbe wie ''Weg'') wird nur räumlich gebraucht und bedeutet: ''aus dem Wege, auf die Seite'', wobei man nicht an ein Ziel, sondern an ein Verschwinden denkt. Wer verreisen will, kann sagen: ''mein Koffer ist glücklich fort, in einer Stunde fahre ich''; es kann aber auch vorkommen, daß er sagen muß: ''ich kann nicht fahren, mein Koffer ist weg''. ''In einer Volksmasse wird jemand mit fortgerissen'', d. h. in die Strömung hinein, auch ''von Begeisterung wird jemand fortgerissen'', z. B. dem hohen Ziele zu, zu dem uns der Künstler führen will; aber ''eine Mauer, ein Haus, ein Damm wird weggerissen''. Wer aus der großen Stadt auf ein einsames Dorf zieht, kommt sich anfangs wie ''weggesetzt'' vor, aber nicht wie ''fortgesetzt''. Der Bruder sagt zur Schwester: ''setze deine Malerei'' (das Malgerät) ''jetzt weg, wir wollen Klavier spielen''; nach einer Stunde aber: ''es ist genug, setze deine Malerei'' (das Malen) ''nun fort''. Wenn ich ein Bild abzeichne, auf dem auch ein Sperling dargestellt ist, so kann ich den Sperling ''weglassen''; wenn ich aber einen lebendigen Sperling in der Hand habe, so kann ich ihn ''fortlassen''. ''Auf sumpfiger Landstraße kann man schlecht fortkommen'', aber ''bei einem gewagten Geschäft kann man schlecht wegkommen''. Von zwei Hunden, die aus einem Napfe saufen sollten, kann ich sagen: ''der große hat dem kleinen alles weggesoffen''; ein bekannter § 11 aber lautet: ''es wird fortgesoffen''. Wie jemand das Bedürfnis nach diesen Unterscheidungen verlieren kann, ist unbegreiflich. Aber die Zahl derer, die sich einbilden, ''weg'' sei gemein, ''fort'' sei fein, wird immer größer; man sagt nur noch: ''die beiden letzten Sätze der Symphonie wurden fortgelassen'' — wo wurden sie denn hingelassen? ''die Mauern auf der Akropolis sind fortgebrochen worden'' — wo sind sie denn hingebrochen worden? ''Sie hatte das Bild fortgeschlossen — der Damm wurde durch Überschwemmung fortgerissen — es ist eine nicht fortzuleugnende'' (!) ''Tatsache — ich habe darüber fortgelesen'' (!) — ''meine Bleistifte kommen mir immer'' $Seite 387$ ''fort'' (!) — ''er hat mir meine Mütze fortgenommen'' (!) — so ist es richtig Berlinisch, und wer ein feiner Mann sein will, der schwatzt es mit. Vielleicht ''setzt man sich auch noch über einen schweren Verlust fort'' oder ''spricht sich fortwerfend über jemand aus'', und in den Berliner Gymnasien singt man vielleicht nächstens in Uhlands Gutem Kameraden: ''ihn hat es fortjerissen, er liegt zu meinen Füßen.''  
Bedauerlicher ist es wieder, daß das heutige stumpfe Sprachgefühl alles Verständnis für den Unterschied der beiden Wörtchen ''fort'' und ''weg'' zu verlieren droht, indem jenes auch für dieses eintritt. Allerdings ist die Entwicklung des Begriffes ''aus den Augen entfernt'' (''aus dem Wege, kurz weg'') aus dem ursprünglichen Begriffe von ''fort'', dem der Weiterentwicklung (''fürder, weiter''), leicht genug zu erklären. Dazu mag noch kommen, daß ''weg'' mehr das Verschwinden in jeder beliebigen Richtung, ''fort'' mehr nur die Bewegung in einundderselben ausdrückt. So liest und hört man denn von ''fortgelassenen'' und ''fortgebliebenen Szenen, fortgeworfenen Lumpen, fortgesetztem Geschirr'' und ''dem Fortfallen des lateinischen Aufsatzes''; und ''Heinrichs v. Kl. Buch ging für 205 M. fort''. Trotzdem verdient diese Hinneigung zu ''fort'' bekämpft zu werden. Denn sie bringt nicht nur das vollere und edlere Wort ''fort'' herunter bis auf die Stufe des traulicheren und gewöhnlicheren ''weg'', sondern trägt sogar zur Verdunkelung und Verarmung unserer Sprache bei, indem vieles, was wie sachlich, so auch sprachlich bisher geschieden war, nun mit dem nämlichen Ausdrucke bezeichnet wird; so wenn es heißt: ''die Kurse fallen fort'' (= ''weiter'') und ''der Artikel fällt fort'' und gar auch: ''Am besten kommen Pfeiffer und Bartsch fort'' (statt ''weg''), während ''fortkommen in der Welt, Schule, auf dem Wege'' gemeinhin ganz etwas anderes bedeutet; und: ''Ich kann nicht über den Eindruck fort, den mir Grant gemacht hat'' (Eltze). Kein Wunder, wenn bei solcher Abnutzung auch ''fort'' nicht überall mehr zu genügen scheint und wenn man schon findet: ''Am 19. Juni setzte ich meinen Marsch nach Wandi weiter'' (Junker).  +
Eine Ausnahmestellung nehmen ''lehren, fragen'' und ''bitten'' ein, insofern sie zwei wirkliche nähere Ergänzungen, eine der Person und eine der Sache, im gleichen vierten Falle zu sich nehmen. Bei ''fragen'' und ''bitten'' ist freilich als solches Sachobjekt auch nur noch ein Für- (oder Zahl)wort sächlichen Geschlechtes möglich: ''Er sagte alles, was ihn Holofernes gefragt hatte. Ich bitte dich nur dies, nur eins''. Auch in der Leideform kann die Sache allenfalls im vierten Falle stehn bleiben: ''das wurde ich nicht gefragt''; und hier schließt die Wendung der heutigen Verkehrssprache an: ''Anfangs wurden Autoaktien weniger gefragt. Die gefragten Papiere wurden nicht angeboten''. Gewöhnlich aber tritt selbst da wie neben Hauptwörtern in der Tätigkeitsform das Verhältniswort ''um'' oder ''nach'' ein: ''nach dem Urteil gefragt, darum gebeten werden''. Immer aber bleibt die Person im Aktivum Akkusativobjekt, im Passivum Subjekt. Daher können Sätze wie der Hagedornsche: ''Nur eines bitt ich von euch allen'', die besonders in Übersetzungen zu lesen sind, nur als Latinismen bezeichnet werden. — Nebenbei ein leiser Bedeutungsunterschied: ''ersuchen'' ist, was den Gemütsanteil betrifft, schwächer als ''bitten'' und wird mit der Vorstellung gesellschaftlicher Höflichkeit besonders auch von Behörden gebraucht, die als nicht unmittelbare Vorgesetzte nicht anordnen können, aber auch nicht mögen und als Behörde auch nicht wohl können, jedoch so gut wie bei ''„Sie wollen ...“'' die Ausführung des Ersuchens voraussehen und gemäß den in Frage kommenden Bestimmungen und Vorschriften tatsächlich auch dürfen.  +
Großes Vergnügen macht es vielen Leuten, den Genitiv von Personennamen mit einem Apostroph zu versehen: ''Friedrich's, Müller's''. Selbst große Gelehrte sind in den Apostroph so verliebt, daß es ihnen ganz undenkbar erscheint, ''Goethes'' ohne das hübsche Häkchen oben zu schreiben. Nun ist ja der Apostroph überhaupt eine große Kinderei. Alle unsre Schriftzeichen bedeuten doch Laute, die gesprochen werden. Auch die Interpunktionszeichen gehören dazu. Nicht bloß das Ausrufe- und das Fragezeichen, sondern auch $Seite 8$ Komma, Kolon, Semikolon und Punkt, Klammern und Gedankenstriche lassen sich beim Vorlesen sehr wohl vernehmlich machen. Nur der Apostroph bedeutet gar nichts; ja er soll geradezu einen Laut bedeuten, der — nicht da ist, der eigentlich da sein sollte, aber ausgefallen ist. Ist nicht das schon kindisch? Nun ist ja aber bei diesen Genitiven gar nichts ausgefallen. Wenn man schreibt: ''des Müllers Esel'', warum soll man nicht auch ''Otfried Müllers Etrusker'' schreiben?//* Der Apostroph sollte nur da angewandt werden, wo er eine Verwechslung verhüten kann, z. B. zwischen dem Präsens ''rauscht'' und dem Imperfektum ''rauscht''' (''Das Wasser rauscht, das Wasser schwoll''), oder zwischen der Einzahl ''Berg'' und der Mehrzahl ''Berg' '' (''über Berg' und Täler''). Hier bedeutet er wirklich etwas, und hier kann man ihn bei gutem Vorlesen sogar — hören!// Nun aber vollends bei Personennamen auf ''s, ß, z'' und ''r'' — welche Anstrengungen werden da gemacht, einen Genitiv zu bilden! Die Anzahl solcher Namen ist ja ziemlich groß; man denke an ''Fuchs, Voß, Krebs, Carstens, Görres, Strauß, Brockhaus, Hinrichs, Brahms, Begas, Dickens, Curtius, Mylius, Cornelius, Berzelius, Rodbertus, Marx, Felix, Max, Franz, Fritz, Moritz, Götz, Uz, Schütz, Schwarz, Leibniz, Opitz, Rochlitz, Lorenz, Pohlenz'', nicht zu reden von den griechischen, römischen, spanischen Namen, wie ''Sophokles, Tacitus, Olivarez'' usw.; die Veranlassung ist also auf Schritt und Tritt gegeben. Bei den griechischen und römischen Namen pflegt man sich damit zu helfen, daß man den Artikel vorsetzt: ''die Tragödien des Sophokles, die Germania des Tacitus''. Man ist an diese Genitive von seiner Schulzeit her so gewöhnt, daß man gar nichts anstößiges mehr darin findet, obwohl man es sofort als anstößig empfinden würde, wenn jemand schriebe: ''die Gedichte des Goethe''. Der Artikel vor dem Personennamen ist süddeutscher oder österreichischer Provinzialismus (in Stuttgart sagt man: ''der Uhland'', in Wien: ''der Raimund''), aber in die Schriftsprache gehört das nicht; in kunstgeschichtlichen Büchern und Aufsätzen immer von ''Zeichnungen des Carstens'' und ''Entwürfen'' $Seite 9$ ''des Cornelius'' lesen zu müssen, oder gar, wie ''in der beschreibenden Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Leipzigs, von einem Bildnis des Gottsched, einem Bildnis des Gellert'', ist doch gar zu häßlich. Ein wahrer Unglücksmensch ist ''der Nürnberger Maler und Kupferstecher Georg Penz''. Der bekommt nicht bloß den Artikel, sondern schleppt auch noch das ''cz'' des sechzehnten Jahrhunderts für ''z'' mit sich herum: ''der Pencz, des Pencz, dem Pencz, den Pencz''! Manche setzen denn nun auch an solche Namen fröhlich das Genitiv-''s'' (natürlich mit dem unvermeidlichen Apostroph davor!), also: ''Fues's Verlag, Rus's Kaffeehandlung, Harras's Grabstein in der Thomaskirche, Kurfürst Moritz's Verdienste um Leipzig, Leibniz's ägyptischer Plan, Gabriel Max's Illustrationen zu Uhlands'' (oder vielmehr ''Uhland's'') ''Gedichten''. Noch andre — und das ist das beliebteste und das, was in Grammatiken gelehrt, in den Druckereien befolgt und jetzt auch für die Schulen vorgeschrieben wird — meinen, einen Genitiv zu bilden, indem sie einen bloßen Apostroph hinter den Namen setzen, z. B. ''Celtes' Ausgabe der Roswitha, Junius' Briefe, Uz' Gedichte, Voß' Luise, Heinrich Schütz' sämtliche Werke, Rochlitz' Briefwechsel mit Goethe'', oder gar mit Nachsetzung des Namens: ''die Regierung Thiers', das Grabdenkmal Brahms', zum Todestage Roderich Benedix', seit den Tagen Therese Krones', eine Wiedervereinigung Byzanz' mit dem Papsttume''. Ganz toll ist: ''der Stil Rabelais', der Dualismus Descartes' '' (denn hier ist ja das ''s'' und das ''es'' stumm, und der Genitiv von ''Descartes'' wird ja wirklich gesprochen: ''karts''!), noch toller das Neueste: ''in den Tagebuchblättern Busch' ''! Selbst die auf ''sch'' endigenden Namen fängt man an mit hereinzuziehen! Nach dem serbischen Königsmord bildeten alle Zeitungen den Genitiv von Namen, die auf ''itsch'' endigten, ''itsch' '': ''Karageorgewitsch' ''! (Vgl. S. 34). Sollten wir uns nicht vor den Ausländern schämen ob dieser kläglichen Hilflosigkeit? Ist es nicht kindisch, sich einzubilden und dem Ausländer, der Deutsch lernen möchte, einzureden, daß im Deutschen auch ein Kasus $Seite 10$ gebildet werden könne, indem man ein Häkchen hinter das zu deklinierende Wort setzt, ein Häkchen, das doch nur auf dem Papiere steht, nur fürs Auge da ist? Wie klingt denn der Apostroph hinter dem Worte? Kann man ihn hören? Spreche ihn doch einer! Soll man vielleicht den Mund eine Weile aufsperren, um ihn anzudeuten? oder sich einmal räuspern? Irgend etwas muß doch geschehen, um den Apostroph fürs Ohr vernehmlich zu machen, sonst ist ja zwischen ''Leibniz'' und ''Leibniz''', zwischen dem Nominativ und dem angeblichen Genitiv, gar kein Unterschied. Nachdenklichen Setzern und Buchbindern will denn auch die Sache gewöhnlich gar nicht in den Kopf. Daher kommt es, daß man in den Korrekturabzügen und auf Bücherrücken so oft Titel wie ''Sophokle's Tragödien, Carsten's Werke, Dicken's Romane, Friedrich Perthe's Leben'' und ''Siever's Phonetik'' lesen muß. Eine gewisse Schwierigkeit ist ja nun freilich da, und es fragt sich, wie man ihr am besten abhilft. Die ältere Sprache schrieb entweder unbedenklich ''Romanus Haus'' (ohne den Apostroph), oder sie half sich bei deutschen Namen damit, daß sie (wie bei andern Substantiven, z. B. ''Herz'', und bei den Frauennamen) eine Mischform aus der schwachen und der starken Deklination auf ''ens'' bildete, also: ''Fuchsens, Straußens, Schützens, Hansens, Frankens, Fritzens, Götzens, Leibnizens'' (vgl. ''Luisens, Friederikens, Sophiens''). Im Volksmunde sind diese Formen auch heute noch durchaus gäng und gäbe (ebenso wie die Dative und Akkusative ''Hansen, Fritzen, Sophien — hast du Fritzen nicht gesehen? gibs Fritzen''! —, die jetzt freilich in der Sprachziererei der Vornehmen mehr und mehr durch die unflektierte Form verdrängt werden: ''hast du Fritz nicht gesehen? gibs Hans'') und es ist nicht einzusehen, weshalb sie nicht auch heute noch papierfähig sein sollten.//* Diese schwache oder aus schwacher und starker gemischte Deklination der Eigennamen war früher noch viel weiter verbreitet. Nicht bloß ''Schwarz'' und ''Schütz'' wurden dekliniert ''Schwarzens, Schwarzen, Schützens, Schützen'', weshalb man aus den casus obliqui nie entnehmen kann, ob sich der Mann ''Schwarz'' oder ''Schwarze'' nannte; auch von ''Christ, Weck, Frank, Fritsch'' bildete man ''Christens, Christen, Weckens, Wecken, Frankens, Franken, Fritschens, Fritschen'' (Leipzig, ''bei Thomas Fritschen''). Leider findet man in antiquarischen Katalogen Christs Buch „Anzeige und Auslegung der Monogrammatum" meist unter dem falschen Namen ''Christen'', Wecks Beschreibung von Dresden meist unter dem falschen Namen ''Wecken'' aufgeführt; auf den Titelblättern steht wirklich: ''von Christen, von Wecken''. Die berühmte Gelehrtenfamilie der ''Mencke'', aus der Bismarcks Mutter abstammte, war durch ihre casus obliqui so irre geworden, daß sie schließlich selber nicht mehr wußte, wie sie hieß; einige haben sich lateinisch ''Menckenius'' genannt statt ''Menckius''. Aber auch bei solchen Genitiven auf ''ens'' richtet der Apostroph oft Unheil an. An ''Stieglitzens Hof'' am Markt in Leipzig steht neuerdings über dem Eingang in goldner Schrift: ''Stieglitzen's Hof'' — als ob der Erbauer ''Stieglitzen'' geheißen hätte! Und welche Überraschung, wenn einem der Buchbinder auf einen schönen Halbfranzband gedruckt hat: ''Hans Sachsen's Dichtungen''! Oder ''Gottscheden, Wörterbuch''!// Oder wollen wir vielleicht nun auch im Götz von Berlichingen ''Hansens Küraß'' in ''Hans' '' $Seite 11$ ''Küraß'' verwandeln? ''Franzensbad'' und ''Franzensfeste'' in ''Franz'bad'' und ''Franz'feste'' verschönern? Verständige Schriftsteller, die vom Papierdeutsch zur lebendigen Sprache zurückkehren, brauchen denn auch die flektierte Form allmählich wieder und schreiben wieder: ''Vossens Luise''. Wenn sie nur auch die Schule wieder in Gnaden annehmen wollte! Unmöglich erscheint dieser Ausweg natürlich bei Namen, die selbst Genitive sind, wie ''Carstens'' (eigentlich ''Carstens Sohn''), ''Henrichs, Brahms. Brahmsens dritte Geigensonate'' — das klingt nicht schön. Auch ''Phidiassens Zeus'' und ''Sophoklessens Antigone'' nicht, obwohl auch solche Formen zu Goethes und Schillers Zeit unbedenklich gewagt worden sind; sprach man doch damals auch, da man den Familiennamen der Frau auf ''in'' bildete, von der ''Möbiussin''. Das beste ist es wohl, solchen Formen aus dem Wege zu gehen, was sehr leicht möglich ist, ohne daß jemand eine Verlegenheit, einen Zwang merkt. Man kann durch Umgestaltung des Satzes den Namen leicht in einen andern Kasus bringen, statt des Genitivs ''sein'' setzen, ''des Dichters, des Künstlers'' dafür einsetzen usw. $Seite 12$ Aber nur nicht immer: ''die Zeichnungen des Carstens''! Und noch weniger ''Voß' Luise'' oder gar ''das Grab Brahms' '', denn das ist gar zu einfältig. In dieselbe Verlegenheit wie bei den Eigennamen auf ''us'' gerät man übrigens auch bei gewissen fremden Appellativen. Man spricht zwar unbedenklich von ''Omnibussen'', aber die ''Ismusse'' machen uns Not, und der Deutsche hat sehr viel ''Ismusse''! ''Die Komödie erlognen Patriotismus''', wie jetzt gedruckt wird, oder: ''im Lichte berechtigten Lokalpatriotismus' '' oder: ''ein unglaubliches Beispiel preußischen Partikularismus' '' — das sind nun einmal keine Genitive, trotz des schmeichelnden Häkchens. Da hilft es nichts, man muß zu der Präposition ''von'' greifen oder den unbestimmten Artikel zu Hilfe nehmen und sagen: ''eines erlognen Patriotismus, von preußischem Partikularismus''.  
Bei an den mannigfachen Bindungen, die wenigstens der gute Sprachgebrauch für die deutsche Wortstellung herausgearbeitet hat, bleibt das Wort Herders wahr von ihrer größeren Freiheit und jugendlicheren Beweglichkeit gegenüber der französischen. Gar manchmal ist es möglich, außer dem konjugierten Satzteile alle anderen bald so, bald so zu stellen. Bei dem Nebeneinander mehrerer Beiwörter (§ 392) z. B. empfiehlt das „Gesetz der wachsenden Glieder" nicht nur in dem Fall 2 c, sondern auch gegen den unter 2 b behandelten die Nachstellung je des lautlich gewichtigeren, volleren: ''das weiße, von der Zeit gebräunte Leinen, das neue, ungewohnte Leben'' (Schiller), und bei demselben (gegen 2 b): ''eine innere unverlierbare Fülle des Lebens in gleichem Gefühl mit Goethe: der innere unruhige Zustand der Gesellschaft''. Außerdem soll der Satz eines Kritikers als Muster dafür hergesetzt werden, wie wenig die äußerliche Regel allein besagt und welche Schönheit der Darstellung erzielt werden kann, wenn in einander entsprechenden Sätzen, wo es nur der Sinn zuläßt, die gleichartigen Satzteile sogar gerade umgekehrt gestellt werden: ''Hier und da durchbricht die Decke alltäglicher Bühnenmache tieferes Empfinden und reicher Humor; Witz und Laune aber sind aus vollen Händen über alle Teile des Stückes verstreut''.  +
Solchen Flüchtigkeitsfehlern gegenüber muß sich wahrlich der Ärger über manches Fremdländische//1 Den Kampf gegen überflüssige Fremdwörter im besonderen zu führen, kann sich ein Buch wie dieses versagen, wo er kräftiger von einem großen Vereine, dem Deutschen Sprachvereine, geführt wird. Ein guter Helfer darin ist Hoffmann-Matthias, Fremdwörterbuch. Leipzig, Friedr. Brandstetter.// dämpfen, namentlich wenn es vielbeschäftigten Zeitungsschreibern bei der Übersetzung einmal aus der Feder fließt. Nur leise und bloß für den Kundigen schimmert die französische Färbung durch, wenn man statt ''es kommt uns zu'' ein durch das französische ''c’est à nous'' veranlaßtes ''es ist an uns'' findet, das doch nur die Reihenfolge, nicht die Verpflichtung bezeichnet. Ähnlich liegt die Sache, wenn, durch ''avoir beau'' veranlaßt, ''gut suchen haben'' in der Bedeutung ''vergeblich suchen'' verwendet wird, während es echt deutsch doch nur so viel ist als ''leicht suchen können''. Heute klingt es auch weniger deutsch als französelnd oder doch gesucht, wenn eine folgende das Subjekt oder Objekt bildende Nennform bei oder vor dem regierenden Verb nicht durch das Wörtchen ''es'' angedeutet wird, wie in dem Satze Freytags: ''Meinst du, ich werde überleben von den Schwertgenossen getrennt zu sein?''//2 Ranke sagt: ''Wallenstein liebte es, neue Regeln aufzustellen'', ganz nach deutscher Art, da ''es lieben etwas zu tun'', wenn es auch unter französischem Einfluß beliebter geworden sein mag, ohne Grund abgewiesen wird. Eine ganze Reihe in Büchern wie dem Brandstätters als Gallizismen verpönter Wendungen sind gar nicht so schlimm. So läuft es doch wahrlich keinem Gesetze der deutschen Sprache zuwider, wenn man eine Widerlegung oder eigene Ansicht mit der Frage einleitet: ''Was willst du? Was wollen Sie?'' Ebensowenig die ratlose Frage: ''Was hat er nur?'' oder: ''Fragen'' ähnlichen Sinnes im Infintiv: ''Was tun?'' Auch: ''Dein Fall ist ein andrer'' statt ''deine Sache liegt, verhält sich anders'' ist nichts so Fremdes. Gleich gar nicht hat es aber französischen Einflusses bedurft, um ''diesen Tag, diesen Morgen'' neben ''heute morgen'' sagen zu lassen: ebenso ist ''es (ge)denkt mir'', auch ''es denkt mich noch = ich erinnere mich noch'' viel zu alt, als daß man dafür französische Quelle annehmen müßte. In der Wendung ''eine Schwäche hegen'' oder ''haben für'' — darf man dagegen gern eine herübergenommene schöne Metonymie anerkennen und nachahmen. Aber wieder für Wendungen, wie sie sich bei Lessing finden und heute sehr oft: ''Zum Unglück, daß Dianas Schar so nah mit ihren Hunden war. Vielleicht, daß sie in diesem Zustande mehr zu beklagen war als Essex selbst'', braucht man die Erklärung nicht mehr in fremder Herkunft zu suchen, nachdem sie Paul a. a. O. (S. 240) so natürlich als Prädikat (''vielleicht, zum Unglück'') + Subjektssatz erläutert hat.// Lästiger fällt es uns schon, wenn sich aus der Fremde Fürwörter einnisten, die nach deutschem Sprachgefühl überflüssig sind. So das nämliche Wörtchen ''es'' in vor- und eingeschobnen Sätzen mit ''wie'', die keine eigentlichen Vergleichssätze sind und in denen ''wie'' schon hinreichend die Be- $Seite 425$ ziehung ausdrückt. Also ist in den folgenden Sätzen das eingeklammerte ''es'' überflüssig: ''wie er'' [''es''] ''selbst erzählte, hat er den Freund noch eingeholt. Ein Pope, wie er nicht sein soll, aber leider'' [''es''] ''häufig ist. Er war von dem Wahne Don Ferrantes mehr umsponnen, als er selbst'' [''es''] ''wußte.'' Mehr nach englischer Art ist ''es'' in Sätze, besonders Relativsätze, eingefügt, in denen der regierende Satz in der abhängigen Konstruktion mitten innen steht: ''Schwierigkeiten, die'' [''es''] ''vorauszusehn unmöglich war'' (H. Grimm), oder: ''In dieser Angelegenheit, die wir'' [''es''] ''für unsre Pflicht halten, zu unternehmen''. Ein Possessiv statt des Artikels ist wider unsre Art in Wendungen wie: ''seinen Hof, seine Cour machen, seine Verzeihung erlangen''; ebenso in der Anrede, wo der bloße Nennfall oder Hinzufügung eines Eigenschaftswortes üblich ist//1 An der Richtigkeit dieser Aufstellung für die gewöhnliche Redeweise ändern solche leidenschaftlich bewegte Stellen nichts, wie: ''Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!''//: ''was willst du, meine Tante'', statt: ''was wünschest du, Tante'' oder ''liebe Tante?'' Auch Teilungsgenetive, besonders dem französischen partitiven ''en'' entsprechende, dringen gegen deutsche Art ein statt artikelloser Nominative oder Akkusative bloßer unbestimmter Fürwörter, oft ohne ein im Deutschen nötiges regierendes Wörtchen: ''Er bewilligte ihnen so viel Schulen und Synagogen, als sie'' [''deren''] ''bedurften. — Zwei Tropfen Stärkendes träuft mir hinein; ihr habt ja dessen'' (statt: ''welches''). ''Man räumte mir von den besten Zimmern ein'' (statt: ''eins'' oder ''einige von den besten Zimmern'' (P. Heyse). Ganz störend ist für uns die Einschiebung des Fürwortes ''andere'' zwischen Personalpronomen und Substantiv: ''die Pfaffen schonen uns nicht, uns'' [''andre''] ''Laien''. Französisch wirkt es auch, wenn ein Fürwort und Titel oder ein einfacher Ausrufesatz in einen Titel mit daran gefügtem Relativsatz auseinandergezogen, also z. B. nicht gesagt wird: ''Ich Tor'' oder ''Bin ich ein Tor, gegen eine Neigung kämpfen zu wollen'', sondern: ''Tor, der ich bin, gegen eine Neigung'' usw. Gleich undeutsch ist es, wenn der Relativsatz, der doch die Art bestimmen soll, statt einer Nennform, eines abhängigen Fragesatzes oder auch Mittelworts neben ein Verb der Wahrnehmung tritt und z. B. gesagt wird: ''Ich sah den Prinzen, der zu ihren Füßen kniete'' statt: ''ich sah den Prinzen zu ihren Füßen knien''(''d'') oder: ''wie der Prinz zu ihren Füßen kniete''. Am ärgsten aber läuft es der innerlichen und empfindungsvolleren Auffassung unserer Sprache zuwider, wenn statt des Dativs der bei etwas beteiligten Personen das Possessiv oder der Genetiv des Substantivs eintritt. Zwar ''zu Füßen fallen'' ist bei Grimm, Wb. IV, 1, 991 ff. fast ebenso oft und namentlich schon bei Luther in der Fügung ''zu jemandes Füßen'' als ''einem zu Füßen fallen'' belegt. Aber durchaus undeutsch bleiben Wendungen wie: ''Der Himmel führte sie in meinen'' (statt ''mir in den'') ''Weg; jemand zu seiner'' (statt ''sich zur'') ''Gesellschaft herüberrufen, zu des Königs'' (statt ''dem Könige zu'') ''Ehren ein Fest veranstalten; zu jemandes'' (statt: ''einem zu'') ''Hilfe kommen, zu jemandes Verfügung, Diensten'' (statt ''einem zur Verfügung, zu Diensten'') ''stehen''. Ähnlich muß es beurteilt werden, wenn gesagt wird: ''sich in jemandes Arme werfen, die Hand jemandes küssen, ein Kreuz an den Hals des Mädchens hängen'', oder in einem allerneusten Romane: ''Wenn zwei Seelen ineinander sind, sind sie nicht Gottes?'' $Seite 426$ ''flüsterte er in ihr Ohr.'' Wie fein das Deutsche unterscheidet, können daneben solche Zeitwörter zeigen, neben denen ihrer Bedeutung halber kein Dativ zur Bezeichnung der an einer Handlung interessierten Person möglich ist wie ''ruhen, liegen, schlafen'' u. ä. ''Das Kind ruhte, schlief, lag in den Armen der Mutter.'' Auch der Gebrauch und die Fügung mancher Zeitwörter ist mehr französisch als deutsch. Ein sächsischer Diplomat konstruiert ausnahmslos: ''Lady Paget hat auf der Reise einen preußischen Diplomaten begegnet'' (statt ''ist ihm begegnet''), und in gelehrten Zeitschriften liest man immer öfter ohne Wemfall: ''das Wort, die Wendung begegnet'' (statt ''kommt vor, findet sich'') bei dem und dem. Ähnlich steht so das ''verspricht'' in der Bedeutung der Wendung: ''Das läßt etwas'' (''Außerordentliches'') ''erwarten'', mit welchem Zusatz natürlich auch ''versprechen'' nicht zu tadeln wäre. ''Bewohnen'', bei dem wir an ein Einnehmen der ganzen genannten Räumlichkeit denken, vom Wohnen einzelner Personen in einer Stadt zu gebrauchen (wie es bei ''habiter'' möglich ist), führt gar zur Aufgabe des feinen Unterschiedes: ''Ich bewohne das Haus Nr. 10'' (= ''habe ganz inne'') und ''Ich wohne'' (''in'') ''Nr. 10'' (d. h. ''in einem Teile desselben''). Auch nichts von ''jemand wollen'' (statt ''wissen wollen''), ''was willst du mir?'' (statt ''von mir'') oder gar das bloße ''wollen'' statt ''behaupten'' und das breite ''sich befinden'' statt ''werden'' und ''sein'' (F. Lewald: ''sich bedient befinden'') sind durchaus keine Bereicherungen unseres Wortschatzes und Gebrauches. Auch H. Hansjakob ist die Ausdrucksweise: ''Man möchte herausbringen, wozu die alten Sachen gedient und wie sie von neuem'' (statt: ''neu'') ''ausgesehen haben, gewiß im Umgange mit linksrheinischen Amtsbrüdern angeflogen.'' Auch zuviel unnatürliche Bilder sind von jenseit des Rheines geholt worden; so die gang und gäbe: ''auf dem Laufenden bleiben, ... sein, ...'' (''sich'') ''erhalten'', sogar ''jemanden'' oder ''sich auf das Laufende setzen'', gewiß ein Kunststück, das man von der Fremde lernen mußte. Auch ''eintreten in ein Gespräch'' (statt ''sich einlassen''), ''auf einen Gedanken, Vorschlag'' (statt ''eingehn''); ''etwas, eine Vorstellung, eine Person tritt in meine Gedanken'' (statt ''kommt mir in den Sinn, fällt mir ein'') stecken eine so eintönige Leistung der Fremde dar, daß man sie schleunigst auf Kosten heimischer Mannigfaltigkeit herüberholen muß. Und damit der Wechsel und die Bestimmtheit der deutschen Ausdrucksweise nur ja vor der fremden nichts voraushabe, wird solche Uniformierung, auf deutsch Verarmung, nach fremdem Muster noch weiter gefordert, indem die vielen eintönigen Phrasen des Französischen mit ''être'' und ''avoir, faire'' und ''donner'' nachgeäfft werden. So heißt es denn französelnd ''es hat'' statt ''es gibt''; ''Sorge, Genuß, Langeweile, Schande'' (P. Keller!) ''geben'' statt ''bereiten, verschaffen, verursachen'' u. v. a.; ''man ist unter einem Eindruck'' statt daß man ''darunter stünde'', ''man ist von einer Ansicht'' statt daß man sie ''hätte, hegte, nährte'' u. a. m.; ''man hat Zweifel, hat Harm, hat Qual'', wo es früher hieß ''man hegt Zweifel'' oder ''man zweifelt, man härmt'' oder ''quält sich''. Das häufige: ''Nachrichten, Briefe von jem. haben'' (statt ''bekommen'') macht gar 1920 schon der Deutschkundler W. Freye mit: ''inzwischen haben beide Königinnen einen Sohn''. Auch daß der Satz: ''Du bist von den Leuten des Kardinals'' bei C. F. Meyer steht, macht den Gallizismus nicht erträglicher. Aber nun das Allerfeinste: ''man tut einem Wunden'' (Wildenbruch!), man ''macht von etwas Erwähnung'', wie schon früher nicht viel $Seite 427$ besser ''man tut einer Sache Erwähnung'', man macht es so und so, wo Vernünftige sagen ''man sagt, spricht, entgegnet'' das und das; ''es macht'' (statt ''ist'') ''warm oder kalt; der Hund gibt laut'' (statt ''schlägt an''); ''Fleur machte Michael ein Zeichen zurückzubleiben''; und weil man zu bequem ist, zwischen dem, was klar, und dem, was unzweifelhaft, entschieden, fest ausgeprägt, fertig usw. ist, zu unterscheiden, läßt man das alles in dem einen französischen Ausdrucke prononciert oder seiner äußerlichen Verdeutschung ausgesprochen oder erklärt zusammenfließen, und eine ähnliche Neuheit allerjüngster Tage ist die prominente Persönlichkeit, der Prominente. Selbst Hier in Sätzen der polnischen Z. wie: ''Hier, was vorging. Hier, welche Rolle ich in der Kommune spielte'', statt mannigfacher Wendungen wie ''Vernehmen Sie, Hören Sie, Erfahren Sie denn'' u. v. a. ist eine zugespitzte Art zu reden, die dem Deutschen fernliegt und lediglich durch Übersetzung von ''voici'' veranlaßt ist.  
Auch unsre Fremdwörter sind zum großen Teil Modewörter. Bei dem Kampfe gegen die Fremdwörter, der seit einiger Zeit wieder in Deutschland entbrannt ist handelt sichs natürlich nicht um die große Zahl zum $Seite 414$ Teil internationaler technischer Ausdrücke, sondern vor allem um die verhältnismäßig kleine Zahl ganz entbehrlicher Fremdwörter, die namentlich unsre Umgangssprache und die Sprache der Gelehrten, der Beamten, der Geschäftsleute, der Zeitungschreiber entstellen. Zwar haben sich die Bemühungen der Sprachreiniger auch auf die technischen Ausdrücke einzelner Berufe und Tätigkeitsgebiete erstreckt, wie des Militärs, des Post- und Eisenbahnwesens, des Handels, der Küche, des Spiels, auch einzelner Wissenschaften und Künste, wie der Grammatik, der Mathematik, der Baukunst, der Musik, des Tanzes. Was aber vorgeschlagen worden ist, hat selten Beifall gefunden. Schlimm und verdächtig ist es immer schon, wenn einfache Fremdwörter durch Wortzusammensetzungen verdeutscht werden sollen; einige Beispiele solcher Art sind schon früher angeführt worden (S. 353). Gewöhnlich sind das gar keine Übersetzungen, sondern Umschreibungen oder Begriffserklärungen. So hat man ''Redakteur'' und ''Redaktion'' durch ''Schriftleiter'' und ''Schriftleitung'' „übersetzt," und einzelne Zeitungen und Zeitschriften haben das angenommen (wie auch ''Geschäftsstelle'' als Übersetzung von ''Expedition''). Diese Verdeutschungen geben nicht entfernt den Begriff des Fremdworts wieder. Unter ''Schrift'' kann dreierlei verstanden werden: die Handschrift, ein Schriftstück und die Lettern der Druckerei. An die erste und die dritte Bedeutung ist hier natürlich nicht zu denken, nur die zweite kann gemeint sein. Aufgabe eines Redakteurs ist es, die eingegangnen Schriftstücke auf ihren Inhalt zu prüfen, sie in anständiges Deutsch zu bringen, eine sorgfältige Druckkorrektur zu lesen und den Inhalt der einzelnen Zeitungsnummern zu bestimmen und anzuordnen. Das alles stellen wir uns wohl bei dem Worte ''Redakteur'' vor, aber nicht bei dem mühselig ausgeklügelten Worte ''Schriftleiter''. Die Zeitung selbst wird geleitet, aber nicht ihre Schriftstücke. Wenn es damals, als es im Deutschen noch keine Fremdwörter gab, schon Zeitungen gegeben hätte, ich weiß, wie man den ''Redakteur'' genannt hätte: ''Zeitungmeister''! Im Eisenbahn- $Seite 415$ verkehr will man uns die ''Fahrkarte'' und das fürchterliche ''Abteil'' aufnötigen (statt ''Billett'' und ''Coupé''). Das kurze, leichte ''Billett'' war — man spreche es nur deutsch aus! — fast schon zum Lehnwort geworden. In Leipzig hieß schon im sechzehnten Jahrhundert die Blechmarke, die sich der Brauerbe auf dem Rathause holen mußte, wenn er Bier brauen wollte, ''Bollett''. Was für ein langstieliger Ersatz dafür sind unsre ''Fahrkarten, Eintrittskarten, Teilnehmerkarten'' usw.! Und ist denn etwa ''Karte'' ein deutsches Wort? Eine wirkliche Übersetzung von ''Coupé'' wäre ''Fach'' gewesen, das in dem ältern Deutsch jede Abteilung eines Raums bedeutete, nicht bloß in einem Schrank oder Kasten, sondern auch im Hause (vgl. ''Dach und Fach''). Sogar eine Straße, die in einen Fahrweg, einen Fußweg und einen Reitweg geteilt war, hieß im achtzehnten Jahrhundert eine Straße ''in drei Fachen''. ''Das Abteil'' und ''die Fahrkarte'' werden sich schwerlich einbürgern. Die Schaffner sind ja dazu verurteilt, die Wörter zu gebrauchen, aber das Publikum gebraucht lachend die Fremdwörter weiter. Etwas ganz lächerliches ist bei der Übersetzung der militärischen Fachausdrücke mit untergelaufen: die Wiedergabe von ''Terrain'' durch ''Gelände''. ''Gelände'' war bisher ausschließlich ein poetisches Wort, und zwar ein Wort der höchsten Poesie. Man denke nur an Schillers Berglied: ''da tut sich ein lachend Gelände hervor'' — und vor allem an Goethes herrlichen Spruch: ''Gottes ist der Orient, Gottes ist der Occident, Nord- und südliches Gelände ruht im Frieden seiner Hände''. Einem solchen Wort in den Manöverberichten der Zeitungen zu begegnen ist doch gar zu komisch. Für ''national'' möchten manche jetzt ''volklich'' einführen, andre ''volkisch'' oder ''völkisch''. Eins ist so abgeschmackt wie das andre. Wenn vollends allgemein angenommene und geläufige alte Kunstausdrücke einzelner Wissenschaften „übersetzt" werden, wie man es, den Kindern der Volksschule zuliebe, in der Grammatik, auch in der Arithmetik versucht hat, so ist das Ergebnis meist ganz unerfreulich. Wenn man ein Buch oder einen Aufsatz mit solchen Verdeutschungen liest, so hat man immer $Seite 416$ das unbehagliche Gefühl, als ginge man auf einem Wege, wo aller zwanzig oder dreißig Schritt ein Loch gegraben und ein paar wacklige Bretter darüber gelegt wären. Am ehesten darf man vielleicht hoffen, daß die Fremdwörter aus der Umgangssprache verschwinden werden, denn hier wirkt fast nur die Mode. Die Fremdwörter unsrer Umgangssprache stammen zum Teil noch aus dem siebzehnten Jahrhundert, andre sind im achtzehnten, noch andre erst in der Franzosenzeit zu Anfange des neunzehnten Jahrhunderts eingedrungen. Aber sie kommen eins nach dem andern wieder aus der Mode. Viele, die vor fünfzig Jahren noch für fein galten, fristen heute nur noch in den untersten Volksschichten ein kümmerliches Dasein; man denke an ''Madame, Logis, vis-à-vis, peu-à-peu'' (in Leipzig ''beeabeeh'' gesprochen), ''retour, charmant, mechant, inkommodieren, sich revanchieren'' und viele andre. ''In den Befreiungskriegen gab es nur Blessierte''; wer hat 1870 noch von ''Blessierten'' gesprochen? Wer ''amüsiert sich'' noch? anständige Leute nicht mehr; die haben längst wieder angefangen, ''sich zu vergnügen''. Wie lange der feine junge Mann in Deutschland seine Tänzerinnen noch ''engagieren'' wird? In Leipzig ''engagiert'' man schon die Scheuerfrau. Vor zwanzig Jahren gab es noch vereinzelt ''Schneidermamsellen''; jetzt wird jedes Dienstmädchen in der Markthalle mit ''Fräulein'' angeredet, wofür die Bürgerstochter freilich zum ''gnädigen Fräulein'' aufgerückt ist. Und wo ist das ''Parapluie'' geblieben, das doch auch einmal fein war, und wie fein! Leider tauchen nur an Stelle veraltender Fremdwörter immer auch wieder neue auf. Wer hat vor zehn Jahren etwas von ''Milieu'' gewußt? Als es aufkam, mußten auch gebildete Leute das Wörterbuch aufschlagen, um sich zu belehren, was eigentlich damit gemeint sei. Neue Schiffe werden jetzt nicht mehr ''nach einem Muster'' gebaut, sondern ''nach einem Typ'', ebenso auch schon Automobile und Orgeln. Ein neues Eigenschaftswort, das man seit kurzem täglich hört und liest, ist ''markant'': ''eine markante Erscheinung, eine markante Persönlichkeit, ein markanter Unterschied''. Eine feine, leicht auf der $Seite 417$ Zunge zergehende Schokolade heißt im Französischen ''chocolat fondant''; ''fondre'' heißt ''schmelzen''. Was haben die deutschen Fabrikanten daraus gemacht? ''Fondantschokolade''! Warum denn nicht ''Schmelzschokolade''? Wer hat vor zehn Jahren etwas von ''chic'' gewußt? Es ist nichts andres als unser ''geschickt'', das nach Frankreich gegangen und in der Form ''chic'' zurückgekehrt ist und nun für ''fein, hübsch, nett'' gebraucht wird. Der Plural davon wird von unsern Geschäftsleuten ''chice'' geschrieben: ''chice Hüte, chice Kleider, chice Schuhe'', was man wohl ''schicke'' aussprechen soll, aber doch nur ''schitze'' aussprechen kann (vgl. ''Vice''). Zu einem greulichen Modewort ist ''eventuell'' geworden. Es bedeutet ja: ''vorkommendenfalls'', ferner ''nötigenfalls'' oder ''möglichenfalls'', je nachdem, dann immer mehr verblassend: ''möglicherweise, vielleicht, wohl'' und endlich: ''gar nichts''. Es gibt eine Menge Leute, die heute kaum noch einen Satz sagen können, worin nicht ''eventuell'' vorkäme: ''wir könnens ja eventuell auch so machen — ich kann eventuell schon um sieben kommen''. Wenn man auf der Straße aus der Unterhaltung Vorübergehender zehn Worte aufschnappt, das Wort ''eventuell'' ist sicher darunter. Aber auch der Musikschreiber sagt: ''etwas mehr Fülle des Tons hätte eventuell den Vortrag noch mehr unterstützt'', ein Buchhändler schreibt: ''umstehenden Bestellzettel bitten wir eventuell direkt an die Verlagsbuchhandlung gelangen zu lassen'', auf Lotterielosen steht: ''höchster Gewinn eventuell 500000 Mark'', und Zeitungen berichten: ''der Kreuzer Carlo Alberto erhielt Befehl, sich eventuell zur Ausreise'' (!) ''bereit zu halten — die Regierung hat alle Maßregeln getroffen, um für einen eventuellen'' (!) ''Streik gerüstet zu sein''. Fast überall kann man ''eventuell'' streichen, und der Sinn bleibt derselbe. Für eine Haupteigenschaft unsers Kaisers haben die Zeitungen kein andres Wort zur Verfügung als ''impulsiv'' — ist das nicht kläglich-komisch? Eine ganz neue Aufgabe erfüllt das Zeitwort ''interpretieren''. Aus der Sprache der Philologie, wo es immer mehr zurückgegangen ist, ist es in die der Musik- und Theaterschreiber eingedrungen. Eine Rolle $Seite 418$ auf der Bühne wird nicht mehr ''gespielt'', ein Musikstück nicht ''vorgetragen'', ein Lied nicht ''gesungen'' — es wird alles ''interpretiert'': ''Strauß wird die Lieder selbst dirigieren, Frau B. wird Interpretin sein — der Künstler hat durch die Interpretation dieses Liedes einen Beweis seines hervorragenden Könnens'' (!) ''erbracht'' (!). Immer öfter hört man neuerdings auch ''sekkieren'' (für ''belästigen''). An die Stelle der ''Sensationen'' sind die ''Attraktionen'' getreten, das ''Konzertprogramm'' hat man zwar in ''Vortragsordnung'' „übersetzt," aber in dieser ''Vortragsordnung'' erscheint nun statt des ehemaligen ''Potpourris'' die ''Selektion'', und dafür hat man den guten ''Theaterzettel'' in ''Theaterprogramm'' verwandelt, wenigstens in Leipzig, wo die Jungen jetzt abends am Theater ausrufen: ''Deeaderbroogramm gefällig''? Auch die Behörden bringen neue Fremdwörter auf. Ein Friedhof hat in Sachsen keine ''Leichenhalle'' mehr, sondern eine ''Parentationshalle''! Wieviel Leute, auch gelehrte Leute, mögen wissen was ''parentare'' und ''parentatio'' heißt, wissen, daß das heidnische Begriffe sind, die auf unsre Friedhöfe gar nicht passen? Ganz widerwärtig ist es, wie unsre Sprache neuerdings mit englischen Sprachbrocken überschüttet wird. Da wird das kleine Kind ''Baby'' genannt, und die Bedürfnisse für kleine Kinder kauft man im ''Babybasar'', ein Frauenkleid, das der Schneider gemacht hat, wird als ''tailor-made'' bezeichnet, an allen Mauern, Wänden und Schaufenstern schreit uns das alberne ''Sunlight-Seife'' entgegen, und an den Anschlagsäulen heißt es, daß in dem oder jenem Tingeltangel ''fife sisters'' oder ''fife brothers'' auftreten werden. Und dabei rühmt eine bekannte Fabrik von Teegebäck in Hannover, daß ihr Fabrikat ''der'' (!) ''beste Buttercakes'' sei! Eine deutsche Mutter sollte sich schämen, ihr Kind ''Baby'' zu nennen. Was würden unsre „Freunde," die Engländer, machen, wenn ein englischer Fabrikant wagen wollte, ''Sonnenlicht Soap'' anzupreisen! Unsre Kanzleisprache hat sich im Laufe eines Jahrhunderts gewaltig gereinigt. Noch 1810 konnte ein deutsches Stadtgericht an das andre schreiben: ''Ew. Wohl-'' $Seite 419$ ''geboren werden in sudsidium juris et sub oblatione ad reciproca ergebenst ersucht, die anliegende Edictalcitation in Sachen des Kaufmanns N. daselbft loco consueto affigiren zu lassen und selbige effluxo termino cum documentis affet refixionis gegen die Gebühr zu remittiren.'' Heute hat sich, wenigstens unter den höhergebildeten Beamten, doch fast allgemein die Einsicht Bahn gebrochen, daß das beste und vornehmste Amtsdeutsch das sei, das die wenigsten Fremdwörter enthält. Nur der kleine Unterbeamte, der ''Folium'' und ''Volumen, Repositorium'' und ''Repertorium'' nicht unterscheiden kann, der eine ''Empfangsbescheinigung'' eine ''Rezepisse'' nennt und vom ''Makulatieren'' der Akten redet, weil er einmal von ''Makulatur'' gehört hat, tut sich noch etwas zugute auf ein ''sub'' oder ''ad'' (''das gehört unter sub A'', sagt er), auf ein ''a. c.'' (''anni currentis''), ein ''eodem die'', ein ''s. p. r.'' (''sub petito remissionis''), ein ''cf. pg.'' (''confer paginam'') u. dergl.; er fühlt sich gehoben, wenn er solche geheimnisvolle Zeichen in die Akten hineinmalen kann. Wundern muß man sich, daß die Männer der Wissenschaft, bei denen man doch die größte Einsicht voraussetzen sollte, fast alle noch in dem Wahne befangen sind, daß sie durch Fremdwörter ihrer Sache Glanz und Bedeutung geben könnten. Auf den Universitätskathedern und in der fachwissenschaftlichen Literatur, da steht die Fremdwörterei noch in voller Blüte. Der deutsche Professor glaubt immer noch, daß er sich mit ''editio princeps, terra incognita, eo ipso, bona fide, ad libitum, Publikation, Argumentation, Modifikation, Acquisition, Kontroverse, Resultat, Analogie, intellektuell, individuell, identisch, irrelevant, adäquat, edieren, dokumentieren, polemisieren, identifizieren, verifizieren'' vornehmer ausdrücke als mit den entsprechenden deutschen Wörtern. Er fühlt sich wunderlicherweise auch gehoben (wie der kleine Rats- und Gerichtsbeamte), wenn er ''lexikalisches Material'' sagt statt ''Wortschatz'', wenn er von ''heterogenen Elementen, intensiven Impulsen, prägnanten Kontrasten, approximativen Fixierungen'' oder einer ''aggres-'' $Seite 420$ ''siven Tendenz'', einer ''problematischen Koalition'', einem ''intellektuellen'' oder ''moralischen Defekt'', einem ''Produkt destruktiver Tendenzen'' redet, wenn er eine ''Idee ventiliert'', statt einen ''Gedanken zu erörtern'', wenn er von einem ''Produkt der Textilkunst die Provenienz konstatiert'', statt von einem ''Erzeugnis der Weberei die Herkunft nachzuweisen'', wenn er schreibt: ''es kommt fast nie vor, daß gutartige Polypen recidivieren'' (statt: ''wiederkehren'') — ''die Autopsie konstatierte die Existenz eines sanguinolent tingierten Serums im Perikardium'' (statt: ''bei der Öffnung der Leiche zeigte sich, daß der Herzbeutel blutig gefärbte Flüssigkeit enthielt''//* Unsre Professoren lachen heute, wenn sie in einem Buche des achtzehnten Jahrhunderts lesen: ''die iniquitaet ist manifest'', oder: ''wir müssen diese difficultaeten superiren''. Machen sie es denn aber um ein Haar besser?//. Und der Student macht es ihm leider meist gedankenlos nach; die wenigsten haben die geistige Überlegenheit, sich darüber zu erheben. In der Sprache aller Wissenschaften gibt es ja gewisse Freimaurerhändedrücke, an denen sich die Leute von der Zunft erkennen. Wie stolz ist der Student der Kunstgeschichte, wenn er zum erstenmale ''Cinquecento'' sagen kann! Zwei Semester lang tut er, als ob er sechzehntes Jahrhundert gar nicht mehr verstünde. Wie stolz ist er, wenn er das Wort ''konventionell'' begriffen hat! Mit der größten Verachtung blickt er auf die gesamte Kunst aller Zeiten und Völker, denn mit Ausnahme des „Jugendstils" ist ja alles — ''konventionell''. Und wenn er dann sein ''Dissertatiönchen'' baut, wie freut es ihn, wenn er alle die schönen vom Katheder aufgeschnappten Wörter und Redensarten darin anbringen kann! Man kennt den Rummel, man ist ja selber einmal so kindisch gewesen. Dabei begegnet es aber auch sehr gelehrten Herren, daß sie die Verneinung von ''normal'' frischweg ''anormal'' bilden, also das sogenannte ''Alpha privativum'' des Griechischen vor ein lateinisches Wort leimen, statt ''anomal'' oder ''abnorm'' zu sagen, daß sie von ''Prozent'' ein Eigenschaftswort ''prozentual'' bilden (als ob ''centum'' „nach der vierten" ginge, $Seite 421$ einen ''u''-Stamm hätte wie ''eventus''!), statt ''prozentisch'' zu sagen, daß sie ''indifferent'' schreiben, wo sie ''undifferenziert'' meinen, u. dgl. Besonders stolz auf ihre Fremdwörterkenntnis sind gewöhnlich die Herren „Pädagogen," d. h. die Volksschullehrer, die sich nicht mit dem Seminar begnügt, sondern nachträglich noch ein paar Semester an den Brüsten der ''alma mater'' gesogen haben. Schon daß sie sich immer ''Pädagogen'' nennen, ist bezeichnend. ''Lehrer'' klingt ihnen nicht wichtig genug. Daß ein ''Pädagog'' etwas ganz andres ist als ein ''Lehrer'', daran denken sie gar nicht. Wenn so ein ''Pädagog'' einen Vortrag hält oder einen Aufsatz schreibt über die Aufgaben oder vielmehr die Probleme (!) des Unterrichts in der Kinderschule, dann regnet es nur so von ''exakt, theoretisch, empirisch, empiristisch, didaktisch, psychisch, psychologisch, ethisch'' usw. Aus diesen Kreisen ist dann auch in andre Kreise der lächerliche Unsinn verpflanzt worden, von ''Klavier-'' und ''Gesangpädagogen'' zu reden. Wieck, der Vater der Klara Schumann, der bekanntlich in Leipzig Klavierstunden gab, wird stets ''der hervorragendste Klavier- und Gesangpädagog'' genannt. Vielleicht erleben wir auch noch ''Geigen-'' und ''Cellopädagogen, Posaunen-'' und ''Fagottpädagogen''. Weniger zu verwundern ist der Massenverbrauch von Fremdwörtern bei den Geschäftsleuten. Sie stecken infolge ihrer Halbbildung am tiefsten in dem Wahne, daß ein Fremdwort stets vornehmer sei als das entsprechende deutsche Wort. Weil auf sie selbst ein Fremdwort einen so gewaltigen Eindruck macht, so meinen sie, es müsse diesen Eindruck auf alle Menschen machen. Oder wäre es etwa nicht Halbbildung, sondern kluge Berechnung auf den großen Haufen, wenn es kaum noch eine Ware gibt, die nicht ''original, general, zentral, spezial, universal'' oder ''normal'' wäre, wenn nicht bloß ''Normalhemden'' und ''Universalöl'' (wahrscheinlich zugleich zum Wagenschmieren und zum Gurkensalat verwendbar), sondern sogar ''Universalnormalhosenträger'' angepriesen werden? Was denken sich die Herren dabei? Meister wie Dürer und Cranach hatten eine ''Werkstatt''; $Seite 422$ jetzt hat jeder Photograph, ja sogar jeder Schneider ein ''Atelier''. Und was fertigt er darin? An der Deutschen Bank in Leipzig steht es zu lesen: ''Modes, Robes, Confections''. Und wie lächerlich machen sich unsre Geschäftsleute in den Augen aller Gebildeten mit Warenbezeichnungen wie ''Apfelin; Frostalin, Bartol, Nasol, Garantol, Primissimamatratzen, Eurekawaschpulver'' (''Eu''!), ''Triumphstiefel, Excelsiorporträts, Unionhefe'' usw.! Eine Menge Fremdwörter schleppen sich in der Zeitungssprache fort. In den Befreiungskriegen redete man gern von ''Monarchen''; bei Leipzig erinnert noch der ''Monarchenhügel'' daran. Heute dient der ''Monarch'' nur noch dem Zeitungschreiber zur Abwechslung und als Ersatz für das persönliche Fürwort ''er'', das er sich von einem gekrönten Haupte nicht zu gebrauchen getraut: ''heute vormittag empfing der Kaiser den Prinzen X; bald darauf stattete der Monarch dem Prinzen einen Gegenbesuch ab — die Besserung in dem Befinden des Königs schreitet fort; der Monarch machte heute einen längern Spaziergang — Frl. R. überreichte dem König ein Bouquet, wofür der Monarch freundlich dankte.'' Lieblingswörter der Zeitungssprache sind auch: ''Individuum, Panik, Affäre, Katastrophe''. Wenn ein Kerl einen Mordversuch gemacht hat, heißt er stets ''ein Individuum''. Ein großer Schrecken in einer Volksmasse oder im Theater wird stets als ''Panik'' bezeichnet; ob der Zeitungschreiber wohl eine Ahnung davon hat, woher das Wort stammt? Eine ''Feuersbrunst'' nennt er eine ''Brandkatastrophe'', eine ''Überschwemmung'' eine ''Überschwemmungskatastrophe''. Er allein redet auch noch von ''einer Duellaffäre, einer Säbelaffäre, einer Messeraffäre, einer Giftmordaffäre''. Wenn sich in einem Hotel einer erschießt, so gibt das stets eine ''Detonation'', dann findet man das ''Projektil'', das ''Motiv'' der Tat ist aber gewöhnlich unbekannt. Könnte man doch nur den Aberglauben loswerden, daß das Fremdwort vornehmer sei als das deutsche Wort, daß ''momentan'' vornehmer klinge als ''augenblicklich, transpirieren'' vornehmer als ''schwitzen'' (''der Hufschmied bei seiner Arbeit schwitzt bekanntlich'', aber $Seite 423$ ''der Herr im Ballsaal transpiriert''!), ''professioneller Vagabund'' vornehmer als ''gewerbsmäßiger Landstreicher, ein elegant möbliertes Garçonlogis'' vornehmer als ''ein fein ausgestattetes Herrenzimmer, konsequent ignorieren'' vornehmer als ''beharrlich unbeachtet lassen'', daß ein ''Collier'' etwas vornehmeres sei als ein ''Halsband''!//* Sehr bitter spottete einmal darüber ein junger französischer Student in Leipzig. Die deutschen Mädchen, sagte er, glauben, sie müßten ''Colliers'' tragen, weil jeder Hund ein ''Halsband'' trägt. In Paris trägt aber doch jeder Hund ein ''Collier''!// Schon der Umstand, daß wir für niedrige, gemeine Dinge so oft zum Fremdwort greifen, sollte uns von diesem Aberglauben befreien. Oder wäre ''perfid, frivol, anonymer Denunziant'' nicht zehnmal gemeiner als ''treulos, leichtfertig, ungenannter Ankläger''? Und stehen ''noble Passionen'' nicht tief unter ''edeln Leidenschaften''? Um etwas niedriges zu bezeichnen, dazu sollte uns das Fremdwort gerade gut genug sein. Aber auch unklar, verschwommen, vieldeutig sind oft die Fremdwörter. Was wird nicht alles durch ''konstatieren'' ausgedrückt! ''Feststellen, behaupten, erklären, wahrnehmen, beobachten, nachweisen'' — alles legt man in dieses alberne Wort! ''Da ist wieder etwas Überraschendes zu konstatieren'' — was heißt das anders als: ''da macht man wieder eine überraschende Wahrnehmung'' oder ''Beobachtung''?//** Weiß der Leser, wie ''konstatieren'' entstanden ist? Durch Anhängen der Endung ''ieren'' an das lateinische Impersonale ''constat''. Fast unglaublich, aber Tatsache. Und dabei ist in 999 von 1000 Fällen ''konstatieren'' nichts weiter als ein ganz überflüssiger Henkel für einen Aussagesatz. Man sagt nicht: ''der Hund hat einen Schwanz'', sondern man ''konstatiert, daß der Hund einen Schwanz hat''. Anders wird es kaum gebraucht.// Was soll ''intensiv'' nicht alles bedeuten: ''groß, stark, lebhaft, heftig''! Was soll ''direkt'' nicht alles bedeuten! Bald ''unmittelbar'' (''die direkte Umgebung von Leipzig'', eine Ware wird ''direkt bezogen'', einer ist der ''direkte Schüler'' des andern, ein Artikel wird unter ''direkter Beteiligung des Kanzlers'' geschrieben), bald ''gleich'' (''sie gingen direkt von der Arbeit ins Wirtshaus''), bald ''dicht'' oder ''nahe'' (''der Gasthof liegt direkt am Bahnhof''), bald ''gerade'' (''die Straße führt direkt nach der Aus-'' $Seite 424$ ''stellung''), bald ''geradezu'' (''die Verschiedenheit der Darstellung wird als direkt störend empfunden — die evangelische Kirche ist hier in direkt falschem Licht dargestellt''), bald ''genau'' (''soll ich denn direkt um sieben kommen?''), bald ''wirklich'' (''bist du in Berlin gewesen, direkt in Berlin?''), bald ''nur'' (''Ihre Bibliothek hat also direkt wissenschaftliche Werke?''). Eine Berlinerin ist imstande, zu ihrem ungezognen Bengel zu sagen: ''was hast du da gemacht? das ist direkt ein Fettfleck!'' oder: ''wirst du direkt folgen? wirst dus direkt wieder aufheben?'' Was für ein unklares Wort ist ''Konsequenz''! Bald soll es ''Folge'' heißen (''die Konsequenzen tragen''), bald ''Folgerung'' (''die Konsequenzen ziehen''). Was für ein unklares Wort ist ''Tendenz''! Bald soll es ''Bestrebung'' bedeuten, bald ''Absicht'', bald ''Richtung'', bald ''Neigung''. Was für ein unklares Wort ist ''System''! Man spricht von einem ''philosophischen System'' und meint eine ''Lehre'' oder ein ''Lehrgebäude'', von einem ''Röhrensystem'' und meint ein ''Röhrennetz'', von einem ''Festungssystem'' und meint einen ''Festungsgürtel'', von einem ''Achsensystem'' und meint ein ''Achsenkreuz'', von einem ''Sternsystem'' und meint eine ''Sterngruppe'', von einem ''Verwaltungssystem'' und meint die ''Grundsätze der Verwaltung'', von einem ''Sprengwagen System Eckert'' und meint die Bauweise, ja man kann nicht ein Hemd auf den Leib ziehen, ohne mit einem ''System'' in Berührung zu kommen, entweder dem ''System Prof. Dr. Jäger'' (!) oder dem ''System Lahmann'' oder dem ''System Kneipp'' — was mag sich nur die Verkäuferin im Wollladen unter all diesen ''Systemen'' denken? Man sagt: ''hier fehlt es an System'', und meint ''Ordnung'' oder ''Plan'', man spricht von ''systematischem Vorgehen'' und meint ''planmäßiges''. Dazu wird ''System'' noch fort und fort verwechselt mit ''Prinzip'' und mit ''Methode''//* In den meisten Fällen, wo ein ''System'' durch einen abhängigen Genitiv näher bezeichnet wird (z. B. ''das System der akademischen Prüfungen''), kann man ''System'' einfach streichen und das abhängige Wort an seine Stelle setzen (''die akademischen Prüfungen''), ohne daß der Begriff irgend etwas einbüßte. Im Gegenteil, er gewinnt; man versuche es nur.// (auf derselben Seite spricht derselbe Schriftsteller bald $Seite 425$ von ''Germanisierungssystem'', bald von ''Germanisierungsmethode''). Wie kann man den Reichtum des Deutschen so gegen die Armut des Fremden vertauschen! Das erstaunlichste von Vieldeutigkeit und infolgedessen völliger Inhaltlosigkeit sind wohl die Wörter ''Interesse, interessant'' und ''interessieren''. Vor kurzem hat jemand in einer großen Tabelle alle möglichen Übersetzungen dieser Wörter zusammengestellt. Da zeigte sich, daß es kaum ein deutsches Adjektiv gibt, das nicht durch ''interessant'' übersetzt werden könnte! Manche Fremdwörter sollen freilich, wie es scheint, die Sache, die damit bezeichnet wird, verschleiern, sie sollen — im Volke wenigstens — nicht verstanden werden. Dahin gehört z. B. ''opportun'' und ''inopportun'': ''die Anwälte halten die Veröffentlichung des Urteils nicht für opportun.'' Was mag sich der zeitunglesende Philister darunter denken? Aus der Unklarheit, die durch die Fremdwörter großgezogen wird, entspringen dann auch so alberne Verbindungen wie: ''vorübergehende Passanten, dekorativer Schmuck, neu renovierter Saal, Anfangsinitial, Grundprinzip, Ursprung der Genesis, Einzelindividuum, Attentatsversuch, defensive Abwehr, numerische Anzahl, gemeinsame Interessensolidarität, charakteristisches Gepräge'' (in der Kunst- und Literaturschreiberei äußerst beliebt!), ''ausschlaggebendes Moment, größere Majorität, Güte der Qualität'' u. ähnl., wie man sie so oft in Zeitungen, aber auch in Büchern lesen muß. Nicht einmal richtig geschrieben werden manche Fremdwörter. Wir Deutschen lassen uns keine Gelegenheit entgehen, über den Fremden zu spotten, der ein deutsches Wort falsch schreibt. Aber machen wir es denn besser? Nicht bloß der kleine Handwerker setzt uns eine ''Vetterage'' oder eine ''Lamperie'' auf die Rechnung statt einer ''Vitrage'' oder eines ''Lambris'', sondern auch der Zeitungschreiber schreibt beharrlich ''Plebiscit, Diaspora, Atmosphäre'' (sogar ''Athmosphäre''), ''Proselyten'' statt ''Plebiscit, Diaspora, Atmosphäre, Proselyten''. Wer Griechisch versteht, dem kommt doch ''Diaspora'' und ''Proselyten'' so vor, wie wenn einer ''Schnürstiefel'' und ''Halstuch'' schriebe! Auf Leipziger $Seite 426$ Ladenschildern liest man in zehn Fällen kaum einmal richtig ''Email'', überall steht ''Emaille'', ein Wort, das es gar nicht gibt! ''Drogue'' und ''Droguerie'' werden sogar amtlich in der „neuen Orthographie" ''Droge'' und ''Drogerie'' geschrieben, als ob sie wie ''Loge'' und ''Eloge'' ausgesprochen werden sollten; man ließe sich noch ''Drogerei'' gefallen, aber — ''erie'' ist doch eine französische Endung! Ganz glücklich sind die Leute, wenn sie in einem Fremdwort ein ''y'' anbringen können; gewöhnlich tun sies aber gerade an der falschen Stelle, wie in ''Sphynx, Syphon, Logograph'' usw. Manche Fremdwörter berauschen die Menschen offenbar durch ihren Klang, wie ''glorreich'' (in Leipziger Festreden ''chlorreich'' gesprochen), ''historisch, Material Element, Moment, Faktor, Charakter, Epoche'' und die Wörter auf ''ion''. ''Material'' wird in ganz abscheulicher Weise gebraucht: man redet nicht bloß von ''Pferdematerial'', sondern auch von ''Menschenmaterial, Kolonistenmaterial'', sogar ''Referendarmaterial''! Streicht man das ''Material'', so bleibt der Sinn derselbe, und der Ausdruck verliert zwar seine klangvolle Breite, aber auch seinen ganz unnötig geringschätzigen Nebensinn. Zu den nichtsnutzigsten Klingklangwörtern gehören ''Element, Moment'' (''das Moment''!) und ''Faktor'', sie werden ganz sinnlos mißbraucht. Es sind ja eigentlich lateinische Wörter (''elementum, momentum, factor''); wenn man aber einen Satz, worin eins von ihnen vorkommt, in wirkliches Latein übersetzen wollte, könnte man meist gar nichts beßres tun, als die Wörter einfach — weglassen. ''Liberale Elemente, bedenkliche, unzuverlässige, gefährliche Elemente'', das ist doch nichts andres als Männer, Menschen, Leute, ''Glücklicherweise bildeten die anständigen Elemente die Majorität'' — das heißt doch nichts weiter, als: ''die anständigen Leute bildeten die Mehrheit''. ''Moment'' wie ''Faktor'' aber bedeutet in den meisten Fällen weiter nichts als ''res, aliquid'', und auch mit ''Element'' ist es oft nicht anders. Da will einer sagen: ''trotz aller Erfahrungen im Seekrieg ist der Torpedo noch immer etwas neues''. Das drückt er so aus: ''trotz aller Erfahrungen im Seekrieg ist der Torpedo noch immer ein'' $Seite 427$ ''neues Element'' oder ''ein neues Moment'' oder ''ein neuer Faktor'' — nun klingt es! ''Hier sind drei Momente zu berücksichtigen'', oder ''hier wirken drei Faktoren zusammen'' — bei Lichte besehen ist es weiter nichts als: ''dreierlei'' (''tria''). ''Das wichtigste Moment'' — es ist schlechterdings nichts andres als ''das Wichtigste''. ''Der Stock hat von jeher Freud und Seid mit den Menschen geteilt'': ''dies Moment findet in der Glocke einen ergreifenden Ausdruck — wenn diejenigen Momente in den Vordergrund gestellt werden, die für die Technik von Wert und Interesse sind — die Feinhörigkeit ist von osteologischen Momenten abhängig — die Studentenauffahrt mit ihren bunten, malerischen Momenten entrollte ein interessantes akademisches'' (!) ''Bild — bei jedem entstehenden Reichtum ist die Arbeit ein mitwirkender Faktor'' — sind nicht ''Moment'' und ''Faktor'' hier ganz taube, inhaltleere Wörter? Bisweilen kann man wohl ''Moment'' durch ''Umstand, Tatsache, Zug, Seite'' wiedergeben, ebenso ''Faktor'' bisweilen durch ''Macht, Kraft'', aber in den meisten Fällen ist es nichts als: ''etwas''; ''ein beruhigendes Moment, ein beunruhigendes Moment'' — es sind doch nur gespreizte, wichtigtuerische Umschreibungen von ''Beruhigung'' und ''Beunruhigung''.//* In einem längern Aufsatze, worin ''Moment'' und ''Faktor'' jedes etwa ein Dutzend mal vorkamen, machte ich mir den Spaß, sie regelmäßig miteinander zu vertauschen. Als ich die Druckkorrektur des Verfassers erhielt, sah ich, daß er nicht das geringste davon gemerkt hatte. Was müssen das für inhaltreiche Wörter sein, mit denen man sich solche Scherze erlauben kann! Ein rechtes Kreuz sind die ''gesetzgebenden Faktoren''; könnte man die doch irgendwie loswerden!// Nicht viel anders ist es mit ''Charakter''. ''Diese Festlichkeiten haben deshalb einen wertvollen und interessanten Charakter'' — was bedeutet das anders, als: ''sie sind deshalb wertvoll und interessant''? ''Die Raumbildung ist der wesentlichste Faktor, der dem Architekten zur Verfügung steht. Daneben ist ein zweiter, sehr wichtiger Faktor, um'' (!) ''einem Raum individuellen Charakter zu geben, die Art seiner Beleuchtung. Das dritte Charakterisierungsmoment, das dem Architekten zur Verfügung steht, ist die Farbengebung''. In solch albernem Schwulst wird jetzt der ein- $Seite 428$ fache Gedanke ausgedrückt: ''der Architekt wirkt durch drei Mittel: Raum, Licht und Farbe''! ''Historisch'' (d. h. ''geschichtlich'' oder ''geschichtswissenschaftlich'') wird jetzt unsinnigerweise für ''alt'' oder ''altertümlich'' gebraucht. Man gibt Konzerte mit ''historischen Blasinstrumental'' (zu dumm!), schießt auf der Schützenwiese ''mit historischen Armbrüsten'', bildet englische Fanfarenbläser ''in historischer Tracht'' ab, schwärmt von der ''alten, historischen Markgrafenstadt Meißen'' und preist die ''althistorischen Sehenswürdigkeiten von Augsburg'' an. Ganz arg ist auch der Mißbrauch, der mit ''Epoche'' getrieben wird, namentlich in den Schriften neuerer Geschichtschreiber. ''Epoche'' (''έποχή'') bedeutet ''Haltepunkt'', in der Geschichte ein Ereignis, das einen wichtigen Wendepunkt gebildet hat. So brauchen noch unsre Klassiker bisweilen das Wort. Schiller nennt noch ganz richtig die Geburt Christi eine ''Epoche'', das Ereignis selbst, nicht etwa die Zeit des Ereignisses! ''Die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit'' — sagte Goethe zu Eckermann. Daher stammt ja auch die Verbindung ''epochemachend'', d. h. ''einen Wendepunkt bezeichnend''. Das Wort ist dann auf die Zeit selbst übertragen worden — hierin hat allerdings schon der alte Goethe erkleckliches geleistet —, und heute bezeichnet man jeden beliebigen Zeitabschnitt, klein oder groß, wichtig oder unwichtig, als ''Epoche''. Für ''Zeit'' kennen unsre Geschichtschreiber gar kein andres Wort mehr, sie verwechseln es auch fortwährend mit ''Periode'',//* Schon Schiller schreibt 1797 an Goethe: ''Sie müssen eine Epoche gehabt haben, die ich Ihre analytische Periode nennen möchte''.// reden sogar von ''Zeitepoche'', unaufhörlich pochpochpocht es durch ihre Darstellungen! Aber auch die Jahre, in denen ein tüchtiger Rektor eine Schule geleitet hat, werden schon eine der ''inhaltreichsten Epochen der Schule'' genannt! Auch ''Generation'' hats den Leuten angetan, obwohl es zu den zahlreichen unklaren Fremdwörtern gehört, denn es bedeutet ja ''Geschlecht'' und auch ''Menschenalter''; man kann zuweilen geradezu lesen von der ''Generation, die vor drei Generationen gelebt hat''! Aber es klingt, und das ist die Hauptsache. Wenn sich bei einer großen Festtafel $Seite 429$ nach dem zweiten Gange, wo der Wein schon zu wirken anfängt, einer erhebt, und nachdem er einigemal mit ''voll und ganz, unentwegt, zielbewusst, Moment, Faktor, glorreiche Epoche'' um sich geworfen hat, schließlich, ehe er „in diesem Sinne" sein Glas leert, noch einmal donnert: ''von Generatiooon zu Generatiooon!'' so muß ja alles aus dem Kopfe stehen vor Entzücken. ''Von Geschlecht zn Geschlecht'' — damit tut man keine Wirkung. Im Grunde ist die Fremdwörterfrage eine Frage der Bildung und des guten Geschmacks. Man könnte mit Rücksicht auf den Gebrauch unnötiger Fremdwörter die Deutschen in drei Bildungsklassen einteilen: die unterste Klasse gebraucht die Fremdwörter falsch, die mittlere gebraucht sie richtig, die oberste gebraucht sie — gar nicht. Daneben gibts natürlich Misch- und Zwischenklassen, aber die Hauptklassen sind doch diese drei. Der gewöhnliche Mann aus dem Volke weiß in den meisten Fällen gar nicht, daß er Fremdwörter gebraucht. Woher sollte ers auch wissen? In eine fremde Sprache hat er nie hineingeblickt, über seinen Wortschatz macht er sich keine Gedanken, entweder versteht er ein Wort, oder er versteht es nicht — die Fremdwörter versteht er meist nicht; ob die Wörter, die er gebraucht, deutsch sind oder einer fremden Sprache angehören, vermag er nicht zu beurteilen. In Leipzig ist z. B. dem kleinen Handwerker und Krämer, dem untern Beamten, dem Kutscher, dem Packträger, dem Kellner das Wort ''zurück'' fast unbekannt. Wenn ers gedruckt liest, versteht ers wohl, aber seinem Wortschatze gehört es nicht an, er kennt mir das Wort ''reduhr'' (''retour''), das ist für ihn deutsch! Er sagt: ''ich kriege zehn Fennche reduhr — schiebe mal de Karre reduhr — um zehne fahrmer reduhr — Müller is in seinen Jeschäfte reduhr jekommen'' (denn auch in Leipzig wird schon vielfach ''jesehen, jekommen'' gesagt). So gibt es noch eine Menge von Fremdwörtern aus dem täglichen Leben, die er ganz richtig gebraucht, die aber eben für ihn so gut wie deutsche Wörter sind, wie ''mummendahn'' (für ''augenblicklich''), ''orchinell'' (für ''neu'') u. a. Die meisten aber gebraucht er falsch oder halbfalsch: entweder er verdirbt $Seite 430$ oder verstümmelt ihre Form, oder er wendet sie in falscher Bedeutung an, oder er verwechselt zwei miteinander: er sagt ''absorbieren'', wo er ''absolvieren'' meint (''meine Tochter hat die höhere Töchterschule absorbiert''), spricht von ''rabiater Geschwindigkeit'' (statt von ''rapider''), von ''antisemitischer Wundbehandlung'' (statt von ''antiseptischer'') und von der Gefahr, die es hat, wenn ein Schlaganfall ''repartiert'' (statt ''repetiert''), verwechselt ''luxuriös'' und ''lukrativ'' (''wir können nicht so lukrativ bauen, wie die reichen Leute''), versteht ''intakt'' als ''in Takt, effektiv'' als ''einfach'' ('' ’s is eefektiv nich wahr!''), gebraucht ''irritieren'' in dem Sinne von ''irre machen'', leitet ''affektiert'' von ''Affe'' ab, bringt überall ein bißchen „französische" Aussprache an: ''Orschester, Sanktimeter, Parangthese, Telephong, Biweh'' (''Büfett''!) und prophezeit von einem neuen Konzertsaal: ''wenn er ene gute Renässangs'' (''Resonanz'') ''kriegt, kriegt er ooch ene gute Augustik''. Nun die mittlere Klasse. Das sind die, die sich so viel Kenntnis fremder Sprachen angeeignet haben, daß sie von einer großen Anzahl von Fremdwörtern die Ableitung, die eigentliche Bedeutung kennen, auf diese Wissenschaft (wenn sie sich mit den unter ihnen stehenden vergleichen, die ''Gratifikation'' und ''Gravitation'' verwechseln) sehr stolz sind und ihre hohe Bildung nun durch möglichst häufigen Gebrauch von Fremdwörtern an den Tag zu legen suchen. Das ist die gefährliche Klasse. Sie werfen sich in die Brust und meinen, sie hätten wunder was gesagt, wenn sie von ''lokalem Konsum'' reden, statt von ''örtlichem Verbrauch''. Über dieser aber gibt es noch eine dritte Klasse. Es ist ein Zeichen höchster und vornehmster Bildung, wenn man durch die Erlernung fremder Sprachen zugleich seine Muttersprache so hat beherrschen lernen, daß man die fremden Flicken und Lappen entbehren, daß man wirklich deutsch reden kann.  
Die wenigsten ahnen, wie hundertfache Verschiebungen vorausgegangen sind, ehe vom Stande der mittelhochdeutschen Beugungsweise (um 1200), ja auch nur von dem ums Jahr 1800 der jetzige Zustand gewonnen worden ist. Was Wunder, wenn wir da auch heute noch ähnliche Grenzkämpfe beobachten können? So haben sich die Wörter ''Friede, Funke, Gedanke, Glaube, Haufe, Name, Same, Schade, Wille'' diese Formen auf ''-e'' bewahrt aus der älteren Zeit, wo viele Dutzend Wörter auf ''-e'' nach Gruppe V gingen (''balke, boge, galge, garte, nache, schatte''), die längst auf ''-en'' endigen und nach Gruppe II gehen (''Balken, Balkens''). Da sie aber im übrigen von der früheren Deklination (nach Gruppe V) abweichend den Genetiv auf ''-ens'', alle anderen Fälle auf ''-en'' bilden, so ist es nicht zu tadeln, wenn man, dem rastlosen Streben der Sprache nach Vereinfachung und Ausgleichung nachgebend, einen neben dem Genetiv auf ''-ens'' nun wieder regelrecht erscheinenden Nominativ auf ''-en'' (Gruppe II) gebraucht, wie es bei allen jenen Wörtern und überdies neben ''Fels'' (Gen. ''Felsens'') schon häufig und bei ''Funken'' und ''Schaden'' fast ausschließlich geschieht. Natürlich nicht in den Wendungen ''es ist schade, schade daß''; denn solch ältere formelhafte Wendungen pflegen ein Wort vor den Veränderungen zu bewahren, denen es in der Verein- $Seite45$ zelung oft ausgesetzt ist; geradeso wie in der Redensart ''sich zunutze (Nutze) machen'' diese alte Form zu bewahren ist, da die Wendung älter ist als die neuere Form ''der Nutzen''. Nur bis zum Genetiv auf ''-ens'' neben dem regelmäßigen seltneren auf ''-en'', aber zu keinem Nominativ auf ''-en'' hat es ''der Buchstabe'' (süddeutsch ''Buchstab'') gebracht. Auch ''der Reif (Reifes)'', welches die etwas gehobenere Form ist und besonders in ''Fingerreif'' oder zur Bezeichnung eines Diadems üblich ist, hat als herrschend daneben die Form ''der Reifen (des Reifens)''.  +
Bei einer kleinen Anzahl von Hauptwörtern schwankt der Nominativ zwischen einer Form auf ''e'' und einer auf ''en''; es sind das folgende Wörter: ''Friede, Funke, Gedanke, Gefalle, Glaube, Haufe, Name, Same, Schade'' und ''Wille''. Die Form auf ''en'' ist aber eigentlich falsch. Diese Wörter gehören der schwachen Deklination an, neigen jedoch zur starken//* Mit Ausnahme von ''Friede'' und ''Gedanke'', die im Mittelhochdeutschen (''vride, gedanc'') zur starken Deklination gehörten.//: im Genitiv bilden $Seite 5$ sie eine Mischform aus der starken und der schwachen Deklination auf ''ens'' (''des Namens'', und von ''Schade'' hat der Plural sogar den Umlaut: ''die Schäden''. Da hat sich nun unter dem Einflusse jener Mischform das ''en'' aus dem Dativ und dem Akkusativ auch in den Nominativ gedrängt.//* Auch der Nominativ ''Felsen'' neben ''Fels'' ist auf diese Weise entstanden; das Wort gehört ursprünglich der starken Deklination an, daher ist gegen die Dativ- und die Akkusativform ''Fels'' (''Vom Fels zum Meer'') nichts einzuwenden.// Die alte richtige Form ist aber doch überall daneben noch lebendig und im Gebrauch (von ''Schade'' allerdings fast nur noch in der Redensart: ''es ist schade''). Der ''Gefalle'' (bei Lessing öfter) ist wenigstens in Sachsen und Thüringen noch ganz üblich: ''es geschieht mir ein großer Gefalle damit''. Daher sollte die alte Form auch immer vorgezogen, also lieber gesagt werden: ''der Friede von 1871'', als ''der Frieden von 1871''. ''Der künstlerische Gedanken'', wie man jetzt bisweilen lesen muß, ist unerträglich.//** Etwas andres ist es in Fällen, wo die falsche Form die alte richtige aus dem Sprachbewußtsein schon ganz verdrängt hat, wie bei ''Braten, Hopfen, Kuchen, Rücken, Schinken'' u. a., die im Mittelhochdeutschen noch ''brate'', ''hopfe'' usw. hießen.//  +
Daß von ''Friedrich'' der Genitiv ''Friedrichs'' heißt, das weiß man allenfalls. Aber sobald eine Apposition zu dem Namen tritt, wissen sich die meisten nicht mehr zu helfen. Man frage einmal nach dem Genitiv von ''Friedrich der Große''; die Hälfte aller Gefragten wird ihn ''Friedrich des Großen'' bilden. Fortwährend begegnet man jetzt so abscheulichen Genitiven wie: ''Heinrich des Erlauchten'', ''Albrecht des Beherzten'', ''Georg des Bärtigen''. Es gibt Leute, die alles Ernstes glauben, solche Verbindungen wären eine Art von Formeln oder Sigeln, die nur am Ende dekliniert zu werden brauchten! Auch wenn die Apposition eine Ordinalzahl ist — der häufigste Fall —, wird kaum noch anders geschrieben als: ''die Urkunden Otto III., die Gegenreformation Rudolf II., die Gemahlin Heinrich VIII., die Regierungszeit Ludwig XIV''. Wenn man das aussprechen will, so kann man doch gar nicht anders sagen als: ''Otto der dritte'', ''Rudolf der zweite'', ''Heinrich der achte''. Denn wie kann der $Seite 13$ Schreibende erwarten, daß man die Zahl im Genitiv lese, wenn der Name, wozu sie gehört, im Nominativ steht?//* Wie lange soll übrigens noch in der deutschen Schrift der Zopf der römischen Ziffern weitergeschleppt werden ? Warum druckt man nicht ''Heinrichs 8.'', ''Ludwigs 14.''? Auch in andern Fällen werden die römischen Ziffern ganz unnötigerweise verwandt. Warum nicht das ''12. Armeekorps'', warum immer das ''XII. Armeekorps''? Fast alle unsre Historiker scheinen zu glauben, es klinge gelehrter, wenn sie schreiben: im ''XVIII. Jahrhundert''. Eigentlich sollte man im Druck überhaupt Ziffern nur für das Datum und für rechnungsmäßige, z. B. statistische, finanzielle, astronomische Angaben verwenden, also nicht drucken: ''Unser Leben währet 70 Jahre.'' Vornehme Druckereien haben sich auch früher so etwas nie erlaubt. Von den Zifferblättern unsrer Uhren verschwinden erfreulicherweise die römischen Ziffern immer mehr.//  +
Zu der einen Nachäfferei des Französischen bei der Apposition kommt aber jetzt noch eine zweite, nämlich die, den Artikel wegzulassen und zu schreiben: ''Regetellus, Sohn des Präfekten Crescentius''. In gutem Deutsch ist das nur dann üblich, wenn die Apposition Amt, Beruf oder Titel bezeichnet, und da eigentlich nur in Unterschriften, wenn man selbst seinen Namen und Titel hinschreibt. Aber abgeschmackt ist es, den Artikel bei Verwandtschaftsbegriffen wegzulassen, und doch kann man das jetzt ebenso oft in Geschichtswerken wie in Verlobungsanzeigen lesen. Historiker und Literarhistoriker schreiben: ''die Bekanntschaft mit Körner, Vater des Dichters Theodor Körner — die Briefe sind an die Herzogin Dorothee Susanne, Gemahlin des Herzogs Johann Wilhelm, gerichtet — Gabriele von Bülow, Tochter Wilhelm von Humboldts — und der Reserveleutnant und Gymnasialoberlehrer Schmidt zeigt an, daß er sich mit Fräulein Mimi Schulz, Tochter des Herrn Kommerzienrats Schulz, verlobt habe''. Diese lapidarische Kürze mag in den Augen des Reserveleutnants der Größe des Augenblicks angemessen erscheinen — deutsch ist sie nicht. Hat der Herr Kommerzienrat nur die eine Tochter, so muß es heißen: ''der Tochter'', hat er mehrere, so muß es heißen: ''einer Tochter''; und warum soll die Welt nicht erfahren, ob er noch mehr hat? Und wenn der Geschichtschreiber nicht wüßte, oder wenn es überhaupt unbekannt wäre, ob die Fürstin, von der er erzählt, eine oder mehrere Töchter gehabt hat, so müßte es immer heißen: ''eine Tochter'', denn ''eine'' $Seite 214$ ''Tochter'' war es auf jeden Fall, ob sie nun die einzige war oder Schwestern hatte. Ebenso falsch ist es natürlich, zu schreiben: ''der Vorwärts, Organ der sozialdemokratischen Partei''. Hat die Partei mehrere Organe, so muß es heißen: ''ein Organ''; hat sie nur das eine, ist das ihr anerkanntes amtliches Organ, so muß es heißen: ''das Organ''. ''Organ'' allein könnte höchstens (in dem zweiten Falle) unter dem Titelkopfe der Zeitung stehen.  
Eine Schande ist es — nicht für die Sprache, die kann ja nichts dafür, wohl aber für die Schule, die das recht gut hätte verhüten können und doch nicht verhütet hat —, mit welcher Schnelligkeit in ganz kurzer Zeit die falschen Formen ''frägt'' und ''frug'' um sich gegriffen haben, auch in Kreisen, die für gebildet gelten wollen und den Anspruch erheben, ein anständiges Deutsch zu sprechen. Der Fehler wird deshalb besonders widerwärtig, weil sichs dabei um ein Zeitwort handelt, das hundertmal des Tags gebraucht wird. Das immer falsch hören zu müssen, ist doch gar zu greulich. Die Zeitwörter mit ''ag'' im Stamme teilen sich in zwei Gruppen; die eine Gruppe gehört dem starken Verbum, die andre dem schwachen an. Die erste Gruppe bilden die beiden Verba: ''ich trage, du trägst — ich trug — ich habe getragen, ich schlage, du schlägst— ich schlug— ich habe geschlagen''; sie haben dieselbe Ablautsreihe wie ''fahre, fuhr, gefahren — grabe, grub, gegraben — wachse, wuchs, gewachsen'' u. a. Zur zweiten Gruppe gehören: ''ich sage, du sagst — ich sagte — ich habe gesagt, ich jage, du jagst — ich jagte — ich habe gejagt''; ebenso ''klagen, nagen, plagen, ragen, wagen, zagen''. Fragen hat nun seit Jahrhunderten unbezweifelt zur zweiten Gruppe gehört: ''ich frage, du fragst — ich fragte — ich habe gefragt''. Unsre Klassiker kennen keine andre Form. Zwei der besten deutschen Prosaiker, Gellert und Lessing, wissen von ''fragt'' und ''frug'' gar nichts. Nur ganz vereinzelt findet sich in Versen, also unter dem beengenden Einflusse des Rhythmus, ''frug''; so bei Goethe in den Venetianischen Epigrammen: ''niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König um mich bekümmert'' — bei Schiller im Wallenstein: ''ja wohl, der Schwed frug nach der Jahrszeit nichts''. Auch Bürger hat es (Lenore: ''sie frug den Zug wohl auf und ab, und frug nach allen Namen''), und da haben wir denn auch die Quelle: es stammt aus dem Niederdeutschen. Bürger war 1747 in Molmerswende bei Halberstadt geboren; wahrscheinlich $Seite54$ sagte man dort schon zu seiner Zeit allgemein ''frug''. //* Das Niederdeutsche hat auch ''jug'' gebildet von ''jagen''. Doch wird ein Unterschied gemacht. Bismarcks Vater brauchte ''jagte'' von der Jagd, ''jug'' von schneller Bewegung, z. B. schnellem Fahren. In Hannover sagt der gemeine Mann: ''ehe der Polizist die Nummer merken konnte, jug der Bengel um die Ecke''.// Aber noch in den fünfziger und sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hörte man die Dialektform in der gebildeten Umgangssprache so gut wie gar nicht. Auf einmal tauchte sie auf. Und nun ging es ganz wie mit einer neuen Kleidermode, sie verbreitete sich anfangs langsam, dann schneller und immer schneller,//** Viel zu ihrer Verbreitung haben wohl Scheffel und Freytag beigetragen, die sie beide sehr lieben. (Vgl. das Vorwort.)// und heute schwatzen nicht bloß die Ladendiener und die Ladenmädchen in der Unterhaltung unaufhörlich: ''ich frug ihn, er frug mich, wir frugen sie'', sondern auch der Student, der Gymnasiallehrer, der Professor, alle schwatzens mit, alle Zeitungen, alle Novellen und Romane schreibens, das richtige bekommt man kaum noch zu hören oder zu lesen. Es fehlte nur, daß auch noch gesagt und geschrieben würde: ''ich habe gefragen, er hat mich gefragen'' usw.//*** Die Grenzboten veröffentlichten 1882 ein hübsches Sonett aus Süddeutschland, das sich über das Vordringen der falschen Formen lustig machte. Es begann mit der Strophe: ''Ich frug mich manchmal in den letzten Tagen:'' ''Woher stammt wohl die edle Form: er frug?'' ''Wer war der Kühne, der zuerst sie wug?'' ''So frug ich mich, so hab ich mich gefragen.'' Eine Anzahl von Zeitungen brachte dann elende Gegensonette, aus denen nichts weiter hervorging, als daß die Verfasser keine Ahnung von den Anfangsgründen der deutschen Grammatik hatten, und daß ihnen die falschen Formen schon so in Fleisch und Blut übergegangen waren, daß sie für das Richtige alles Gefühl verloren hatten. Wenn freilich Kindern, die im Elternhause noch richtig ''fragt'' und ''fragte'' gelernt haben, in der Schule das dumme ''frug'' in die Arbeiten hinein „korrigiert" wird, dann ist nichts zu hoffen.// Wie lange wird die alberne Mode dauern? wird sie nicht endlich dem Fluche der Lächerlichkeit verfallen? Alle guten Schriftsteller und alle anständigen Zeitschriften und Zeitungen brauchten nur die falschen Formen beharrlich zu meiden, so würden wir sie bald eben so schnell wieder lossein, wie sie sich eingedrängt haben. $Seite55$ Merkwürdig ist es, daß in diesem Falle die Sprache einmal aus der schwachen in die starke Konjugation abgeirrt ist. Gewöhnlich schlägt sie den umgekehrten Weg ein. Wie kleine Kinder, die erst reden lernen, anfangs starke Verba gern nach der schwachen Konjugation bilden: ''ich schreibte, er rufte mich, der Käfer fliegte, der Mann, der da reinkamte'', so haben es auch immer die großen Kinder gemacht, die nicht ordentlich hatten reden lernen. Aber einzelne Zeitwörter sind schon in alter Zeit auch den umgekehrten Weg gegangen; so ist das ursprüngliche ''geweist'' und ''gepreist'' schon längst durch ''gewiesen'' und ''gepriesen'' verdrängt worden, und in Mitteldeutschland kann man im Volksmunde hören: ''es wurde mit der großen Glocke gelauten, ich habe den ganzen Winter kalt gebaden''.//* Als eine Merkwürdigkeit mag erwähnt sei, daß die Leipziger Buchbinder sagen: ''das Buch wird bloß geheftet'', dagegen die Leipziger Schneider: ''der Ärmel ist erst gehoften''.//  
Die Tragkraft des Zeitwortes ist die denkbar größte und mannigfaltigste; außer sogenannten transitiven oder zielenden Verben, d. h. solchen, neben denen ein vierter Fall das Ziel der Handlung oder den erfüllten Raum bezeichnet (''einen treffen, den Wagen laden''), gibt es mannigfache Arten intransitiver, d. h. solcher, die mit anderen Fällen verbunden werden oder denen die Ergänzung durch ein Verhältniswort angefügt wird oder die jeder Ergänzung entraten oder es doch können. Der dritte Fall bezeichnet hauptsächlich die innere Teilnahme, das Interesse (''einem behagen, - helfen'') und der zweite Fall die Herkunft und Ursache und das Teilhaben (''jemandes gedenken''). Überdies stehn oft auch mehrere Arten dieser Ergänzungen zugleich neben einem Zeitworte. Dann entspricht einer Sachergänzung im vierten Falle in gleicher Weise eine persönliche im dritten, wie einer persönlichen im vierten eine Sachergänzung, die im zweiten Fall oder abhängig von Verhältniswörtern steht. Einige sinn- oder stammverwandte Wörter erläutern dies am deutlichsten: ''Er klagte dem Vater seine Not'', aber: ''Er klagte ihn des Diebstahls an. — Er benimmt mir alle Sorge'', aber: ''er überhebt mich aller Sorge'' und ''er befreit mich von aller Sorge''.  +
Wenn fünf einzelne Pfennige auf dem Tische liegen, so sind das unzweifelhaft fünf Pfennige; wenn ich aber mit diesen fünf Pfennigen (oder auch mit einem Nickelfünfer) eine Zigarre bezahle, kostet die dann ''fünf Pfennige'' oder, wie auf dem Nickelfünfer steht, ''fünf Pfennig''? Schwierige Frage! Bei Angaben von Preis, Gewicht, Maß, Zeit, Lebensalter usw. ist oft eine Pluralform üblich, die sich vom Singular nicht unterscheidet, wenigstens bei Wörtern männlichen und sächlichen Geschlechts,//** Von Wörtern weiblichen Geschlechts wird immer der Plural gebildet: ''zwei Mandeln Eier, drei Ellen Band, sechs Flaschen Wein, vier Wochen alt, zehn Klaftern Holz''.// wie bei ''Taler, Gulden, Groschen, Heller, Pfennig, Batzen, Pfund, Lot, Fuß, Zoll, Schuh, Faden, Faß, Glas'' (''zwei Glas Bier''), ''Maß, Ries, Buch'' $Seite 24$ (''drei Buch Papier''), ''Blatt'',//* Wenn aber ein Antiquar in einem Katalog von einem wertvollen alten Druck sagt: ''Sechs Blatt sind eingerissen'', so ist das natürlich falsch.// ''Jahr, Monat, Mann'' (''sechs Mann Wache''), ''Schritt, Schuß'' (''tausend Schuß''), ''Stock'' (''drei Stock hoch''). Diese Formen sind natürlich keine wirklichen Singulare, sondern zum Teil sind es alte Pluralformen (vgl. S. 19. ''Fach'' und ''Fächer''), zum Teil Formen, die solchen unwillkürlich nachgebildet worden sind. Von einer Regel also, daß in allen solchen Fällen der Singular stehen müsse, kann keine Rede sein. Es ist ganz richtig, zu sagen: ''das Kind ist drei Monate alt, drei Jahre alt'', wie denn auch jeder ''drei Taler, drei Gulden, drei Groschen'' sicherlich als Plural fühlen, folglich auch sagen wird: ''ich habe das Bild mit zehn Talern bezahlt'' (nicht ''mit zehn Taler''!). Und so haben wir auch in Mitteldeutschland früher immer ''Pfennige'' gesagt so gut wie ''Könige, Käfige'' und ''Zeisige''. (In dem alten Liede von der Seestadt Leipzig heißt es sogar: ''Und ein einzig Lot Kaffee kostet siebzehn Pfennigee''.) Bis 1880 war auch auf unsern Briefmarken so gedruckt. Wahrscheinlich war das aber nicht „schneidig" genug, und so hieß es von da an ''3 Pfennig, 5 Pfennig'', bis endlich 1889 die Abkürzung ''Pf.'' erschien, die nun jeder lesen kann, wie er will.  
Das ''für'' in ''Anpreisungen von Mitteln für'' (= ''gegen'') ''allerhand Gebrechen und Störenfriede'', das in Tagesblättern so häufig ist, verdient den Tadel nicht, den es aus Mangel an Einsicht in seine Geschichte gefunden hat//1 Auch in der Redensart ''etwas dafür können'' ist ''für'' soviel als ''gegen'' und so im Grunde ''davor können'' nicht viel besser (Wb. IV, I, 655) als das besonders süddeutsche ''dazu können: Daß das preußische Wappentier eine so fatale Ähnlichkeit mit dem Reichsadler hat, dazu kann niemand etwas'' (Würzb. Journ. in der Tägl. R.).//, und man mag ruhig weiter anzeigen ''die Besten Mittel für Rheumatismus, Kopfweh'', und andere anpreisen als ''gut für Brustschmerzen'' oder ''für Motten, Mäuse und ähnliches Ungetier''. — Dagegen ist die Hinwendung von ''für'' in den folgenden Sätzen nichts als Nachahmung des Französischen: ''einen Brief für'' (statt ''nach'') ''Paris auf die Post geben; es ist kein Schiff für'' (statt ''nach'') ''Triest in Rimini; dafür'' (statt ''dazu; so'') ''angelegt sein; für'' (statt ''auf'') ''acht Tage vereist'', wohl auch ''seine Verachtung für jemand'' (statt ''jemandes'') ''zu erkennen geben''//2 Dagegen heißt es Gallizismen riechen, wenn auch ''Zuneigung für jemand fassen für einen'' erklärt wird; ebenso ''rauh, freundlich, hart mit jemand sein''. Schon Th. Platter, der vom Französischen nichts wußte, klagt, daß man ''rauh mit ihm war''.//.  +
Der Natur des Mittelwortes (vgl. l) läuft auch der viel häufigere Fehler zuwider, daß Mittel- und in gleicher Weise Eigenschaftswörter, überhaupt appositionelle Bestimmungen zu Mitteilungen verwendet werden, die mit der im übergeordneten Satze gemeldeten Tatsache weder sachlich noch logisch auch nur den geringsten Zusammenhang haben. Wer erkennte nicht hierin den Hauptfehler an dem folgenden Satze Junkers? ''Savâkin ist so recht eigentlich eine Tochter des Meeres. Vom Meer umgeben, die Häuser aus dem Meeresprodukt, dem Madruporenkalk gebaut, der in schönen großen Blöcken aus den Tiefen des Meeres herausgeschleppt wird, ist der Handel die Existenzbedingung'' (!) ''der Stadt''. Am häufigsten ist der Fehler in Zeitungen, in kurzen Lebensläufen zumal, die ihre Berichterstatter bei dem ersten Hervortreten, einer Feier oder dem Ableben einer erwähnenswerten Persönlichkeit geben. Nicht immer treiben sie es so toll, wie der der Ostthür. Tribüne: ''Vierundvierzig Jahr alt, wurde Josse 10.10. 1883 zu Simferopol in der Krim geboren''; aber gewiß in neun von zehn Fällen beginnen solche Meldungen nach der feststehenden Formel der beiden folgenden in der Tgl. R. erschienenen: ''Am 11. Nov. 1840 zu Kiel geboren, erhielt Luerssen seine Ausbildung auf der Berliner Kunstakademie. — K. Fröhlich ... feierte gestern geistig und körperlich frisch seinen 70. Geburtstag. 1821 in Stralsund geboren, ergriff er den Beruf eines Buchdruckers''. Wie in aller Welt soll nur der Um- $Seite 354$ stand, daß sie zu der und der Zeit da und da geboren sind, dafür bestimmend gewesen sein, daß der eine gerade in Berlin ausgebildet, der andre Buchdrucker ward? Eben daher stammt das einem andern Gebiete entnommene Beispiel für eine gleich verfehlte Art der Apposition: ''Sitz des Königl. Oberpräsidiums und der Königl. Regierung für die Provinz Schleswig-Holstein und Garnisonort für das Schleswig-Holsteinsche Husarenregiment .... Nr. 16 und zweier Bataillone des Infanterieregiments Nr. 84, ist Schleswig eine friedliche Beamtenstadt mit nur wenigen größern Fabriken''. Ein besonderes Kunststück setzt der Zeitungssatz voraus: ''Im Begriff nach Ravensburg zu fahren, scheute das Pferd des Schultheißen in der Nähe des Rotenbachhofes: schon ehe er abfuhr also scheute sein Pferd an ganz anderm Orte''! Ausnahmslos erscheinen solche falche Partizipien und Appositionen an der Spitze dann mit Recht salopp (§ 314) genannter Sätze und werden so doppelt fehlerhaft; denn die an sich zu solchen Angaben nicht geeignete Fügung tritt auch noch an der Stelle auf, an die andre Satzglieder als das Subjekt überhaupt nur treten dürfen, wenn sie das für den ganzen folgenden Satz maßgebende und wichtigste Glied sind (vgl. oben § 318, 2).