Attribut: KapitelText
Aus Zweidat
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A
Selbst der Superlativ ändert an sich an den Regeln über den Artikel nichts, wenn dieser auch gemäß § 133 dann immer den Artikel vor sich hat, wenn die höchste Stufe zu den anderen in Gegensatz tritt. Wo das nicht der Fall ist, also nur die oder eine sehr hohe Stufe bezeichnet wird (Elativ), ist auch möglich: ''es war lieblichster Frühling, in behaglichstem Frieden, auf bestimmtesten Befehl''. Ja, in adverbiellen Wendungen bedarf selbst der eigentliche Superlativ den Artikel nicht: ''besten-, schlimmstenfalls, bei erster, bester Gelegenheit, nächsten Tag, ... Morgen, nächstes Jahr''. ''Die Vermehrung der Reichseinnahmen bleibt oberstes Ziel des Kanzlers. Ich bekam ein Zimmer in der Buchstraße, nächster Tür mit Kings'' (Eltze). +
Selbst neben Gattungsnamen ist der Artikel undeutsch, wenn durch die Stelle ihrer Verwendung ein hinlänglich deutlicher Hinweis auf das oder die gemeinten Einzelwesen der Gattung gegeben ist. So in der Anrede: ''Mein Herr, meine Herren, Herr N.N''.! Man wird also wissen, was man davon zu halten hat, wenn man im Verkehr hört: ''Guten Tag, die Herren''. Nur im vollen Satze steht in achtungsvoller oder kühler Anrede, von der man das vertrauliche ''mein'' und das so gewöhnlich gewordene ''Sie'' jetzt gern fernhält, das bloße ''Herr'' mit dem Geschlechtswort, ''Herr'' + Titel mit oder ohne dieses: (''der'') ''Herr Hauptmann werden''//1 Vgl. mehr in § 250.//— auch mit Auffassung als 3. Person der Einzahl: ''wird''//2 Über die im Bericht nötige Form vgl. § 250.// — ''gewiß die Güte haben''; (''der'') ''Herr Staatsanwalt werden sich erinnern'', und ohne zweiten Titel nur wie Veit Valentin: ''machen die Herren das Weitere anderswo ab''. +
Mehr als auf Regeln muß man sich freilich oft auf ein lebendiges Sprachgefühl verlassen können, vor allem, um von Verhältniswörtern abhängigen Substantiven den Artikel an den gebührenden Stellen zu geben oder vorzuenthalten. Allgemein neigen feste, altgeprägte Fügungen, mögen sie in allgemeiner Bedeutung gebraucht oder von ihrer häufigen allgemeinen Anwendung auf den einzelnen Fall übertragen sein, mehr zur Weglassung des Artikels; etwelche Abtönung des Begriffes vollends von der heute üblichsten Bedeutung hinweg verstärkt diese Neigung noch. Vielfach ist der Grund der Artikellosigkeit lediglich geschichtlich, und während eine alte Prägung, die seinerzeit ohne Artikel zu bilden natürlicher war, so fortgeführt wird, bedarf daneben, was heute anscheinend ganz entsprechend gebildet wird, des Artikels. So erklärt es sich auch meist, wenn der Artikel, was uns jetzt als Willkür erscheint, nach dem einen Verhältnisworte steht, nach einem andern trotz gleicher Bedeutung wegbleibt.
Der Kaufmann kündigt ein allgemein beliebtes Verfahren an: ''in Postpaket schicken wir''. Man geht ''über Feld, über Land'', d. h. ein Stück auswärts, aber ''auf das Feld'', d. h. auf das eigentliche Feld im engsten Sinne, die (eigene) Ackerflur. Es heißt ''zu Berge fahren, zu Tal eilen'', ganz allgemein, aber auch in Anwendung auf den gegebenen Ort, für den natürlich neuer daneben steht: ''in das Tal steigen''. Man weilt ''am Hofe'' und ''im Hause'', aber nach älterm und auch allgemeinerm Ausdrucke geht man ''zu Hofe, nach Hause'' und ist ''zu Hause, bei Hofe'', wie denn überhaupt besonders viele solcher Fügungen mit den einst vieldeutigeren Wörtchen ''bei'' und ''zu'' und verschwindend wenige mit ''in'' gebildet werden; so steht neben ''mit Ernst'': ''im Ernst'' und ''im Anfang, im Eingang'' neben ''zu Anfang, zu Eingang'' (auch $Seite 126$ ''eingangs''). Einige Beispiele mit ''bei'' sind: ''bei Fuß; bei Geld sein, beileibe, beizeit(en)'': ''bei Fieber, bei Kälte, bei Nacht''; ''beiseite stehn und nehmen'', dies aus der Zeit, wo noch auch der Akkusativ neben ''bei'' stand; ebenso ''in Kauf nehmen''. Noch zahlreicher sind sie mit ''zu'', besonders auch wenn es das Mittel und von älterer Zeit her das Ruheverhältnis bezeichnet: ''zu Wagen, zu Pferd, zu Fuß, zu See, zu Lande'', denen gewiß mit Recht ein Reisender (v. Proskowetz) zum Ersatz für das fremde ''per...'' oder breite ''mit der Bahn'' ein ''zu Bahn'' angereiht hat: dann ''zu Diensten, zu Befehl, zu Gast, zunutze, zu Hilfe, zugute, zufolge'' (auch ''infolge''), ''zu Grabe, zugrunde richten, legen und liegen; zuhanden sein, zu Kopfe steigen, zustande -, zuwege -, in Harnisch bringen'', alles ältere Fügungen, die heute nicht mehr die volle, sinnliche Bedeutung haben, weshalb denn in neuerer Anwendung, in Anpassung an den Einzelfall, alsbald der Artikel eintritt: ''zum Nutzen der Stadt, einem etwas zum Guten auslegen, in der Folge'' (= später), ''zur Folge haben''. Nächst ''bei'' und ''zu'' kann ''an'' am häufigsten ohne Artikel auskommen; man vergleiche ''anstatt'', ''an (der) Stelle eines, an Wert'' und ''im Werte, an Dienstalter'' und ''nach dem Dienstalter'', sogar bei Scheffel: ''die größten an Maß des Körpers; Wer der erste ist an Rang'' (auch: ''im -, nach dem Range''), ''ist es nicht immer an Arbeitsleistung'' (''nach der Arbeitsleistung''); selbst das nicht seltene ''an Mann bringen'' (''Vier Nonnen und die Äbtissin sind noch übrig, welche er dann an einem Maitage an Mann bringt'' (C. F. Meyer), beruht darauf, wenn auch jetzt ''an den Mann bringen'' üblicher ist, weil immer an den einen gesuchten gedacht wird. Bei den Bezeichnungen der Himmelsgegenden ist die Vorherrschaft der artikellosen Form in ihrer Entstehung aus Adverbien begründet: ''in -, nach -, von -, aus Osten'' u. ä., während sie gleich natürlich den Artikel fordern, wenn mit dem jüngeren Substantiv noch jünger das Land dort gemeint ist: ''im Norden'' mit und ohne Genetiv, z. B. ''Europas''.
Die Hauptwörter mit adjektivischen Beifügungen werden im allgemeinen ebenso behandelt wie die ohne Beifügungen.
1. So bleibt die § 134 besprochene Regel für das Aussagewort bestehn, und wie es heißt: ''er ist Maler'', heißt es auch: ''er wurde preußischer Untertan'', ''es ist bekannte Tatsache''. Freilich wenn betont werden soll, daß etwas einen Begriff in seiner ganzen, vollen Art deckt, ihn in seiner ganzen Ausdehnung ausfüllt, dann ist das Geschlechtswort am Platze, und man kann dann ebensogut sagen: ''das ist reiner Luxus'' wie: ''das ist der reine Luxus'', oder schon im 17. Jahrhundert C. Stieler, der Verfasser des „Teutschen Sprachschatzes“: ''es ist die pure, lautere Wahrheit''. Notwendig wird es sogar, wenn dargestellt werden soll, daß jemand Stand oder Gattung in besonderer Eigenart vertritt. Wir vermissen daher den Artikel, wenn Friedrich d. Gr. an Podewils geschrieben hat: ''Werdet ebenso guter'' (statt ''ein — guter'') ''Philosoph als Ihr guter'' (statt ''ein guter'') ''Politiker seid''. +
Gegen die Forderung des Ebenmaßes verstößt es im allgemeinen, wenn bei Vereinigung solcher Wendungen die eine mit, die andere ohne Artikel erscheint, immer vorausgesetzt, daß sachlich gleiche Bedeutung beider Glieder möglich wäre. Also hätte die Augsburger Allgemeine Zeitung nicht schreiben sollen: ''solange ich statt mit Geld mit dem Kredit'', sondern ''mit Kredit zahlen kann''; Bornhak nicht: ''Der Protestantismus wurde von ... Firmian unter Schutz des Kaisers und der Mithilfe der Jesuiten sehr bedrückt''. Überdies wird der Artikel vor ''Schutz'' hier auch durch den Zusatz ''des Kaisers'' nötig; denn wenn ein Hauptwort, selbst eins, das an sich formelhaft ohne Geschlechtswort steht, durch eine Beifügung, sei diese ein Genetiv, ein Infinitiv mit ''zu'' oder ein Satz mit ''daß'', nach seiner Art fest bestimmt $Seite 127$ und umgrenzt wird, drückt sich dieses Verhältnis gewöhnlich im Vorangehen des Artikels aus. Es heißt wohl: ''Habe Gott vor Augen und im Herzen'', auch ''einem etwas vor Augen führen'', in ganz sinnlicher, eigentlicher Bedeutung aber: ''Noch dazu spielte sich der aufregende Auftritt vor den Augen des Königs ab''. Man sagt: ''ein verfallenes Gebäude, ein leck gewordenes Schiff wieder instandsetzen''; aber anderseits wie Koser: ''Der König setzte seinen Unterhändler in den Stand, nötigenfalls auf Oberschlesien zu verzichten''. So hätte denn Zschokke nicht schreiben sollen: ''Er hatte seine Ankunft gemeldet, doch mit Befehl'', sondern ''mit dem Befehl'', ''keinem seine Rückkehr zu verraten'', oder gar doppelt falsch, da ''Wort'' auch weder Begriffs- noch Stoffname ist (§ 133): ''Du hast mir Wort'' (statt ''das'' oder ''dein Wort'') ''gegeben, mein Begleiter zu sein''; auch G. Keller nicht: ''in Zeit einer Stunde'', noch Jensen: ''Sein Äußeres hatte ihm von jeher Zuneigung'', sondern ''die Zuneigung des weiblichen Geschlechts entgegen gebracht''. Ebenso tadelnswert hat H. Kurz geschrieben: ''Der Heliand soll aus Auftrag Ludwigs des Frommen ... verfaßt sein'', und zwei Mitarbeiter der Täglichen Rundschau: ''in Richtung auf Tabora und auf den Gebirgsstock des Kilimandscharo und auf Bitte'' (statt ''auf Bitten'' oder ''die Bitte'') ''des Präsidenten''.
Nur Verbalsubstantive stehn trotz folgenden Genetivs sehr oft ohne Artikel, um so ausschließlicher, je näher sie dem Verbalbegriffe kommen, voran also Wörter auf ''-ung'': ''bei Verwandlung der sonst hier befindlichen Gemeindeplätze in Hausgärten, auf Anordnung der Schutzmannschaft, nach Eroberung der Burg, seit Erbauung der Stadt, seit Beendigung des Krieges, mit Umgehung der Gesetze, mit Benutzung aller gebotenen Hilfsmittel''; aber auch andere Verbalsubstantive: ''bei Vergleich anderer Bücher, nach Verlauf einer Stunde''//1 Bei solchen und ähnlichen Ausdrücken ''wie in Anerkennung seiner Verdienste, in Erwägung der Verhältnisse'' ist der Artikel doppelt störend, weil er noch eine weitere Verbreiterung dieser Ausdrücke herbeiführt, in denen schon das Substantiv überflüssig steht statt der einfachen Präposition: ''nach einer Stunde, für seine Verdienste, bei den Verhältnissen''.//, ''auf Befehl des Kaisers, auf Anraten der Ärzte, von -, durch Hörensagen, unter (mit) Hinweis auf, unter Angabe des Preises''; ganz besonders natürlich in formelhaften Wendungen wie: ''in, aus Rücksicht auf, in Anbetracht, in bezug, in Ermangelung''. Französelnd bleibt trotz der äußerlichen Ähnlichkeit ''in Antwort teile ich mit, erhielt ich die Weisung'', da es dafür von jeher das echt deutsche ''als Antwort'' gab. Selbst bei diesen Verbalsubstantiven kann natürlich wieder der Artikel eintreten, zumal zurückweisend oder hindeutend auf eine bekannte Tatsache: ''seit der Wiederaufrichtung des deutschen Reiches'', oder bei Bestimmung des Substantivs nach einer genau angegebenen Richtung: ''Nur in der Erwägung, daß sonst das ganze Gesetz scheitern könnte, wollten viele Nationalliberale den 3 v. H. zustimmen''. Der Artikel ist sogar allein richtig, wenn ein solches Hauptwort neben seiner Bedeutung einer bloßen substantivischen Form für den flüssigen Inhalt des entsprechenden Verbums, für die der Artikel wenig paßt, noch eine andere, einen bestimmteren, abgeschlossenen Begriff oder Gegenstand darstellende Bedeutung hat und in dieser gebraucht ist. Also heißt es wohl: ''Auf Ver-'' $Seite 129$ ''ordnung des Kultusministeriums wurde auch in den sächsischen höheren Schulen eine Feier des 90. Geburtstages Moltkes veranstaltet'', weil hier ''Verordnung'' den Begriff der Handlung enthält. Wenn aber damit das eine solche Bestimmung enthaltende Schriftstück gemeint ist, sagt man: ''In diesem Falle muß nach der Verordnung des Ministeriums vom 10. März des Jahres 1886 verfahren werden''.
Überhaupt gibt es eine Reihe von Fällen, in denen der Sprache eine Abweichung vom strengen Gesetze der Apposition gutsteht und natürlicher läßt. Zuerst, wenn ein erst in einem abhängigen Fall gebrauchtes Wort späterhin, wohl gar nachdem Sätze dazwischen getreten sind, wiederholt wird, und zwar so, daß sich ein Relativsatz mit dem Relativ, und zwar meist im Nominativ, anschließt: dann kann man es nur natürlich finden, daß das Substantiv in einen Fall mit dem Relativum oder auch ohne die Möglichkeit solcher Anziehung in den bequemsten Fall, den Nominativ, tritt. So stand ganz richtig kürzlich in der Tgl. R. nach der Wiener Korresp.: ''Ganz ebenso steht es mit der Behauptung, die nicht nur im Auslande, sondern selbst in Deutschland hier und da gemacht wird, als ob die guten Beziehungen zwischen Deutsch'' $Seite 235$ ''land und Rußland gelockert seien, eine Behauptung, die erkennbar darauf zielt ...'' +
Noch einen anderen Übelstand rufen die ellenlangen Beifügungen hervor: oft rücken nämlich in ihnen mehrere Verhältniswörter, selbst bis zu vier, hart aneinander, und das natürlich immer so, daß das zum späteren gehörige Hauptwort je durch das vorhergehende von dem seinigen, das des ersten also am weitesten abgetrennt wird. Und doch bleibt es, wenn uns auch die Tagesschriftsteller noch so viel mehr zumuten wollen, eine richtige Beobachtung: mehr als zwei nur durch das Geschlechts- oder ein Fürwort getrennte Verhältniswörter, ja wenn auch noch die Formwörtchen zwischen ihnen fehlen//1 Etwas anders ist der § 163 Anf. berührte Fall.//, schon zwei täuschen uns in der berechtigten Erwartung schnellen Überblicks und verletzen unser Ohr aufs empfindlichste, leicht erklärlicher Weise. Das Verhältniswort kündigt das Verhältnis eines bekannten Gegenstandes zu einem anderen an: aber noch ehe dieser genannt oder erkannt wird, schiebt sich, zum Teil gleich unerkennbar, immer ein neues Verhältnis nach dem andern dazwischen. Wenn vollends auch noch gleiche Formen des Artikels oder gar die gleichen Verhältniswörter mit der gleichen Artikelform wiederkehren, so wird neben der Forderung der Klarheit auch der des Wohlklangs doppelt Hohn gesprochen. Wer fühlte das nicht beim Lautlesen solcher Schachtelungen: ''In bezug auf die von der von der Verwaltung der britisch-afrikanischen Seengesellschaft veröffentlichten Depesche berichteten Ausschreitungen''. Den vielen Beispielen, die Andresen auch aus der Feder von Gelehrten beibringt, sei ein neues bei Bobertag hinzugefügt: ''die zuletzt erwähnte Ausgabe kennzeichnet sich durch ein Verzeichnis von in der von 1642 korrigierten Druckfehlern''. Zeitungen bringen es gar bis zu vier einander folgenden Verhält- $Seite 259$ niswörtern; vgl. außer der Leistung oben am Kopfe: ''in dem gegen ihn von einem durch das Überströmen des Wassers des Godesberger Baches auf seine angrenzenden Immobilien geschädigten Eigentümer angestrengten Prozesse''. Das schönste Beispiel bleibt freilich die Überschrift einer alten Predigt, die Götzinger für die — ewige Lächerlichkeit gerettet hat: ''von der an dem bei der in dem Dorfe Lerche entstandenen unglücklichen Feuersbrunst geretteten Ziegenbocke erwiesenen Gnade Gottes!''
Zweifelsohne ist die bloße Anreihung aus dem Bedürfnis hervorgegangen, das nach der Abstumpfung des Gefühls für das Genetivverhältnis ganz natürlich war: aus dem Bedürfnis, das Hauptwort, das man sich in einer scheinbar absoluten Form mit allen andern Fällen des regierenden Begriffes in Übereinstimmung dachte, auch im Dativ darein zu versetzen. So wird man also die Fügungsweise für die gewöhnliche und nicht sorgfältige sowie auch für die Schriftsprache zugestehn müssen, soweit sie dem Gebaren der Geschäftssprache folgen muß, und zwar gleichmäßig auch in anderen Fällen für die dem Sammelnamen folgenden substantivierten Eigenschaftswörter so gut als für die Hauptwörter mit Attributen, zumal wenn die Sammelnamen nur die geschäfts- und gewohnheitsmäßige Zusammenfassung solcher Stoffe und Einzeldinge bezeichnen. So fand sich auf einer Seite des Zittauer Amtsblattes: ''300 000 Stück Dachziegel, eine Sendung hochstämmige Rosen, 1000 Stück rotbuchene Felgen und eichene Speichen, 3000 Kubikmeter fichtene, tannene und kieferne Bretter'', und vereinzelt steht z. B. sogar schon bei Scheffel: ''ein Dutzend neue Mönchsgewänder, es blitzte ein Stück blauer See und gegenüberliegendes Wald-'' $Seite 176$ ''gebirge herein''. Als volle Deklinationsreihen aber ergeben sich aus zahlreichen Einzelfällen etwa diese: ''ein Fuder österreichischer Wein'', Gen.: ''eines Fuders österreichischer Wein'', Dat.: ''samt einem Fuder österreichischem Weine'' (auch ''österreichischer Wein''), Akk.: ''ein Fuder österreichen Wein''; Femininum: Nom. u. Akk.: ''eine Wagenladung schlesische Steinkohle'', Gen.: ''der Preis einer Wagenladung schlesische Kohle'', Dat.: ''aus einer Wagenladung schlesische''[''r''] ''Kohle''; Neutr.: Nom. (u. Akk,): ''ein''(''en'') ''Scheffel vorjähriges Korn''; Gen.: ''der Preis eines Scheffels vorjähriges Korn'', Dat.: ''aus einem Scheffel vorjährigem'' (auch ''vorjähriges'') ''Korn''. Mehrzahlen: Nom. u. Akk.: ''ein Paar wollene Strümpfe'', Gen.: ''der Preis eines Paar''(''e'')''s'' wollene Strümpfe'', Dat.: ''mit einem Paar wollenen Strümpfen. — Ein Zug Freiwillige, an der Spitze eines Zuges Freiwillige''(''r''), ''mit einem Zuge Freiwillige''(''n'')''. In Worte gefaßt will das sagen: Während neben dem Genetive des Sammelnamens das abhängige Wort zur Vermeidung der der Sprache so vielfach unbequemen Vereinigung mehrerer Genetive, solcher auf -(''e'')''s'' zumal, in der Einzahl gewöhnlich, in der Mehrzahl oft im Nominative stehenbleibt, wird neben dem Dative auch an ihm der Dativ der Ein- wie Mehrzahl gewöhnlich noch zum Ausdrucke gebracht. Dieses Verfahren wird noch begünstigt durch die Abschleifung von Maß- und Zahlsubstantiven zu bloßen (unbestimmten) Zahl- und Fürwörtern: ''zwischen den paar Dutzend kleinen und großen deutschen Monarchen''; ''sie bewirteten ein paar rauhe Schotten steht'' z. B. bei Eltze (vgl. § 104); und besonders kommt in Frage der Ausdruck eine Art, wenn er sich der Bedeutung „gewisser", „gewissermaßen“ nähert: ''eine Art Hofmarschall, zu einer Art Größe'';'' Die Kunst ruht auf einer Art religiösem Sinn'' (Goethe), ''in einer Art idealem Egoismus'' (L. Corinth). Wie danach K. Groths aus einer Art geschmacklosen oder doch unbegründeten Formensinn zu verbessern ist, so war in dem Satze Th. Manns: ''Die Politik fällt mehr und mehr einer Art von rhetorischen Verpöbelung anheim der starke Wemfall rhetorischer nötig, gleichviel ob mit oder ohne von''. Auch wird man es nicht billigen, wenn Eltze geschrieben hat: ''nach einem Augenblick Besinnen'' (statt [''des''] ''Besinnens''), weil hier kein Stoffname und keine formelhaft feste Fügung vorliegt.
Zu den größten irdischen Freuden des Papiermenschen gehören die sogenannten Gänsefüßchen. Der Schulmeister, der auf Verständnis rechnen kann, wenn er dem Achtjährigen zum erstenmal in die Feder diktiert: ''der Vater fragte — Doppelpunkt — Gänsefüßchen unten — wo bist du gewesen, Max — Fragezeichen — Gänsefüßchen oben —, hat das stolze Gefühl, daß er seinen Zögling zu einer der wichtigsten Entwicklungsstufen seiner Geistesbildung emporgeführt habe.'' Aber nicht bloß Schulmeister und Schulknaben, auch andre Leute, z. B. Romanschriftsteller, haben an diesen Strichelchen eine kindische Freude; es gibt Romane, in denen man vor lauter Gänsefüßchen fast nichts vom Dialog sieht. Ein Hochgenuß beim Lesen ist es, wenn ''Er'' immer mit zweien (,,—"), ''Sie'' immer mit vieren (,,,,—"") erscheint; dann flimmert es einem förmlich vor den Angen.
Die Gänsefüßchen sind, wie der Apostroph (vgl. S. 7), eine jener nichtsnutzigen Spielereien, die — es steht nicht fest, ob durch den Schulmeister oder durch den Druckerei- $Seite 250$ korrektor eigens für die Papiersprache erfunden worden sind. Wenn jemand einen Roman vorliest, so kann er doch die Gänsefüßchen nicht mitlesen. Und doch versteht ihn der Zuhörer. Wozu schreibt und druckt man sie also? Einen Zweck haben sie nur da, wo man Wörter oder Redensarten ironisch gebraucht (um sie lächerlich zu machen), oder wo man mitten in seine eigne Darstellung eine Stelle aus der Darstellung eines andern einflicht.//* An den Leipziger Pferdebahnwagen war am Hintertritt folgender Satz mit Gänsefüßchen (!) angeschrieben: ''„Dieser Platz des Hinterperrons bleibt frei."'' Offenbar war der Satz ein Zitat. Aber woher? Büchmann gibt keine Auskunft.// Aber auch da sind sie überflüssig, wenn diese Stelle in fremder Sprache oder in Versen ist, sich also schon durch die Schriftgattung (Antigua, Kursiv, Petit) von dem übrigen Text genügend abhebt. Ebenso überflüssig aber und nichts als eine Spielerei sind sie bei Namen und bei Überschriften und Titeln von Büchern, Schauspielen, Opern, Gedichten usw. Wenn man sagt: ''der Kaiser hat eine Reise auf der Hohenzollern gemacht'' — so versteht das doch jedermann, und ebenso wenn man sagt; ''der Vers ist aus Goethes Iphigenie.'' Manche Lehrer behaupten zwar, die Iphigenie ohne Gänsefüßchen sei die Person des Schauspiels, die Iphigenie mit Gänsefüßchen sei das Schauspiel selbst; kann man denn aber in der lebendigen Sprache diese Unterscheidung machen?
Das ärgste ist es und eine der abgeschmacktesten Erscheinungen der Papiersprache, wenn Titel und Überschriften wie Versteinerungen behandelt werden, und geschrieben wird: ''die Redaktion des „Wiener Fremdenblatt,"'' und ebenso nach Präpositionen: ''Vorspiel zu „Die Meistersinger" — Ouvertüre zu: „Die Fledermaus" — einzelne Bilder aus „Der neue Pausias" — Bemerkungen zu Goethes „Der getreue Eckardt" — erweiterter Separatabdruck aus „Der praktische Schulmann" — diese Aufsätze haben zuerst in „Die Grenzboten" gestanden'' usw. Jedermann sagt: ''ich bin gestern abend in der Fledermaus gewesen, der Vers ist aus dem Neuen Pausias, ich habe das im Praktischen Schulmann gelesen, die'' $Seite 251$ ''Aufsätze haben in den Grenzboten gestanden.'' Versteht man das nicht? Wenn mans aber mit den Ohren versteht, warum denn nicht mit den Augen?
Einige Verlegenheit bereiten ja die jetzt so beliebten Zeitungs- und Büchertitel, die, anstatt aus einem Hauptwort, aus einer adverbiellen Bestimmung bestehen, wie: ''Aus unsern vier Wänden, Vom Fels zum Meer, Zur guten Stunde, Von Stufe zu Stufe'' u. ähnl. Hoffentlich wird die Mode, solche Titel zu bilden, mit der Zeit wieder verschwinden; sie sind beim Sprechen eine Qual. Jedes natürliche Sprachgefühl sträubt sich doch dagegen, zu sagen: ''ich habe das in Vom Fels zum Meer gelesen.'' Aber immer dazuzusetzen: ''in der Zeitschrift'' — was schließlich das einzige Rettungsmittel ist, ist doch zu langweilig.
Die Forderung, daß die Ableitung den Stamm des Grundwortes möglichst ungetrübt enthalten muß, darf nicht zu wörtlich genommen werden, wie das häufig bei Ableitungen von Wörtern auf ''-auer, -euer'' und -''euel'' geschieht. Da in diesen das ''e'' nämlich nur der silbenhaften Aussprache des ''r'' und ''l'' im Auslaute dient, sollte es wieder schwinden, sobald diese Buchstaben beim Antritt einer vokalisch anfangenden Endung wie ''ig, ung, er'' in den Silbenanlaut treten. So ist also neben ''teuer'' nur ''teurer'', ''Teurung'', ''Verteurer'' berechtigt, wie ähnlich nur ''feurig, Feurung, Neurung, Steurung, Steurer, schaurig, übrig''. Auch ''greulich, adlig, Vöglein'' (nicht ''Vögelein'') sind, von der Seite der Aussprache betrachtet, heute ebenso zu beurteilen. Nicht nötig, sondern nur gestattet, oft freilich geradezu empfehlenswert ist es, auch in Ableitungen von anderen Wörtern auf ''-er'' und ''-el'' das ''e'' schwinden zu lassen; nur dürfen dadurch keine Konsonantenverbindungen entstehen, die für das Ohr beleidigend und der Zunge unbequem werden. Während man also aus solcher $Seite 8$ Rücksicht z. B. ''ein mördrisch, rechthabrisch, befehlrisch'' vermeidet, wird man z. B. in den folgenden Wörtern die kürzere Form vorziehen: ''grobfaserig, rechtwink(e)lig, hochschult(e)rig, hung(e)rig''; ja, die nämlichen Verhältnisse, die ''Teurung'' fordern, sind es im Grunde auch, die ''heidnisch, himmlisch, teuflisch, stachlig, klebrig'' alleinherrschend gemacht haben; C. F. Meyer sagt sogar: ''ein einzler Rufer''. +
Ganze Silben dagegen bei der Ableitung zu opfern, geht heute nicht mehr an. Freilich ''morgig'' z. B. (statt des nicht gebräuchlichen ''morgenig'') hat infolge vierhundertjährigen Alters gleiche Berechtigung wie das bei den Klassikern herrschende ''morgend'', das manche solche nur scheinbare Partizipialform neben sich hat. Ganz verwerflich dagegen ist ''nebig'' statt ''nebenstehend'', da es von keinem ''neb'' gebildet sein kann, wie ''obig'' tatsächlich von ''ob'' (''ob der Ens''). Dagegen rechtfertigt sich die Form ''Zauberin'', ''Wucherin'', ''Erneuerin'' statt ''Zaub(e)rerin'' usw. durch die Rücksicht auf den Wohlklang; und allein zulässig ist die Form ''Einzelheit, Einzelhaus'', da das ''n'' von ''einzeln'' nur das Dativzeichen der Mehrzahl, also nicht stammhaft ist. In weit überwiegender Zahl sind auch die Ortsnamen auf ''-en'' Wem-Fall der Mehrzahl, und in älterer Zeit sind daher auch von diesen Namen die ihrer Bewohner oft nur auf die einsilbige Endung ''-er'', nicht die zweisilbige ''-ener'' gebildet worden, wie ''Bremerhaven, Bingerloch, Embder Hafen, Eisleber Aktien, Erlanger Bier, Barmer Kattune'' oder Schillers Form: ''die Antwerper'' neben heutigem ''Antwerpener'' bezeugen. Jetzt werfen bei solchen Bildungen meist nur die Namen auf ''-ingen'' und ''hausen'' ihr ''-en'' ab: ''Eßlingen'' — ''Eßlinger Bote''; ''Babenhausen'' — ''Babenhauser'', ''Frankenhausen'' — ''Frankenhäuser'' gegenüber vereinzeltem ''Fischhausener''. Überhaupt war die kürzere Bildung um so unbedenklicher, je länger der Name war, und daher wohl ''Mühlhäuser Fabrikate'', aber nicht auch ''Hauser'', sondern nur ''Hausener Kirchturm'' angängig. Heute scheidet man gewissenhaft ''Fünfkirchener, Engkirchener'' von: ''Neukircher'', das von ''Neukirch'' abgeleitet ist, und bildet auch durchaus ''Ludwigshafener, Cuxhavener'', und vollends von zweisilbigen Namen wie ''Gießen, Verden, Baden'' durchaus: ''Gießener, Verdener, Badener'' (neben älterem ''Wiesbader''//1. Vgl. O. Behaghel i. d. Zeitschr. des Allgem. Deutschen Sprachvereins, 1904, Nr. 1, S. 8—10.//
Einige Ableitungssilben, mit denen jetzt besonders häufig Mißbrauch getrieben wird, sind ''-ung, -heit'' und ''-keit, -isch, -ig, -lich'' und die halb fremden ''-ei, -ieren, -aner'' und ''-enser''.
Bedenkliches vermeidet man am bequemsten durch Wahl des Wörtchens ''für'', das bei seiner Fähigkeit, die Verwendung für, zu etwas, die Geltung für einen bestimmten Kreis zu bezeichnen, dazu besonders geeignet ist, ohne daß damit gesagt sein sollte, daß andere Verhältniswörter nicht gelegentlich auch aushelfen könnten. Unbedingt falsch ist das häufig genug gemeldete ''Einführungs- oder Ausfuhrverbot von Rindvieh'' u. a., richtig dagegen die Form der Tägl. R.: ''die Aufhebung des Einführungsverbotes für'' ... und ein andermal ''gegen amerikanisches Schweinefleisch''. Die von Andresen mit Recht getadelten Verbindungen ''Eintrittsbedingungen in das Institut, Erinnerungsworte an Fr. Diez'', die also an einen Gestorbenen gerichtet wären, ''Verdeutschungsbuch der in unserer Sprache gangbaren Fremdwörter, Eröffnungstag der neuen Hochschule, Einverufungstermin des Parlaments, Gedenktag an ein Ereignis'' werden alsbald wenigstens erträglich, wenn statt des Genetivs oder der nur zu den Bestimmungswörtern passenden Wörtchen ''in'' und ''an'' zur ganzen Zusammensetzung eine passende Fügung gesetzt wird. Statt ''ein Denkzeichen an die Zeit Napoleons'' (Timm Kröger) muß es heißen: ''aus der Zeit N.s''. oder statt ''ein Gedenk- und Erinnerungsbuch an die Jahrtausendfeier: von der J''. +
Eine schlimme Krankheit des papiernen Stils, die schon im 15. Jahrhundert und auch bei den Klassikern //1 Vgl. hierüber Merkes, Beiträge zur Lehre vom Gebrauche des Infinitivs im Nhd. 1891, S. 72 ff., der Sätze, in denen das Hilfsverb neben modalen Hilfszeitwörtern ausgelassen ist, geradezu Lessingsätze nennt.// noch umging, die Weglassung des Hilfsverbs im Nebensatze, hat heute wieder einen unglaublich hohen Grad erreicht. In einem Aufsatze von K. E. Franzos in der Neuen Freien Presse 10. 3. 82 war es nur — einmal gesetzt und — fünfunddreißigmal weggelassen, und zwar auch die Formen ''haben, hätte(n), wäre(n)''. Eine maßvolle Weglassung des eigentlichen verbalen Hilfszeitwortes mag man wohl dulden besonders in den Formen ''ist, sind, war(en), hat, hatte(n)'', solange keine Unklarheit entsteht und dadurch die Häufung solch gleicher Formen vermieden, also der Wohlklang erhöht wird. Der folgende Satz flösse dagegen mit dem eingeschalteten (''war'') gewiß glätter: ''Unter diesen Umständen übernahm mein Mitarbeiter, Schauspieler Schirmer, der inzwischen nach Berlin zurückgekehrt (war), eine Rolle in dem Stücke, um'' usw. (Z.). Vollends im Konjunktiv sollten die Formen nicht weggelassen werden, am allerwenigsten im Bedingungssatze, wo die Konjunktivform des Hilfszeitwortes die einzige Andeutung der Art des Bedingungsverhältnisses ist. Der Satz bei Goethe z. B.: ''Der Freund tat sich höchlich darauf zugute, daß alles so wohl gelungen und ein Tag zurückgelegt sei, dessen Eindrücke weder Poesie noch Prosa wiederherzustellen imstande'', ist durchaus nicht anstößig, weil das des Wohlklangs wegen weggelassene ''sei'' aus dem vorangehenden ''sei'', mit dem es denselben Dienst zu leisten hätte, Andeutung der indirekten Rede, leicht herausklingt, wie überhaupt Goethe im allgemeinen solche Konjunktive nur wegläßt, wenn eine gleichartige Form vorangegangen ist; ermöglicht doch solche Gleichheit der Form bei leichter Übersicht selbst die Weglassung eines anderen Zeitwortes zumal an erster Stelle: ''die Welt, die sich nach ihm, wie er nach ihr sich sehnt''. Um so bedenklicher ist der Satz Goedekes: ''Goethe konnte sich innerlich nicht mit ihr befreunden, so wenig wie mit Elise von der Recke, die im Oktober 1789 in Weimar war'' — man muß nach dem Vorangehenden ergänzen: ''er sich hat befreunden können'', und empfindet es unangenehm, daß einem vielmehr zugemutet wird, ohne Andeutung zu verstehn: ''sowenig er sich mit E. v. d. R. würde haben befreunden können''; denn es geht weiter: ''falls er sie gesehen hätte''. Sodann ist, was für ''ist'' und ''war'' als Hilfszeitwörter innerhalb bestimmter Grenzen zulässig ist, nicht auch für das Satzband ist (war) neben adjektivischen, adjektivisch-partizipialen und substantivischen Satzaussagen gültig, und vor allem nicht auch für den Hauptsatz, ausgenommen die Sprichwörter und einzelne Formeln, ''wie schade, daß'' (statt ''es ist schade, daß''); ''kein-, was Wunder, daß''; ''merkwürdig wie'' oder ''daß''; ''möglich-, vielleicht -, kaum -, daß''; ''glücklich, wer''. Aber Sätze, wie die folgenden in der Tagesliteratur häufigen, sollten lieber nicht nachgeahmt werden: ''Ihr'' $Seite 102$ ''Berichterstatter empfing den Eindruck, daß diese noch junge Bewegung, so sehr ihr noch die Merkmale gärender Unruhe eigen'' (fehlt: ''seien''), ''in hoffnungsvollen Anfängen steht. Daß Abgangsprüfungen nicht zu umgehen, das versteht sich von selbst''. Selbst die Absicht, durch Weglassung eines solchen ''ist'' oder ''war'' am Schlusse eines Nebensatzes das Zusammentreffen mit der gleichen Form am Anfange des nächsten Satzes zu vermeiden, entschuldigt nicht. Der Satz der Bonner Zeitung z. B.: ''Was gewiß, ist soviel, daß jener seinerseits geflohen ist'', war vielmehr anders zu formen: ''Gewiß ist soviel, daß''.
Der umstrittenste, schwierigste, nahezu hoffnungslose Abschnitt der deutschen Sprachlehre ist der über die beste Aussprache. In den andern großen Bildungsländern ist diese Frage längst sehr einfach gelöst: die Aussprache der Gebildeten der Hauptstadt gilt für die beste, jedenfalls für die maßgebende. Dabei ist der wirkliche Sprach- und Aussprachezustand in England, Frankreich, Italien, Spanien derselbe wie in Deutschland: zahlreiche Mundarten und sehr verschiedene Aussprachen der Schriftsprache je nach den Landschaften. In Deutschland aber gibt es keine für mustergültig erklärte oder gehaltene Aussprache der Reichshauptstadt; im Gegenteil, das Berlinische wird selbst von den Berlinern nicht besonders gerühmt, und der Anspruch Hannovers auf die beste Aussprache wird vom übrigen Deutschland zurückgewiesen, nicht ohne Grund.
Ich behandle diese Frage hier nur, soweit ein Bedürfnis empfunden wird, die Mängel einer landschaftlichen Aussprache da abzulegen, wo sie unerfreulich, ja lächerlich wirken würden: im öffentlichen Leben, in der Sprache für große Hörerkreise, also auf der Bühne, im Vortragsaal, auf dem Lehrstuhl, der Kanzel, im Reichstag. Im Vaterlande sprich, wie dir's gefällt, — um ein Wort Goethes vom Schreiben anzuwenden; in der heimatlichen Landschaft mag jeder ruhig seiner überkommenen Aussprache treu bleiben. Goethe hat bis ins höchste Alter bei Erregungen gefrankfurtert, Schiller im gemütlichen Gespräch geschwäbelt, Richard Wagner gesächselt. Es fällt mir nicht ein, an irgendeiner landschaftlichen Aussprache schulmeisternd zu mäkeln, wie ich mir auch nicht einbilde, daß meine, die aus Pommern stammt, durch ein langes Leben in Berlin auf den Gipfel der Vollkommenheit gestiegen sei. Das Einzige, was an dieser Stelle urteilend zu sagen ist kann sich nur beziehen auf wohlbekannte Eigentümlichkeiten, die nicht für berechtigt gelten dürfen, über den Hei- $Seite 80$ matkreis hinaus vorbildlich zu werden. Des Berliners ''a'' statt ''er'' am Schluß der Wörter (''Vata, Mutta, länga''); seltn ''ch'' statt ''r'' vor harten Mitlautern (''gewachtet'' statt ''gewartet''); sein berüchtigtes ''j'' statt ''g'' (''Eine jute jebratene Jans is eine jute Jabe Jottes'') sind dem gebildeten Reichshauptstädter selbst als Fehler bewußt, werden aber darum noch nicht abgelegt. Auch der Sachse weiß sehr wohl, daß sein ,''Heern se, scheene, nu äben''' nicht beste Aussprache ist, so gut wie der Mainfranke, daß ''oi'' statt ''ei'' nicht geeignet ist, deutsche Gemeinsprache zu werden. Nur in Hannover, Hamburg, Bremen begegnet man zuweilen der Ansicht, die dortige Aussprache des ''st'' sei die beste, müsse ja die beste sein, denn — sie entspreche genau der Schreibung, also: ''sprechen'' wie ''ßprechen'', ''Stube'' wie ''Sztube''. Die Wahrheit hat zu lauten: die Schreibung ''sprechen'', ''Stube'' gibt die ehemals allgemein herrschende Aussprache im Niederdeutschen wieder; die hochdeutsche Aussprache war von jeher ''schprechen'', ''Schtube'', trotz der Schreibung mit ''sp, st''. Es gibt aber einen zwingenden Beweis, daß die nordwestdeutsche Aussprache nicht die beste, jedenfalls nicht die zur Gemeingültigkeit berufene ist: auf den Theatern in Hannover, Hamburg, Bremen wird nur ''schprechen'', ''Schtube'' gesprochen, und die Aussprache ''ßp, ßt'' würde von den sonst dafür eingenommenen Bewohnern jener Landschaften selber als unmöglich empfunden werden.
Soll und kann eine beste Aussprache des Deutschen überhaupt erreicht werden, dann wohl nur durch die der Bühnen. Hier wird ein über den Mundarten stehendes Deutsch mit Recht erwartet, weil die dramatische Dichtung gemeindeutsch, nicht landschaftlich sein soll, auch nicht ist. Lessings ''Minna'' ist weder sächsisch noch berlinisch, Goethes ''Faust'' nicht fränkisch, Schillers ''Räuber'', ''Kabale und Liebe'' nicht schwäbisch. Dazu kommt die Freizügigkeit des Schauspielerstandes, die eine gewisse künstliche Einheitlichkeit der Aussprache fordert und fördert. Soweit also auf die Aussprache des Deutschen bessernder Einfluß geübt werden kann, wird er nur von der vorbildlichen Geltung der Bühnensprache ausgehen, und in neuerer Zeit hat man mit Ernst und Eifer versucht, eine anerkannte Bühnenaussprache durch Sichtung und Hervorhebung zu schaffen. Gegen die vorläufigen Ergebnisse jener Arbeiten, die in dem Buche ,Deutsche Bühnenaussprache' von Theodor Siebs niedergelegt sind, haben sich aus wissenschaftlichen $Seite 81$ Kreisen Widersprüche erhoben; doch sind einige Hauptregeln zur Geltung gelangt und mögen hier aufgeführt werden — nicht als unbedingte Vorschriften für jedermann, aber als erwägenswerte Winke für einen sprachlich wichtigen großen Berufskreis. Es soll lauten: ''der Könich, des Könichs, die Könige, köniklich, Könikreich, befriedicht, ewich, ewiges, Ewichkeit, freudich''; ''g'' nach langem Selbstlaut wie schwaches ''k'', also ''Tag'' = ''Tak''. ''Lañgsam'', nicht ''lanksam''; ''Gefäñgnis'', nicht ''Gefänknis''; ''Diñg'', nicht ''Dink''; ''riñgs'', nicht ''rinks''. Landschaftliche Eigen- oder Unarten wie sächsisches ''j'' = ''ch'' (''cha'' statt ''ja''), pommersches ''f'' statt ''p''f (''Ferd'', ''Feife''), schwäbisches ''weischt'' statt ''weißt'' sind abzulegen; desgleichen das süddeutsche lange ''i'' in Wörtern wie ''Fisch, bitten''. Das ''h'' wird nur im Anlaut gesprochen (''Haus''), ist im Inlaut ebenso stumm wie im Auslaut, also ''ruhig'' wie ''ruig'', ''Ehe'', ''Wehe''wie ''Ee'', ''Wee''.
Hierzu sei noch bemerkt: der Westpreuße achte auf seine mehr italienische als gemeindeutsche Aussprache des ''ei'' wie ''e i''; im Bühnendeutsch unterscheidet sich ''ei'' nicht von ''ai''; der Westfale, der ''S .. chinken'' oder ''Skinken'' spricht, soll wissen, daß ''sch'' ein einfacher Laut ist. Die Aussprache ''ölf'' statt ''elf'', die man vielfach in Norddeutschland hört, gilt nicht für gut, und ''Kürche'' statt ''Kirche'' ist offenbar schlecht.
Ferner sei nachdrücklich gewarnt vor der durch nichts zu rechtfretigenden, nur durch den Einfluß der Ausländerei zu erklärenden Aussprache des ''v'' in deutschen Eigennamen mit ''w''. Es heißt nicht ''Wilmar, Warnhagen, Warnbühler, Wirchow'', sondern ''Filmar'' usw. Ein deutscher ''Eugen'' soll nicht zu halbfranzösischem ''Euschen'' (z. B. ''Euschen'' Richter) werden.
Beim Schreiben sind unnötige Härten zu vermeiden. ''Du reitest'' ist besser als ''du reitst''; ''des Herbsts, des Firsts, des Propsts'' sind durch ''Herbstes'' usw. zu schmeidigen; der Zweitfall von ''das Deutsch'' darf unbeschadet der Sprachlehren ''des Deutsch'' heißen. Vor dem angeblichen Übelklang von Steigerungsformen wie ''malerischste, künstlerischste'' braucht sich niemand zu scheuen; in andern Sprachen gibt es noch viel üblere Klänge.
Es ist nicht unbedingt verboten, zwei gleiche Wörter unmittelbar aufeinander folgen zu lassen; der gute Schreiber wird es aber aus mehr als einem Grunde vermeiden: das Auge empfindet es als unschön, das Ohr meist als nicht schön. ,''Er weigerte sich, sich in den Garten zu begeben''' ist nicht falsch; $Seite 82$ aber äußerliche Richtigkeit ist noch nicht das höchste Ziel des Schreibers. Für den Sprachmeisterer mit dem unzweifelhaft allerbesten Geschmack, nämlich dem seinigen, liegt selbst in ''die die'' die eitel Wohllaut.
Alle eigenbrötlerische Schnurrpfeifereien sind abzulehnen. Benedix verlangte, man solle zwischen ''f'' und ''v'' einen Unterschied machen, ''v'', z. B. in ''Vater'', etwas weicher sprechen. Hiergegen ist ein Wort wie Torheit fast zu milde.
Haarfeine Wiedergabe schwieriger Aussprachen von fremden Eigennamen ist überflüssig. Die Ausländer begnügen sich mit beliebiger Aussprache deutscher Namen, oft mit kaum annähernd richtiger; und wenn es auch der deutschen Auffassung mit Recht zuwiderläuft, aus ''Goethe'' einen französischen ''Goètt'', aus ''Blücher'' einen englischen ''Blutscher'' gemacht zu hören, so ist es wirklich nicht deutsche Ehrenpflicht, sich ängstlich um die echteste Wiedergabe gleichgültiger englischer Namen zu bemühen. Es genügt, wenn wir die weltberühmtesten Menschen annähernd richtig oder nach irgendeiner gebräuchlichen Aussprache benennen: an ''Zervantes'' und seinem ''Donkischott Viktor Hugo, Donjuan'', deutsch gesprochenem ''Robinson'' braucht niemand Anstoß zu nehmen. ''Kiautschou'' zu schreiben und uns um die unmögliche deutsche Aussprache dieser undeutschen Schreibung zu sorgen, ist überflüssig; es wird ''Kiautschau'' gesprochen, muß also auch so geschrieben werden. Und selbstverständlich ist für uns Deutsche durch den gehässigen Befehl eines ehemaligen Zaren aus ,Petersburg' nicht ''Petrograd'' geworden, wie es auch nicht ,eigentlich richtig' ''Pjättjrburk'' gesprochen zu werden braucht. Im Weltkriege haben Millionen deutscher Männer ''Ferduhn'' (''Verdun'') gesprochen, und wer das zu belächeln wagte, der wußte hoffentlich nicht, was er damit beging.
Wollten wir allen berühmten Namen des Altertums ihre ,richtige' Aussprache geben, so müßten wir sie fast alle anders als jetzt sprechen. ''Caesar'' und ''Cicero'' dürften nicht ''Zäsar'' und ''Zizero'' gesprochen werden; die Hamburger, die über ''Thália-Theater'' als ein Zeichen der Unbildung lachen wissen nicht, daß dies die richtige griechische Betonung ist, wie es auch ''Chäróne(i)a'' und ''Achíll(e)ion'' heißen muß, was selbst manche Altsprachler nicht wissen. Es gibt wichtigere Dinge im Deutschen zu lernen als dieses fremde Nebenwerk.
Die beiden Wörtchen ''außer'' und ''statt'' sind zugleich Verhältnis- und Bindewörter. Abgesehen von der bekannten Verbindung ''außer Landes'' und von der Verwendung neben den Verben ''setzen'' und ''stellen'' in übertragenem Sinne, wie ''außer Stand -, Tätigkeit setzen, außer allen Zweifel'' oder ''Streit setzen'' oder ''stellen'', ''außer dem Zusammenhang gesetzt'' hat ''außer'' als Verhältniswort durchaus den Dativ bei sich, mag es nun räumlich oder zur Bezeichnung eines Zustandes gebraucht sein oder soviel bedeuten wie: ''ausgenommen, noch dazu, darüber hinaus'': ''außer Bett(e) sein, außerstande; Außer hohem Lohne wird auch gute Behandlung zugesichert''. Am häufigsten kommt ein Verstoß vor in der 1. und 2. Person der Einzahl von Verben wie: ''außer sich sein, ... geraten, jemand außer sich bringen'', bei denen man in den unveränderten Formen ''sich, uns'' und ''euch'' den dem Akkusative gleichen Dativ nicht mehr scharf empfindet und so auch von ''ich'' und ''du'', deren Akkusativ und Dativ noch scharf geschieden sind, fälschlich den Akkusativ setzt:'' Er bringt mich außer mich'' (statt ''mir'').'' Hüte dich, je außer dich'' (statt ''dir'') ''zu kommen''! Gleich entschieden verlangt ''anstatt'' oder ''statt'' als Verhältniswort den Genetiv: ''das Bethaus ist eine Kirche statt der beabsichtigten Kapelle geworden. Er will dem Buchhändler das Werk anstatt deiner (meiner, euer) abnehmen''. — Wenn die beiden Wörter Konjunktionen sind, außer in der Bedeutung ''nur, ausgenommen, darüber hinaus'', wird auch die Fügung der durch ihr Vortreten als ausgenommen oder hinzukommend und vertreten bezeichneten Personen oder Gegenstände durch die Fügung des ganzen Satzes mitbestimmt; d. h. diese treten in das nämliche Abhängigkeitsverhältnis wie die Wörter, zu denen sie in Beziehung stehen (ihre Beziehungswörter). ''Außer'' und ''(an)statt'' werden aber am besten immer dann als Bindewörter gebraucht, wenn ihre Beziehungs-, also auch die von ''außen'' und ''anstatt'' abhängigen Wörter schon von einer anderen Präposition abhängen, ''anstatt auch'', wenn sie im Dativ stehen: ''statt dem Auskunft Suchenden hat der Vertreter diese dem Kaufmanne N. selbst zugeschickt, über den sie eingeholt wurde''. — ''Homer würde selbst die Gemälde ebenso ausgeführt haben, wenn er anstatt mit Worten mit dem Pinsel gemalt hätte''. Wer fühlte diesem Les- $Seite 148$ singschen Satze gegenüber nicht der folgenden Übersetzung eines Taciteischen eine gewisse Gewaltsamkeit an? ''Alle ihre Stärke beruht auf dem Fußvolke, das sie außer Waffen noch mit Eisengeräten und Mundvorrat beladen'' (statt ''außer mit Waffen oder dem sie außer Waffen noch Eisengeräte aufladen''). Freilich läßt sich nicht leugnen, daß diese sachlich gewaltsame, formell bequeme Fügung nicht so selten ist; auch der Reisende Ehlers sagt z. B.: ''Die Musik besteht außer der nie fehlenden großen Trommel aus einer Anzahl von Flaschenkürbissen''. Auch ist das schließlich leicht erlkärlich, weil bei dem in gleichem Sinne gebrauchten ''neben'' immer nur der zu diesem gehörige Dativ steht: ''Die Zuteilung fand hauptsächlich neben römischen Veteranen an Gallier statt'' (Jensen). Auch wenn das Beziehungswort selbst im Nominativ oder Akkusativ steht, ist es natürlich möglich, den vertretenen oder ausgenommenen Gegenstand in denselben Fall zu setzen: ''Alles findet seinesgleichen, außer ein einziger'', woneben die präpositionale Fügung ''außer einem einzigen'' sogar das männliche Geschlecht nicht mehr vom sächlichen schiede. ''Prof. D. K. wird den Römerbrief erläutern anstatt den Ebräerbrief, wie er angekündigt hat''; sogar: ''Die Begnadigung aller außer des Rädelsführers'' (und auch: ''dem Rädelsführer''). Notwendig ist bei ''(an)statt'', mag das Beziehungswort stehn, in welchem Falle es will, die Übereinstimmung mit diesem statt des Genetivs, wenn ohne solche Gleichheit der Form die Beziehung unklar wäre. In dem Satze z. B.: ''statt des Bruders meldete der Fremde mir das Unglück'', kann der Genetiv ''des Bruders'', je nachdem man ''der Fremde'' oder ''mir'' betont, auf jenes oder dieses bezogen werden, natürlich in verschiedenem Sinne. Jede Zweideutigkeit wäre ausgeschlossen bei der Fügung: ''statt der Bruder meldete mir der Fremde das Unglück'', und: ''statt dem Bruder meldete der Fremde mir das Unglück''.
B
Daß ein Eigenname nicht mit einer vorangestellten Apposition ein zusammengesetztes Wort bilden kann, darüber ist sich wohl jedermann klar. ''Kaiser Wilhelm'' — das sind und bleiben zwei Wörter, so gut wie ''Doktor Luther, Bruder Straubinger, Inspektor Bräsig, Familie Mendelssohn, Stadt Berlin'' u. ähnl. Trotzdem ist neuerdings der Unsinn aufgekommen, namentlich bei Badeorten die Apposition ''Bad'' durch einen Strich mit dem Ortsnamen zu verbinden, als ob beides zusammen ein Wort bildete. ''Bab-Sulza'', im Gegensatz dazu dann ''Stadt-Sulza, Bad-Kissingen, Bad-Nauheim'' — so wird selbst amtlich von der Post und der Eisenbahn z.B. in Briefstempeln und auf Eisenbahnbilletts gedruckt. Und besucht man dann einen solchen Badeort, so sieht man, daß dort auch hinter dem Worte Villa der Unsinn in üppigster Blüte steht: ''Villa-Daheim, Villa-Schröter, Villa-Maria, Villa-Quisisana'' — anders wird gar nicht mehr an die Häuser gemalt, einer machts immer dem andern nach. //* In Leipzig fängt man jetzt gar an, zwischen Vornamen and Familiennamen einen Bindestrich zu setzen: ''Horst-Schulze''.//
Mit diesem Unsinn kreuzt sich aber nun ein andrer. Teils infolge des übertriebnen juristischen Genauigkeitsbedürfnisses, teils infolge des herrschenden Byzantinismus unsrer Zeit kann man es sich nicht versagen, da, wo nun wirkliche Zusammensetzungen mit Eigennamen gebildet werden, auch noch Vornamen, Titel oder sonstige Appositionen davorzusetzen und zu schreiben: ''Gustav Freytag-Straße, von'' (!) ''Falckenstein-'' $Seite 215$ ''Straße, Kaiserin Augusta-Straße, Königin Carola-Gymnasium, Königin Luisen-Garten, Herzogin Agnes-Gedächtnis-Kirche, Generalfeldmarschall Prinz Friedrich Karl von Preußen-Eiche, Graf Bülow-Heringe, Familie Mendelssohn-Stiftung, Baronin Moritz von Cohn-Stiftung, Waldemar Meyer-Quartett, Gustav Frenssen-Abend, Arthur Nikisch-Stipendium, Auguste Schmidt-Haus, Hugo Wolff-Nachruf, Marie Stuart-Tragödie'' usw. Wenn man früher eine Straße nach dem großen Preußenkönig, einen Kanal nach dem großen Bayernkönig nannte, so nannte man sie einfach ''Friedrichstraße, Ludwigskanal''. Eine Stiftung hieß die ''Wiedebachsche Stiftung'', mochte sie von einem Manne namens ''Wiedebach'', einer Frau namens ''Wiedebach'' oder einer Familie namens ''Wiedebach'' herrühren. Auf den Namen kams an. Ein Name soll doch eben ein Name sein, aber keine Geschichte, kein Steckbrief, keine Hofkalenderadresse, keine Visitenkarte. Die heute beliebten langatmigen Bezeichnungen sind aber alles andre, nur keine Namen. Dazu kommt aber nun, daß alle solche Worthaufen, die doch als zusammengesetzte Wörter gelten sollen, vor den Eigennamen ohne Bindestriche geschrieben werden: ''Kaiser Wilhelm-Straße''. Das kann doch gar nichts andres bedeuten als einen ''Kaiser'', der ''Wilhelmstraße'' heißt! Soll es eine Straße bedeuten, die nach Kaiser Wilhelm genannt ist, so muß sie unbedingt geschrieben werben: ''Kaiser-Wilhelm-Straße''. Und ebenso muß unbedingt geschrieben werben: ''Gustav-Adolf-Verein, Baronin-Moritz-von-Cohn-Stiftung, Generalfeldmarschall-Prinz-Friedrich-Karl-von-Preußen-Eiche''. Wem das nicht gefällt, der bilde keine solchen Namen.//* Freilich steht schon bei Goethe das ''Sankt Rochus-Fest''.// Es geht aber schon so weit, daß man eine Schule ''Kaiser Wilhelm II. Realschule'' genannt hat! Wie soll man das nur aussprechen?
In der unsinnigen Schreibung solcher Wortungetüme (ohne alle Bindestriche) offenbart sich wieder der zerrüttende Einfluß des Englischen. Das Englische kennt $Seite 216$ ja keine Wortzusammensetzungen. Die Wörter kollern da aufs Papier wie die Pferdeäpfel auf die Straße: ''Original Singer Familien Nähmaschine''. Das ist zu schön, es muß doch wieder nachgemacht werden!
Die Not als das Bedürfnis der Kürze und das Streben nach Bequemlichkeit und Formeneinfachheit haben überhaupt der Sprache der Dichter zahllose kühne und schöne, der des Umgangs und der Prosa kaum weniger viele treffende und nimmer mißverständliche Bezeichnungen verliehen. So wird die bloße Beziehung eines Gegenstandes oder Begriffes (z. B. ''Weg, Finsternis'') zu einem anderen, der nur zusammen mit dem ersten zur Verwendung kommen, in die Erscheinung treten kann (''Schuld, Mut''), durch ein jenem beigegebenes und vom Stamme des andern gebildetes Eigenschaftswort (''schuldig, mutig'') ausgedrückt: ''schuldige Wege; mutlose Finsternis; eine kurze, aufhorchende Stille'' (T. Kröger), Darauf beruht ganz besonders das Geistreiche bei Schriftstellern mit mannigfaltigsten Gedankenverbindungen; so wenn z. B. Goethe angesichts der venetianischen Schleppgewänder bei Feierlichkeiten die nordische Feierlichkeit ''kurzröckig'' nennt oder Heine unübertrefflich vielsagend $Seite 183$ von ''Waisenkindern mit ihren lieben, unehelichen Gesichtchen'' redet. Daraus beruhen aber auch gang und gäbe Ausdrücke für zahllose Dinge, die dem Menschen zwischen dem für die Seinen freudigen oder fröhlichen Ereignisse seiner Geburt und dem traurigen Tage seines Heimganges begegnen. Da genießt er nach den einen zuviel lateinischen Unterricht und griechische Stunden und lange nicht genug deutsche und steckt die Nase zu lange in griechische Sprachlehren. Die anderen spotten, er solle wohl gar nur Natur, ja Natur erkennen auf botanischen Ausflügen, an Liebig's chemischen Briefen und bei mikroskopischen Untersuchungen. Freilich die gelehrte Laufbahn beschritte er ja besser oft nicht; und deshalb meinen wieder andere: statt Lateinisch und Griechisch soll er Englisch und Französisch lernen, aber möglichst nicht in grammatischer Schulung, sondern parlierend und an der Hand französischer Sprachbriefe und englischer Sprachführer. Gewiß, dann könnte er eher Reisen unternehmen und mit Goethe in Nordfrankreich die schlanke Baukunst der Gotik studieren und seekranke Beobachtungen anstellen. Er kann nach Frankreich, England und Indien reisen und über seine französische, englische oder indische Reise sogar in deutschen Zeitungen und in deutscher Sprache englische und indische Briefe veröffentlichen. Das Menschenkind mag auch in lustigen Stunden Lieder singen, gleichviel ob nach der hohen oder der tiefen Ausgabe, d. h. der Ausgabe für die hohe oder die tiefe Stimme//1 Wer sich in solchem Zusammenhange diese und zahlreiche andere innerlich ganz gleiche Fügungen vergegenwärtigt, wird mit ihrer Verurteilung vorsichtiger sein, als oft geschieht. Will etwa, wer ''gelehrte Laufbahn'' tadelt, auch ''gelehrte Bücher, Unterhaltungen, Studien'' tadeln? Gleich unberechtigt werden die ''englischen, indischen Briefe'' verpönt, -''isch'' bezeichnet die Herkunft, und solche Briefe kommen gewöhnlich von England oder Indien, so gut wie die ''englische'' oder ''indische Post''; liest man nicht auch oft genug von ''französischen, preußischen, Berliner Berichten''?//. Doch genug.
Natürlich wird die Fügung immerhin desto weniger durchsichtig, je unbedeutsamer der Satzteil ist, in dem sich das Subjekt des Partizips versteckt oder je weiter dieses, selber in einem weiter abhängigen Satze stehend, durch einen übergeordneten von der Mittelwortfügung getrennt wird. Daher sind die folgenden Sätze immerhin bedenklich: ''Auf und davon reitend, flog ein Freudenstrahl von seinen Lippen''. Wenn in dem Satze C. F. Meyers: ''Einmal an der Spitze der italienischen Waffen, hindert es nichts, daß er sich mit dem Kaiser verständigt'', der kurze Hauptsatz zwischen Umstandsangabe und ihrem Beziehungswort im Nebensatze der Klarheit kaum Abbruch tut, wird dieses Band schon bedenklich überspannt in dem folgenden Beispiel: ''Für das, was ich auf einem andern Schaúplatz tat, bereits zu lebenslänglicher Gefangenschaft begnadigt, müßten Sie érst das seltene Geheimnis verstéhn, die Zahl meiner Táge zu vergrößern''. In den nächsten Sätzen soll man das Beziehungswort gar aus dem einer Beifügung einverleibten tonlosesten Satzteile erst des drittnächsten Satzes herausfinden: ''Zu jung, um den Schmerz über den Tod des Vaters selbständig sich gegenwärtig zu halten, sorgten Therese und Julie, daß der von dem Kinde ungefaßte Verlust die Quelle eines Ernstes ... für dasselbe werde''. —'' Unter diesem Ungeziefer (junger Gelehrten) aufgewachsen, war es ein Wunder, daß ich meine satirische Waffe gegen selbige wendete?'' (Lessing). — ''Die Stille des Ortes tat mir wohl, und mich verschiedenen Gedanken überlassend, war es völlig Nacht geworden, als ich des Nachhauseweges gedachte'' (Grillparzer).
$Seite 343$ Immerhin ist auch in den letzten vier Sätzen noch ein gewisses Band zwischen dem Mittelwort und seinem Satze geschlungen, freilich kein festes, haltendes. Wenn nun aber gar jedes Nomen fehlt, und sei es ein in einem Possessiv verborgenes, an das sich das Partizip in seinem Satze anlehnen könnte, dann hat der Satz überhaupt keine Fügung mehr, sondern ist aus allen Fugen; und mag er auch im Zusammenhange noch verständlich sein, so entspricht er doch der andern Anforderung an die Sätze der Schriftsprache nicht, daß sie, wenn nicht einen kunstvollen, so doch innerlich zusammenhängenden Bau zeigen müssen. Trotzdem machen in dieser Weise unkonstruierbare Partizipien den Hauptteil aller unrichtigen Partizipien aus, namentlich in Zeitungen. Hier gilt es also wahrlich ein üppig aufschießendes Unkraut auszujäten, unter dessen Weiterwuchern unser Satzbau geradezu zu verwildern droht!
Leider züchten auch die Besten von heute genug desselben. So erlaubt sich Rodenberg: ''Aus dieser Stimmung des unterdrückten Mißbehagens beurteilt, wird man weniger hart gegen das Andenken Varnhagens sein dürfen''; und da soll man beurteilt auf Varnhagens Schriften beziehn, die im ganzen Satze weder genannt noch angedeutet sind. Hackländer schreibt: ''Vor der Haustür angekommen, öffnete sich diese geräuschlos'', und ähnlich J. Schaffner (V. Kl. 26): ''Der Mond war aufgegangen, auf einigen Bergen flammte noch Feuer; aber beim Hotel angekommen, geschahen noch ganz andere Dinge''; Fontane: ''Für 10 000 Bewohner eingerichtet, ist die augenblickliche Anzahl derselben nur 6000''; Rosegger: ''In die Apotheke zurückgekehrt, gab es dort Leute''; Trinius: ''Seine Herrschsucht hatte die Fürsten mit Haß (gegen Rich. Löwenherz!) erfüllt''. ''So, von Feinden umgeben, steigerte eine gegen den Österreicher begangene Beleidigung noch mehr das geheime Feuer der Gegnerschaft''; lauter Fügungslosigkeiten, die nicht zu entschuldigen sind mit einer nach S. 341 wohl zu rechtfertigenden dichterischen Freiheit wie bei Grillparzer, Hero IV, I: ''Ich folg, und angelangt, war wieder nichts als Rauschen rings und Regen wie zuvor''. — In den S.-W. Schulblättern (!) 26 stand: ''Das Buch ist ausgezeichnet gedruckt; ein paar Monate vor dem Tode entstanden, zeigt sich der Entwicklungsweg dieses bedeutenden Geistes eindringlich und klar''; und ein Gelehrter wie Bastian brachte die Satzreihe fertig: ''Indes ist in allen Dingen ein Anfang zu machen. Fern von Europa und lange Zeit beschränkt im sprachlichen Verkehr, keimten die hier niedergelegten Ideen unter Anschauung der mannigfachen Verhältnisse, in welchen die Völker auf dem Erdball zusammenleben; in der Stille der Wüste reiften sie im Laufe der Jahre empor und schlossen sich zusammen in ein harmonisches Gebilde''; und dabei mutet er dem Leser zu, daß er errate, der Beschränkte und Ferne sei der Redende, und doch nennt dieser sich erst, nachdem drei Sätze mit dem betonten Subjekte Ideen dazwischen getreten sind, in einem vierten also: ''Wohlbekannt mit den verschiedenen Kreisen der Literatur, habe ich mich zunächst bemüh''t. Kein Wunder dann die zahllosen Satzungeheuer derart in Zeitungen. In den Dresdn. Nachr. z. B. stand in zwei Nummern nacheinander: ''Beim Mausoleum um etwa 6 Uhr angekommen'', — als Subjekt dazu ist Bismarck zu denken! — ''zogen sich die wenigen dort anwesenden Besucher ... ehrerbietig zurück''; und: Am 24. v. M. ''begaben sich die Herren ... zum Feldmarschall Graf Moltke ... Aufs'' $Seite 344$ ''wohlwollendste empfangen'' — nämlich diese Herren! —, ''äußerte der Generalfeldmarschall''. Weil aber gerade mit den Formen ''angekommen, eingetroffen, angelangt'' u. ä. die meisten Fehler gemacht werden, denn noch einige ergötzliche Berichte über bergsteigende Schneereifen und bergeerkletternden Schlaf! ''Oben angelangt konnten die Schneereifen in Verwendung treten'' (!), stand in den M. d. D. u. Ö. A.-V., und im Zwickauer Wochenblatte: ''Bei stockfinstrer Nacht oben angekommen und von den Wirtsleuten aufs fröhlichste aufgenommen und verpflegt, war doch der Schlaf kaum zu genießen''. Auch die Anzeigeteile der Blätter wimmeln von Ungetümen dieser Art: ''Von der Königstraße kommend, wird die erste Querstraße rechts gesperrt''. Selbst Verdy du Vernois hat geschrieben: ''Es tauchten plötzlich die ersten Nachrichten auf, das spanische Ministerium habe dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern den erledigten Thron angeboten, und einmal in die Öffentlichkeit getreten, entstand im französischen Volke eine vielfach auch künstlich genährte Erregung''.
In dem Satz des Alpinisten (1919): ''Rechts der Bsonderach führt, in der Talsohle angelangt, ein Sträßchen fast eben zur Alm Mitterhaus'', hat das Mittelwort ebenso wenig eine Anlehnung wie in dem eines andern: ''Auf kühnem Viadukt über den Mayon-Graben fahrend, zeigt sich links oben ein mächtiger Adler aus Stein, ein ehrendes Denkmal für Conrad v. Hötzendorf''.
Derselbe Fehler ist auch in den sehr häufigen Fällen zu rügen, mögen sie schon nicht ganz so schlimm aussehn, in denen sich das Mittelwort in einem passivischen Satze nicht auf dessen Subjekt, sondern auf die — gar nicht genannte handelnde Person beziehen soll. So wenn Riehl schreibt: ''Lustig davonfahrend, wurden die Eindrücke des Abends noch einmal ausgetauscht'', oder v. Boyen: ''Es wurde querfeldein und mit neuen Mühseligkeiten kämpfend jene Richtung eingeschlagen''; die Leitung des D. u. Ö. Alpenvereins gar: ''Die Feststellung der Generalversammlung erfolgte, dem Wunsche vieler Sektionen Rechnung tragend, heuer früher''.
Namentlich wagten Heeresbefehle und -berichte wieder kaum zu Billigendes: ''Dem weichenden Gegner dichtauf unverzüglich folgend, ist in Rasova und Gernavoda einzudringen'' (Mackensen). — ''In Falmouth an Land gebracht, war an Bord der Ton der Engländer höflich, doch einmal an Land, änderte sich das Bild'' (Lpz. N. N. 1916). Auch H. Mann beliebt solche Fügungslosigkeit: ''Balrich tastete sich schnell zur Pforte. Noch nicht erreicht und einem Vorsprung im Zaun entstieg noch einer''.
Gleichwohl darf man mit diesen passivischen Fügungen nicht alle unpersönlichen in einen Topf werfen. Neben die allgemein zu fassende, von einem unpersönlichen Zeitwort abhängige Nennform z. B., zu der man also schon das Subjekt ''man'' ergänzt, kann getrost auch noch ein Mittelwort gesetzt werden, für das dann dasselbe Wörtchen gleich leicht als Subjekt vorschwebt: ''Auf dem Potomak zu segeln, unter wolkenlosem Himmel, aber durch ein Zeltdach geschützt, war höchst angenehm'' (Eltze). Noch viel weniger darf ein Mittelwort für beziehungslos gelten neben einem unpersönlichen Zeitwort, dessen Subjektwörtchen es noch etwas von der' echten Kraft dieses Fürwortes neben solchen Zeitwörtern innewohnt, nämlich eine ungenannt bleiben sollende Macht, eine Menge oder Allgemein- $Seite 345$ heit anzudeuten, wie es z. B. ganz wunderschön in einer allerneusten Übersetzung der Nibelungen verwandt ist: ''Da kam es keck geritten, da hielt es vor dem Schloß, da sprang es aus den Sätteln und gab den Buben das müde Roß''. Dieses es darf man nachwirken und -klingen denken in Wendungen wie der in den M. d. D. u. Ö. A.-V.: ''Tiefe Schatten lagen noch über Berg und Tal .... 'Mäßig ansteigend geht es anfangs auf guten Waldwegen zwischen Birnberg und Sonnberg, die zerstreuten Häuser von Ganzereuth rechts lassend, dann wieder abwärts dem Birnbach zu''.
Wo sich überhaupt dem Mittelworte eine Beziehung, ein Anhalt bietet, sei es auch nur ein lockrer und leiser, soll man, wenn nur nicht eine zweite Beziehung auch möglich ist und dadurch auch nur vorübergehend ein Mißverständnis verschuldet wird, der Bequemlichkeit und Geschmeidigkeit der Sprache zuliebe die Mittelwortfügung gern zugestehn//1 Über die Entwicklung dieser Fügungsweise ausführlich zuerst Th. Matthias, Zur Geschichte der deutschen Mittelwortfügungen, in Lyons Ztschr. f. d. d. Unterr.//. Eine solche innere Beziehung ist überhaupt für das deutsche Mittelwort bezeichnend gegenüber dem der alten Sprachen und des Französischen, die es durch seine flektierte Form nicht nur mit einem Worte des übergeordneten Satzes, sondern beim Mangel solchen Anschlusses selbst mit einem eigenen Subjektsworte übereinstimmen lassen, die lateinische im Ablativ, das Griechische im Genetiv und das Französische im Akkusativ. Der deutschen Sprache fehlt sowohl die Möglichkeit, diese Beziehung in der Form auszudrücken, als auch ein Fach der zu absolutem Gebrauche vor andern geeignet wäre. Daher müssen den absoluten Konstruktionen jener Sprachen ensprechende deutsche Fügungen fast unmöglich fallen, wie sie es auch im allgemeinen den Schriftstellern erschienen sind. J. Grimm in seiner Neigung, den Vorrat und die Gelenkigkeit der deutschen Mittelwörter zu erhöhen, hat freilich absolute Mittelwortfügungen mit besonderm Subjektsworte in der Weise des folgenden Satzes versucht: ''So mußte, Poesie und Geschichte sich auseinanderscheidend, die alte Poesie sich unter das gemeine Volk flüchten, Und gar nicht so vereinzelt haben und hatten das auch andre versucht'', so aus neuster Zeit ein Mitarbeiter der Tgl. R. mit einer deutlichen Nominativform als Subjekt des Partizips: ''Vor dem Sockel'' steht ähnlich wie bei Hilgers, nur näher herangerückt und, ''der Adler schon fortgeflogen, ein nackter Krieger'', und 1895 General v. Mischke in seiner schönen Rede zur Einweihung des Wörther Denkmals für Kaiser Friedrich: ''Da trugen wir ihn hinaus, sein treues Schlachtroß Wörth unmittelbar dem Sarge folgend''. Otto Ludwig bietet zwei Beispiele: ''Andere rasselten, die rotflanellenen Unterröcke hinter ihnen fliegend, mit den leeren Schubkarren über die Straße'', und: ''Ich setzte Mannespläne nun als Mann zu Knabenträumen. Herab, vom Zweifel hin und her und Glauben. Geschaukelt zwischen Stolz und Reue, am Zweifel. Die Reue wachsend und an Reu der Zweifel''. Dazu gesellen sich Grillparzer: ''Ich fand mich bereits am Ende des Augartens, die ersehnte Brigittenau hart vor mir liegend''; H. Heine: ''Eine heilige Gestalt, die schlanken Glieder von einem schwarz-seidnen Mantel umflossen und das freie große Auge ruhig hinabschauend in die freie große Welt''; Annette von Droste-H.: ''Das währte länger als'' $Seite 346$ ''ein Jahr, Wächter und Blaukittel, Blaukittel und Wächter, wie Sonne und Mond immer abwechselnd im Besitz des Terrains und nie zusammentreffend''; W. Raabe: ''Irritabilität und Sensibilität zu gleichen Teilen in Mitleidenschaft gezogen, bezwang er sich''; und allerneustens G. Hauptmann: ''In dieser Stadt sah man Leute barfuß und einen Strick um den Leib, die Haare bis auf die Schulter reichend, durch die Straßen ziehen''. Im Süden fügte schon früher G. Keller: ''Als ich das Haus meiner Mutter betrat, die Mütze mit einem Tannenreise geschmückt, die Mündung des Gewehrchens und der eigne Mund prahlerisch von Pulver geschwärzt, da war ich nicht mehr der gleiche''; und im Norden Fritz Reuter: ''Es ist ein selig Wandern — mit sehnsuchtsfeuchten Augen ins Land hinauszusehn, in leiser Glut die Wangen, hochklopfend deine Brust''; und jetzt H. Stehr: ''Dann saß er versunken davor, die abgezehrten Hände auf den Oberschenkeln liegend'', und: ''Man fand die Leiche des alten Zechers; das tote Auge weit aufgerissen, der zahnlose Mund fest zusammengebissen, lag er da''. Mit dem Wersatz daneben wagt ganze Druckseiten in Mittelwörtern, auch der Gegenwart, statt des zweiten Verbs Wilhelm Münch, ein ebenso geschmackvoller Darsteller als gründlicher Kenner der Sprachentwicklung, in der Deutschen Monatsschrift V, 3 (Dez. 1905), S. 331 ff. Rosegger hat einem Lebemann, dessen junges Weib in den Tod gegangen war, eine Grabschrift empfohlen, die anfing: ''Du sie verdorben, sie dir gestorben, nun dein Wandern friedhofwärts''; und im Feldbrief eines Plauener Realgymnasiasten stand: ''In großen Schleifen zieht der Flieger näher und näher, wir immer gespannt seinen Bewegungen folgend''.
§ 346—348. Diejenigen partizipialen Fügungen, die gemeinhin unverbundene (absolute) heißen, weil sie keine Anlehnung an einen Kasus des übergeordneten Satzes fänden, sind es in Wahrheit nur zum kleineren Teile.
Der vierte Fall steht ohne Angabe des Gegenstandes, ''worüber jemand bedeutet wird'', oder wenn diese Angabe in einer präpositionalen Wendung oder einem Adverb gemacht ist.'' Er fragte, was es gäbe; Sie bedeutete'' (''bekehrte'') ''ihn, ich stand auf. — Therese bedeutete den Verwalter in allem. So bedeutete er auch den Markese'' (Goethe). Wenn die Ergänzung in einem ''daß''-Satz gegeben ist, einem Infinitiv, einer abhängigen Frage oder einem äußerlich unabhängigen Satze, so kann ebenso gut der dritte als der vierte Fall stehen: ''Sie ließ sie bedeuten'' (''anweisen''), ''daß sie nach Delhi entfliehen müsse. Paulet bedeutet ihr durch Zeichen, daß es ein Verzeichnis der Dinge enthalte'' (Schiller). ''Er bedeutete mich, was man verlange. Sie bedeutete mir, was sie fürchte'' usw. ''Dem Hirtenbub bedeutete sie, nichts zu sagen'' (Hansjakob). Der Unterschied in der Bedeutung besteht ersichtlich nur bei Satz-Ergänzung, je nachdem, ob diese $Seite 198$ ein Sein oder ein Sollen ausdrückt. Bei sachlichem Akkusativobjekt muß natürlich die Person im Dativ stehen: ''Also bedeut' ich dir dieses''. +