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L
Verlegenheit bereitet vielen auch die Deklination adliger Namen oder solcher Namen, die adligen nachgebildet sind. Soll man sagen: ''die Dichtungen Wolframs von Eschenbach'' oder ''Wolfram von Eschenbachs''? Richtig ist — selbstverständlich — nur das erste, denn ''Eschenbach'' ist, wie alle echten Adelsnamen, ein Orts- $Seite 15$ name, der die Herkunft bezeichnet; den kann man doch hier nicht in den Genitiv setzen wollen.//* Obwohl sich schon im fünfzehnten Jahrhundert in Urkunden findet: ''das Haus, das Peter von Dubins'' (''Peters von Düben'') oder ''das Nickel von Pirnes'' (''Nickels von Pirne'') ''gewest'', als das Gefühl für den Ortsnamen noch viel lebendiger war als bei unsern heutigen Abelsnamen.// So muß es denn auch heißen: ''die Heimat Walthers von der Vogelweide, die Burg Götzens von Berlichingen, die Lebensbeschreibung Wiprechts von Groitzsch, die Gedichte Hoffmanns von Fallersleben'', auch ''die Werke Leonardos da Vinci, die Schriften Abrahams a Sancta Clara''.
Wie steht es aber mit den Namen, die nicht jedermann sofort als Ortsnamen empfindet, wie ''Hutten''? Wer kann alle deutschen Ortsnamen kennen? Soll man sagen: ''Ulrichs von Hutten'' oder ''Ulrich von Huttens deutsche Schriften''? Und nun vollends die zahllosen unechten Adelsnamen, über die sich schon Jakob Grimm lustig gemacht hat: diese ''von Richter'' und ''von Schulz, von Schmidt'' und ''von Weber, von Bär'' und ''von Wolf'', wie stehts mit denen? Soll man sagen: ''Heinrichs von Weber Lehrbuch der Physik, Leopolds von Ranke Weltgeschichte''? Streng genommen müßte es ja so heißen; warum behandelt man Namen, die alles andre, nur keinen Ort bezeichnen, als Ortsnamen, indem man ihnen das sinnlose von vorsetzt! Im achtzehnten Jahrhundert war das Gefühl für die eigentliche Bedeutung der adligen Namen noch lebendig; da adelte man einen ''Peter Hohmann'' nicht zum ''Peter von Hohmann'', sondern zum ''Peter von Hohenthal'', einen ''Ernst Kregel'' nicht zum ''Ernst von Kregel'', sondern zum ''Ernst Kregel von Sternbach'', indem man einen (wirklichen oder erdichteten) Ortsnamen zum Familiennamen setzte; in Österreich verfährt man zum Teil noch heute so. Da aber nun einmal die unechten Adelsnamen vorhanden sind, wie soll man sich helfen? Es bleibt nichts weiter übrig, als das von hier so zu behandeln, als ob es gar nicht da wäre, also zu sagen: ''Leopold von Rankes sämtliche Werke'', besonders dann, wenn der $Seite 16$ Genitiv vor dem Worte steht, von dem er abhängig ist; steht er dahinter, so empfiehlt es sich schon eher, den Vornamen zu flektieren: ''die Werke Leopolds von Ranke'', denn man möchte natürlich den Genitiv immer so dicht wie möglich an das Wort bringen, zu dem er gehört. Und so verfährt man oft auch bei echten Adelsnamen, selbst wenn man weiß, oder wenn kein Zweifel ist, daß sie eigentlich Ortsnamen sind. Es ist das ein Notbehelf, aber schließlich erscheint er doch von zwei Übeln als das kleinere.
Ein gleich gewichtiger geschichtlicher Grund gegen das ''zu'' wie in den Fällen von §276 fehlt zwar bei einer zweiten Reihe von Wörtern wie ''lehren'' und ''lernen, helfen, heißen, machen'' und ''nennen'', und das Wörtchen ist denn auch nicht selten neben ihnen, immerhin wird es im allgemeinen noch heißen: ''Das nenn ich doch beweisen, Das heißt anlaufen''//2 Während neben dem Infinitiv-Ersatze (§ 118) immer die bloße Nennform steht (''ich habe ihn gehen heißen''), ist neben der vollständigen Form des Mittelwortes die Nennform mit ''zu'' üblich: ''als er mich zu bleiben geheißen hatte''.// u. ä. Bei ''machen'' ist der Infinitiv mit ''zu'' im wesentlichen auf einige Veranlassungen der Äußerung eines Affektes beschränkt, wie ''zu weinen, fürchten, lachen'' (auch ''zum Lachen'') und ebenso ''zu singen machen''. Auch bei ''lernen'' ist die bloße Nennform noch gebräuchlicher; und die Infinitivpräposition ''zu'', die freilich in einem guten norddeutschen Buche über den deutschen Unterricht durchgehends steht, $Seite 266$ bliebe besser auf die Fälle aufgespart, wo der abhängigen Nennform, sie zum Satze erweiternd, viele Bestimmungen beigegeben sind oder ein versteckter Begriff des Wünschenswerten und besonders des Gebührenden und Notwendigen zwischen den Zeilen zu lesen ist, bei dem auch sonst ''zu'' steht: so wenn schon zu Luthers Zeiten eine Mahnung erklang: ''Lernt, eure Ehefrauen recht zu lieben und, was Gott mit euch handelt, mit Geduld zu tragen''; oder bei Lessing die Frage: ''So war ich ja der erste, den Saladin mit Worten abzulohnen doch endlich lernte?'' Die bloße Schwere der Belastung und Möglichkeit sonst falscher Auffassung sprach für ''zu'' in dem Satze der Nordd. Allg. Ztg.: ''Zumal sich das Publikum gerade nach dieser Richtung sehr'' [''zu''] ''bescheiden gelernt hat''. Nur eine weitere Entwicklung auf diesem Wege ist es, wenn bei ''lehren'' die Form mit ''zu'' fast schon gleich häufig ist, zumal in längeren Sätzen, während engeren und althergebrachten Verbindungen wie ''Herr, lehre mich erkennen, bedenken'' u. ä. auch heute noch die bloße Nennform zukommt; nicht minder auch den Fügungen, worin ''lehren'', zum Teil ironisch, soviel ist als auf eindringliche Art, vielleicht auch zur Strafe etwas kundtun: ''Warte, ich will dich lügen lehren! Ich will Sie lehren, alte Leute wie die Kinder anführen!''
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Lib. II. Cap. XXI. Von den Zweydeutigen und gleichlautenden Wörteren/ samt kurzem Beschlusse dieses Anderen Buches +
Titel +
Obwohl es keinem Menschen einfällt, in der Anrede zu sagen: ''teuern Freunde, geehrten Herren, geliebten Eltern'', schwankt man wunderlicherweise seit alter Zeit bei dem Adjektivum ''lieb''. Das ursprüngliche ist allerdings, daß beim Vokativ die schwache Form steht. Im Gotischen ist es immer so. Aber bereits im Althochdeutschen dringt die starke Form ein, und im Neuhochdeutschen gewinnt sie bis zum achtzehnten Jahrhundert die Oberhand. Auch die Kanzleisprache sagte schließlich: ''liebe Getreue'' statt: ''lieben Getreuen''! Und heute haben wir bei einer Verbindung wie ''lieben Freunde'' nicht mehr das Gefühl von etwas organischem, von etwas, das so in Ordnung wäre, sondern die Empfindung einer gewissen Altertümelei (Schiller: ''Lieben Freunde, es gab schönre Zeiten''). Wer diese Empfindung nicht erregen will, wird die schwache Form in der Anrede vermeiden. +
Gewissermaßen ein Gegenstück zu dem § 161, 3 behandelten Vorrücken des ''von'', das nicht entschieden genug bekämpft werden kann, ist die Vorherrschaft des Genetivs//1 Viel seltener ist das für den Dativ zu beobachten: ''ein Fall ist halbweg'' (entsprechend ''zwischen'') ''Braunschweig und Horneburg'' oder, wenn der Ausgangs- oder Endpunkt gegeben ist, mit nur einem Namen: ''halbweg Eßlingen''. Vgl. auch Wunderlichs Erklärung bei Dativ bei ''wegen'' und ''trotz'': Satzbau (S. 164).// an Stellen, wo früher die Präpositionen, besonders ''von'', aber auch ''gegen, zu, mit'' u. a. überwogen. Aber anders als bei jenem braucht gegen diese nichts getan zu werden. So ist die bayerische Justiz mit ihrem ''Landgerichte München links der Isar'' im Rechte, und trotz Wustmann mag man ruhig weiter sagen: ''auswärts'' (ebenso ''südwärts, ost''- usw.) ''dieser Brücke, rechts'' $Seite 159$ und ''links der Saale'', sogar ''im Süden des Stromes, abseits des Weges, nördlich ..., südlich des Balkans, gelegentlich dieser Gedichte, ein-, ausschließlich aller Republikaner, anläßlich''//1 Dies Wort ist freilich an sich unschön und z. B. bei Grimm noch gar nicht verzeichnet, so wenig ''als'' (eine süddeutsche unumgelautete Form ''anlaßlich''; und es steht auf einer Höhe — richtiger Tiefe — mit ''vorbehaltlich, inhaltlich der Verordnung vom'' ... u. a.// ''des 90. Geburtstages, mangels einer gleichmäßigen Fortentwicklung''. Diese Fügungen werden teils dadurch gerechtfertigt, daß darin auch sonst mit dem Genetiv verbundene Hauptwörter entweder wirklich enthalten sind oder doch mit- oder nachgefühlt werden, teils dadurch, daß in ihnen nur die alte Bahn weiter beschritten wird, auf der Umstandswörter ganz oder teilweise zu Verhältniswörtern geworden sind (vgl. § 154). Was diese Formeln wirklich Bedenkliches haben, ist nicht die Verbindung der darin steckenden Haupt- oder Umstandswörter mit dem Genetiv, sondern das Herabsinken dieser Wörter zu Formwörtchen. Indes entspricht auch dies der Gesamtentwicklung unserer Sprache, und andrerseits wird uns deshalb nicht das Recht genommen, noch Ungewöhnliches zu beanstanden; das kann man schon so ziemlich von dem letzten Ausdrucke oben: ''im Gegensatz des'' (statt nach § 162: ''zum, gegen den'') ''Kurfürsten'', und ganz von dem der Tägl. Rundschau sagen: ''hüben und drüben der Grenze''. Vor allem aber wird man sich gegen einige der erwähnten und manche verwandte Ausdrücke wie (''von'') (''ab'')''seiten, seitens, zwecks, behufs, inhaltlich'' oder ''inhalts, vorbehaltlich'' deshalb ablehnend verhalten, weil sie unschön sind; verdanken sie doch ihr Aufkommen zumeist den Gerichts- und den Schreibstuben verschiedenster Art, und von dort bringen sie etwas Sperriges und Gespreiztes mit. Daher werden sie besser ganz gemieden, wo altgebräuchliche bequemere Wörter einen kürzeren und einfacheren Ausdruck ermöglichen. Also nicht gesagt: ''ein Gesetzentwurf, inhalts dessen'', sondern ''nach dem'' ... , nicht: ''zwecks Studiums der russischen Sprache'' (mit drei!! Genetiven), sondern ''zum Studium der russischen Sprache nach Rußland schicken''; nicht: ''alle Mitglieder erhoben sich von den Plätzen einschließlich der Demokraten'' oder ''ausschließlich der Sozialisten'', sondern: ''auch'' oder ''sogar die Demokraten, nur nicht die Sozialisten''. Die unglaublichsten Satzverrenkungen muß freilich ''seitens'' ermögchen; da gestaltet sich der Einzug des griechischen Kronprinzenpaares in Berlin ''seitens der Einwohnerschaft zu einer ... Willkommenskundgebung'' (!) ''für die junge Kaisertochter und ihren Gemahl'' (Zitt. Nachr.), oder es wird nachgewiesen, ''wie schwierig ... es in solchen Fällen ist, die Forderungen der einen Regierung seitens der anderen zu erfüllen'' — als wenn die erfüllende nicht eine der beiden Regierungen, sondern sonst jemand Unbestimmtes wäre!
Noch einen Schritt weiter bleiben hinter wirklichen Zusammensetzungen diejenigen zurück, in denen zur gleichen Betonung beider Glieder auch noch lebendige Beugung des ersten Gliedes kommt. So der ''Hohepriester, ein Hoherpriester, eines Hohenpriesters'' oder ''Langeweile'', aus ''Langerweile'' neben festen Formen wie bei der ''Langweile'' und W. Raabes mit Volk und Volkslied zusammenklingender Satz umgekehrt: ''wie er dem Feinslieb zu melden hab'', wogegen Lienhards Fügung: ''Sie sang ein Hohelied dem Ohre'', das im höchstbetonten Bestimmungswort den Zusammenklang ein ''Hohes(lied)'' erwarten läßt, geradezu wehetut. Zwischen ''Geheimrat, des Geheimrates'', das sprachlich abgeschliffener und sachlich unbedeutender ist, und ''Geheimer Rat'' besteht sogar ein Bedeutungsunterschied, indem dieses den ''Wirklichen Geheimenrat'' oder besser ''Geheimen Rat'' bezeichnet, für dessen Titel die Form der ''Geheimerat, des Geheimerates'' nur noch selten ist. Auch für einige Zusammensetzungen zweiter Stufe, wie ''Altweibergeschwätz, -sommer, Armsünderritt, -stuhl, -bank, -treppe'' hülfe es am sichersten aus leidiger Unsicherheit, wenn stets diese Form mit dem bloßen Stamme der Adjektive gewahrt würde. Daß sich diese aber häufiger fälschlich nach dem Grundworte richten und, je nachdem der Artikel dasteht oder nicht, schwach oder stark dekliniert werden (''Altesweibergeschwätz, die Armesünderglocke'', ''mit der Armensünderglocke ''ähnlich ''Hohepriestergewand''), zeugt eben von der Lockerheit der Verbindungen, welcher auch die in allen Fällen mögliche Beibehaltung des Plural-''e'' nur förderlich gewesen ist (''ein Armesünderritt, in der Alteweibermühle''). Wildenbruch in „König Heinrich" schreibt: ''mit dem Alten-Mannsgesicht''. Der ''Altejungfernpoet'' (ZDB 26) konnte von Bedeutungs wegen, aber nicht zum Vorteil des Rhythmus auch ''Altjungfernpoet'' heißen, aber die ''Großejungenszeit'' (DAZ) um des Wohlklangs wie des Sinnes willen eben nur so lauten. +
Bei ''lohnen'' ist, wenn Person und Sache, diese auch in einem Satze, nebeneinander genannt sind, natürlich nur diese Fügung möglich: ''Lohne ihm bis an sein Ende, daß er dir den Weg zu diesem Kleinode zeigte'' (Goethe), und dem entsprechend passivisch: ''Ihm ward schon oft die schönste Tat durch Worte nur gelohnt''; nur daß die Sache auch mit ''für ''eingeführt werden kann: ''Er hat ihm für seine Anhänglichkeit nicht gelohnt''. Folgt nur die Sache, so ist der vierte Fall die Regel. So heißt es: ''Der Erfolg, das Ergebnis lohnt den Aufwand, die Ausgaben nicht; der Himmel wird es lohnen''; bei G. Hauptmann: ''Lohnst du so unsre Liebe?'' Dagegen nur selten wie bei Goethe: ''Solchen gottseligen Taten kann nur Gott lohnen''. Die Person steht, wenn sie allein genannt ist, ebenso gut im vierten als im dritten Falle, in jenem um so paffender dann, je mehr es sich um ein äußerliches Entschädigen, bloßes Ablohnen handelt, in diesem, je mehr eine innere Teilnahme ausgedrückt oder zurückgewiesen werden soll. Von Bürgers bravem Manne heißt es: ''Wer hohes Muts sich rühmen kann, den lohnt nicht Gold, den lohnt'' (entschädigt) ''Gesang''. Feiner gefühlt und deshalb heute bei Personensubjekt überwiegend ist die Art des Schillerschen Satzes: ''Du allein vollbrachtest alles. Sprich, wie lohn ich dir?'' So steht auch bei Koser: ''mit welcher Undankbarkeit man dem Hause Brandenburg gelohnt habe''; in dem Berichte über Moltkes letzte Reichstagsrede: ''Lebhafter Beifall lohnte dem Redner''; und einer Aufforderung, an etwas teilzunehmen, begegnet man immer mit der Form: ''es lohnt mir nicht''. Die älteste und ursprünglichste Verbindung des Wortes mit dem Genetiv (des Grundes) hat sich in der Fügung ''der Mühe'' (''nicht'') ''lohnen'' (neben ''die Mühe'' [''nicht''] ''lohnen'') noch erhalten, vor allem in der unpersönlichen und reflexiven Form: ''es'' (''ver'')''lohnt sich der Mühe'' (''nicht''); doch sagt G. Hauptmanns Vockerat auch: ''ich lohne der Mühe nicht''. Bei ''kündigen'', das, gleichviel, ob eine Sachergänzung dabeistand oder nicht, den Dativ der Person bei sich zu haben pflegte (''Man kündigte ihm'' [''den Dienst''], ''ihm wurde'' [''der Dienst''] ''gekündigt''), wird in der Verkehrssprache bei alleiniger Angabe der Person auch für diese der 4. Fall immer üblicher, und man ließ: ''Das Mädchen'' $Seite 200$ statt besser: ''dem M''.) ''war gekündigt worden'', und: ''Die gekündigten Arbeiter gingen drohend von dannen''.
M
Daß auch das unpersönliche Fürwort ''man'' dekliniert werden kann, dessen sind sich die allerwenigsten bewußt. In der lebendigen Rede bilden sie zwar, ohne es zu wissen, die casus obliqui ganz richtig, aber wenn sie die Feder in die Hand nehmen, getrauen sie sich nicht, sie zu schreiben, sondern suchen herum, wie sie sich ausdrücken sollen. Der Junge, der von einem andern Jungen geneckt wird, sagt: ''laß einen doch gehn!'' und wenn er sich über den Necker beschwert, sagt er: ''der neckt einen immer''. Aber auch der Erwachsne sagt: ''das kann einem alle Tage begegnen''. Und Lessing schreibt: ''macht man das, was einem so einfällt? — so was erinnert einen manchmal, woran man nicht gern erinnert sein will — muß man nicht grob sein, wenn einen die Leute sollen gehn lassen?'' — Goethe sagt sogar: ''eines Haus und Hof steht gut, aber wo soll bar Geld herkommen?'' Es ist also klar: die casus obliqui von ''man'' werden in der lebendigen Sprache gebildet durch ''eines, einem, einen''. Viele scheinen zwar diese Ausdrucksweise jetzt nicht mehr für fein zu halten, sich einzubilden, $Seite 46$ daß sie nur der niedrigen Umgangssprache zukomme, aber das ist bloßer Aberglaube; man kann sich gar nicht besser ausdrücken, als wie es Goethe getan hat, wenn er z. B. sagt: ''wenn man für einen reichen Mann bekannt ist, so steht es einem frei, seinen Aufwand einzurichten, wie man will''. +
Der Übertritt aus der schwachen in die starke Biegung geht gewöhnlich vom Akkusativus Sing. aus, dem gegenüber es ganz besondere Achtsamkeit gilt, noch mehr als für andere für den Süddeutschen; hört man doch am Oberrhein und in Schwaben schon nicht nur ''den Ochs'', sondern auch ''des'' und ''dem Ochs''. Selbst ''den jugendlichen Held'' liest man (B1. B1. II, 2, 131). Auch von den Zusammensetzungen von ''Bär'', das noch durchaus schwach ist, tritt der Akkusativ bereits als ''den Höhlen-, Eisbär'' auf; und eine ganze Reihe von Tiernamen, denen Sprachlehren noch die schwache Biegung beilegen, erscheinen bereits mindestens gleich oft in Formen der starken//*2 Z. B. Lyon, Handb. d. d. Sprache I, 141. 143. — Heyse, D. Gramm. 24. Aufl. 124.//, auch in der Schriftsprache: ''es sind der Greif, Papagei, Pfau, Spatz, Star und Strauß''. Bei einem Erzeugnis des Pflanzenreichs überwiegt sogar wieder, wie vor tausend Jahren! die starke ganz: beim ''Hirse'': ''des Hirses, dem Hirse''. Auch $Seite46$ bei ''Greis'', das als ursprüngliches Adjektiv früher notwendig schwach gebeugt wurde, ist mit der Erinnerung an diese Beschaffenheit auch diese Biegung abgestreift worden, also daß den älteren Formen ''des, die Greisen'' jetzt gegenüberstehen: ''des Greises, die Greise.'' +
Nur wenn der Sinn des Satzes die Ergänzung des Zeitwortes oder überhaupt Abhängigkeitsverhältnisses fordert, das im übergeordneten Satze herrscht, muß der verglichene Gegenstand in dem nämlichen Falle stehn wie sein Beziehungswort im Hauptsatze. Danach muß der Satz eines Bergsteigers: ''Collini wollte auf der Cima di Plem etwas blinken gesehen haben wie ein Spiegel'' umgeändert werden in: ... ''wie einen Spiegel''; und Brachvogel mußte schreiben: ''Der schöne Kopf wurde umwebt von gelben Reiherfedern wie'' (''von'') ''einem'' $Seite 312$ ''Heiligenscheine'', nicht: ''wie ein Heiligenschein'', da zu ergänzen ist: ''wie wenn er von einem Heiligenscheine umweht wäre''. Aber H. Heine hat nicht die am Kopfe vorangestellte — auch mögliche — Fügung beliebt, sondern geschrieben: ''Mir war, als hörte ich auf dem Korridor etwas schlottern und schlappen wie der unsichere Gang e. a. M.'' [nämlich: ''schlottert u. schlappt'']; und geradezu unschön klingt: ''Du hast nichts aus mir gemacht — einer Frau wie mich'' (Woche 27, statt: ''wie ich''). +
Fest begründet ist das Übergewicht der schwachen Adjektivform auch noch nach den unbestimmten Für- und Zahlwörtern ''all, kein, sämtlich, viel, mehrere, einig, manch, etlich, wenig, solch, sonstig''. Denn neben singularischen Formen mit pronominaler Endung ist sie das allein Mögliche: ''trotz vieles'' oder ''vielem Guten, mit manchem guten'' (neben gefälligerem: ''manch gutem Worte''), ''mit aller erdenklichen Sorgfalt, von sonstigem gangbaren Getier'' (Rud. Herzog 26) und mit substantiviertem Adjektiv: ''manch Gutes, manches Gute'' (neben: ''manch Gutes''), ''neben manchem Seltsamen, ja Schlimmen'' (oder seltener: ''neben manch Seltsamem, ja Schlimmem'') und männlich nur ''mit manchem Deutschen''. Auch in der Mehrzahl ist neben dem Genetiv der genannten Wörter wie neben gewisser die schwache Endung häufiger: ''der Bericht mancher alten Leute, im Besitz vieler schönen Gemälde; eine Beratung aller Verwandten, die Überzeugung aller Gelehrten; trotz mancher schöner Worte'' bei Hindenburg oder ''mit üblem Gleichklang so vieler betrübter langer Gesichter'' (G. K.). Dagegen überwiegt, abgesehen von ''alle'', bei ''dem alle guten Gaben, alle Deutschen allein'' mustergültig ist, im Nominativ und Akkusativ noch die starke Form, wie einst neben allen Formen jener Wörter, so daß man meist liest: ''manche bedeutende Menschen, etliche leidenschaftliche Küsse, sämtliche ehrliche Menschen; einige Bekannte, wenige Deutsche, keine Ausgestoßene'' (VK. 26)1), selbst noch, wenn auch seltener ''beide große Männer''; und wenn in einem sprachgeschichtlichen Werke durchgängig gesagt ist: ''solche verkehrten Behauptungen, solche singulären Fälle'' u. ä., so mutete uns das vor vierthalb Jahrzehnten wie ein der Entwicklung vorauseilendes Gleichmachen an //1 Bei ''keine'' schwankte der Gebrauch noch am Anfange des 19. Jahrhunderts: Lessing: ''keine bessern Leute, keine neuen Begriffe''. Herder: ''keine eigentliche Sozianer'', und selbst Lessing auch: ''keine schlimme Absichten''. Ähnlich Goethe und Schiller. Hildebrand mißbilligt für kein Wb. V, 470 die „schwache" Gleichförmigkeit! - Matthias, Sprachleben und Sprachschäden.//. 1918 schrieb z. B. ebenso Fr. Gundolf: ''solche bewußten Denkmale'' und Jos. Ponten (Der babyl. Turm): ''für solche groben Gespräche''; P. Ernst: ''solche gleichgültigen Menschen.''
Anders als nach § 185 heißt es in gewöhnlicher Sprache auch oft noch wie bei Koser: ''Beweisstoffes genug; wo es des überraschenden und Bewundernswerten genug zu sehen gab'', und mit Mehrzahlen: ''dazu liegen der Dokumente nunmehr genug''(''sam'') ''vor'', zumal bei dieser Stellung des Genetivs vor dem Adverb. Ebenso steht gleichberechtigt nebeneinander ''Manns genug'' und ''Mann genug sein, sich dieses nicht bieten zu lassen''. Allgemeiner ist der alte Genetiv noch am substantivierten Infinitiv nach ''viel'' und ''wenig, mehr, genug'', auch ''nicht'' und ''kein''//2 Bei diesem infolge Ausfalls von ''nicht'', das noch danebenstehen mußte, als ''kein'' (''dechein'') noch = ''irgend ein'' war, während man heute natürlich auch ''kein Federlesen'' sagen kann. ''Ein Aufhebens, Rühmens machen'' verhält sich also zu ''Rühmens machen'' genau wie dieses zu älterem ''nicht -, kein Rühmens machen''. Es kann aber so gut wie solcher Beziehung auch der Empfindung des Vielfachen, Massenhaften entsprungen sein, das in der Wendung liegt, freilich ohne noch weiter ausgedrückt zu sein; gerade so wie in den Wendungen, die eine vielfache oder regelmäßig wiederkehrende Handlung bezeichnen, ''es war ein Schreiens, Tobens'', die freilich auf die süddeutschen Mundarten beschränkt sind, wie übrigens auch die Genetive nach den oben angegebenen Maß- und Verneinungswörtern auf bestimmte altgeprägte Wendungen.// in solchen Wendungen: ''wenig, viel, kein Aufhebens von etwas .., wenig, viel, kein Federlesens mit etwas machen'', in Anlehnung daran auch gelegentlich ''ein Aufhebens, ein Rühmens machen'' und vor allem mit vorangehender Verneinung, wie der Herausgeber der $Seite 175$ Briefe Moltkes schreibt: ''Moltke hat niemals ein Wesens aus etwas gemacht''; dann nicht ''genug Rühmens davon machen können; Hier war ihres Bleibens nicht'', aber nicht mit der Wiener Ztg. gegen den Wohlklang: ''Jänners Bleibens war nicht in der Oper''. +
Die Länge der Verhältnisbeifügungen und die Zahl der bei einem Hauptworte zusammentreffenden Beifügungen ist zwar kein unbedingter Maßstab, um danach die Verbindung von Substantiven mit Attributen abzuweisen; immerhin ist kein Zweifel, daß mit der Häufung von Attributen zu drei und vollends zu vier und mehr der Weg betreten ist, welcher zu der Brutstätte der unten § 261 ff. gekennzeichneten Satzungeheuer führt. Nur um vor der Begehung auch seiner ersten Strecke zu warnen, soll hier noch die Bedenklichkeit schon von drei und vier Beifügungen an je einem Beispiele aufgezeigt werden. Selbst durch richtigere Stellung $Seite 167$ könnte zunächst der folgende Satz mit drei Attributen nicht erträglicher gemacht werden: ''es ist sehr zu beklagen, daß man das Blasen von den Türmen unserer herrlichen deutschen Choräle und Lieder an allen hohen Fest- und Feiertagen abgeschafft hat''. Nichts wird auch dadurch gebessert, aber wohl das Ganze noch schleppender und unrhythmischer, daß nicht alle Attribute gemeinsam zu einem regierenden gehören, sondern jedes spätere von dem nächst vorhergehenden abhängt: ''für die Annahme der Stellung eines Kommissars zur Verwaltung der Tanganjika-Bezirkes gewinnen''; als ob nicht genügt hätte: ''ihn als Kommissar für die Verwaltung des Tanganjika-Bezirkes gewinnen''! Die Zusammenspannung von nur vier Attributen, von denen freilich zwei wieder eigene bei sich haben, veranschaulicht die Fügung: Uhlands Gedicht „der Überfall im Wildbad“, das ''die Rettung des Grafen Eberhard des Greiners durch einen Hirten vor der Bedrohung durch die Schlegler hinüber nach Burg Zavelstein im Nagoldtal'' behandelt, und diese bei einem Jensen! +
§ 171. Die Frage, wieweit ein Zusammentreffen adverbialer oder präpositionaler Attribute mit anderen Beifügungen bei demselben Hauptworte erlaubt sei, kann nur sehr schrittweise erledigt werden. Daß ein Eigenschaftswort und ein besitzanzeigendes Fürwort vor dem regierenden Worte stehn darf, ist selbstverständlich: ''die frostige Annahme vor acht Jahren. Seine Erklärungen gestern''. Nicht minder beweisen Beispiele, so unzählig wie der Sand am Meere, daß sich präpositionale und adverbiale mit Genetivattributen vertragen: ''der menschliche Verkehr der Güter untereinander, das Spiel des Lichtes auf den Dingen, die Hingabe der Kleider ohne vorausgegangenen Kampf''. Danach und nach § 168 rechtfertigt sich auch die ungewöhnliche, aber schöne Kürze solcher Ausdrücke: ''N.s Ernennung in das Herrenhaus''//1 Als entsprechende verbale Fügung steht z. B. bei Schiller: ''der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern''; allgemein üblich ist ''einen in den Reichstag wählen''.//, ''die Wahl von Vertretern nach Paris'' (Tägl. Rundschau), ''die Wahl N..s in den Reichstag''//2 Von diesem Gesichtspunkte aus sind an sich folgende ehedem von Andresen empfohlenen Beispiele gerechtfertigt: 1. ''Die Mißheirat der Tochter des Rajah, nur um eine Stufe tiefer''. 2. ''Der Anlauf der Spinne frühmorgens — der Anlauf der Spinne früh'' dagegen würde sich wegen mangelnden Heischetones (vgl. § 1661) so wenig empfehlen, als wenn in Nr. 4 ''heute'' stünde statt ''heutigen Tages''. 3. ''Die Beobachtung der Sterne, sonst und jetzt''. 4. ''Das Vorkommen des Namens Lorengel noch heutigen Tages''. 5. ''Die Eröffnung des italienischen Parlamentes und der preußischen Kammern am selben Tage''. 6. ''Bei Gelegenheit des Besuchs der Kaiserin Eugenie an der Stelle, wo der kaiserliche Prinz getötet worden''. 7. ''Die Feier des Thronbesteigungstages in dieser Weise war bisher nicht üblich''. — Immerhin ist die Möglichkeit eines solchen Nebeneinanders von Attributen einer von den Gründen der heut übertriebenen Häufung von Substantiven (vgl. § 261 ff.), und in Beispiel 2 und 4, ganz besonders aber 6 und 7 würde ein Satz gefälliger Wirken: ''Als die — Kaiserin ... die Stelle besuchte; daß'' (''wenn'') ''der Name L. noch heute vorkommt. Den Tag der Thronbesteigung so zu feiern, war'' ... oder einfach: ''Eine solche Feier ... war'' ...//. Nur muß das durch zwischentretende Attribute abgetrennte andre Attribut stets bedeutsam und der Form nach vollwichtig genug sein, um durch die Betonung ungezwungen in der Höhe des regierenden Wortes gehalten werden zu können. In dem Satze der Tägl. Rundschau z. B.: ''Am Sonntag vormittag wohnten die Majestäten der Gastpredigt des Pfarrers und Superintendenten Faber aus Magdeburg im Dom bei'', ist das zweite Attribut, ebenso übrigens der Verbalteil ''bei'' zu unbedeutend, als daß sie gegen das erste gewichtigere aufkommen könnten. Da kann also nur ein Satz helfen: ... ''der Gastpredigt bei, die vom Pfarrer'' ... ''im Dome gehalten wurde''.
Wenn dieses Zusammenwachsen von Formen mehr der gewöhnlicheren Schreibart angehört, so ist doch ein Verharren in der Stammform vor ''und, oder'' und einem gleichbedeutenden ''bis'' in jeder Schreibart nichts Seltenes. So wird von zwei zu einem einheitlichen Begriffe gewordenen Hauptwörtern das zweite allein gebeugt, und wenn sie verschiedenen Geschlechts sind, entscheidet es auch allein über die Wahl des Artikels: ''meines Grund und Bodens, mein'' (nicht ''meine'', obwohl es heißt ''die Habe'') ''Hab und Gut, meines Hab und Gutes; auf seinem Grund und Boden, in jener Zeit des Sturm und Dranges'' (DAZ. 25); ''in manchen Tag und Nächten'' (H. Claudius), (vgl. § 28 u. 85). Ebenso kann von zwei verbundenen Zahlbegriffen der erste, auch wenn er an sich der Biegung fähig ist, wie ''eineinhalb, zweieinhalb'', ungebeugt bleiben. Ja man wird heute selten (obwohl richtig) sagen wie v. Hörmann: ''eine Vertiefung von einer bis zu zwei Stufen''. Häufiger finden die folgenden Beispiele ihresgleichen: ''in einer Höhe von ein bis zwei Meter''(''n'') (vgl. § 160, 3), ''vor ein und einem halben Jahre, ein Gewicht von ein''(''und'')''einhalb bis zwei Zentnern''. Die Ergänzungen einer Mehrzahl aus einer folgenden Einzahl ist dann die Regel, wenn nach einer durch ein Zahlwort angegebenen oder nur angedeuteten Mehrzahl durch ein genauer berichtigend noch die Einheit oder gar durch ''ein halb, ein viertel'' u. ä. nur ein Teil davon hinzugefügt wird: ''hundert und ein Kamel'' (Rückert); ''tausend und ein Grund'' (Zschokke); ''aus ein paar hundert und einem halben Kongreßmanne'' (Eltze). Ebenso und zwar überwiegend bei ''mehr als ein'', obwohl doch die Formel gerade im Gegensatz zur Einheit die Mehrheit betont: ''in mehr als einem Falle, durch mehr als einen Beweis''//1 Wenn ''mehr als ein'' vor dem Subjekt steht, ist ganz entsprechend der Singular des Verbums üblich; also gewöhnlich nicht: ''Mir sind von unserem Neffen her mehr als ein Handelsfreund bekannt'' (Goethe), sondern: ''von deren Wesen mehr als ein Zug auf das Klärchen der Dichtung übergegangen ist'' (Stahr). Bei ''nichts als'' pflegt sich dagegen das Verbum durchaus nach einem auf als folgenden Plural zu richten: ''Eine Fabrik, in welcher nichts als Nähnadeln gemacht wurden'' (Hebel). ''Nichts als'' bedeutet eben ''lediglich nur'' und verliert dadurch jeden Einfluß auf die Satzfügung.// Dagegen wird in der Fügung: ''von den tausend und einem Mißgeschicken'' das Sprachgefühl durch den Widerstreit der hart aneinanderstoßenden Formen der Ein- und der Mehrzahl schwer verletzt werden. Etwas anderes ist es und wohl erträglich, wenn, wie sonst das erste, so einmal das zweite Zahlwort ungebeugt bleibt und so die Erwartung, mit dem folgenden Hauptworte in Übereinstimmung gesetzt zu sein, gar nicht erregen kann. So schreibt wieder Motleys Übersetzer Eltze: ''unter den fünf und eine halbe Millionen Sezessionisten''; und aus demselben Grunde war: ''101 ..., durch 101 Kanonenschüsse ''zu lesen: $Seite 139$ ''hundert und ein'' (nicht: ''einer'') ''Kanonenschüsse, durch hundert und ein'' (nicht: ''einen''!) ''Kanonenschüsse''. Diese Unterlassung der Biegung an der zweiten Hälfte hat es auch ermöglicht, daß nach den Zusammensetzungen ''anderthalb, fünft''(''e'')''halb'' u. ä., statt der ursprünglich herrschenden Einzahl//1 Im Nib.-Lied z. B. ''fünfte halben tac''; noch älter: ''sivonden halvon embar honegas'', also wörtlich: ''den siebenten Eimer Honigs'' (''nur'') ''halb''.// die Fügung nach dem Sinne mit der Mehrzahl eintrat: ''dritt''(''e'') ''halb Ellen, anderthalb Meilen'', Fügungen, die wegen ihrer Geschlossenheit besser sind als die zerdehnten ''ein'' (''und'') ''eine halbe Meile'' und in der feineren Schriftsprache durchaus nicht diesen zuliebe gemieden zu werden brauchten!
Ein zweites Schwanken zwischen der starken und schwachen Deklination führt das Zusammentreffen des Eigenschaftswortes mit den persönlichen Fürwörtern ''ich, du, wir, ihr, Sie'', sowie mit den deklinierten Zahlwörtern ''dreier'' und ''zweier'' //1 Da diese außerdem selbst ungebeugt bleiben können, gibt es für sie gar drei Formen: ''der Bund dreier mächtiger-, dreier mächtigen-, drei mächtiger Kaiser''. Die Fügung nicht unbezeichnet zu lassen, bildet E. Marcks selbst von ''vier'' noch den Wesfall: ''die schwachen Schultern seiner unmittelbaren Anwohner, vierer Fischbecker Ackersleute''.// herbei. Wie bei diesen Zahlwörtern, ist auch bei den persönlichen Fürwörtern im Dativ der Einzahl wie Nominativ der Mehrzahl //2 In den anderen Fällen steht durchaus die starke Form gemäß den § 77 angegebenen Bestimmungen: ''ich Armer; du Törichter; er dreimal verfluchter Narr'' (Th. v. Harbou.)// schon vom Mittelhochdeutschen her die schwache neben der starken Form so geläufig, daß beide gleichberechtigt sind. Man darf also sagen: ''mir armem'' und ''mir armen Manne, ... Kinde, mir alter'' und ''mir alten Frau; wir andere'' und ''wir ander(e)n''; und bei K. v. Heigel liest man z. B. in substantivierter Form in einem Atem nebeneinander: ''ihr Verirrten und Verführten, kehrt zur Kirche zurück. Ihr Getreue, sammelt euch!'' G. Hauptmann im E. Quint schreibt: ''Wenn ihr meinem Rat folgen wollt, guten Leute!'' Im Nominativ der Mehrzahl überwiegt sogar die schwache Form bereits, also ''daß wir andere, ihr Gute'' und selbst Bismarcks: „Wir $Seite65$ Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt" schon ungewöhnlich klingt, obwohl auch darin Bülow mit ihm einig geht (Deutsche Pol. 336). Wenn dagegen im Akkusativ die starke Form noch vorherrscht: ''Uns Deutsche liebten, seit wir mächtig geworden waren, die wenigsten unsrer Nachbarn'', so verdankt sie dies dem Unterscheidungstriebe der Sprache, insofern dadurch der 4. vom 3. Falle geschieden bleibt: ''Uns Deutschen wollen wenige wohl''. Doch fügt Georg Cleinow (1918): ''für uns Eingekreisten''.
Die Verurteilung eines so gebrauchten ''mit'' für die Schriftsprache schließt keineswegs die des Gebrauches von ''mit'' als Adverb überhaupt ein. Vielmehr sind Sätze, in denen ein adverbiales ''mit'' ein Dabei- oder Verbundensein, eine Zugehörigkeit oder Gleichzeitigkeit ausdrückt, heute noch ebenso gut, wie sie bei Wieland und Schiller waren. ''Neue'' (''Beschwerden'') ''werden aufgesucht, um sie der gehofften Reform mit teilhaftig zu machen'', sagt z. B. Schiller, und R. Hildebrand: ''dieses sinnliche Denken ist es mit, was uns aus der alten Rede so erfrischend anweht''. +
Nichts als ein unbestimmtes Für- oder Zahlwort ist auch die Verbindung ''ein paar'' (so, nicht ''ein Paar'') in der Bedeutung ''einige'' und als solches durchaus undekliniert: ''Nach ein paar Jahren, mit ein paar groben Strichen''. Das die Zweiheit bezeichnende Hauptwort ''Paar'' dagegen bleibt beugbar, und so steht richtig bei K. Jänike z. B. ''mit einem Paar schöner Mädchenaugen'', aber falsch z. B. bei Boyen: ''mit meinen Stiefeln und ein Paar Stahlsporen'' und bei einer Schriftstellerin ''von ein paar unheimlich dunkeln Augen.'' Auch ''viel'' und besonders ''wenig'' bleiben als Bezeichnungen unbestimmter Mengen, zumal vor Hauptwörtern ohne Attribut, gern ohne Endung: ''wenig Geld, wenig Käufer, mit viel Glück'' und ''wenig Geschick, in wenig Zeit, nach wenig Stunden, Wochen''; wenn durch Antreten der Endung ''-er'' Verwechslung mit dem Komparativ möglich würde, sogar immer: ''mit wenig Mühe ist also soviel als mit geringer Mühe'', aber ''mit weniger Mühe soviel als mit geringerer Mühe''. Einer ähnlichen Unterscheidung zuliebe hält der Gewissenhafte auch auseinander ''schon von sehr wenig starkem'' (= ''schon von schwachem'') ''Weine'' und ''von sehr wenig starken Weins'', welcher alte Teilungsgenetiv ursprünglich bei allen solchen Wörtern stand. Aus demselben Grunde, d. h. damit ''viel'' oder ''wenig'' nicht als nur zum Eigenschaftsworte, sondern als zur ganzen Verbindung gehörig aufgefaßt werde, ist die Beugung von ''wenig'' die Regel, die von ''viel'' immer gewählter //2 Diese Rücksicht läßt auch wenigstens vor gewichtigen Personen, auch wenn kein Attribut davor steht, die deklinierte Form wählen: ''mit wenigen Begleitern; von'' $Fußnote auf nächster Seite fortgeeführt$ ''vielen Offizieren''; denn sie fordern Berücksichtigung jeder seiner einzelnen Person, was die Endung ausdrückt.// vor Attribut + Substan- $Seite 85$ tivum; denn ''wenig treue Freunde'' kann soviel sein als ''recht treulose'', wie man ''wenige treue Freunde'' nicht auffassen kann. Notwendig ist die Beugung, wenn die Wörter selber mit dem Artikel verbunden sind, und niemand wird mit Scheffel schreiben: ''die wenig'' (statt ''wenigen'') ''umliegenden Behausungen''. — Auch andere Hauptwörter außer ''Paar'' erfaßt die Neigung ungebeugt zu beiben, vor allen Maßwörter, wenn sie formelhaft mit dem unbestimmten Geschlechtsworte und in der abgeschliffenen Bedeutung unbestimmter Zahl- und Fürwörter gebraucht werden. So stehn nebeneinander: ''im Dutzend(e), bis zu einem Dutzend'' und ''mit ein'' (selten ''einem'') ''Dutzend Äpfeln, mit dem (seinem) bißchen Verstand'' und ''mit ein bißchen Witz; mit ein wenig Vorsicht''. Vgl. § 184 ff.
Viele schöne, malende Zusammensetzungen sind mit Partizipien und Adjektiven als Grundwörtern gebildet, und zwar nicht bloß Ausdrücke des höheren Stiles wie: ''weisheitsverlassen, himmelfliegendes Erstaunen, säulengetragen, wurzelüberkrochenes Nest'' (Trentini), ''blumenglücklicher Anakreon'', sondern auch gewöhnlichere wie: ''blutbesprengt, waldumsäumt, sonndurchschimmert, nacht- und nebelüberfallene Gäste''. Mögen auch Dichter diese Formen zunächst geschaffen haben, so sind sie doch in dem Umfange eines Adjektivs (Partizips) mit einem Adverbiale auch für die Prosa eine erwünschte Bereicherung, da diese durch sie von vielen kleinen unbequemen Formwörtchen, Artikeln und Präpositionen, freigehalten wird. Gefällige Bildungen dieser Art sind: ''sonneblendende Gefilde'' (Less.), ''handarbeitende Proletarier'' (Riehl), ''übelwortspielend'' (Minor). +
