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- Lib. II. Cap. II. Von der Rechtschreibung: 6. Lehrsatz + (90 242 (198))
- Abweichungen + (Aber andrerseits hat unsere Sprache nicht … Aber andrerseits hat unsere Sprache nicht nur aus der Zeit größerer Beweglichkeit der Wortstellung immer gewisse Freiheiten bewahrt (§ 379), sondern auch neuerdings manche wiedergewonnen (§ 380).</br></br>1. Schon oben § 117 ist nachgewiesen, wie der Redner durch eine Abweichung von der strengen Regel in manchen Fällen ein leichteres Verständnis erzielen kann und darf; nicht minder unten § 403 f., wie jeder Darstellende durch ähnliche kleine Abweichungen Schachteleien und das Nachklappen tonloser und unwichtiger Satzteile nicht nur vermeiden kann, sondern soll. Der Satz bei von Proskowetz mag für den letzten Zweck noch als Beispiel für den Hauptsatz dienen: ''Ein Regiment Gardehusaren zieht ein vom Lager mit klingendem Spiel''; und für den Nebensatz zwei aus Rud. Huch: ''So war es ein ehrlicher Streit, derengleichen du mehr als einen bestanden hast in deinem jungen Leben'', und: ''Wer weiß auch, ob nicht in diesem Bau, der verflucht ist von Anbeginn seines Bestehens, verborgene Falltüren sind?''</br></br>Rücksicht auf den Wohllaut, auch auf Verständlichkeit und Abwechslung gebietet auch in folgenden Fällen eine Abweichung. auch in folgenden Fällen eine Abweichung.)
- Kultur und Bildung, ganze Totalität u. ä. + (Abgesehen von alten, einst lebensvolleren … Abgesehen von alten, einst lebensvolleren Formeln wie ''Fug und Recht, Grund und Boden, Haus und Hof, Mann und Maus'' bleibt es eine fehlerhafte Überfülle des Ausdrucks, wenn derselbe Begriff durch zwei sinnverwandte Ausdrücke wiedergegeben wird, wie es besonders in Fremdwörtern schwelgende Schriftsteller treiben, sei es mit schon im Begriff liegenden Beiwort vor dem fremden Hauptworte wie: ''ganze Totalität, mögliche Eventualität, jährliche Annuitäten, Unantastbarkeit der Integrität'' oder mit gleichbedeutenden deutschen und fremden Ausdrücken nebeneinander, wie ''Basis und Wurzel'' (!) ''der Sitte, dieses besondere und partikuläre Vorgehn, Kultur und Bildung, die grandiose gewaltige Rundschau, ein faszinierender überwältigender Eindruck''. Ob sie durch solche Doppelung sich selber den Ausfall des unmittelbaren Gefühls ersetzen oder dem Verständnis ihrer Leser zu Hilfe kommen wollen? Jedenfalls rechtfertigt eins so wenig als das andere diese Unsitte, die sie am besten loswerden, wenn sie ganz deutsch reden.en loswerden, wenn sie ganz deutsch reden.)
- Ein schönes Äußeres oder ein schönes Äußere? Großer Gelehrter oder großer Gelehrten? + (Adjektiva und Partizipia, die substantivie … Adjektiva und Partizipia, die substantiviert wurden, nahmen in der ältesten Zeit stets die schwache Form an, auch hinter dem unbestimmten Artikel. Reste davon sind ''Junge'' (''ein Junge''), eigentlich ''ein Junger'', das in der Form ''Jünger'' noch daneben steht, und ''Untertan(e)'', eigentlich ''ein Untertaner''. Später ist auch bei solchen substantivierten Adjektiven und Partizipien überall hinter ''ein'' die starke Form eingetreten: ''ein Heiliger'', ''ein Kranker, ein Fremder, ein Gelehrter, ein Verwandter, ein Junges'' (von Hund oder Katze), ''ein Ganzes'', und stark wird auch überall der alleinstehende artikellose Plural jetzt dekliniert: ''Heilige, Verwandte, Geistliche, Gelehrte, Junge'' (''der Hund hat Junge bekommen''). Werden aber diese substantivierten Adjektiva und Partizipia mit einem Adjektiv versehen, so erhält sich ihre schwache Form: ''ein schönes Ganze'' (noch genau so wie ''ein guter Junge''), ''mein ganzes Innere, von auffälligem Äußern, mit zerstörtem Innern'', und namentlich im Genitiv der Mehrzahl: ''eine Anzahl wunderlicher Heiligen, eine Versammlung evangelischer Geistlichen, ein Kreis lieber Verwandten, die Stellung höherer Beamten, die Arbeiten großer Gelehrten, ein Kreis geladner Sach-'' $Seite 33$ ''verständigen, große Züge französischer Kriegsgefangnen, die Lehren griechischer Weisen'' usw.</br></br>Neuerdings versucht man, auch hier überall krampfhaft die starke Form durchzudrücken und lehrt, weil es heiße ''ein Ganzes'', so müsse es auch heißen: ''ein schönes Ganzes, mein ganzes Inneres, ein ungewöhnliches Äußeres, mit zerrüttetem Innerm'', und im Genitiv der Mehrzahl: ''die Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger, der Verband sächsischer Industrieller, zum Besten armer ''Augenkranker'', zur Unterstützung verschämter Armer, die Anstellung pensionierter Geistlicher, Mißgriffe preußischer Polizeibeamter, die Behandlung betrunkner Untergebener, Geldbeiträge reicher Privater, der Streit zweier berühmter deutscher 'elehrter, die Zustimmung vieler amerikanischer, spanischer und französischer Gelehrter, die Einbildung etlicher wunderlicher Heiliger'' usw. Daß die gehäuften ''er'' in den Endungen nicht gerade schön klingen, würde nichts zu sagen haben; das ließe sich auch gegen jede andre Endung einwenden. Aber da die schwache Form in diesem Falle das ältere ist, so verdient sie unbedingt den Vorzug. Unsre guten Schriftsteller haben nie anders geschrieben als: ''zur Unterstützung verschämter Armen, inmitten eifersüchtiger Fremden''. ''Ein schönes Ganzes'' und ''nach dem Urteil deutscher Gelehrter'' sind unnatürliche, gewaltsame Erzeugnisse der Halbwisserei. Menschen von feinerem Sprachgefühl werden hier immer das fehlende Hauptwort vermissen: ''ein schönes ganzes'' (was denn?).</br></br>Eine Liederlichkeit ist es, substantivierte weibliche Adjektivformen, wie ''die Rechte, die Linke, die Weiße'' (''eine Berliner Weiße''), wie Substantiva zu behandeln und zu schreiben: ''die Einführung der Berliner Weiße''; richtig ist nur: ''der Berliner Weißen'', wie in ''seiner Rechten, auf der äußersten Linken''. Auch ''die Herbstzeitlose'' gehört hierher. Nur ''die Feste'' (nämlich eigentlich ''Burg'' oder ''Stadt'') ist ganz zum Substantiv geworden: ''die Grundmauern der zerstörten Feste, ''auf hoher Feste''.der zerstörten Feste, ''auf hoher Feste''.)
- Nördlich, südlich, rechts, links, unweit + (Alle Präpositionen sind ursprünglich einma … Alle Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen. Auch die häßlichen, langatmigen Modepräpositionen unsrer Amts- und Zeitungssprache: ''anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, antwortlich'', was sind sie zunächst anders als Adverbia? Neuerdings soll nun aber noch eine Anzahl weiterer Adverbia mit aller Gewalt zu Präpositionen gepreßt werden, nämlich: ''rechts, links, nördlich, südlich, östlich, westlich'' und ''seitlich'' (das letzte ein recht überflüssiges Wort). Niemand wird bestreiten, daß auch diese Wörter Adverbia sind. $Seite 244$ Um anzugeben, im Vergleich womit etwas ''rechts'' oder ''links, nördlich'' oder ''südlich'' sei, haben wir denn auch früher immer die Präposition ''von'' zu Hilfe genommen und gesagt: ''rechts von der Straße, nördlich von den Alpen''. Da haben nun offenbar manche Leute geglaubt, ''von'' sei hier, wie so oft, eine bloße Umschreibung des Genitivs, und da sei es doch gescheiter, lieber gleich den Genitiv zu setzen. Und so hat sich denn seit einiger Zeit immer mehr der Fehler verbreitet, zu schreiben: ''rechts der Elbe, rechts'' und ''links der Szene, nördlich des Viktoriasees, südlich der Kirche, seitlich des Altars'', ja neuerdings sogar ''ringsum des Marktes''. Namentlich Architekten, Techniker und Geographen schreiben schon gar nicht mehr anders. Ein Fehler ist es aber doch, wenigstens solange es noch Menschen gibt, die so altväterisch sind, zu glauben, ''rechts'' und ''links, nördlich'' und ''südlich'' seien Adverbia, und solange — die Schule ihre Schuldigkeit tut.</br></br>Ebenso verhält sichs mit den verneinten Adverbien ''unfern'' und ''unweit''. Auch sie können von Rechts wegen nur als Adverbia gebraucht werden: ''unweit von dem Dorfe''; aber auch sie hat man zu Präpositionen zu pressen gesucht und weiß nun nicht, ob man sie mit dem Genitiv oder, wie das gleichbedeutende ''nahe'', mit dem Dativ verbinden soll; die einen schreiben: ''unfern des Bodensees, unweit des Flusses'', andre: ''unfern dem Schlosse, unweit dem Tore''. Und das hat wieder zur Folge gehabt, daß man sogar bei nahe irre geworden ist und zu schreiben anfängt: ''nahe Leipzigs''! Auch ''nahe'' ist keine Präposition, sondern ein Adverbium (''nahe bei, nahe an''), und als Adjektiv kann es unzweifelhaft nur den Dativ haben; ''unfern'' aber und ''unweit'' sollte man doch lieber ganz vermeiden; sie haben (wie ''unschwer'') etwas gesuchtes und sind der lebendigen Sprache fremd.tes und sind der lebendigen Sprache fremd.)
- Das Beiwort *1 + (Alle Sprachlehren versuchen für die einzig … Alle Sprachlehren versuchen für die einzig richtige Beugung der Beiwörter nach der starken (''lieber, liebes, liebem, lieben; liebe, lieber, lieber, liebe; liebes, liebes, liebem, liebes;'' Mehrzahl: ''liebe, lieber, lieben, liebe'') oder nach der schwachen (ohne ''er'' und ''es''; Mehrzahl: in allen vier Fällen ''lieben'') treffliche Beispiele und gute Lehren zu geben. Auf keinem Gebiet der deutschen Sprachwissenschaft ist die Lehre so machtlos, der Gebrauch so schwankend. Hier werden nur die schwankenden, besonders die von den Sprachbütteln mit selbstherrlicher Gewalt entschiedenen Fälle behandelt, und, wie immer, die Entscheidungen nur nach dem herrschenden Sprach- und Schriftgebrauch getroffen. Im allgemeinen ist — vielleicht mit Bedauern — festzustellen, daß sich der Sprachgebrauch mehr und mehr von der starken Beugung freimacht und der schwachen anheimfällt. Wir hören viel häufiger ''Lieben Freunde!'' als ''liebe ..''; ''vieler großen Männer'' statt ''vieler großer . .''; ''trotz allen Mühens'' statt ''trotz alles . .''; ''alle guten Freunde'' statt ''alle gute . .''; ''ihr guten Menschen'' statt ''ihr gute ..''; ''Wir deutschen Gelehrten'' statt ''Wir deutsche Gelehrte''; ''alle guten Gaben'' statt ''alle gute . .'' Kaum je hört oder liest man noch ''alles Ernstes'', fast immer ''allen . .'' Allerdings in bestimmten Wendungen ist die starke Beugung widerstandsfähig geblieben: ''Werte Freunde'' oder ''Anwesende'' steht dem ''Lieben Freunde'' gegenüber, und ''Lieben Anwesende'' sagt niemand, — beinah möchte man hinzufügen: sagt noch niemand. Übrigens heißt es schon bei Bürger und Schiller: ''Lieben Freunde''. Ein schönes Beispiel für das regellose Schwanken zwischen starker und schwacher Beugung bieten Goethes Verse: ,''Gegrüßet seid ihr hohen Herrn, Gegrüßt ihr schöne Damen.' ''</br></br>Strenge Vorschriften zu Gunsten oder Ungunsten nur einer der zwei Beugungen zu treffen, wäre zwecklos, denn der $Seite 123$ Sprachgebrauch will sich offenbar in diesem Punkte durchaus nicht gängeln lassen. Ich selbst bevorzuge, wo immer ich's ohne Eigenbrötelei darf, die starke Beugung und habe selbst von Sprachmeisterern darob noch keinen Verweis gehört. Ich tue das, weil ich die ewige Wiederholung von ''.. en'' matt und ermüdend finde, die starke Beugung, zumal die auf ''er'' und ''es'', als kräftiger empfinde und jede Abwechslung der Endungen mit ''e'' für nützlich halte. Da wo sich von altersher die starke Beugung erhalten hat, besonders in festen Fügungen, sollte man sie nicht ohne Not aufgeben. ''Gutes Mutes'', ''alles Ernstes'', ''reines Herzens'', ''grades Weges'', ''eines Teils'' (neben: ''andern Teils''), ''keinesfalls'', selbstverständlich: ''meines Wissens'', auch: ''heutiges Tages'', aber auch: ''vieler guter Menschen'', ''aller deutscher Städte'', ''zu Goethes ganzer späterer Entwicklung'' — was ist dagegen einzuwenden? Und ist nicht jedes ''er'', jedes ''es'' eine wahre Erquickung zwischen den 4 oder mehr ''en'', die sonst hintereinander zu stehen kommen? In älterer Zeit war die Beugung ''süßes Weines'' die Regel, ''süßen Weines'' galt für einen Fehler. Noch Klopstock beugte ausschließlich so: '',Du bist ernstes, düsteres Geistes.' '' Bei Goethe schwindet die starke Beugung zu Gunsten der schwachen, und es treten regellose Schwankungen ein: ,''Feines Silbers genug und roten Goldes' '' in demselben Vers.</br></br>In abhängigen Zweitfällen steht heute durchweg schwache Beugung: ,''ein Glas süßen Weines, reinen Wassers' ''; bei aller Mannigfaltigkeit der Fügung wird doch nicht mehr stark gebeugt, sondern: ,''eine Art feuriger Rotwein, . . feurigen Rotweins' ''; mit ''einer Art feurigen Rotweins'' (daneben:''feurigem Rotwein''). Goethe: ,''Die Kunst ruht auf einer Art religiösem Sinn' '', was ebenso gut ist wie ''. . religiösen Sinnes''. — Das Schwinden des zweimaligen ''.. es'' (''süßes Weines'') in allen nicht alten festen Wendungen beruht wahrscheinlich auf einem Wandel des Lautgeschmacks: der hurtiger sprechende Deutsche unsrer Zeit empfindet die beiden gewichtigen Endungen schnell nacheinander übler als seine Vorfahren.</br></br>Unverständlich für den, der sprachliche Entscheidungen gemäß dem wirklichen Sprachleben, nicht dem selbstherrlichen eignen Geschmack zu treffen pflegt, ist die Warnung einiger Sprachmeisterer vor völlig eingelebten und guten Fügungen, wie: ''zum Besten armer Kranker''; es müsse ''.. Kranken'' $Seite 124$ heißen. Hierzu gehört auch die eigensinnige, dem Sprachgebrauch zuwiderlaufende Forderung: nur ''ein schönes Ganze'' dürfe geschrieben werden. Fast alle Welt spricht und schreibt ''ein schönes Ganzes.'' Aber nichts Eigenwilligeres als die Sprache, zumal die deutsche; sie sagt: ''ein schönes Ganzes'', läßt sich aber hierdurch nicht zwingen ''ein schönes Äußeres'', ''mein ganzes Inneres'' zu sagen, sondern zieht ''Äußere'', ''Innere'' vor (vgl. S. 94).</br></br>Von einem der Gewaltner unsrer Sprache, Adelung, wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Willkürregel über die schreibende deutsche Menschheit verhängt: von zwei aufeinander folgenden Beiwörtern im 3. Fall bekommt nur das erste ''.. em'', die nachfolgenden ''. . en''. Hier liegt einer der zum Glück seltnen Fälle vor, wo einem ganzen großen Volke von einem sich über dessen Sprache eitel emporblähenden Zuchtmeister eine ebenso sinnlose wie falsche Sprachform aufgenötigt wurde. In allen Schulen wurde seit Adelung gelehrt, von fast allen Schreibern befolgt, es müsse heißen: ''mit gutem alten Wein'', ''nach langem heißen Kampf'', ''bei geringem eignen Verlust'', ''nach deutschem bürgerlichen Recht'', ''nach gutem deutschen Brauch''. In neuster Zeit — Ehre, wem Ehre gebührt: zum Teil auf die Mahnung Wustmanns — wurde endlich mit der Adelungschen Vorschrift gebrochen, und selbst die Schulen haben sie größtenteils abgegeben. Goethe hatte sich nicht an sie gekehrt; bei ihm heißt es z. B.: ''aus natürlichem frommem Gefühl'', ''nach bezahltem teurem Lehrgeld''; auch bei Schiller steht: ''mit weitem flammendem Rachen''. Unter den Neueren hatte sich namentlich Treitschke von jenem alten Zopfe befreit: ,''Gestalten von unvergänglichem menschlichem Gehalt' ''; ''von gutem altem Adel''; ''nach altem germanischem Kriegsgebrauche''.' Selbstverständlich heißt es nur: ''von diesem guten Tabak''; die Doppelsetzung des ''m'' gilt nur für zwei Beiwörter. — Die Redesprache hatte sich niemals an die Adelungsche Regel gekehrt.</br></br>Für die Beugungsformen der Beiwörter auf ''el'' und ''er'' lassen sich keine bindenden Vorschriften geben. Allenfalls läßt sich feststellen, daß der Sprech- und Schreibgebrauch sich zu Gunsten folgender Formen entschieden hat: ''dunkler, dunkle, dunklem, dunkeln, dunkles; heiter, heitre, heiterm, heitern, heitres'', ohne daß die abweichenden Formen $Seite 125$ ''dunkelm, dunklen, heitrem, heitren'' falsch zu nennen wären.</br></br>Fremde Farbenbeiwörter bleiben ungebeugt: ,''eine rosa Schleife, eine lila Tulpe''; es ist nicht nötig, sich mit ''rosa-farben'' zu helfen.</br></br>Dürfen wir uns noch heute einige der Freiheiten nehmen, die Goethe sich nahm und die sich gottlob die Dichter unsrer Tage noch erlauben? Zweifellos, nur dürfen wir den Sprachmeisterer nicht zuvor befragen, denn dem sind Sprachfreiheiten in groß und kleinen Dingen ein Greuel. Halt! ,''in groß und kleinen Dingen'' — ein ungebeugtes Beiwort neben einem Hauptwort? Wenn mit Maß, selten, am rechten Ort — unzweifelhaft, denn in diesem Punkte hat sich in der gesprochenen Sprache nichts geändert seit Goethes Tagen, der nur der wirklichen Sprache nachschrieb: ,''in gut und bösen Tagen, die klein und große Welt, in jung und alten Tagen, in der alt und neuen Zeit, Jeden Nachklang fühlt mein Herz froh und trüber Zeit'.</br></br>'' ,Ein Garten voll Blumen, . . voller Blumen, . . voll von Blumen' '' — was ist richtig? was ist am richtigsten? Alle drei Fügungen sind richtig, und der Dichter kann noch als vierte gebrauchen: ''. . voll der Blumen''. Am wenigsten schön, weil unnötigerweise nicht durch Beugung, sondern Umschreibung ausgedrückt, ist ,''voll von Blumen''. — Aber ist nicht ''. . ,voller Blumen'' nur nachlässige Volkssprache? Keineswegs, es ist gute Dichtersprache und kommt in der besten Prosa vor: '',Jetzt, da der Himmel voller Sterne glüht'' (Goethe im Vers), ,''Das Stück war voller Handlung'' (Goethe in Prosa). — ,''Er ist voller Eifers'' oder ,''voller Eifer''? Nur ,''voller Eifer''! ,''voller Eifer''? Nur ,''voller Eifer''!)
- Das Zeitwort 2. Die Zeiten + (Alle Sprachmeister zermartern sich, einen … Alle Sprachmeister zermartern sich, einen angeblich feststehenden Unterschied zwischen erzählender und vollendeter Vergangenheit (Imperfektum und Perfektum) zu begründen und einzuschärfen, überschütten ihre schreibenden Volksgenossen mit heftigster Schelte ob der vorgeblich immer wieder begangenen Verstöße gegen die vermeintlich bombensichre Regel und — haben nicht das Geringste damit erreicht: dieselben $Seite 278$ Von ihnen behaupteten Verstöße werden überall, täglich, stündlich in jedem guten Buch, in jeder Zeitung, von jedem gebildeten Redner, von jedem Sprechenden begangen. Hier klafft zwischen Lehre und Leben — in der üblichen Gelehrtensprache: zwischen Theorie und Praxis — ein gähnender Abgrund, gähnend in des Worts verwegenster Bedeutung, denn auf die Dauer wirkt die ewige Wiederholung eines Tadels, von der sanften oder groben Schelte bis zur rohen Beschimpfung, langweilig, wenn er auf die Betroffenen gar keine Wirkung übt und niemand überzeugt. Merkwürdig nur, daß keiner der Tadler sich je die Frage stellte (oder ''gestellt hat''!), ob nicht die Getadelten, nämlich die Gesamtheit der Sprechenden und Schreibenden, am Ende doch vielleicht ein wenig, ein ganz klein wenig Recht und die Tadler einiges Unrecht haben (''hätten'').</br></br>Ein paar Pröbchen des Tadels müssen gegeben werden, um der Leserschaft ihre, wie es scheint, unverbesserliche Sündhaftigkeit vor die Augen zu stellen. ,Ganz widerwärtig und ein trauriges Zeichen der zunehmenden Abstumpfung unsers Sprachgefühls ist ein Mißbrauch des Imperfekts, der seit einiger Zeit [in Wahrheit seit zwei Jahrhunderten oder mehr] mit großer Schnelligkeit um sich gegriffen hat' (Wustmann). — ,Diese unwissenden Tintenkleckser haben in den Vierzigerjahren (des 19. Jahrhunderts) aus der deutschen Sprache das Perfekt und Plusquamperfekt ganz verbannt, indem sie, beliebter Kürze halber, solche (!, vgl. S. 144) überall durch das Imperfekt ersetzen, so daß dieses das einzige Präteritum (Vergangenheitsform) der Sprache bleibt, .. oft auf Kosten alles Menschenverstandes, indem barer Unsinn daraus wird. Daher ist, unter allen Sprachverhunzungen diese die niederträchtigste, .. sie ist eine linguistische (sprachliche) Infamie' (Schopenhauer). Und an einer benachbarten Stelle diese Ungeheuerlichkeit: ,Man darf im Deutschen das Imperfekt und Perfekt nur da setzen, wo man sie im Lateinischen setzen würde.' Danach müßte Cäsars ''Veni, vidi, vici'' auf Deutsch lauten: ''Ich bin gekommen, habe gesehen, habe gesiegt''. Schopenhauer muß seinen Satz ganz anders gemeint als geschrieben haben.</br></br>Schopenhauer ist einer unsrer größten Prosaschreiber, war aber, trotz vielseitiger Sprachenkenntnis, kein Sprachforscher. Wustmann hingegen war oder wollte sein ein Deutschforscher, $Seite 279$ dem es zustände, Gesetze seiner Muttersprache auszustellen und sie einem Millionenvolk aufzuzwingen. Wessen Irrtum schwerer wiegt, sage sich der Leser selbst.</br></br>Es ist nicht wahr, daß die von Schopenhauer für seine Zeit, von Wustmann für unsre behauptete zunehmende Abstumpfung und Verderbtheit des Sprachgefühls immer nur so jung ist, wie jeder Tadler grade für sein Zeitalter beklagt. Durch das ganze 18. und 19. Jahrhundert bis zum heutigen Tage zieht sich die gescholtene angebliche Verwechslung zwischen Erzähl- und Vollendungsform, und es wäre leicht, jedem Satze mit angeblich allein ,richtigem' Gebrauch bei einem unsrer größten Schriftsteller zehn Sätze mit dem ,falschen' bei einem ebenso großen, ja bei dem zum Vorbild Gewählten selbst entgegenzustellen.</br></br>Die von einem Sprachmeister dem andern nachgeschriebene Erklärung oder Regel für die Erzählform (''ich kam, ich ging, ich sprach, die Kirche wurde gebaut'') lautet: Sie muß da stehen, wo ein vergangenes Geschehen oder Bestehen in seinem Entstehen und Abrollen ausgedrückt wird; daher ihre, und nur ihre, Eignung für die Erzählung. — Die Vollendungsform (''ich habe getan, ich bin gegangen, die Kirche ist gebaut worden'') bezeichnet ein vergangenes, abgeschlossenes Geschehen, von welchem als einem in der Vergangenheit zu Ende geführten, für die Gegenwart fertigen berichtet wird.</br></br>Lägen die Dinge wirklich so einfach und für jeden nachdenklichen Schreiber so klar, dann wäre doch erst recht nicht zu begreifen, warum schwerlich bei einem einzigen namhaften Schriftsteller völlige Sicherheit im Unterscheiden der beiden angeblich ganz geschiedenen Zeitformen herrscht. Wustmann verkündet: ,Der Unterschied ist so mit Händen zu greifen, daß man meinen sollte, er könnte gar nicht verwischt werden.' Wie nun aber, wenn er tatsächlich von Klopstock über Lessing, Goethe und Schiller bis zu Kleist dem Erzähler und Hebbel, Storm, Keller und Raabe in Tausenden, in Zehntausenden, in unzähligen Fällen verwischt wurde und worden ist und zweifellos in weiteren Millionen von Fällen verwischt werden wird? Stehen wir dann nicht vor der verblüffenden Tatsache, daß eigentlich nur die Sprachmeisterer, besonders Wustmann, den handgreiflichen Zustand erkannt und beachtet, alle wahrhaften Meister unsrer Sprache in zahllosen Fällen dagegen verstoßen haben? Hieran zu glauben, fällt $Seite 280$ so schwer, daß wir uns nach einer befriedigenderen Lösung des Rätsels umsehen müssen.</br></br>Die Wahrheit scheint so auszusehen. Jene Erklärungen des Zeitbegriffs der zwei Hauptformen der Vergangenheit passen leidlich auf die einfachsten, die sonnenklaren Fälle; sie passen nicht auf die unzählbaren Zwischenformen der mit dem dehnbaren Zeitbegriff frei spielenden Phantasie des Schreibers, gleichviel ob Erzählers oder nur Tatsachenmelders. Vieles, was nach der schönsten Erklärung vollendete Vergangenheit, abgeschlossenes Ergebnis sein müßte, verschiebt sich für das Sprachempfinden, für das Innenbild des Sprechenden oder Schreibenden zu einem noch sichtbaren Ereignis und steht in der Erzähl- statt in der Vollendungsform. Das Musterbeispiel alles Erzählens ist doch wohl der Anfang aller Märchen: ,''Es war einmal' '', und jeder würde ,''Es ist einmal gewesen' '' als falsch empfinden, — obwohl in Süddeutschland mündlich in der Tat nur so das Geschehene erzählt, nur so das vollendete gemeldet wird. Nun bezeichnen aber die Sprachmeister die, wie sie selbst zugestehen müssen, unzählige Male gestellte Frage: ,''Waren Sie schon einmal in —?' '' als falsch. Die Frage wird nicht bloß unzählige Male so gestellt, sondern sie wird fast niemals anders gestellt, — folglich, und dies ist der Kern der Frage, empfindet der Sprachsinn der Gebildetsten die Erzählform auch für eine vollendete, abgeschlossene Tatsache der Vergangenheit nicht als falsch!</br></br>Keine Form an sich stellt irgendeine Bedeutung mit zwingender Gewalt dar; alle Formen besagen nur das, was das Sprachgefühl der wechselnden Geschlechter sprechender Menschen aus ihnen heraushört. Die Massenhaftigkeit der Beispiele für die Erzählform in solchen Fragen wie: ''Waren Sie schon einmal in —?'' statt Sind ''Sie schon gewesen?'' und für die Erzähl- statt Vollendungsform in Antworten wie: ''Ja, ich war schon einmal da'' — beweist also nichts andres, als daß das Sprachgefühl für den Sinn der Zeitformen sich geändert haben muß, vorausgesetzt, daß er im neueren Neuhochdeutsch je der gewesen ist, den die Sprachmeister haben erkennen wollen. Dem zweiten, dem dritten, dem vierten Beugesatz des Hauptworts und Fürworts wohnt eine solche zwingende Bedeutungsgewalt bei, sonst wäre die übereinstimmende Sicherheit ihrer Anwendung bei Mittel- und Hochgebildeten unerklärlich. Den zwei wichtigsten und häufigsten $Seite 281$ Zeitformen geht jene Gewalt ab, es herrscht freies Spiel der sprachlichen Phantasie zwischen und neben und außer der festen Ordnung in den selbstverständlichen Fällen, und der Sprecher, der da fragt: ''Waren Sie schon einmal in —?'' leidet unter keiner ,Abstumpfung des Sprachgefühls', der Erteiler einer Antwort in derselben Zeitform begeht keine ,linguistische Infamie'.</br></br>Es wird für den scharfsinnigsten Sprachmeister unmöglich sein, uns begreiflich zu machen, warum Goethe seinen Werther mit Sätzen schließt, worin trotz völlig gleichem geschichtlichem Inhalt Erzählform und Meldeform nebeneinander stehen: ,''Der Alte folgte der Leiche und die Söhne. Albert vermocht's nicht. Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet.' '' Man hat mit allerlei spitzfindelnden Tifteleien versucht, die Vollendungsform des letzten Satzes als notwendig hinzustellen, ohne jemand zu überzeugen. Jeder Schriftsteller, der sich aufs Erzählen und auf seine Sprache versteht, weiß, warum Goethe sein unsterbliches Jünglings- und schon Meisterwerk mit meisterlicher Kunst in der Vollendungs-, in der Meldezeitform ausklingen läßt: aus einem bezwingenden Gefühl für die innere Kunstform, die grade an dieser Stelle diesen wie verhallendes Glockengeläut tönenden Schritt der Sprach-und Satzfuge forderte. Ein künstlerischer Grund, keiner der Sprachlehre, gab ihm — man beweist das nicht, man fühlt das — gab ihm diesen einzig richtigen Tonfall in dieser einzig richtigen Zeitform ein.</br></br>Man schlage irgendwo in Goethes oder Schillers Werken, besonders in ihren Versdramen auf und prüfe die Zeitformen der Vergangenheit: fast auf jeder Seite wird man eine Stelle, oft grade die bedeutsamsten und kunstvollendetsten, finden, wo die beiden Zeitformen gegen die bestimmte Regel verstoßen.</br></br>''Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt'',</br></br>''Gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide'' (Tasso).</br></br>Hier wird zweifellos nicht ein Geschehen, ein Vorgang erzählt, sondern eine in der Vergangenheit abgeschlossen liegende, auf die Gegenwart nachwirkende Tatsache wird ausgesprochen; trotzdem nicht: ''Hat mir ein Gott gegeben'', sondern ''gab''.</br></br>$Seite 282$ ''Und dieses Tieres Schnelligkeit entriß'' </br></br>''Mich Banniers verfolgenden Dragonern''. </br></br>''Mein Vetter ritt den Schecken an dem Tag'', </br></br>''Und Roß und Reiter sah ich niemals wieder''.</br></br>(Wallensteins Tod 2, 3.)</br></br>Ebenso unzweifelhaft müßte im letzten Vers gemäß der strengen Regel stehen: ''Und Roß und Reiter hab ich niemals wiedergesehen''; denn diese Worte enthalten kein einzelnes Geschehnis der Vergangenheit, sind nicht mehr Erzählung eines Ereignisses, sondern ein Überblick aus der Gegenwart auf eine lange Zeitkette, eine abschließende Tatsachenangabe.</br></br>Der bekannte Einwand in solchen Fällen der Berufung auf gewichtige Dichterstellen — sie könnten für unsre Frage einen Band füllen — lautet: Die Abweichung von der Regel geschah (warum nicht: ''ist geschehen?'') wegen der Verlegenheit um den Versbau. Ich verweise hierzu auf das in der Einleitung auf S. 41 Gesagte und bemerke in diesem Zusammenhange: Kein großer Dichter hat je aus einer Versverlegenheit einen groben Verstoß gegen eins der Grundgesetze seiner Sprache begangen, und nach den Sprachmeistern wäre ja die Vertauschung der. 1. und der 2. Vergangenheitsform einer der schwersten Stöße gegen eine der Tragsäulen des deutschen Satzgefüges. Hätten Goethe und Schiller die Unverbrüchlichkeit des von den Sprachmeistern aufgestellten und durch eine Regel umzirkelten Unterschiedes gefühlt, so hätten sie künstlerische Mittel gefunden, diesen Unterschied ohne Schaden für die Schönheit der sonstigen Ausdrucksform festzuhalten. Und, was ebenso schwer ins Gewicht fällt: hätten die Millionen gebildeter deutscher Leser jenen Unterschied so empfunden, wie die Sprachmeister verlangen oder als selbstverständlich, als handgreiflich voraussetzen, so hätten sie längst Anstoß nehmen müssen an jeder der zahllosen Stellen, wo sie die angeblich streng geschiedene Bedeutung der zwei Vergangenheitsformen verwischt, ja mißachtet fanden. Das ist nicht geschehen; für die beiden Stellen im Tasso und im Wallenstein bin ich vielleicht der erste, der darauf hinweist, daß eine nach der Meinung der Sprachmeister falsche Vergangenheitsform dasteht. Somit stellt sich heraus, daß die Meister der deutschen Sprache und das Volk dieser Sprache mit übereinstimmendem Sprachgefühl auf der einen, die Sprachmeisterer mit ihrer Erklärung, $Seite 283$ ihrer Regel, ihrer Fehler anstreichenden roten Tinte und etlichen Grobheiten auf der andern Seite stehen. Das Ganze nennt man den Zustand des Neuhochdeutschen in der Gegenwart.</br></br>Wie wirkliche Verstöße gegen Grundgesetze deutscher Sprache aussehen, das mögen zwei andre Dichterstellen zeigen. In Scheffels Trompeter steht:</br></br>''Ach Gott, und doch wär's besser'',</br></br>''Es würd' ein Andrer sein''.</br></br>Daß es hier ''wäre'' statt ''sein würde'' heißen muß, weiß jeder, und jeder Sprachgebildete Leser hat sich an dieser Nachlässigkeit gestoßen. Auch die Unangemessenheit der Bestimmtheitsform in Geibels schönen Versen:</br></br>''Und sei's als letzter Wunsch gesprochen'', </br></br>''Daß noch dereinst dein Aug' es sieht'', </br></br>''Wie übers Reich ununterbrochen'' </br></br>''Vom Fels zum Meer dein Adler zieht''</br></br>ist schon gleich nach dem Bekanntwerden des Gedichtes gerügt, vom Dichter nicht verteidigt worden.</br></br>Mögen die vielen Schreiber, die bisher unter der ewig geschwungenen Fuchtel der Sprachmeisterei sich bei jeder 1. oder 2. Vergangenheitsform vor einem groben Fehler gefürchtet haben, aus diesen Darlegungen die Sicherheit schöpfen, daß sie sich im allgemeinen auf ihr Sprachgefühl, zumal auf das an unsern großen Meistern geschulte, auch in der Wahl der Zeitformen verlassen dürfen und sich nur vor offenbaren Schnitzern hüten müssen, über die kaum zweierlei Meinung besteht.</br></br>Heftig getadelt wird die Zeitform in Anzeigen wie: ,''Ich erhielt frische Heringe und stelle sie ..' '' Abgesehen von der größern Kürze (statt: ''Ich habe .. erhalten''), die grade für Zeitungsanzeigen aus mehr als einem Grunde wünschenswert ist, hat sich, diese ursprünglich allerdings bedenkliche, weil zu gewichtig klingende Form für ein sehr großes Gebiet des Sprachlebens so durchgesetzt, daß auch das Sprachgefühl des Lesers sich, wie man das heute nennt, auf sie um- und neu eingestellt hat. So allgemein übliche Abweichungen von einer ehemaligen Regel heißen nicht mehr Sprachfehler. Auf ähnliche Weise sind viele andre Wandlungen unsrer Sprache ent- $Seite 284$ standen, die heute keinem Menschen mehr auffallen. Daß für das Sprachgefühl starke Umsetzungen der Zeiten möglich sind, beweist der ständige Gebrauch der Gegenwart statt der Zukunft: ,''Du gehst jetzt sofort hin und holst mir ..' '', oder: ,''Ich denke, er kommt erst morgen' ''; oder die kaufmännische Briefformel: ,''Anbei empfangen Sie'' (statt: ''werden Sie empfangen'')'; beweist auch die Vertretung der Sei-Form der Gegenwart in sehr vielen Fällen durch die der Vergangenheit (vgl. S. 291)</br></br>Den besten Beweis aber für die Überspannung der Regel über 1. und 2. Vergangenheit liefern uns die Sprachmeister selbst, die Menschenalter hindurch einander widersprechen, mithin zeigen, daß das Sprachgefühl — und jeder von ihnen hat doch irgendeines — selbst bei Fachmännern nicht mit Sicherheit über 1. oder 2. Vergangenheit entscheidet, sondern daß zur Entscheidung Vernunftgründe, also außerhalb der Sprache liegende, zu Rate gezogen werden müssen. Es bleibt uns hier wie überall nichts andres übrig, als den obersten Sprachmeister anzurufen: den guten Sprachgebrauch der gutschreibenden Schriftsteller und gutsprechenden Redner.</br></br>Für die süddeutsche Umgangsprache gibt es überhaupt keine Zweifelfrage auf diesem Gebiet der Sprache: man spricht dort die 1. Vergangenheitsform gar nicht, erzählt und meldet in der 2. Form, und selbst süddeutsche Märchen beginnen: ,''Da ist einmal ein König gewesen, der hat eine Tochter gehabt.' '' Daß dies für die Schriftsprache unmöglich ist, folgt aus deren jetzigem beherrschendem Sprachgebrauch. In die landschaftliche Umgangsprache aber haben wir uns nicht tadelnd und bessernd einzumischen. Schillers Briefe zeigen manche Einwirkungen seiner schwäbischen Jugendsprache; dasselbe gilt von den Erzählungen des Alemannen Hebel.t von den Erzählungen des Alemannen Hebel.)
- Das Hauptwort 2. Ableitungen + (Alle Welt leitet von ''der Beamte'' ab: '' … Alle Welt leitet von ''der Beamte'' ab: ''die Beamtin''. Der Büttel kommt daher und verkündet im angemaßten Namen der Sprache: ,Von Partizipialsubstantiven — und ein solches ist auch ''der Beamte'', d. h. ''der Beamtete'' — können keine Feminina auf ''in'' gebildet werden; niemand sagt: ''meine'' $Seite 96$ ''Beamtin'', ''meine Geliebtin''.' Also sie können nicht gebildet werden; — wie aber, wenn sie dennoch von einem Millionenvolk gebildet werden? Dann muß das ganze Volk Unrecht haben, damit der eine Sprachgewaltige Recht behalte. Hier haben wir ein Musterbeispiel grundverkehrter Beurteilung des Innenlebens der Sprache: als ob sie sich gewissenhaft wie ein Musterschüler vorhielte, hier ist ein Partizipialsubstantiv (zum Hauptwort gewordenes Mittelwort), das sei dir heilig, also um Gottes willen keine weibliche Eigenform! Auch dann nicht, wenn ein zwingendes allgemeines Bedürfnis vorliegt, der Million weiblicher Beamten eine scharf unterscheidende Wortform zu geben? Auch nicht, wenn andre weibliche Berufe: ''Lehrerin, Gehilfin, Ärztin, Arbeiterin'' die Nebeneinanderstellung von ''der Beamte, die Beamtin'' als die natürlichste ergeben? Auch dann nicht, denn — obenan steht meine Regel von den Partizipialsubstantiven; das Sprachbedürfnis eines Volkes geht mich nichts an. Das Bedürfnis im Bunde mit dem richtigen Sprachgefühl sind über solche Besserwisserei längst hinweggegangen: ''die Beamtin'' ist heute das selbstverständliche Wort, und der frühere Einspruch dagegen gilt jetzt für eine unbegreifliche Sprachdummheit. Der Hinweis auf die Unmöglichkeit von ''Bekanntin'' oder gar ''Geliebtin'' ist unwirksam: ''die Bekannte'' und ''die Geliebte'' werden eben noch als ehemalige Mittelwörter empfunden, ''die Beamtin'' nicht; ja selbst ''der Beamte'' nur noch von Sprachgelehrten. Daran, daß die weibliche Beamte auch in der Mehrzahl vorkommt, die nach seiner Verfügung ''die Beamten'' lauten müßte, daß also nur ''die Beamtinnen'' uns aus der Verlegenheit ziehen kann, hat der erhabene Sprachgesetzgeber in seiner Unfehlbarkeit nicht gedacht. — Übrigens kommt ''Beamtin'' schon bei J. H. Voß (Aristophanes 3, 224) vor, und W. von Humboldt schreibt sogar ''Bekanntin'', wogegen kaum etwas zu sagen ist, so wenig wie gegen ''die Gelehrtin'', ''die Gesandtin'', ''die Verwandtin'', für welche Formen sich bei sehr guten Schreibern Belege finden.</br></br>Aus der Berechtigung solcher Formen folgt natürlich nicht das Recht zu beliebiger Verallgemeinerung; die Sprache besteht aus ebenso vielen Ausnahmen wie Regeln, und eines schickt sich nicht für alle. Es heißt nicht ''die Deutschin'', obgleich es ''die'' ''Französin'' heißt; nicht ''die Beklagtin'', ''die Heiligin''; wohl aber, einem Bedürfnis zuliebe, ''die Gastin'' $Seite 97$ (für ''Schauspielerinnen''), und der Einwand: ,Wer möchte eine Frau oder ein Mädchen seine Gästin oder Gastin nennen?' ist verkehrt: hier liegt, wie in sehr vielen Wörtern, eine Begriffspaltung und ihr entsprechend eine Formspaltung vor. Zu einem weiblichen Hausgast, selbst zu einer Schauspielerin, sagt man: ''mein Gast''; zu einer Schauspielerin auf der Bühne von einem andern Theater: ''die Gastin'', an einer gastlichen Tafel: ''unser Gast''.</br></br>So wurde auch ''die Kundin'' bemängelt; der Kaufmann solle nicht sagen: ''eine gute Kundin von mir''. Das tut er bekanntlich doch, und das Sprachgefühl unterweist ihn richtiger als den Doktor Allwissend der Sprachlehre.</br></br>Sind anstößig: ''die Lieblingin, die Zöglingin, die Ankömmlingin, die Emporkömmlingin, die Günstlingin, die Flüchtlingin, die Fremdlingin?'' Ich würde solche Formen zögernd schreiben; aber falsch sind sie nicht, sondern nur zuzeit nicht allgemein üblich. In den meisten Fällen liegt ja kein Zwang zur weiblichen Form vor: '',Sie war der Liebling des Hauses, Der edle Flüchtling Dorothea' '' bieten sich bequem dar; aber ein Verbot aller solcher Bildungen ist ungerechtfertigt. Sie kommen sämtlich hier und da bei guten Schriftstellern vor.</br></br>Gegen '',eine kühne Waidmännin, meine Landsmännin' '' wurde noch kein Widerspruch erhoben. Daraus folgt aber nicht, daß man bedenkenlos schreiben sollte: '',Frau von Stein ist eine üble Gewährsmännin zur Beurteilung Christianens' ''. Die Gattin eines beliebigen Hauptmanns ist seine ''Frau Hauptmann''; dagegen wird man sich seine Witwe schon eher als ''Hauptmännin'' gefallen lassen, und das Urbild zu Schillers Laura hieß nur ''die Hauptmännin''. Ein weiblicher Staatsmann? Maria Theresia war ein großer ''Staatsmann'', keine ''Staatsmännin''; aber wäre es unmöglich, zu sagen: '',Egeria war des Numa Pompilius beratende Staatsmännin?' '' Für den Gartenaufseher mit der Regelheckenscheere lauter höchst widerwärtige Wassertriebe. </br></br>Die weiblichen Ableitungen von männlichen Wörtern auf ''..rer, ..erer'' sind in vollständiger und in abgekürzter Form zulässig: ''..rerin, ..erin''; die abgekürzte wird bevorzugt. ''Bewunderin, Förderin, Plauderin, Einwanderin, Auswanderin, Zauberin'' genügen. Von ''Märtyrer'' wird vereinfacht ''Märtyrin'' abgeleitet; ebenso ''Aben''- $Seite 98$ ''teuerin'' von ''Abenteurer''. Wer durchaus ''Märtyrerin, Abenteurerin'' schreiben zu müssen glaubt, verdient keinen schwereren Vorwurf als den einer weniger flüssigen, einer überflüssigen Umständlichkeit, die ihm keiner dankt.</br></br>Die Frau des Reichskanzlers ist die ''Frau Reichskanzler'', nicht ''die Reichskanzlerin''; die eines Geheimrats heißt zwar in einer Briefaufschrift besser ''Frau Geheimrat'', darf aber ohne Furcht vor einem ,groben Fehler' als ''Frau Geheimrätin'' angeredet werten. Goethes Mutter wurde ebenso oft ''Rätin'' wie ''Frau Rat'' genannt.so oft ''Rätin'' wie ''Frau Rat'' genannt.)
- Rote Weintrinker und ähnlicher Unsinn! + (Alle Wendungen, die sich nicht nach einem … Alle Wendungen, die sich nicht nach einem der drei vorher gegebenen Gesichtspunkte entschuldigen lassen, sind für die gewählte Schriftsprache durchaus zu verwerfen, nicht am wenigsten die, welche auch noch mißverständlich sind, wie z. B. ''die silbernen und goldenen Hochzeitsgeschenke''. In einer Zeitung wurde von ''eines Sängers Auftreten nur in zweiten Baßrollen'' geschrieben; als ob das nicht ''Rollen zweiten Ranges, Nebenrollen'' sein konnten, während ''tiefe Baßrollen'' allenfalls möglich gewesen und unbedingt richtig verstanden worden wären als ''Rollen für zweiten Baß''. Wenn aber in der nämlichen Zeitung auch stand: ''das abgeschlossene'' (statt ''erworbene'') ''deutsche Erstaufführungsrecht'' (statt ''Recht der ersten Aufführung in Deutschland'' oder ''in deutscher Sprache'') und in andern ''ländliche Arbeiterfrage, hohe Dividendengerüchte, gelbe Fieberepidemie, theologischer Kollegienbesuch, N. N.s ordentliches Professorenjubiläum'', so verrieten die Urheber dieser Ungebilde nur, daß sie in dieser Lücke ihrer Sprachbildung auf einer gleich niedrigen Stufe standen, wie so viele Verfertiger von Gesuchen, Anzeigen und Bekanntmachungen entsprechend ihrer Schul- und Sprachbildung wohl oder übel, und sie daher verzeihlicherweise, verraten müssen. J. Grimm hatte in das Handexemplar seiner Grammatik als merkwürdig schon die Anzeige ''von einer außerordentlichen Amphibiensammlung'' gelegt, was eine ''Sammlung außerordentlicher Amphibien'' sein sollte//1 Daß er gleichwohl selber z. B. ''ungeborne Lämmerfelle'' geschrieben hat, nimmt uns deshalb das Recht nicht, solche Verbindungen zu verurteilen und ihn dabei auf unsrer Seite zu denken; sondern es beweist nur, daß auch dieser Wissende einmal stolpern konnte, wie einmal der Meister Rud. Hildebrand mit ''einer völligen Unabhängigkeitserklärung von den Formen der Heimat''. Gerade so wenig schützt die vor andern Klassikern bei Goethe gerade hierin herrschende große Freiheit (''wilder Schweinskopf, unreifer Traubensaft'') etwaige Nachahmer, zumal solche Fügungen bei ihm aus einer Nachgiebigkeit gegen die ihm so naheliegende gewöhnliche Rede des Volkes beruht; teils freilich auch aus allgemein ebenso wenig angebrachter dichterischer Freiheit, so seine dichteste Nachtreise.//; was würde er erst zu ''israelitischen Lehrlingsstellen, reichen Heiratsvorschlägen adligen Herrschaftsverkäufen'' oder gar zu anderen Ankündigungen sagen, die zwar weniger dem Mißverständnis, um so mehr der Lächerlichkeit ausgesetzt sind? Ich meine z. B. Anpreisungen an ''rote Weintrinker'' oder von ''getrockneten Obst- und ausgestopften Tierhändlern''. Oder würde er gar nichts sagen und nur lachen über solche Mißfügungen? Was kann man auch noch anders tun, wenn man sieht, wie selbst die Berliner mit ihrem ''verheirateten Offiziersdiener'', was den ''unverheirateten Diener eines verheirateten Offiziers'' bedeuten soll, selbst in einer besseren belletristischen Zeitschrift durch die Ausstellung eines Unterschieds zwischen einer zur Disposition gestellten und einer aktiven Offiziersgattin überboten wurden? Freilich auch Leute mit neunjähriger, ja mit lebenslänglicher Sprachbildung, die in der fremden Sprache so etwas nie verbrächen, erlauben sich in der Muttersprache solche Ausdrücke wie ''die kirchliche Kunstgeschichte des Mittelalters'' (statt ''Geschichte der kirchlichen Kunst des Mittelalters''), ''römische Literaturgeschichte, griechische Kunstgeschichte''! Selbst die Führenden tun noch mit: nicht bloß H. Conrad z. B. mit einem ''blauen Grottenbau'' = ''Bau'' (''Errichtung'') ''einer blauen Grotte'', Jensen z. B. mit ''kör''- $Seite 188$ ''perlicher Gewaltausübung'', G. Keller mit einer ''höheren Berufsdame'' und sogar Nietzsche mit ''du harter Nüsseknacker''. Nietzsche mit ''du harter Nüsseknacker''.)
- Falsche adjektivische Attribute + (Alles freilich, was an derartigen Kürzunge … Alles freilich, was an derartigen Kürzungen und Vertretungen heute gewagt wird, kann nicht gutgeheißen werden. Vor allem muß ein solches Eigenschaftswort in seinem eigentümlichen Gebrauch dadurch beleuchtet werden, daß es neben einem Zeitwort gleichen Stammes oft als Umstandswort vorkommt (''er ißt stark; ein starker Esser''); oder es muß die Vorzüge vereinigen, kürzer und bequemer als die peinlichere, breitere Fügung und gleich treffend und verständlich zu sein. Jene Forderung ist z. B. nicht erfüllt, wenn man einen, der kirchliche oder religiöse Stoffe malt, einen ''religiösen Maler''//2 Wer ''einen kränklichen, gesunden, alten, klugen, liebenswürdigen Eindruck machen'' tadelt, weil ein Eindruck nicht liebenswürdig sein könne, berücksichtigt nicht, daß sich an so viele ältere Wendungen wie ''einen übeln Eindruck machen'' in der § 198 gekennzeichneten Weise diese Verbindungen um so leichter anschließen mußten, überdies kraft einfacher Metonymie, indem die Ursache (''Krankheit'') für die Wirkung (''übel'') eintrat.// nennt, insofern niemand sagt: ''er malt religiös''; dazu bezeichnet ''er'' gewöhnlich einen religiös gesinnten; wie man ähnlich ''urkundliche Fragen'' nicht als ''Urkunden betreffende'' (d. h. ''Urkundenfragen''), sondern nur als ''in Urkunden erhaltene'' verstehen kann; beide Voraussetzungen fehlen auch für die Ausdrücke ''soziale Prügelei'' (statt ''eine von Sozialisten angezettelte Prügelei'') oder das ''hebräische Aufgehn des Präsens im Futurum'', insofern doch das Präsens nicht hebräisch, d. h. auf hebräische Weise im Futurum aufgeht, sondern $Seite 184$ im Hebräischen. Die folgenden zunächst einfach unklaren Fügungen: ''bauliche Überraschungen, schwarzbraune Studien, der hundertjährige theatralische Geburtstag von Kabale und Liebe'' u. m. ä. beruhen auf nichts als auf geistreichelnder Jagd nach gesuchten und rätselhaften Überschriften. Darum, daß der modischen Fügung auch jeglicher Vorzug vor der älteren natürlicheren abgeht, sind auch die folgenden tadelnswert: ''französischer Aufenthalt'' statt ''Aufenthalt in Frankreich, knechtische Strafe'' statt ''Strafe für Knechte, die weiße Einwanderung'' statt ''die Einwanderung Weißer'' oder ''der Weißen, weibliche Auswanderung nach Kanada'' statt ''die Auswanderung von'' (''der'') ''Frauen nach Kanada, weibliches Schulwesen'' statt ''Mädchenschulwesen'' oder ''Einrichtung der Mädchenschule, geographisches Abendessen'' statt ''Abendessen der versammelten Geographen''; selbst ''forstliches Versuchswesen'' statt ''Versuche im Forstwesen'' wird dadurch nicht schöner, daß es in Eberswalde im amtlichen Gebrauche ist. Besonders garstig wirkt auch die Ersetzung eines objektiven Genetivs durch ein Adjektiv; niemand mag also Goethen ''die Klopstockschen Nachahmer'' noch Rümelin die Fügung nachmachen: ''ein landschaftliches Vermissen'' statt ''das Vermissen landschaftlicher Schönheiten'' oder Brandstätter die andere: ''zahlreiche fremde Nachahmungen'' statt ''Nachahmungen des Fremden'', noch der Lit-W. Schr. 29 ''den begabten Eindruck, den der Student machte''.gabten Eindruck, den der Student machte''.)
- Die Biegung des Hauptwortes. Hauptarten der Deklination + (Alles was in der Deklination des Substanti … Alles was in der Deklination des Substantivs, d. h. seiner Beugung nach den vier Fällen und zwei Zahlen, an Schwankungen vorhanden ist, beruht im wesentlichen darauf, daß die Grenzen zwischen den beiden Hauptarten der deutschen Deklination, der vokalischen und der konsonantischen oder der starken und der schwachen einerseits oder zwischen den Unterarten der ersteren anderseits verrückt worden sind und noch werden. Bekanntlich, d. h. freilich heute meist noch, ohne daß davon die etwas erfahren haben, welche die griechischen und lateinischen Deklinationen am Schnürchen herzusagen wissen, — nicht bekanntlich also nennt man auf dem heutigen Stande unserer Fallbiegung stark gebeugt die Maskulinen und Neutren, die im Genetivus Singularis die Endung ''es'' oder ''s'' und im Nominativus Pluralis ''e, er'' oder gar keine En- $Seite43$ dung, sowie die Femininen, die im Nominativus Pluralis//1 Die Einzahl kann bei weiblichen Wörtern nicht berücksichtigt werden, weil sie in dieser jede Endung verloren haben.// die Endung ''e'' haben; auch der Umlaut im Plural ist eine Eigentümlichkeit nur stark gebeugter Wörter. Je nachdem nun nur ein oder mehrere dieser Bildungsmittel verwendet werden, ordnen sich die der starken Beugung unterliegenden Wörter in mehrere Gruppen, in die man nach den Merkformen der Gruppen alle einzelnen Wörter einzuordnen vermag. Der ersten (I.) gehören dann nur Maskulinen und Neutren an mit einem Gen. Sing. auf ''(e)s'' und Nominat. Plur. auf ''e'', gleichviel ob in der Mehrzahl Umlaut auftritt oder nicht. So ''Fisch'', des ''Fisches'', die ''Fische''//2 Hier folgen vollständig dekliniert Muster jeder Gruppe:</br></br>I. Gruppe: </br></br>Sing. Nom. Akk. ''der, den Fisch, Stand, das Pferd''</br></br>Gen. ''des Fisches, Standes, Pferdes''</br></br>Dat. ''dem Fische, Stande, Pferde''</br></br>Plur. Nom. Akk. ''die Fische, Stände, Pferde''</br></br>Gen. ''der Fische, Stände, Pferde''</br></br>Dat. ''den Fischen, Ständen, Pferden.''</br></br></br>Das ''e'' verlieren im Gen. Sing. besonders die Wörter auf ''-ig'' und ''-ing'' (''Königs, Däumlings'').</br></br></br>II. Gruppe: </br></br></br>Die Deklinationsreihen dieser Wörter lauten demnach sehr einförmig: ''der Adler, des Adlers, dem, den, die, der, die Adler, den Adlern, das Hühnchen, des Hühnchens, dem, das, die, der, den, die Hühnchen''. Dieser Gruppe gehören nach der Endung und dem überwiegenden Gebrauche auch ''Lehen'' und ''Darlehen'' an, deren Mehrzahl also besser nach dieser Gruppe ''die (Dar-)Lehen'' heißt als nach der ersten ''die Darlehne''. Dagegen bildet die Seelenkunde von ''Bewußtsein'' durchaus die Mehrzahl: ''die Bewußtseine; die Zellbewußtseine''. Den Umlaut in der Mehrzahl haben auch ''Vater, Kloster'' (ebenso ''Mutter'' und ''Bruder''), sonst aber nie Wörter mit stamhaftem ''-er'', wie ''Lager, Puder'' (Mehrzahl wieder ''die Lager, Puder''), sondern nur Wörter nach der dritten Gruppe, deren ''-er'' nur der Mehrzahl angehört:</br></br></br>$Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ III. Gruppe: </br></br></br>Sing. Nom. Akk. ''der, den Leib, das Gut''</br></br>Gen. ''des Leibes, des Gutes''</br></br>Dat. ''dem Leibe, dem Gute.''</br></br>Psur. Nom. Akk. ''die Leiber, Felder, Güter''</br></br>Gen. ''der Leiber, Felder, Güter''</br></br>Dat. ''den Leibern, Feldern, Gütern.''</br></br> </br>IV. Gruppe: </br></br></br>Sing. Nom. Akk. ''der Befugnis, Nacht''</br></br>Gen. ''der Befugnis, Nacht''</br></br>Dat. ''der Befugnis, Nacht''</br></br>Plur. Nom. Akk. ''die Befugnisse, Nächte''</br></br>Gen. ''der Befugnisse, Nächte''</br></br>Dat. ''den Befugnissen, Nächten.''</br></br></br>V. Gruppe: </br></br></br>Sing. Nom. ''der Mensch Bote''</br></br>Gen. ''des Boten Menschen''</br></br>Dat. ''dem Boten Menschen''</br></br>Akk. ''den Boten Menschen''</br></br></br>Plur. Nom. ''die Boten Menschen''</br></br>Gen. ''der Boten Menschen''</br></br>Dat. ''den Boten Menschen''</br></br>Akk. ''die Boten Mensch''</br></br></br>Fem.</br></br>''die Frau Laune Fabel''</br></br>''der Frau Laune Fabel''</br></br>''der Frau Laune Fabel''</br></br>''die Frau Laune Fabel''</br></br></br>''die Frauen Launen Gabeln''</br></br>''der Frauen Launen Gabeln''</br></br>''den Frauen Launen Gabeln''</br></br>''die Frauen Launen Gabeln''</br></br></br>Von abgezogenen Begriffen, von denen frühere nur die Einzahl üblich war, kommen jetzt, zumal bei den Jüngsten, Mehrzahlen vor, z. B. Gr. I: ''die Ehrgeize, Stolze'' und bei Trentini; Gr. IV: ''Sehnsüchte'', allerhand ''Süchte''; Gr.V: ''Glanze, Zwänge''. ''Wer kennt die Hand des Herrn? ihre Launen, ihren Willen, ihren Spott, ihre Güten, ihre Herben?'' bei H. Johste u. ''die Glätten, Stillen'' bei Trentini, wie schon Hölderlin schrieb: ''sogenannte Irren oder Fehler.''</br></br></br>VI. Gruppe:</br></br></br>Sing. Nom. ''der Mast, Stachel, das Auge, Ohr''</br></br>Gen. ''des Mastes, Stachels, Auges, Ohres''</br></br>Dat. ''dem Maste, Stachel, Auge, Ohre''</br></br>Akk. ''den Mast, Stachel, das Auge, Ohr.''</br></br>Plur. Nom. ''die Masten, Stacheln, Augen, Ohren''</br></br>Gen. ''der Masten, Stacheln, Augen, Ohren''</br></br>Dat. ''den Masten, Stacheln, Augen, Ohren''</br></br>Akk. ''die Masten, Stacheln, Augen, Ohren.''</br></br></br>Hierher gehört auch die von der Biologie eingeführte Einzahl das ''Elter'' (''eines der beiden Eltern''), ''des Elters'' zu der früher allein üblichen Mehrzahl ''die Eltern''.//</br></br>''der Stand, des Stan-'' $Seite44$ ''des, die Stände''; ''das Pferd, des Pferdes, die Pferde''. Eine zweite (II.) bilden alle Wörter mit der einzigen Endung ''s'' im Gen. Sing. und z. T. ''n'' im Dat. Plur.; es sind alle mehrsilbigen männlichen auf ''-er, -el, -en'' und ''-em'' und alle sächlichen auf ''-en, -chen'' und ''-lein'': ''der Adler, des Adlers; das Hühnchen, des Hühnchens'' und mit Umlaut in der Mehrzahl: ''der Garten, des Gartens, die Gärten''. Die dritte Gruppe (III.) bildet den Gen. Sing. auf ''-es'', den Nom. Plur. auf ''-er'', das eine umlautfähige Stammsilbe stets umlautet; ihr gehören neben wenigen männlichen, wie ''Leib, des Leibes'', besonders sächliche Wörter an: ''Feld, des Feldes, Felder; Gut, des Gutes, Güter''. Endlich in eine vierte Gruppe (IV.) gehören alle weiblichen Wörter mit ''e'' im Nom. Plur., ob sie nun umgelautet bleiben, wie die auf ''-nis'' und ''-sal'' (''Befugnis, die Befugnisse'') oder umgelautet werden, wie ''Nacht, die Nächte''. Diesen vier Einzelgruppen steht nun einheitlicher als eine große fünfte Gruppe (V.) die gesamte schwache Deklination gegenüber, zu der alle die männlichen Wörter gehören, die in allen Fällen außer im Nom. Sing., sowie die weiblichen, die in allen Fällen der Mehrzahl die Endung ''-en'' oder, wenn sie auf ''-e, -er, -el'' ausgehen, bloßes ''n'' anhängen. Endlich entsteht eine sechste Gruppe (VI.), die sogenannte gemischte Deklination, dadurch, daß eine Reihe männlicher und sächlicher Wörter in der Einzahl stark (Gen. auf -''es'' oder ''-s''), in der Mehrzahl schwach (''-en'' oder ''-n'') gebeugt werden: ''Mast, Mastes, Masten; Auge, Auges, Augen''.ast, Mastes, Masten; Auge, Auges, Augen''.)
- Stellung der Objekte und Adverbien bei Eigenschafts- und Mittelwort sowie mehrerer Attribute untereinander + (Alles, was von § 378 an über die Wortstell … Alles, was von § 378 an über die Wortstellung gesagt worden ist, bezieht sich auf den sich erst bildenden und durch ein finites Verb ausgedrückten Gedanken, der Erlebnisse//1 Vgl. Kieseritzky, S. 194// nach-, miterleben lassen will. Über die Gedanken, die auf einen Begriff, auf ein Substantiv mit seinen Attributen oder auf ein Adjektiv oder Mittelwort mit Adverbialien zurückgeführt sind, ist gelegentlich schon früher, besonders in § 204 ff. gehandelt worden. In allen den Fügungen mußten wir Fehler erblicken, in denen, wenn einmal die Begriff- $Seite 404$ lichkeit wirklich eingetreten war, zusammengesetzten Haupt- und den Mittel- oder Eigenschaftswörtern gleichwohl nähere Bestimmungen nach gestellt waren. Denn darin liegt nur ein weiterer, großer Vorzug der deutschen Sprache vor anderen, nicht zwar für ihre Beweglichkeit, wohl aber für ihre Deutlichkeit und Unterscheidungskraft, daß den Begriffen beigegebene Bestimmungen nicht wie im Satze von den allgemeineren zu den besonderen und neueren fortschreiten, sondern in der Weise vortreten müssen, daß die allgemeinste und dem Begriffe am engsten verbundene ihm am nächsten, die speziellste und neueste am weitesten von ihm wegtreten muß, wenn ein Artikel da ist, unmittelbar hinter diesen, wenn keiner und anstatt seiner auch kein Fürwort vorhanden ist, an seine Stelle. Selbst in bezug auf den Tonfall ist es so, daß bei sonst gleichem Werte die schwereren gern voran und die leichteren zwischen sie und den Oberbegriff zu stehn kommen.</br></br>1. Nur in einem entspricht auch hier die Stellung genau der im Satze: die dem Zeitwort am nächsten tretenden präpositionalen Wendungen müssen auch einem Mittelwort unmittelbar vorangehen. Man vergleiche: ''Blauveilchen stand eben erst ein Weilchen unten im Tal am Bach'', und: ''das eben erst ein Weilchen unten im Tal am Bache stehende Veilchen''. Man erkennt dem gegenüber leicht die Unrichtigkeit der folgenden Fügungen: ''Der Künstler wird einem an ihn von New York aus ergangenen Gastspielantrage Folge leisten'' (statt: ''einem von New York aus an ihn ergangenen Antrage''). ''Ihr Regiment war das in die Wagschale gewaltig gelegte Schwert'' (statt: ''das gewaltig in die Wagschale gelegte Schwert''). ''Von den nach Preußen dem König gefolgten Ministern'' (statt: ''von den dem Könige nach Preußen gefolgten Ministern''. — v. Boyen).</br></br>Auf den nämlichen Grundsatz geht auch die besondere Vorschrift zurück, daß das ein Adjektiv bestimmende Adverb jenem vorangehen muß, sodaß es nur in gesuchten oder poetischen Darstellungen zu ordnen erlaubt ist, wie es nach Goethes Vorgange Koser tut: ''bewundert viel und viel gescholten ist der Mut''. Die bloße Umkehr des Grundsatzes ist aber die andere Form der Regel, daß das bestimmende Wort, wenn es nicht gerade eine allgemein übliche Gradbestimmung enthält wie ''viel, weit, sehr, ganz, sondern'' in neuer, für den Einzelfall besonderer Weise vorgesetzt wird, den speziellen Begriff enthalten, eine stets durch den Gegensatz feststellbare Unterart bezeichnen muß. So schreibt gleich falsch eine Schriftstellerin: ''klein winzig'' statt ''winzig klein'', und ein Schriftsteller: ''ein bescheiden einfaches Gasthaus, ein höchst unerwartet überraschender Eindruck''; als ob etwas auch unbescheiden einfach oder erwartet überraschend sein könnte!</br></br>2. Für mehrere Beiwörter neben dem Hauptwort wirkt sich obiges Gesetz folgendermaßen aus: a) Bei rein sachlicher Beschreibung tritt das näher Bestimmende, Einschränkende, das die Unterart darstellt, vor den Gattungsbegriff: ''volles weißes Haar, der zartere weibliche Bau'' (Schiller), ''die gotischen stark verkleinerten Flügel''. b) Bei gefühlsbetonter, wertender Stellungnahme gehört das der Wertung zugrunde liegende beschreibende Beiwort an die zweite, das wertende selbst an die erste Stelle: ''eine nicht ganz verwahrloste moralische Anlage und künftige bessere Tage'' (Schiller), ''wesentliche technische Unterschiede''. c) Nur wenn keins der beiden Beiwörter dem andern begrifflich untergeordnet ist oder beide für den Wertenden oder unter sich gleich bedeutend sind, kann jedes so gut an erster als $Seite 405$ an zweiter Stelle stehen: ''ein tiefes weites Loch'' oder ''ein weites tiefes Loch; eine verständige, geistreiche Oberin'' oder ''eine geistreiche verständige O.'' d) Außerdem geht naturgemäß von beiden das voran, das eine Beziehung auf Vorhergehendes enthält (vgl. § 416 Anm. 1): ''in der gleichen äußeren Erkennung, im angrenzenden großen Mauerweg''//1 Nach O. Behaghel, „Zur Stellung des Beiworts", Muttersprache, Ztschr. d. Deutsch. Sprachvs. 1929, S. 1—3.//.hr. d. Deutsch. Sprachvs. 1929, S. 1—3.//.)
- Zur oder zu der? beim oder bei dem? + (Allgemeiner als die Frage, ob Geschlechtsw … Allgemeiner als die Frage, ob Geschlechtswort oder nicht, läßt sich die andere beantworten, wann neben Verhältniswörtern der volle Artikel, wann dessen Zusammenziehungen mit jenen eintreten sollen, also die Formen: ''zur, am, im, vom, zum, beim; ans, ins, aufs, durchs, fürs, ums, vors, hinters, übers'' (nicht ''über’s'' u. ä.); auch, wenn schon etwas seltener, doch nicht weniger empfehlenswert: ''vorm, außerm, überm, hinterm, unterm, selbst gegens'' und ''widers''. Sie gehören als das allein Natürliche, und zwar in jeder Schreibart, in alle formelhaften Wendungen und alle festgeprägten, sprichwörtlichen wie andern Redensarten; und wenn schon Lessing angefangen hat, solche gern zu trennen, so ist das eine Kleinigkeit, worin der Große einmal nicht nachahmenswert ist. Gar aber solche Ausdrücke: ''er schlug die Gegner auf das Haupt'' (= er besiegte sie), ''in das Auge'' (statt ''ins Auge'') ''fassen, er kam um das'' (statt ''ums'') ''Leben, die Arbeit ist zu der'' (statt ''zur'') ''Not genügend, in das'' (statt ''ins'') ''Stocken geraten, auf das'' (statt ''aufs'') ''neue'', zumal bei schriftstellernden Frauen beliebt, doch auch bei Schriftstellern, von denen z. B. selbst Grosse ''an das Herz gewachsene Kinder'' kennt, und ein anderer in der Täglichen Rundschau gar ''mit dem Tode fortgegangen'' statt ''mit Tode abgegangen'' fertig bringt — solche Ausdrücke sind wahrlich nichts als auch ein Beweis von der schon so erschreckend großen Hinneigung unserer jetzigen Schriftsprache zu gespreizter Unnatur. Allerdings wenn in der dritten Steigerungsstufe sich ''auf das ergötzlichste, auf das beste'' besonders breit macht, so ist das nicht zu verwundern, da diese Form in Sprachlehren lange genug als die feinere hingestellt und in fremdsprachlichen Übersetzungen danach verfahren worden ist.</br></br>Überhaupt ist in allen nicht formelhaften Wendungen mit Verhältniswörtern die zusammengezogene Form, besonders ''zur, am, im, beim, vom'', nicht ganz so allgemein auch die auf -''s'', so oft berechtigt, als darin die hinweisende Kraft des Artikels nicht besonders angespannt zu werden braucht, um etwa auf einen Gegenstand als den bestimmt vorher genannten oder gerade auf ihn als einen ähnlichen und doch anders gearteten, entgegengesetzten hinzuweisen. Solche Zerdehnungen: ''Die Haltung Preußens in dem Krimkriege, die Lehrer sollen die Teilnahme an dem Schulunterrichte''- $Seite 133$ ''den Kindern durchziehender Zigeuner nicht gestatten'', verraten denn auch dem Einsichtigen ihre Herkunft aus der — Schreibstube, — diese gar zweier Ministerien! Ehedem wurde sogar der Wesfall eines eingeschobenen Hauptwortes mit dem Verhältniswort zusammengezogen, und Hansjakob schrieb volkstümlicher Weise meist so: ''in's Bierkramers Haus''. Das Gewöhnliche ist die Zusammenziehung vor dem substantivierten Infinitive ''beim Lesen, beim Schreiben''. Auch ein Eigenschaftswort hat nicht an sich bestimmte Kraft, so daß auch davor möglich ist: ''im besten Alter, ... Wohlsein, am Heiligen Abend, zum nächsten Ersten''. Selbst vor einer genetivischen Beifügung, die ja den Artikel an sich oft fordert (§ 141), begnügt sich das regierende Hauptwort gern mit der zusammengezogenen Form: ''beim Lesen des Briefes, zum Aufsetzen eines letzten Willens, im Rate der europäischen Staatsmänner, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes; sich aufs Technische des Baues verstehn''. Nur die Abkürzungen auf ''s'' sind, wohl auch des Wohlklangs halber, neben Genetiven seltener, und kein gewählt Sprechender möchte anders als so hören: ''auf das Schlachtfeld des 18. August, auf das Dach des Hauses, auf das Schreiben des Ärzteverbandes''. Vollends in Ausdrücken wie: ''Ich trinke auf das Wohl des Fürsten; des Königs Sorge um'' (''für'') ''das Wohl des Staates'' fordert die Gemessenheit und Würde des Ausdruckes wie die Wichtigkeit der Sache die volle Form.</br></br>Ein sich an ein Hauptwort anschließender Relativsatz macht ebenfalls vor jenem den vollen Artikel nur nötig, wenn das Hauptwort nach einer besonderen Art hin bestimmt und erläutert, wenn also der Artikel soviel ist wie ''derjenige'', also stärkere hinweisende Kraft hat. Also kann man natürlich nicht sagen: ''Goethe braucht das Wort Bildung nicht bloß im Sinne, den es heute hat'', sondern nur ''in dem Sinne''. Aber im Anfange der Glocke: ''Zum Werke, das wir ernst bereiten'', oder in dem Verse Goethes: ''als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei'', ist die Zusammenziehung so wenig eine dichterische Freiheit als etwa in dem Satze der Grimmschen Märchen: ''zur Zeit, wo sie herabfielen'', ein der andern Schriftsprache nicht gestattetes Zugeständnis an den Volksmund. So steht denn ein durch einen Relativsatz erläutertes Hauptwort, was sein Bedürfnis nach voller Artikelform anlangt, unter demselben Gesichstpunkte wie jedes andere Hauptwort, dem des Hinweises oder der durch eine Beifügung herbeigeführten Bestimmung noch der Art, also der Unterscheidung. Der Tuchhändler, der uns gerade den gewünschten Stoff nicht mehr geben kann, muß uns also bescheiden: ''von dem Stoffe habe ich nur noch einen Rest'', und ein Gespräch kann also abgebrochen werden: ''Ich mag von dem ganzen Gerede..., Ich will von dem Unfuge nichts mehr hören''. Wer dagegen von Dingen aus seiner Umgebung spricht und mit Leuten, die das Besprochene auch kennen, oder unter Umständen, die nur an jene zu denken verstatten, also immer die Umgangssprache muß zu den verschliffenen Formen hinneigen, und so heißt es, wenn von den Verhältnissen des Heimatortes die Rede ist, nur: ''zum Lehrer, Pfarrer, Bäcker gehn'' oder ''schicken, am Bade, am Markte wohnen, im Orte, im Städtchen geboren''. Der Kanzlist dagegen, ebenso der Reisebeschreiber, der Erzähler, die auch fremde und unbekannte Gegenstände als fremde für alle kenntlich machen und oft erst benennen und beschreiben müssen, ehe sie darauf als auf bekannte hinweisen können, werden ebenso überwiegend genötigt sein, sich für die getrennten Formen zu $Seite 134$ entscheiden. Deshalb sagt z. B. ein Reisender: ''Erst nach zehnstündigem Marsche waren wir wieder in einem Dorfe unter Menschen; doch o weh! in dem Dorfe gab es kein Wirtshaus''.</br></br>Manche der über den Artikel wie auch der über die Deklinationsendungen gegebenen Bestimmungen erleiden kleine Abweichungen in den</br>Verbindungen mehrerer deklinablen Wörter zu beigeordneten Gliedern oder gar einheitlichen Begriffen. Zunächst einiges vom Geschlechts- und vom Verhältnisworte, soweit jene Art auf dieses übertragen wird.oweit jene Art auf dieses übertragen wird.)
- Die sogenannte Inversion nach und + (Als Inversion (Umkehrung, Umstellung) beze … Als Inversion (Umkehrung, Umstellung) bezeichnet man es in der deutschen Grammatik, wenn in Hauptsätzen das Prädikat vor das Subjekt gestellt wird. Mit Inversion werden alle direkten Fragesätze gebildet, aber auch Bedingungssätze, wenn sie kein Fügewort haben (''hätte ich dich gesehen''), und Wunsch- und Aufforderungssätze. Aber auch Aussagesätze müssen die Inversion haben, sobald sie mit dem Objekt, mit einem Adverbium oder einer adverbiellen Bestimmung anfangen; es heißt: ''den Vater haben wir — dem'' $Seite 298$ ''Himmel haben wir — gestern haben wir — dort haben wir — schon oft haben wir — aus diesem Grunde haben wir — trotzdem haben wir — zwar haben wir — freilich haben wir — auch haben wir'' usw., nicht (wie im Französischen und im Englischen) ''gestern wir haben''. Ebenso ist die Inversion in Aussagesätzen am Platze bei dem begründenden ''doch'': ''habe ich es doch selber mit angesehen!'' Dagegen ist die Inversion völlig ausgeschlossen hinter Bindewörtern; es heißt: ''oder wir haben, aber wir haben, sondern wir haben, denn wir haben''. Nur hinter ''und'', das doch unzweifelhaft ein Bindewort ist, halten es viele nicht bloß für möglich, sondern sogar für eine besondre Schönheit, die Inversion anzubringen und zu schreiben: ''und haben wir''. Der Amtsstil, der Zeitungsstil, der Geschäftsstil, sie wimmeln von solchen Inversionen nach ''und'', viele halten sie für einen solchen Schmuck der Rede, daß sie selbst da, wo zwei Aussagesätze dasselbe Subjekt haben, es also genügte, zu sagen: ''die erste Lieferung ist soeben erschienen und liegt in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus'' — nur um die Inversion anbringen zu können (!), das Subjekt wiederholen, und zwar in der Gestalt des schönen ''derselbe'', und schreiben: ''die erste Lieferung ist soeben erschienen, und liegt dieselbe in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus — die Fluchtlinie und das Straßenniveau werden vom Rate vorgeschrieben, und sind dieselben dieser Vorschrift entsprechend auszuführen''. Bedarf es noch weiterer Beispiele? Wohl nicht. Sie stehen dutzendweise in jeder Zeitungsspalte. ''Der Beginn der Vorstellung ist auf sechs Uhr festgesetzt, und wollen wir nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen — der Verein hat sich in diesem Jahre außerordentlich günstig entwickelt, und finden die Bestrebungen desselben allgemeine Anerkennung — die alte Orgel war sehr baufällig geworden, und wurde die Reparatur dem Orgelbaumeister Herrn G. übertragen — der Austernfang ist in letzter Zeit sehr ergiebig gewesen, und wurden am Dienstag wieder 10000 Stück in die Stadt gebracht — sämtliche Stoffe'' $Seite 299$ ''sind von mir für Leipzig engagiert, und können daher dieselben Muster nicht von andrer Seite geboten werden — das Motorzweirad hat den Anhängewagen wieder in den Vordergrund gerückt, und steigt die Nachfrage nach letzterem'' (!) ''mehr und mehr'' — anders wird gar nicht geschrieben. ''Prof. Virchow ist hier eingetroffen, und fand'' — na, was fand er denn? ''eine begeisterte Aufnahme''? Gott bewahre! — ''und fand ihm zu Ehren ein Festmahl statt''. Es gibt aber auch Frauen und Mädchen, die imstande sind, in einem zweiseitigen Briefe sechs Inversionen anzubringen, und damit wunder was für ein feines Briefchen gedrechselt zu haben glauben! </br></br>Einigermaßen erträglich wird die Inversion nach ''und'', wenn an der Spitze des ersten Satzes eine adverbielle Bestimmung steht, die sich zugleich auf den zweiten Satz bezieht, z. B.: ''hier hört das Rostocker Stadtrecht auf und fängt die gesunde Vernunft an — so werden unsre Reichen mit Wintergemüse versorgt und wird die Zahl der Genußmittel um einige überflüssige vermehrt — zum Glück gibt es noch anständige Meister und nehmen die Fabriken einen großen Teil der jungen Leute auf — selbstverständlich gehört Freigebigkeit gegen die Priester zu den Hauptbestandteilen der Frömmigkeit und ist Geiz gegen sie die größte aller Sünden — zur Pflege der Geselligkeit fand im Januar eine Christbescherung statt und wurden im Laufe des Sommers mehrere Ausflüge unternommen — nach der Schilderung Fletchers bestand am Ende des siebzehnten Jahrhunderts ein Fünftel der Bevölkerung aus Bettlern und befand sich die Hälfte des Grundbesitzes in den Händen einer trägen, nichtsnutzigen und gewalttätigen Menschenmasse — wo Hindernisse im Wege stehen'' (Adverbsatz), ''pflegt sich die Menge innerhalb des ersten Kreises zu halten, und kommt die Überschreitung des zweiten nur selten vor.'' Man hat diesen Fall besonders die „Inversion nach Spitzenbestimmung" genannt.</br></br>Auf keinem Kunstgebiete kann es ein so schlagendes Beispiel für die Verschiedenheit des Geschmacks geben, $Seite 300$ wie auf dem Gebiete </br>der Sprache die Inversion nach ''und''. Der Beamte, der Zeitungsschreiber, der Kaufmann hält sie für die größte Zierde der Rede; für den sprachfühlenden Menschen ist sie der größte Greuel, der unsre Sprache verunstaltet, sie geht ihm noch über ''seitens'', über ''bezw.'', über ''diesbezüglich'', über ''selbstredend'', sie erregt ihm geradezu Brechreiz. Sie ist ihm so zuwider, daß er sie auch nach der „Spitzenbestimmung" nicht schreibt; selbst da gibt er lieber, um jeden Anklang an die widerwärtige Verbindung zu vermeiden, die Inversion, die der erste Satz mit Recht hat, im zweiten Satz auf und schreibt: ''übrigens hatte diese Ordnung nichts puritanisches an sich, und das Joch der Sittenzucht war nicht übermäßig schwer'' (statt: ''und war das Joch'').</br></br>Das widerwärtige der Inversion liegt nicht nur in dem grammatischen Verstoß, sondern vor allem in der logischen Lüge: die Inversion sucht den Schein engerer, ja engster Gedankenverbindung zu erwecken, und doch haben die beiden Sätze, die so verbunden werden, inhaltlich gewöhnlich gar nichts miteinander zu tun. Darum ist auch die Inversion nur selten dadurch zu verbessern, daß man die beiden Hauptsätze in Haupt- und Nebensatz verwandelt, noch seltner dadurch, daß man Subjekt und Prädikat hinter und in die richtige Stellung bringt, sondern weist dadurch, daß man den Rat befolgt, den schon der junge Leipziger Student Goethe (offenbar nach einer Vorschrift aus Gellerts Kolleg über deutschen Stil) seiner Schwester Cornelie gab, wenn sie in ihren Briefen Inversionen geschrieben hatte: einen Punkt zu setzen, das ''und'' zu streichen und mit einem großen Anfangsbuchstaben fortzufahren.</br></br>Die Inversion ist aber auch eins der merkwürdigsten Beispiele des wunderlichen Standpunktes, den manche Sprachgelehrten zu der Frage über Richtigkeit und Schönheit der Sprache einnehmen. Es gibt Germanisten, die sagen: mir persönlich (!) ist die Inversion auch unsympathisch (!), aber „eigentlich falsch" kann man sie nicht nennen, denn sie ist doch sehr alt, sie findet sich schon im Althochdeutschen, im Mittelhochdeutschen, bei $Seite 301$ Luther, sehr oft im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert, und ihre große Beliebtheit gibt ihr doch ein gewisses Recht. Als ob eine häßliche Spracherscheinung dadurch schöner würde, daß sie jahrhundertealt ist!//* Die Inversion findet sich in der ältern Zeit auch nach ''denn'' und ''nämlich''; wird das heute jemand nachmachen wollen? Vortrefflich schließt O. Erdmamn einen Aufsatz über die Geschichte der Inversion mit den Worten: „Das historische Studium des ältern Sprachgebrauchs soll einem vernünftigen und kräftigen Streben nach Regelrichtigkeit des gegenwärtigen und künftigen nicht hinderlich, sondern förderlich werden."// Wer hat denn zu entscheiden, was richtig und schön sei in der Sprache: der sprachkundige, sprachgebildete, mit feinem und lebendigem Sprachgefühl begabte Schriftsteller, oder der Kanzlist, der Reporter und der „Konfektionär"? Ein Schriftsteller, der die Inversion nach ''und'' aufs strengste vermieden hat, ist Lessing. Ich denke, der wird genügen. ist Lessing. Ich denke, der wird genügen.)
- Seinen Abtritt nehmen, zur Verlesung kommen u. ä. + (Als diese Satzteile erscheinen, wenn es Ha … Als diese Satzteile erscheinen, wenn es Handlungen darzustellen gilt, am einfachsten ein Haupt- oder dafür ein Fürwort und ein Zeitwort: ''Der Wind pfeift. Ich singe''. Unter dem besagten Mangel alles Gefühls für die sinnliche Kraft des einfachen Zeitwortes haben sich nun aber zahlreiche Zeitwörter gefallen lassen müssen, in gespreizter Weise durch ein anderes Zeit- und ein entsprechendes Hauptwort ersetzt zu werden, die äußerlich als Prädikat und Akkusativobjekt erscheinen. Aber diese Ersatzmittel dürfen trotz ihrer maskenhaften Verwendung unbarmherzig wieder ausgemerzt werden, da für die meisten ihre ungesunde Aufzucht in der überheizten Luft der Kanzleien noch nachgewiesen werden kann. Schon geläufig sind uns solche wie eine Wendung -, ''ein Bad -, seinen Weg -, Rückweg -, Rückzug -, Zuflucht -, ein Ende -, seinen Anfang nehmen''; und in Verbindung mit einem Relativsatz können sie bequem, ja nötig werden: ''Die Wendung, die die Sache nahm, war nicht vorauszusehen gewesen''. Aber ohne solche Verflechtung zwischen zwei Sätzen sind schon diese Ausdrücke nicht viel besser als die folgenden, an denen hoffentlich noch mancher „Anstoß nehmen" wird: ''den Abtritt nehmen, den Austritt aus dem Gerichtssaale nehmen, Aufsicht über etwas nehmen, in Angriff nehmen, Bezug nehmen auf, Verzug nehmen, Abstand nehmen'' oder ''Umgang nehmen von'' (= ''absehen''). Andere Zeitwörter, die gern dieselben Handlangerdienste wie ''nehmen'' versehen, sind ''bringen'' und die entsprechenden intransitiven ''kommen'' und noch schwerfälliger: ''gelangen'', mit welch zwei letzteren immer häufiger die einfache Leideform ersetzt wird, also daß ein Stück nicht mehr aufgeführt wird, sondern ''zur Aufführung kommt, gelangt'', ein Bericht nicht mehr verlesen, vorgetragen wird, sondern ''zur Verlesung, zum Vortrage kommt, gelangt'', gar auch wieder ''gebracht wird''. Ähnlich braucht man ''in Abrechnung -, in Abzug -, in Anrechnung-, in Ab -, Weg - und Fortfall -, in Anregung -, in Vorschlag -, zur Aufhebung und Abschaffung -, zur Darstellung -, Versteigerung kommen'', $Seite 252$ ''gelangen'' oder ''bringen'', eine Wendung immer häßlicher als die andere, während schon wieder eingelebter sind ''Sorge-, Bedenken'' und ''Rechnung tragen'', dies freilich lediglich als Übersetzung des französischen ''tenir compte'', wie seine ''Rechnung finden'' die von ''trouver son compte'' ist. Überhaupt wird es mit ''finden'' und ''erfahren'' kaum besser getrieben: denn da liest man z. B. statt einfacher Leideformen: ''sein Gehalt erfuhr eine Aufbesserung, er findet'' oder ''erfährt eine Behandlung, - Zurechtweisung, - Darstellung, - Aufnahme, - Erwähnung, - Beachtung, - Verbreitung'' und ''Verbreiterung'' u. a. ä. Besonders werden noch mehr Zeitwörter der Bewegung so gebraucht: ''zur Verfügung stellen'' (statt ''überlassen''), ''in Zweifel-, zur Erörterung -, zur Beratung -, zur Abstimmung stellen; in Erwägung -, in Betrachtung -, in Berechnung ziehen; der Beobachtung -, Beaufsichtigung -, Begutachtung unterziehen''. Zum Schlusse, da solcher Distelsträuße wohl genug gebunden sein dürften, noch einige einzelne besonders auffällige Zeitungsblüten: ''Man nahm die Verlosung der Mitglieder in die Deputationen'' (!) ''vor; die Verwischung der Standesunterschiede hat sich vollzogen''; gar auch: ''die nihilistischen Führer vollziehen gewöhnlich an diesen Grenzübergängen ihren Grenzübertritt'', und: ''die Gläubiger haben auf die hohe Barsumme mit Erfolg — Arrest ausgebracht''.arsumme mit Erfolg — Arrest ausgebracht''.)
- Von falsch statt des Genetivs + (Als gönnte man dem Deutschen seinen noch k … Als gönnte man dem Deutschen seinen noch kräftigen zweiten Fall nicht — weil ihn Engländer und Franzosen nicht mehr haben, denen man ja freilich so viel nachübersetzt — wird nun aber von auch weit über jene Grenzen hinaus angewendet, durchaus mit Unrecht, und wenn auch neumodische Sprachforscher darin, daß bei Voransetzung der Kasuspräpositionen das Verhältnis vorher klargelegt würde, eine größere Vergeistigung dieser Sprachen erkennen wollen. Der einfache Subjektsgenetiv war z. B. viel besser als die Fügungen: ''zum Wohle von Preußen, das Benehmen von Bennigsen, die Unentschlossenheit und Schwäche von Preußen'' bei Boyen oder ''eine Verwandte vom verstorbenen Herrn'' bei Grosse; ebenso der Objektsgenetiv in solchen Fällen: ''die Übergabe von Danzig, zur Erhebung und Befreiung von Preußen'', in welch letzterem Fall die beiden Sätze stecken könnten: ''Preußen befreien'' und ''einen Staat von Preußen befreien''! Aus den Tageblättern nur einige solche Ungeheuerlichkeiten: ''die Extreme von Glauben und Unglauben'' (statt ''des Glaubens und Unglaubens'') oder gar: ''Die Heimat vom Witze und die vom Scharfsinne''. Wenn es indes selbst Dahlmann fertig gebracht hat, zu schreiben: ''Die Leiche vom sechzigjährigen Könige'', Sanders (!): ''der Wechsel vom Kasus'', oder Ranke: ''die Macht von Rom in alten und neuen Zeiten''//1 Mit den Fügungen Goethes: ''Spur von meiner Wohltäterin oder Herr vom Hebräischen werden, Herr vom Garten, - von seinen Handlungen sein'', lassen sich die obigen nicht rechtfertigen; die erste wird durch das ''von'' des Urhebers erklärt; die andern konnten sich — um nur eins anzudeuten, sehr bequem an stehende Wendungen anlehnen, wie: ''Herr vom Hause'' (''sein''), ''die Herren vom Rat''. Ähnliche Ausdrücke bei Grimm sind aber auch ein Entgegenkommen gegen die Bequemlichkeit der Volkssprache.//, so kann das nur beweisen, daß auch an Gefeiten einmal der Keim einer umgehenden Krankheit haften bleiben kann, nimmer aber Fügungen rechtfertigen, wie man sie tagtäglich in Zeitungen liest: ''das Gesicht von der angeschwommenen Leiche war noch deutlich zu erkennen; Der erste Teil vom Zuge stand noch oben auf dem Damme''; und besonders mit Objektsgenetiven: ''die Berufung von Kritzinger sowie'' (!) ''von Wendland, wegen Aufgabe vom Geschäft, die Schließung vom Theater; Der Kirchenvorstand hat die Restauration'' (!) ''von der Weberkirche beschlossen'', oder mit ungerechtfertigtem Wechsel: ''das Missionsgebiet von Mangila und seiner Nebenstaaten'' und besonders in solcher Weise: ''die wiederholte Hinausschiebung vom Eröffnungstage des Lutherfestspiels''. Ja dieser Wechsel hat sogar die Billigung mancher Sprachlehrer für sich: nach denen soll nämlich der Genetiv durch ''von'' ersetzt werden, wenn sonst vom ersten Genetiv ein zweiter, vollends in derselben Form, abhängen würde; und $Seite 154$ doch klingt ''eine entschiedene Weigerung von einem Teile der Rechten, der Erbe von seines Vaters mutigem und strebsamem Geiste, eine ungeheuchelte Bewunderung einesteils von dem nationalen Schwunge des Festes, andrerseits von dem feinen künstlerischen Geiste Kölns'', wie z. B. die Kölnische Zeitung geschrieben hat, wahrlich nicht besser, jedenfalls aber undeutsch gegenüber solcher Fügung: ''eine Weigerung einesteils der Rechten, der Erbe des mutigen ... Geistes seines Vaters, die Bewunderung ebensowohl des nationalen Schwunges in dem Feste, als des feinen künstlerischen Geistes der Kölner''. Mehr über das Zusammentreffen zweier Genetive in § 176.</br></br>Mindestens eine Unebenheit ist es, einem Gliede mit ''von'' statt Wesfalls durch und ein zweites im Wesfall beizuordnen: ''infolge von Gobineaus rastloser Geistestätigkeit und seines Mangels an gesammelter Muße''; Vollends fehlerhaft aber, einem von ''von'' abhängigen Wem-Fall einen Beisatz im Wesfall zuzuordnen: ''die Dissertation von Raoul Nicolas, eines Franzosen'' (Grenzb. 1917).Nicolas, eines Franzosen'' (Grenzb. 1917).)
- Die Beugung der Fremdwörter. Schwach gebeugte Fremdwörter + (Als schwache Maskulinen (nach Gruppe V) we … Als schwache Maskulinen (nach Gruppe V) werden fast nur Personennamen behandelt, diese freilich ohne Ausnahme, wenn sie eine vom Nominativ der fremden Sprache abweichende Nominativendung haben, die Endung sei, welche sie wolle: ''-e'' (''Novize''), ''-at, -et, -it, -ot, -ut'' (''der Legat, Anachoret, Bandit, Pilot, Rekrut''), ''-ast'' (''Phantast'') oder ''-ist'' (''Bassist''), ''-ant'' oder ''ent'' (''Adjutant, Assistent''), ''-ik'' (''Katholik''), ''-og'' oder ''om-'' (''Astrolog, Astronom''), ''-nd, -ll, -ph, -ct'' (''-kt'') und ''pt'' (''Konfirmand, Vasall, Theosoph, Architekt, Adept''). Nur die Endung ''-isk'' gehört keinen Personennamen an (''Obelisk, Basilisk''); und einige Nicht-Personennamen stecken auch in den langen Reihen der Wörter auf ''-et, -it, ant'': ''Planet, Komet, Dendrit, Elefant, Foliant, Demant, Diamant''. Nur ''Magnet'' ist bereits überwiegend und ''Malachit'' ganz aus der früheren schwachen in die starke für Sachnamen auf ''-it'' und ''-et'' üblichere Biegung ''des Magnets, die Magnete'' übergetreten: ebenso ''Pedell'', (''des Pedells, die Pedelle''), wohl unter Beeinflussung durch ''Büttel''. Ebenso stehen neben ''der Scholar, des —, die Scholaren'' als starke Formen: ''die Archivare, Jubilare, Vikare''. Ganz ausschließlich herrscht die schwache Beugung bei den unserer Sprache angepaßten Femininen aus fremden Sprachen (''Republik, Republiken; Basilika, Basiliken''), also daß für diese gar keine Schwierigkeit entstehen kann.se gar keine Schwierigkeit entstehen kann.)
- Subjekt des Partizips: § 343 + (Am allerwenigsten darf die adverbiale Verw … Am allerwenigsten darf die adverbiale Verwendung des Mittelwortes auf die Fälle beschränkt werden, wo es zum Subjekte gehört. Vielmehr mögen getrost auch ferner Bücher lobend, anerkennend, rühmend gebührend besprochen und beurteilt werden; ihre Stoffe mögen je nachdem eingehend oder kurzzusammenfassend behandelt und Behauptungen überzeugend, treffend, einleuchtend dargetan werden; glücklich derjenige, dessen Bücher dann reißend abgehn. Sprachlich ist ebensowenig gegen die Klage des Predigers zu sagen, daß von den Menschen zuviel Zeit tändelnd und spielend, scherzend und schlemmend verbracht werde, noch gegen Lenaus eigenartigeren Satz: ''Die Zecher haben stumm und grausend dem Wert des Hasses nachgedacht'', wohl aber gegen den O. Brandts: ''Erst heute rückschauend wird ihre entwicklungsgeschichtliche Stellung klar'' (1927)//1 Der für solche Anwendung des Mittelworts empfohlene Ersatz durch eintönige $Fußnote auf nächster Seite fortgesetzt$ als Probe auf die Zulässigkeit mag man solche Mittelwörter in derartige Bildungen mit ''-weise'' verwandeln: man kann sicher sein, daß bei der Möglichkeit der Umwandlung das Mittelwort gleich gut ist wie in den anderen Fällen, wo man das Mittelwort als Aussagewort zu dem — ebenfalls nur probeweise (!) substantivierten Prädikate sehen kann. Z. B. ''Der Dieb wurde kreischend verfolgt'' ist zulässig, weil man dafür sagen kann, aber wahrlich nicht schreiben soll: ''in kreischender Weise'', ebenso wie es ''untadelig'' heißen darf: ''Der Vorschlag wurde jubelnd aufgenommen'', weil man dafür sagen kann, aber gewiß auch nie schreiben soll: ''Seine Aufnahme war eine jubelnde'', dagegen der Satz: ''Simson wurde von Delila schmeichelnd betrogen'', ist falsch, insofern sowohl: ''Simson wurde schmeichelnderweise betrogen'', als auch: ''Das Betrügen war schmeichelnd'', etwas anderes bedeuten; denn dem Betrügen wohnt das Schmeicheln nicht inne, wie z. B. ''der Aufnahme der Jubel''. Ebenso ist das Ausbringen eines Hochs selbst nicht trinkend und die Einnahme einer Festung nicht überfallend, und daher falsch zu sagen: ''Ihm wurde trinkend ein Hoch ausgebracht, die Festung wurde überfallend genommen''.//. Selbst zwei ältere Wendungen finden in diesem Zusammen- $Seite 339$ hange ihre Rechtfertigung: ''umgehend beantworten'': das hieß ursprünglich mit der nächsten umgehenden, d. i. zurückkehrenden Post; und das freilich noch nicht gleich alte ''meistbietend verkaufen'', wenn schon hier der Ersatz aufs-, ''im Meistgebot'' oder Goethes (Werther II. 15. Sept.) ''an den Meistbietenden'' naheliegt. Auch in diesem Zusammenhange rechtfertigt es sich dagegen nicht, daß man nicht nur von allem, was wirklich selber redet, sondern auch von allem, was selbstverständlich ist, einförmig selbstredend gebraucht. Ebenso sollten selbst aus dem kaufmännischen Stile die Wendungen verschwinden: ''Inliegend, beifolgend, angebogen übersende ich Ihnen, stelle ich Ihnen zu'' u. ä. Denn einmal stehn die bequemeren Adverbien anbei, hiermit zur Verfügung. Dann aber bestimmen sie weder, wie die oben gerechtfertigten Mittelwörter, die Handlung der Art nach, noch erfüllen sie die Bedingungen, unter denen allein nicht adverbiale Partizipien ohne Zweideutigkeit auch auf einen andern Satzteil als das Subjekt bezogen werden können.eil als das Subjekt bezogen werden können.)
- Ein und dieselbe Form zugleich Objekt und Subjekt + (Am ehesten ist ein ganzer Satz, der Subjek … Am ehesten ist ein ganzer Satz, der Subjekt oder Objekt ist, so bedeutsam und in seiner Form so wenig einseitig für den einen oder andern Dienst auschließlich bestimmt, daß er der Verbindung zweier Sätze, deren einer desselben als Subjekt, der andre als Objekt bedarf, sehr wohl bloß einmal eingefügt zu werden braucht. So ist also Ranke im Recht mit dem Satze: ''Sehr unterrichtete Männer hielten sich überzeugt und es ist in der Tat wahrscheinlich, daß sie schon im voraus eine Kapitulation mit Louvois verabredet hatten'' (Vgl. S. 192 Anm. 1). Auch von einem artikellosen Hauptworte gilt dasselbe, wenn es nur die geeignete Stellung erhält, wie in dem Hebelschen Verse: ''Der Kaiser trinkt Burgunderwein und schmeckt ihm doch nicht besser'', oder in der Schillerschen Überschrift: ''Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?'' (Vgl. § 312* a. E.). Sehr vorsichtig soll man dagegen darin sein, die Fürwörter ''es, das, des'' (über ''der'' und ''welcher'' vgl. § 308) nur einmal zu sehen und zugleich als Nominativ und Akkusativ verstanden wissen zu wollen; dies darum, weil ihre Form lediglich dazu da ist, das Bedeutsamere, ihr Beziehungswort, in der durch die Fügung benötigten Form zu vertreten. So ist kaum ein $Seite 306$ betontes ''das'' oder ''dies''(''es'') ausnahmsweise einmal kräftig genug und fähig, die doppelte Verrichtung auf sich zu nehmen, wie in dem Satze: ''Nur das'' (''eine'') ''hielt er mit seinem ganzen Herzen fest und konnte ihm nie ausgeredet werden''. Am schwersten wird es fallen, das unbedeutendste Wörtchen ''es'' zweifach zu verstehn, wie es der Satz Goethes zumutet: ''Keine Würmer stechen es an und wird auch, wie billig, höher gehalten als Gold''. Noch härter wirkt der P. Kellers: ''Mauds Leben war ebenso einfach wie ihre Erscheinung. Es gab weder besondere Merkwürdigkeiten darin noch glich dem von Tausenden von jungen Mädchen und Frauen''; denn bloß formelles Füllsel, soll dieses ''es'' im zweiten Satz wirklich noch als dessen Subjekt wirken.</br></br>Auch Hauptwörter, die an der Spitze des ersten Satzes im 1. oder 4. Fall stehen und im zweiten je in dem andern gefordert werden, wird man besser immer durch ein Fürwort wieder aufnehmen und Härten vermeiden, wie sie der Satz H. Potoniés enthält: ''Die Reisebeschreibung Darwins: Reise eines Naturforschers um die Welt, muß ein heutiger Naturforscher gelesen haben, und'' — fehlt: ''sie — wird auch jedem, der sich für die Naturwissenschaft interessiert, ohne Gelehrter zu sein, hohe Befriedigung gewähren''.ter zu sein, hohe Befriedigung gewähren''.)
- Werde und würde falsch im Absichtssatze + (Am gefährlichsten wird den einfachen Konju … Am gefährlichsten wird den einfachen Konjunktiven das Hilfszeitwort ''werden''. Mancher, der für das Lateinische genau weiß, daß nach Verben des Strebens und Verlangens das regierende Verb selbst, dazu das abhängige Bindewort mit seinem Konjunktiv gerade genug Andeutungen der Zukunft sind, scheint davon im Deutschen nichts zu wissen, obgleich hier die Sache kein Haar anders liegt. Auch hier also darf das Erstrebte nur im (wünschenden) Konjunktiv je nachdem des Präsens oder Imperfekts erscheinen, nie in dem des Futurs (''er werde'' —, ''würde tun''). Ein Geschichtsmann in der Tgl. R. hat demnach falsch geschrieben: ''Margarete v. Parma hätte es am liebsten gesehn, daß Graf Egmont sich wieder bereit zeigen werde'' (statt: ''zeigte'') ... ''dem Könige die Wünsche des Volkes zu überbringen''; und nicht besser ebendort ein Mitarbeiter am politischen Teile: ''Es wäre dringend zu wünschen, daß die jüdische Presse dieselbe Toleranz auch dann beweisen würde'' (statt ''bewiese''), ''wenn es sich um jüdische Angelegenheiten handelt''.ich um jüdische Angelegenheiten handelt''.)
- Es war (ist) im August, daß + (Am häufigsten von allen Gallizismen ist en … Am häufigsten von allen Gallizismen ist endlich wohl die buchstäbliche Nachäffung der Formel ''c’est — que''. Zwischen deren Teile schiebt der Franzose den hervorzuhebenden Teil eines Satzes ein, und zwar gleich in dem von diesem geforderten Abhängigkeitsverhältnisse, ohne auf dieses in dem Satze mit ''que'' noch einmal Rücksicht zu nehmen. Vom Standpunkte seiner Sprache aus mit Recht, insofern ''que'' hier gar nicht ''daß'' bedeutet, sondern eine Relativpartikel ist, die die Fähigkeit hat, jeden vorausgehenden Begriff aufzunehmen. Das ''daß'' in solchen französelnden Wendungen ist also eigentlich das Dümmste, was man sich denken kann; und wenn ein Übersetzer einen Satz Dumas’ so wiedergibt: ''Es war nicht ohne lebhafte Genugtuung, daß er seinen Geburtsort wiedersah'', so ist das wie alle die vielen ähnlichen Formeln beim Jungen Deutschland wie bei dem „vor und nach der Wende des Jahrhunderts“ durchaus keine Nachahmung im Geiste. Als Nachäffung erweist es sich am deutlichsten durch die ganz undeutsche Gleichgültigkeit gegen die Zeitverhältnisse, wenn z. B. F. Lewald schreibt: ''Es ist bei dieser Gelegenheit, daß jenes Bekenntnis zustande kam.''</br></br>3. Dazu nimmt man abgesehn von dem berechtigten Spotte der Franzosen, daß die Deutschen unverdaute Brocken ihrer Sprache verschlucken, auch noch einen dreifachen Schaden in Kauf, den die Formel an echt deutschem Sprachgute anzurichten droht.ht deutschem Sprachgute anzurichten droht.)
- Sonnabend und Sonnabends + (Am schärfsten ist der Unterschied zwischen … Am schärfsten ist der Unterschied zwischen dem zweiten und dem vierten Falle noch bei den Namen der Wochentage und verdiente es, auch ferner gewahrt zu werden. Der vierte Fall bezeichnet hier einen einzelnen durch den Zusammenhang oder in der § 242 angedeuteten Weise bestimmbaren Tag: ''Ich komme Montag'' (= den nächsten M.) ''nach Dresden''. ''Der Arzt war Sonnabend vor dem Feste das letzte Mal bei dem Genesenden''. Der zweite Fall dagegen steht, wenn von einer regelmäßig an demselben Tage wiederkehrenden Handlung die Rede ist: ''Montags und Sonnabends laufen besonders vollbesetzte Arbeiterzüge''. Wenn dieser Genetiv nicht nachahmenswert auch in der Bedeutung des Akkusativs steht, so erklärt sich das wohl daraus, daß der artikellose Akkusativ in zeitlicher Bedeutung sonst nicht mehr üblich ist. Noch erklärlicher und schwerlich mehr vermeidlich ist das Eindringen des Genetivs in das Gebiet des Akkusativs bei den Namen der Tageszeiten: ''mittags, vormittags, nachmittags, morgens, abends: Er ging durch Karlsbad und speiste mittags bei der Gräfin'' (Wieland). Besser bleibt diese Form natürlich auch hier für den Ausdruck der Wiederholung und Allgemeinheit aufgespart: ''Abends, morgens und mittags will ich klagen und heulen'' (Luther). Zur Bezeichnung der einzelnen bestimmten und ganz ausgefüllten Tageszeit sage man also: ''am Vormittage, zu Mittag, im Verlaufe des Nachmittags'', und wem das zu schwerfällig klingt, der scheue sich nur nicht vor dem Akkusative ''Mittag'' und dem von vor und nach abhängigen Dative desselben Wortes in den $Seite 207$ Ausdrücken ''vor-, nachmittag''(''e'')//1 Die Formen kommen nämlich nicht nur bei Gellert vor und in der Leipziger Mundart, für die sie Hildebrand-Albrecht, Leipziger Mundart, nachweist, sondern z. B. auch in der Lausitz und nicht minder beim jungen Goethe; sind also mindestens gut volkstümlich//. Streng sollten der vierte und der zweite Fall jedenfalls wieder geschieden werden, sobald vor diese Angaben der Tageszeiten der Name des Wochentages tritt; denn der muß dann dieselbe Wirkung ausüben wie ein Formwort vor jedem Substantivum. Wie man nämlich von bloßen Hauptwörtern den vierten Fall nicht mehr allgemein zeitlich verwenden kann, wohl aber mit einem Formwort davor (nicht ''Jahr'', aber ''dieses Jahr'', nicht ''Stunde'', aber ''diese Stunde''), so kann man auch sagen: ''Dienstag morgen, Sonntag abend'', d. h. am Abende des nächsten oder letzten Sonntags. Davon scheidet sich dann zur Bezeichnung der Unbestimmtheit und Wiederholung: ''Donnerstag vormittags'' = jeden Donnerstag vormittag, wie es denn heißt: ''Mittwoch und Sonnabend nachmittags ist kein Unterricht''. Doch könnte es auch mit einer Zusammensetzung heißen: ''An Sonntag-Nachmittagen'', oder man sagt: ''alle Montag''(''e''), - ''Dienstag''(''e''), - ''Donnerstag''(''e''), - ''Freitag''(''e''), ''alle Sonnabend''(''e''); aber schriftgemäß nur: ''alle Mittwoch'' gemäß der abweichenden Bildungsweise dieses Wochentagsnamens.den Bildungsweise dieses Wochentagsnamens.)
- Untersteh dich nicht und gehe oder zu gehen? + (Am üblichsten ist diese Ausdrucksweise in … Am üblichsten ist diese Ausdrucksweise in den Wendungen ''so gut sein, die Güte haben'', und es heißt geradezu gegen den Strom schwimmen, wenn man statt solcher alltäglichen und auch bei den Klassikern gar nicht seltenen Wendungen: ''seien Sie so gut'' oder: ''haben Sie die Güte und teilen ihm dies bei Gelegenheit mit; Jüngling, sei so ruchlos nicht und leugne die Gespenster'' (Less.), die angeblich straffere Form verlangt//1 Zwei mittelhochdeutsche Beispiele stehn z. B. bei H. v. Aue. Im ersten Büchlein (V. 1172) wird auf die Versicherung: ''nu gevellet mir dîn rede wol'' zur Antwort gefragt: ''Entriwen unde tuot sî so?'' — Unserm ''so gut sein und'' — entspricht genau die Wendung im Gregor (V. 915): ''daz man den Abbet baete, daz er so wol taete und das Kind selbe toufte''.//: ''Seien Sie so gut, ihm ... das mitzuteilen''. Aber beschränkt ist solche — Satzlösung auf diese Formeln durchaus nicht. Es kann auch ganz allgemein in einem beigeordneten Satze Handlung oder Zustand angefügt werden, die als der Ausfluß einer Eigenschaft oder ihre besonders geartete Betätigung in einem Folgesatze stehn könnten, also statt: ''Er war so vernünftig, nicht nachzugeben'', wenn mehr Nachdruck auf dem Tun liegt: ''er war so vernünftig und gab nicht nach''. Oder was nach einem die Ausführung oder den Beginn einer Handlung bezeichnenden Verbum in einem Adverbial- oder Objektssatz stehn könnte, kann nach der allgemeinen Ankündigung, daß etwas ausgeführt oder unternommen worden sei, als das Wichtigere in einem selbständigen Satze erscheinen: ''Die Kaiserin Friedrich hat es wirklich gewagt und ist nach Paris gegangen''.</br></br>Wie denn Grimm mit gutem Fug geschrieben hat: ''Der Kerl da ist imstande und behauptet, ich hätte seinen Rock an'', so auch C. F. Meyer: ''Er enthielt sich nicht und küßte den Nacken''; Felix Dahn im „Kampf um Rom": ''Die Einwohner fangen an und werden schwierig'', und ein an $Seite 326$ derer Romanschriftsteller in der Tgl. R. (E. Bauer) aus ein und derselben Seite: ''Wenn er den Wink versteht, so wird er vernünftig sein und sich beizeiten davon machen'', und: ''Ist es nicht besser, wir kehren um?'' und Goethe gar: ''Ich dächte, Herr, und ihr begnügt euch''; und Billroth: ''Ich begreife nicht, wovon die Leute leben und so gut aussehen''. Welche Wirkung mit bewußter Handhabung der älteren Form erzielt werden kann, mag wieder eine Stelle aus dem Wilhelm Meister zeigen: ''... er ... wollte nach Hause und ward immer wieder umgewendet; endlich als er's über sich vermocht, ging und an der Ecke noch einmal zurücksah, kam es ihm vor, als wenn Mariannens Tür ginge''; hier wird man an der verbindungslosen Beiordnung vermocht, ging ordentlich den Ruck nachempfinden, den der Entschluß ihn kostet. Umgekehrt malt das flüssige und die Schnelligkeit des Vorganges in dem Satze Trentinis: ''Dieses Wort „Nacht“ kaum gedacht, und jeder Blutstropfen erblich schon in Wissen''.</br></br>Wie innig übrigens die Verbindung einer also mit ''und'' angeknüpften Ausführung mit dem Vorhergehenden empfunden wird, ergibt sich daraus, daß in dem zweiten Gliede eine bei dem ersten stehende Verneinung nicht wiederholt zu werden braucht, ja es nicht einmal darf. ''Heute, scheint es, kommt der Schwager nicht und holt uns zu einem Abendspaziergange ab'', heißt es in einer Erzählung, und in der Köln. Ztg. z. B.: ''Wir bedauern, daß man den Rat des Generals Chanzy nicht befolgt und den Mund gehalten hat''. Umgekehrt bedeutet die Fügung bei Hansjakob: ''Der Vogt von Mühlstein gibt kein Jawort und hält es nicht'', natürlich so viel als: ''das er nicht hielte''; nur ist die losere Form kräftiger.</br></br>Alles in allem also wird die Schönheit des Stiles an sich nicht gefährdet, wenn Sätze wieder in der älteren und kräftigeren selbständigen Form statt in der daraus hervorgegangenen jüngeren abhängigen Form austreten. Nur dann zeugt dies von einer gewissen Überreizung und einer Sucht nach Besonderem, wenn diese selbständigen Formen, die ein das Alte bewußt mit dem Neuen verbindender Stil gewissenhaft für besondere Fälle aufspart, bevorzugt oder gar fast allein verwendet werden, wie in den folgenden Fällen.endet werden, wie in den folgenden Fällen.)
- Widersprüche in bildlichen Wendungen + (An Ausdrücken, die der sinnlichen Anschauu … An Ausdrücken, die der sinnlichen Anschauung und Lebenserfahrung nähergerückt sind, muß man noch eine erschreckendere Vorstellung davon erhalten, wie gedankenlos $Seite 453$ Unzusammengehöriges zusammengereimt wird. Eine Zeitung redet von ''zugkräftigen Magneten'' (= Künstlern), ''unter denen Sterne von leuchtendem Glanze seien''. Einem Musikschriftsteller scheint gar in Schumann ''eine der schönsten Blüten der Romantik dem Grundsteine entsprossen, den Bach gelegt''. Ein andermal wird wieder gehofft, daß es ''in vielen Herzen neue Saaten treibe, wenn der Frost liebloser Berührung die früheren versengt habe''; oder man sieht über einer Gesellschaft ''einen günstigen Stern blühen'' und ''Häuser durch Fluten eingeäschert werden''. Eine Zeitung ereifert sich über eine Schwester, weil sie ''in die Freihandels-Pauke blase'', und eine andere klagt: ''Mit dem einen Fuße stehen sie im Grabe, während sie mit dem andern am Hungertuche nagen''! Da ist es nicht mehr weit bis zur ''Reise einer blinden Frau, die'' — mit einem Gallizismus — ''ihren Sohn sehen will'', oder bis zu der andern, die ''lautlos wie eine Leiche einfällt: „Ist er tot?“'' was sonst immer laut geschieht, gewöhnlich von Chören und andere übertonend. Wenn die Ärmste wirklich gestorben wäre und ohne Kinder zu hinterlassen, hätte man im heutigen Stile gewiß ihren kinderlosen Tod gemeldet!</br></br>Doch hinweg vom Tode zum Leben! Jeder weiß, was eine ''Geburt'' ist und daß er selbst geboren ist, und zwar von einer Frau, die deshalb ''seine Mutter'' heißt. Trotzdem ist es nicht nur fertiggebracht worden, den ''Codex Friedrichs d. Gr. sich selbst gebären zu lassen'', sondern ein Musikkritiker, dessen Zunft sich freilich bei ihrem Gefühlsleben vor andern der Verpflichtung überhoben glaubt, auf Verstand und Verständlichkeit Rücksicht zu nehmen, läßt gar jemanden seine Geburt meißeln und intonieren: ''er fing an, seine neuste Geburt, die erst unter dem poetischen Meißel hervorgegangen war, zu intonieren''! Auf die Geburt folgt die Taufe, auch sie in schönen Bildern verwendet, wie denn z. B. bei einem Diplomaten ''König Wilhelm das Definitivum des neuen Deutschen Reiches in Versailles aus der Bluttaufe hebt''. Jede Handlung, die von nun an ein Mensch in seinem Leben ausführt, wird am liebsten nicht mit ihrem eigentlichen Namen bezeichnet und ihrem eigentlichen Träger beigelegt, in Romanen namentlich, sondern bis zum Unsinne verziert und verzerrt und unnatürlich ausgedrückt. Da blickt uns nicht ein Mädchen selbst an, sondern ''ihr Auge'' (so!); nicht sie stampft mit dem Fuße auf, sondern ''ihr Fuß tut es''. Etwa damit sie selber liebenswürdiger bleibe? Nicht sie verzieht das Gesicht, sondern ''ihre Züge verziehen sich'' usw., vielleicht daß das naturalistischer sein soll! Noch häßlicher wirkt es natürlich, wenn sich mit dem Geziere Verkehrtes verbindet. Bringt es doch ein Mädchen fertig, ''den Kopf um den Hals des Vaters zu schlingen'', oder eine andere ''umklammert, innehaltend, den Angeredeten mit den Augen''; ja es vermag sogar ''ein weiblicher Fuß ins Zimmer zu schleichen und mit eigner Hand die Kerze auszulöschen''; oder die Stimmung wird so gereizt, daß die ''erhitzten Köpfe handgreiflich werden''. ''erhitzten Köpfe handgreiflich werden''.)
- Zu wiederholten Malen statt oft, zur Inhaftnahme bringen statt verhaften u. ä. + (An dem vielen überflüssigen, was die eigen … An dem vielen überflüssigen, was die eigene Abstumpfung des Sprachgefühls und die deshalb bei anderen vorausgesetzte Empfindungslosigkeit gegen das Einfache in unsre Sprech- und Schreibweise bringt, ist besonders die Sucht schuld, in Form wie Sache stark aufzutragen. In der Form äußert sich dies in der Zerdehnung, die statt des einfachen Zeitwortes Substantiv + Zeitwort oder statt des einfachen Adverbs Präposition + Adverb oder Präposition + Adjektiv und Substantiv setzt, sowie in der Vorliebe, mit der heute abgeleitete und zusammengesetzte Wörter, wieder Zeitwörter voran, den einfachen vorgezogen werden; da beides schon oben § 44 f. u. 262 f. besprochen worden ist, sei hier nur noch einmal darin erinnert. Oft paart sich sogar beides, wovon zur Warnung von dem immer allgemeiner einreißenden Mißbrauche nur einige Beispiele folgen mögen: statt ''oft'' heißt es ''des öfteren, zum öfteren, vielmals'' und gar ''zu öfteren, zu zahlreichen, zu wiederholten Malen''; statt ''bald'' heißt es ''in Bälde, in Kürze'', statt ''ganz'' gar ''in Gänze'', statt ''lange'' wieder ''auf (die) Dauer''. Als könnte vorher nicht mehr verstanden werden, wird süddeutsch ''im vorhinein'' oder ''lange vorhinein'' gesagt, und in Berlin folgt man diesem Gebrauche bereits mit einem ''inskünftig'' und ''in Hinkunft'' statt ''künftig''. Dem Herrn Kanzleirate mit dem Dienstkragen steht recht gut, was aus ''mitteilen, verlesen'' u. ä. geworden ist, nicht nur ''zur Mitteilung, zur Verlesung schreiten'', sondern sogar dazu ''verschreiten''. ''Fertigen'' scheint schon nirgends mehr hinzureichen und wenigstens muß man ''verfertigen'' sagen, lieber freilich ''fertigstellen'', bis gar der Gipfel erklommen wird mit der ''Fertigstellung'' und der Wendung ''zur Fertigstellung kommen'' oder ''gelangen''. Ähnlich hat sich aus ''einnehmen'' immer ein Ungetüm nach dem andern entwickelt: ''zur Einnahme kommen, vereinnahmen, zur Vereinnahmung kommen''. Dem einfachen, auslänglichen Worte berichten hat ein Handelskammersekretär die prächtige Bereicherung unsers Sprachschatzes beigesellt: ''an das Ministerium einberichten und sich berichtlich äußern''. So sehr liegt dies im Zuge der Entwicklung, daß selbst einer, der gegen unsere „sprachlichen Sünden" schreibt, einen Brauch, nachdem er schon besteht, seine Entstehung finden läßt. Es gehört wahrlich ein Th. Vischer dazu, um auch einmal ein Zeitwort in früherer Kraft zu gebrauchen, so wenn er sagt: ''Man hat Goethe als Norddeutschen angesprochen'' (wofür heute die meisten sagen: ''in Anspruch genommen''). Während Strolche früher verhaftet wurden, werden sie jetzt ''in Haft genommen'' oder ''zur Verhaftung gebracht'', was eigentlich die Tätigkeit des Publikums voraussetzt, das sie dem Polizisten zuführte, oder es kommt gar zu ihrer ''Inhaftnahme'', wo nicht ''Inhaftierung''! Auch einige Beispiele für überflüssige Verlängerung von Substantiven mögen sich anreihen; man schreibt jetzt von ''Lehrpersonen'' statt ''Lehrern'', von der ''Welt des Alltags'' statt ''Alltagswelt'', vom ''Werdeprozeß der Zeit'' statt von ''Entwicklung'' oder ''Geschichte'', von ''liebevoller Vorneigung'' statt ''Vorliebe''.ebevoller Vorneigung'' statt ''Vorliebe''.)
- Bildung der Wörter auf -isch + (An die Adjektive auf ''-isch'' heftet sich … An die Adjektive auf ''-isch'' heftet sich der Fluch einer zweifachen übertriebenen Peinlichkeit. Die eine äußert sich darin, daß die zu ''sch'' zusammengeschrumpfte Silbe ''isch'' nicht ohne Apostroph angehängt wird, und zwar selbst nach auslautendem ''e'' des Substantivs, das nach der Regel von vokalisch anlautenden Endsilben verschlungen wird. Als ob man ''Goethisch, Fichtisch, Schillerisch, unterelbisch'' u. ä. und die bequemeren Formen wie ''Wagnersch, Breitingersch'' nicht verstünde und erst durch falsche Formen wie ''Fichte'isch, unterelbe'sche'' über ein Rätsel aufgeklärt werden müßte! Nur wenn es gilt, Ableitungen von ähnlichen Namen mit und ohne ''e'' zu Scheiden, steht für diese ''-isch'' oder deutlicher '''sch'', für jene ''sch'' (ohne Apostroph!) zur Verfügung. Vgl. ''Schulzisch'' oder ''Schulz'sch'' von ''Schulz'' und ''Schulzesch'' von ''Schulze'', ebenso das ''Reich'sche'' oder ''Reichische'' und das ''Reichesche Grundstück''. Sonst ist ''-isch'' durchaus am Platze in altüberlieferten Bildungen, namentlich in Ableitungen von Namen auf Zischlaut und von Ortsnamen sowie bei prädikativem Gebrauch; dagegen ist bloßes ''sch'' (ohne ') üblich bei Namen mit unbetonter letzter Silbe. Vgl.: ''Vossische Zeitung, Vergilisch, Horazisch, Leibnizisch''. Der Ausdruck ist echt ''Goethisch. — rheinisch, Berlinisch'', $Seite 10$ aber: ''ein Lenausches Gedicht, Vegasche Logarithmen''. Die andere Art übertriebener Gewissenhaftigkeit hat die Unsitte gezeitigt, nicht ''von einer Graf'', sondern ''Gräflich Salmschen Brauerei'', nicht ''von einer Fürst'', sondern ''Fürstlich Rohanschen Jägerei'' zu reden, als ob jene von einer ''fürstlichen'', diese von einer ''gräflichen'' unterschieden werden sollte. Daß auch der Titel ins Eigenschaftswort kommt, ist nämlich nur nötig, wenn dieses statt eines landesherrlichen Titels mitsamt dem durch von angefügten Orts- oder Landesnamen eintreten soll: ''Herzoglich Anhaltischer Oberförster, Königlich Preußische Regierung.''förster, Königlich Preußische Regierung.'')
- Welch letzterer und welcher letztere + (An einen ganzen Rattenkönig von Sprachdumm … An einen ganzen Rattenkönig von Sprachdummheiten rührt man mit der so beliebten Verbindung: ''welcher letztere''. Auf die häßliche unorganische Bildung ''ersterer'' und ''letzterer'' — eine komparativische Weiterbildung eines Superlativs! — Soll dabei kein Gewicht gelegt werden, denn solche Erscheinungen gibt es viele in der Sprache und in allen Sprachen, wenn es auch nichts schaden kann, daß man sich einmal das Unorganische dieser Formen durch die Vorstellung zum Bewußtsein bringt, es wollte jemand ''der größtere, der kleinstere, der bestere, der schönstere'' bilden. Viel schlimmer ist ihre unlogische Anwendung. </br></br>$Seite 122$ Wenn ein Relativsatz nicht auf ein einzelnes Hauptwort, sondern auf eine Reihe von Hauptwörtern, zwei drei, vier oder mehr folgt, so ist es selbstverständlich, daß das Relativ nicht an das letzte Glied angeschlossen, sondern nur auf die ganze Reihe bezogen werden kann, also nicht so:</br></br>Erstes Hauptwort</br></br>Zweites Hauptwort</br></br>Drittes Hauptwort</br></br>Relativsatz</br></br>sondern so:</br></br>Erstes Hauptwort</br></br>Zweites Hauptwort Relativsatz.</br></br>Drittes Hauptwort</br></br>Die Hauptwörter werden gleichsam zu einer Gruppe, zu einem Bündel zusammengeschnürt, und der Relativsatz muß an dem ganzen Bündel hängen. Es kann nicht heißen: ''Lessing, Goethe und Schiller, der'', sondern nur:'' Lessing, Goethe und Schiller, die''. Das fühlt auch jeder ohne weiteres. Nun möchte man aber doch manchmal, nachdem man zwei, drei, vier Dinge aufgezählt hat, gerade über das letzte noch etwas näheres in einem Relativsatz aussagen. Ein bloßes ''welcher'' — das fühlt jeder — ist unmöglich; es gehn ja drei voraus! Aber ''welcher letztere'' oder ''welch letzterer'' — das rettet! Also: ''das Bild stellt Johannes den Täufer und den Christusknaben dar, welch letzterer von dem Täufer in die Welt eingeführt wird — einen Hauptartikel des Landes bildeten die Landesprodukte, wie Kobalt, Wein, Leinwand und Tuch, welch letzteres allerdings dem niederländischen nachstand — er war Regent der Weimarischen, Gothaischen und Altenburgischen Lande, welche letztern ihm aber erst kurz vor seinem Tode zufielen — die Summe des Intellektuellen im Menschen setzt sich Zusammen aus Geist, Bildung und Kenntnissen, welchen letztern auch die Vorstellungen zugezählt werden dürfen — dies trug ihm eine gerichtliche Untersuchung und zwei Jahre Haft ein, welch letztere er zu volkswirtschaftlichen Studien benutzte — der Neger'' $Seite 123$ ''überflügelt zuerst seine weißen Schulkameraden weit, besonders in der Mathematik und in den Sprachen, für welch letztere seine Begabung erstaunlich ist''.</br></br>Dieses ''letztere'' ist ein bequemes, aber sehr häßliches Auskunftsmittel; ein guter Schriftsteller wird nie seine Zuflucht dazu nehmen. Es läßt sich auch sehr leicht vermeiden, z. B. indem man das letzte Glied für sich stellt: ''das Bild stellt Johannes den Täufer dar, und den Christusknaben, der'' usw., oder indem man statt des Relativsatzes einen Hauptsatz bildet, worin das letzte Hauptwort wiederholt wird.</br></br>Noch schlimmer ist es freilich, wenn, wie so oft, ''welch letzterer'' selbst da geschrieben wird, wo nur ein einziges (!) Substantivum vorhergeht, eine falsche Beziehung also gänzlich ausgeschlossen ist, z. B.: ''der Plan ist der Wiener Fachschule nachgebildet, welch letztere ihn schon seit längerer Zeit hat — der Urkunde ist die durch den Bischof von Merseburg erteilte Bestätigung beigegeben, welch letztere aber nichts besondres enthält — den gesetzlichen Bestimmungen gemäß scheiden vier Mitglieder aus, welch letztere aber wieder wählbar sind — die Menge richtet sich nach den Beamten, nicht nach dem Gesetz, welch letzteres sie selten kennt — überall wechseln üppige Wiesengründe mit stattlichen Waldungen, welch letztere namentlich die Bergkuppen und Hänge bedecken — der König nahm in dem Wagen Platz, welch letzterer schon nach einer Minute vor dem Hotel hielt''. Welcher Schwulst! vier Silben, wo drei Buchstaben genügen! Er greift aber immer weiter um sich, und wenn er nicht bekämpft wird, so ist zu befürchten, daß einmal eine Zeit kommt, wo das deutsche Relativpronomen überhaupt — ''welch letzterer'' heißt.men überhaupt — ''welch letzterer'' heißt.)
- Fehlerhafte Anwendung präpositionaler Attribute + (Andere Verbindungen solcher Personalsubsta … Andere Verbindungen solcher Personalsubstantive mit ähnlichen Verhältnisattributen muten oft wenigstens ungewöhnlich an, so z. B. wenn P. Keller eine Wahrsagerin — allerdings mit humoristischer Wirkung — ''das alte Fernrohr in die Zukunft'' nennnt oder Br. Tanzmann ''vom Bootsmann über den Lethe'' spricht. Wenn sich dadurch sogar das Sprachgefühl verletzt fühlt, so hat das zwei Gründe. Einmal fehlt die entsprechende Fügung beim Zeitwort als die nötige Vorstufe für ein Verhältnisattribut, so in den Zeitungswendungen: ''Redner an die deutsche Nation'' und ''Anfeindung der Zentrumspresse an Herrn Dr. Kopp''. Häufiger liegt der Grund in dem Mangel des Gefühls für die Bedeutung der abgeleiteten Personennamen, der sich in den Fügungen verrät. In den Verbindungen: ''Eindringling in seine Herde und Felder, Flüchtlinge auf fremden Boden''//1 ''Die Flüchtlinge in ihrer Mitte wurden wieder unruhig, Flüchtlinge aus Frankreich'' u. ä. erklärt sich in der § 166 erläuterten Weise.// widerstreitet es dem Wesen der Bildungen auf -''ling'', die den Träger der durch das Stammwort angedeuteten Handlung oder Eigenschaft in einer für sich abgeschlossenen Weise bezeichnen (''Männer, die zum Eindringen geneigt sind''), daß diese wie die Stammverben mit Ortsangaben verbunden werden. Ähnlich ist es oft bei den Wörtern auf -''er''. Deren Geltung als Gattungsbegriffe, ihre Entwicklung in einer dem zugehörigen Verbum nicht ebenso innewohnenden Sonderbedeutung, namentlich zur Bezeichnung eines Standes oder des Wesens eines, der dieselbe Tätigkeit regelmäßig ausübt, verträgt es wohl, daß sie auf die § 169 beleuchtete Art mit demselben Umstande wie das Zeitwort verbunden werden. Aber nimmer kann jeder, wenn er einmal die durch das Stammverbum ausgedrückte Tätigkeit ausführt, auch durch das entsprechende Verbalsubstantiv bezeichnet werden. Die gewöhnliche Bedeutung von ''Bringer'' = ''Überbringer, Verleiher'' läßt z. B. Grimms Ausdruck ''Bringer ins Brautgemach'' unangenehm empfinden, und ebenso die von ''Einbrecher'' (= ''Dieb'') den der Köln. Zeitung: ''Einbrecher in unser Land''. Die Färbung des Gattungs- und Artbegriffs fehlt dem Ausdrucke einer Zeitung: ''„der Schreiber der acht Schillerschen Gedichte auf einer Postkarte“''; soll doch da ''Schreiber'' den bezeichnen, der einmal geschrieben hat, während man es nur als Be- $Seite 164$ zeichnung des Standes (Schreiber beim Rechtsanwalt) und der Art (der beste Schreiber in der Klasse) gewohnt ist.este Schreiber in der Klasse) gewohnt ist.)
- Junge Zusammensetzungen mit adjektivischem Bestimmungswort + (Anders als ''Jetztzeit'' u. ä. Wörter müss … Anders als ''Jetztzeit'' u. ä. Wörter müssen Verschmelzungen von Substantiv und vorgesetztem Adjektiv beurteilt werden, die sich jetzt wieder besonders von Süddeutschland her einbürgern. So das erst seit Bismarcks Entlassung von seinen süddeutschen Verehrern aufgebrachte ''Altreichskanzler'', dazu ''Höchstbedarf, Jüngstzeit, Mindestmaß, Fremdwendungen, Erstansprüche, Erstkommunikanten'' (Hansjakob), ''Hohlgesicht'' (Trentini), ''Hoch-und Steilweg, Hochziel'' und die auch in Berliner Zeitungen gar nicht mehr anders benannte ''Erstaufführung'' mit ''Erstaufführungsrecht''. Denn „diese Zusammenrückungen stehen längst eingebürgerten Wörtern wie ''Erstgeburt, Edelknabe, Weißhand'' ganz nahe, und es tut ihnen heut keinen Eintrag, daß die Vorstufe der älteren Bildungen dieser Art, auf der ein undefiniertes Adjektiv auch zwischen Geschlechts- und Hauptwort treten konnte, für sie gefehlt hat.ptwort treten konnte, für sie gefehlt hat.)
- Das Zeitwort 2. Die Zeiten *1 + (Anders als mit der Vertauschung der 1. und … Anders als mit der Vertauschung der 1. und 2. Vergangenheit steht es mit der häufigen Verwechslung der Gegenwart und der 2. Vergangenheit der Leideform in Fällen wie: ,''Die Kirche ist gebaut' '', und ,''.. ist gebaut worden' '' (vergleiche S. 237). Man scheut sich vor der Weitschweifigkeit ''ist worden'', glaubt, man dürfe ''worden'' beliebig auslassen, und begeht einen Fehler, den jedes mittlere Sprachgefühl sogleich empfindet. ,''Die Kirche ist gebaut' '' ist Gegenwart und heißt: der Bau ist jetzt fertig; ,''Die Kirche ist erbaut worden' '' ist $Seite 285$ 2. Vergangenheit und gibt einen Rückblick auf Bautätigkeit und Bauzeit. ,''Die Pferde sind gesattelt' ''meldet der Reitknecht, um zu sagen: sie stehen jetzt gesattelt da; ,''Die Pferde sind heute schlecht gesattelt worden' '' müßte es richtig heißen, wenn ein Urteil über die Tätigkeit des Sattelns abgegeben wird; mit ,''Die Pferde sind heute schlecht gesattelt' '' wird nur über ihren jetzigen Zustand geurteilt. Wer sich vor dem nachschleppenden ''worden'' scheut, der schreibe statt seiner lieber die 1. Vergangenheit: ,''.. wurden heute schlecht gesattelt.' '' In den meisten, nicht in allen Fällen, wird man in der Umgangsprache zur Not auch mit einfachem ''ist'' und ''sind'' bestehen.</br></br>Das 2. Mittelwort und die Nennform (Infinitiv) lauten in nicht wenigen Zeitwörtern gleich und verführen dadurch zur unachtsamen Verwechslung: ,''Man hat oder wird mich verraten' ''— dies mag beim schnellen Sprechen unbemerkt durchschlüpfen, beim Lesen wird die Unzulässigkeit wohl alsbald entdeckt und übel vermerkt werden. Es bleibt nichts übrig, als zu wiederholen: ,''.. und wird mich verraten' '', oder eine Wendung wie: ..,''und wird es wieder tun' ''.</br></br>Unbegründeter Wechsel der Zeitform, besonders der Übergang aus der lebhaft erzählenden Gegenwart in die 1. Vergangenheit oder umgekehrt, wirkt als Stümperei: ,''Um 1 Uhr kommt der Kaiser im Schlosse an, empfängt die Generäle und begab sich dann ..' ''</br></br>Die dritte Vergangenheitsform, die Vorvergangenheit (Plusquamperfectum), wird von einigen Sprachlehrern für gradezu undeutsch erklärt. Das ist eine Übertreibung und widerspricht der Wirklichkeit. Die Form ist allerdings in der Redesprache nicht sehr beliebt, weil ihre strenge Beachtung für geziert gilt; sie kommt aber selbst in der belebtesten Rede vor und ist in der gepflegteren Schriftsprache unentbehrlich. Nur braucht sie nicht überall da zu stehen, wo das Lateinische sie fordert; in sehr vielen Fällen kann die 2. Vergangenheit die 3. vertreten: ,''Als er das sah, wurde er zornig' '' wäre im Lateinischen falsch, es müßte heißen: ''.. gesehen hatte''; im Deutschen läßt die lebendigere Vergegenwärtigung des Vorgangs durch die Sprache die 2. Vergangenheit zu: der Zorn wird schon während des Sehens als aufsteigend gedacht. Eine scharfe Untersuchung des Zeitverhältnisses der beiden Vorgänge, des Sehens und des Zürnens, $Seite 286$ muß der deutschen Fügung den Vorrang der Genauigkeit vor der gerühmten lateinischen geben.keit vor der gerühmten lateinischen geben.)
