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S
Berechtigter Tadel trifft in adjektivischer Form gemachte Angaben der Weise und besonders der Zeit, die nicht Eigenschaften eines Gegenstandes, sondern nur Erscheinungsformen einer Entwicklung, Zuständigkeit oder Handlung enthalten können. Während man sagen kann ''großen, wohltuenden Anteil'' nehmen, hätte also z. B. schon V. v. Eckstädt nicht schreiben sollen: ''An dem Kriege nahmen alle Stämme begeisterten'' (statt ''begeistert'') ''Anteil''; noch weniger Junker in einer freilich jetzt beliebten Formel: ''Die Reise nahm ein baldiges'' (statt [''nur zu''] ''bald ein'') ''Ende'', oder stärker aufgetragen ''ein jähes Ende''. Jensen sagt gar: ''Das Kloster ward wiederum ... besetzt und'' (''1771'') ''ein abermaliger statt abermals ein Prozeß angestrengt'', und Trinius: ''Der Handel mit Elsässer Wein nahm bereits frühen Aufschwung''. Hierher gehört auch die in Zeitungen beliebte Wendung: ''Zwei Monate nachher erhielt er seine unerwartete'' (''plötzliche'') statt ''plötzlich'' oder ''unerwartet seine Entlassung''. Auch die so wie so unschönen Bildungen auf -''jährig'' und -''jährlich'', -''monatig'' und -''monatlich'' würden nicht so oft falsch angewendet werden, wenn man besser sagte: ''Professor X nahm einen Urlaub auf 4 Monate'' oder ''nahm auf 4 Monate Urlaub'' statt ''einen viermonatigen'' oder gar falsch ''einen viermonatlichen''. Denselben Tadel verdient endlich in den meisten Fällen der adjektivische Gebrauch der Wörter ''ferner'' und ''weiter'', zumal sie immer schwerfälliger sind als ''noch'' und oft $Seite 182$ ganz überflüssig stehn//1 Gar nicht zu fühlen scheint den Fehler Sanders, Hauptschw. unter ander (S. 9), da er statt des guten Lutherischen: ''Dan harrte noch andre 7 Tage'' (= noch einmal 7 Tage), wo es die doppelte Dauer bedeutsam auszudrücken galt, noch ''fernere'' oder ''weitere'' fordert. Dies aber nur, weil er einen willkürlichen Unterschied ausklügelt: ''noch andere soll sein'' = außer den genannten noch welche von andrer Art; ''noch weitere'' oder ''fernere'' = außer den genannten noch welche von gleicher Art; als ob nicht alle Bedeutungen von ''ander'' aus den Begriff des zweiten hinausliefen und Ausdrücke wie ''mein andres Ich, ein andrer Jago'' nicht das Gegenteil von Verschiedenheit andeuteten!//. So in dem Satze der Köln. Zeit.: ''Es fielen noch 5 fernere Offiziere''; oder in anderen der Frankfurter: ''Es sind weitere'' (statt: ''noch mehr'') ''Konferenzmitglieder angekommen''; oder: ''Nachmittags fand eine Sitzung von 3—6, eine weitere'' (statt: ''dann noch eine'') ''abends von 81/2 an statt''. In allen diesen Fällen ist die Verrückung der Grenzen zwischen Adverb und Adjektiv tadelnswert, weil der adverbiale Ausdruck bequemer und natürlicher ist. Dagegen ist auch nicht das geringste gegen ganz gleiche Grenzverschiebungen einzuwenden, wenn dadurch erst ein bequemer Ausdruck gewonnen wird, wie in solchen Verbindungen:  
Als diese Satzteile erscheinen, wenn es Handlungen darzustellen gilt, am einfachsten ein Haupt- oder dafür ein Fürwort und ein Zeitwort: ''Der Wind pfeift. Ich singe''. Unter dem besagten Mangel alles Gefühls für die sinnliche Kraft des einfachen Zeitwortes haben sich nun aber zahlreiche Zeitwörter gefallen lassen müssen, in gespreizter Weise durch ein anderes Zeit- und ein entsprechendes Hauptwort ersetzt zu werden, die äußerlich als Prädikat und Akkusativobjekt erscheinen. Aber diese Ersatzmittel dürfen trotz ihrer maskenhaften Verwendung unbarmherzig wieder ausgemerzt werden, da für die meisten ihre ungesunde Aufzucht in der überheizten Luft der Kanzleien noch nachgewiesen werden kann. Schon geläufig sind uns solche wie eine Wendung -, ''ein Bad -, seinen Weg -, Rückweg -, Rückzug -, Zuflucht -, ein Ende -, seinen Anfang nehmen''; und in Verbindung mit einem Relativsatz können sie bequem, ja nötig werden: ''Die Wendung, die die Sache nahm, war nicht vorauszusehen gewesen''. Aber ohne solche Verflechtung zwischen zwei Sätzen sind schon diese Ausdrücke nicht viel besser als die folgenden, an denen hoffentlich noch mancher „Anstoß nehmen" wird: ''den Abtritt nehmen, den Austritt aus dem Gerichtssaale nehmen, Aufsicht über etwas nehmen, in Angriff nehmen, Bezug nehmen auf, Verzug nehmen, Abstand nehmen'' oder ''Umgang nehmen von'' (= ''absehen''). Andere Zeitwörter, die gern dieselben Handlangerdienste wie ''nehmen'' versehen, sind ''bringen'' und die entsprechenden intransitiven ''kommen'' und noch schwerfälliger: ''gelangen'', mit welch zwei letzteren immer häufiger die einfache Leideform ersetzt wird, also daß ein Stück nicht mehr aufgeführt wird, sondern ''zur Aufführung kommt, gelangt'', ein Bericht nicht mehr verlesen, vorgetragen wird, sondern ''zur Verlesung, zum Vortrage kommt, gelangt'', gar auch wieder ''gebracht wird''. Ähnlich braucht man ''in Abrechnung -, in Abzug -, in Anrechnung-, in Ab -, Weg - und Fortfall -, in Anregung -, in Vorschlag -, zur Aufhebung und Abschaffung -, zur Darstellung -, Versteigerung kommen'', $Seite 252$ ''gelangen'' oder ''bringen'', eine Wendung immer häßlicher als die andere, während schon wieder eingelebter sind ''Sorge-, Bedenken'' und ''Rechnung tragen'', dies freilich lediglich als Übersetzung des französischen ''tenir compte'', wie seine ''Rechnung finden'' die von ''trouver son compte'' ist. Überhaupt wird es mit ''finden'' und ''erfahren'' kaum besser getrieben: denn da liest man z. B. statt einfacher Leideformen: ''sein Gehalt erfuhr eine Aufbesserung, er findet'' oder ''erfährt eine Behandlung, - Zurechtweisung, - Darstellung, - Aufnahme, - Erwähnung, - Beachtung, - Verbreitung'' und ''Verbreiterung'' u. a. ä. Besonders werden noch mehr Zeitwörter der Bewegung so gebraucht: ''zur Verfügung stellen'' (statt ''überlassen''), ''in Zweifel-, zur Erörterung -, zur Beratung -, zur Abstimmung stellen; in Erwägung -, in Betrachtung -, in Berechnung ziehen; der Beobachtung -, Beaufsichtigung -, Begutachtung unterziehen''. Zum Schlusse, da solcher Distelsträuße wohl genug gebunden sein dürften, noch einige einzelne besonders auffällige Zeitungsblüten: ''Man nahm die Verlosung der Mitglieder in die Deputationen'' (!) ''vor; die Verwischung der Standesunterschiede hat sich vollzogen''; gar auch: ''die nihilistischen Führer vollziehen gewöhnlich an diesen Grenzübergängen ihren Grenzübertritt'', und: ''die Gläubiger haben auf die hohe Barsumme mit Erfolg — Arrest ausgebracht''.  
Der größte Greuel aber auf dem Gebiete unsers ganzen heutigen Präpositionenschwulstes ist wohl das Wort ''seitens''; es ist zu einer wahren Krankheit am Leibe unsrer Sprache geworden. Zunächst ist es schon eine garstige Bildung. In den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schrieben die Beamten und Zeitungschreiber beim passiven Verbum mit Vorliebe ''von Seiten'' statt des einfachen ''von'' (ebenso ''auf Seiten'' statt ''bei''). Das war natürlich unnötiger Schwulst, aber es war doch wenigstens richtig, ja man konnte sich sogar über den schwachen Dativ ''Seiten'' freuen, den sich heute niemand mehr zu bilden getrauen würde. Mit der Zeit wurde aber doch selbst den Kanzlei- und Zeitungsmenschen dieses ewige ''von Seiten'' zu viel. Statt nun das einzig vernünftige zu tun und wieder zu dem einfachen ''von'' zurückzukehren, ließ man das ''von'' weg und sagte nur noch ''seiten''. Aber das dauerte auch nicht lange. Kaum war die Neubildung fertig, so wurde sie einer abermaligen Umbildung unterzogen, man hängte gedankenlos, verführt durch Genitive wie ''behufs, betreffs'', ein unorganisches ''s'' an den schwachen Dativ,//* Ein solches ''s'' drängt sich freilich gar zu gern ein, man denke an ''vollends, bereits, öfters, nirgends, zusehends, durchgehends, allerdings, schlechterdings'' (um 1700 noch ''aller Dinge, schlechter Dinge''), "neuerdings" auch ''folgends''. Bei den meisten dieser Wörter fühlen wir gar nicht mehr das unorganische des ''s'', höchstens noch bei ''öfters''. Wir fühlen es aber sofort wieder, wenn wir das häßliche süddeutsche und österreichische ''weiters'' und ''durchwegs'' hören!// und so entstand nun dieses Jammerbild einer Präposition, das heute das Leib- und Lieblingswort unsrer gesamten Amts- und Zeitungssprache ist. So wie man eine Zeitung in die Hand nimmt, das erste Wort, das einem in die Augen fällt, ist: ''seitens''. Die kleinen Pfennignotizen der Lokalreporter fangen gewöhnlich gleich damit an; wenn nicht, dann stehts gewiß auf der zweiten oder dritten Zeile. Da es die Zeitungssprache immer mehr verlernt, ein Ereignis im Aktivum mitzuteilen, da sie mit Vorliebe im Passivum erzählt, sodaß das Objekt $Seite 404$ zum grammatischen Subjekt und das logische Subjekt zum äußerlichen Agens wird, ''von'' beim Passiv ihr aber gänzlich unbekannt geworden ist, so kann sie tatsächlich nicht die kleinste Mitteilung mehr machen ohne ''seitens''. Die Regierung, der Bundesrat, das Ministerium, der Magistrat, die Polizeidirektion, das Stadtverordnetenkollegium — sie alle tun nichts mehr, sondern alles wird getan, alles geschieht, erfolgt, findet statt ''seitens der Regierung, seitens des Bundesrats, seitens des Ministeriums, seitens des Magistrats, seitens der Polizeidirektion'' usw. ''Dem fortschrittlichen Kandidaten konnte seitens der Gegner nichts nachgesagt werden — die Maschinen können seitens der Interessenten jederzeit besichtigt werden — gegen solche Unart muß endlich einmal mit Ernst vorgegangen werden, seitens der Schule, seitens der Polizei, aber auch seitens des Publikums — es liegt darin etwas Verletzendes, auch wenn dies weder seitens des Dichters, noch seitens der Darsteller beabsichtigt sein sollte; das Stück wurde seitens des Publikums einstimmig abgelehnt'' — anders wird nicht mehr geschrieben. Aber auch bei aktiven Verben heißt es: ''zahlreiche Klagen sind seitens'' (!) ''einflußreicher Personen eingelaufen — seitens des Herrn Polizeipräsidenten ist uns nachstehende Bekanntmachung zugegangen — seitens der Kurie hat man'' (!) ''sich noch nicht schlüssig gemacht — seitens der Regierung gibt man'' (!) ''sich der bestimmten Hoffnung hin''. Und hier wird ''seitens'' auch für ''bei'' gebraucht: ''dabei stieß er seitens des Generalgouverneurs auf große Schwierigkeiten'' (statt: ''bei dem Generalgouverneur''!) — ''wie er denn auch vielfache Anerkennung seitens der wissenschaftlichen Welt'' (''bei der wissenschaftlichen Welt''!) ''gefunden hat — das Werk wird dadurch an Teilnahme und Gunst seitens der Berliner'' (''bei den Berlinern''!) ''nichts einbüßen''. Für den garstigen Gleichklang, der entsteht, wenn hinter ''seitens'' nun immer wieder Genitive auf ''s'' kommen, für dieses unaufhörliche Gezisch hat der Papiermensch kein Ohr. Will er ja einmal abwechseln, auf das einfache, vernünftige ''von'' oder gar auf das Aktivum verfällt er gewiß nicht; dann schreibt $Seite 405$ er lieber: ''englischerseits, staatlicherseits, kirchlicherseits, päpstlicherseits, ministeriellerseits, landwirtschaftlicherseits'', ja sogar ''unterrichteterseits'' oder: ''regierungsseitig, eisenbahnseitig, prinzipalseitig: die Gehilfenschaft hatte die Frage in ein Gleis gebracht, an dem sich prinzipalseitig nichts aussetzen ließ! Ein Tierarzt macht darauf aufmerksam — die Judenfeinde behaupten'' — wie simpel! Der Zeitungschreiber sagt: ''tierärztlicherseits wird darauf aufmerksam gemacht — antisemitischerseits'' (-˘˘-˘˘-) ''wird behauptet''. So klingts vornehm! Damit ist aber die Anwendung des garstigen Wortes noch nicht erschöpft. ''Seitens'' wird nicht nur mit Verben, es wird auch mit Verbalsubstantiven verbunden. Da schreibt man: ''die Beiträge zur Unfallversicherung seitens der Arbeitsherren — die Vorführung eines Spritzenzugs seitens des Branddirektors — die Behandlung der Frauen seitens der Männer — die Aufnahme des Gesandten seitens des Königs — die Abneigung gegen die Angestellten seitens der Einwohnerschaft — der Übergang über die Parthe seitens der Nordarmee — die allgemeine Benutzung der Lebensversicherung seitens der ärmern Klassen — ein Opfer von 3000 Mark seitens der Stadt — die Besitznahme dieses Küstengebiets seitens der Franzosen — die Unsitte des Trampelns im Theater seitens der Studenten — der schädigende Einfluß der Verletzung der Glaubenspflichten seitens eines Kirchenmitgliedes — das Dementi der Nachricht von der Audienz des Herrn H. beim Kaiser seitens der Konservativen Korrespondenz'' — Zeitungen wie Bücher sind voll von solchen Verbindungen! Wie soll man sie denn aber vermeiden? In allen diesen Beispielen ist doch ohne ''seitens'' gar nicht auszukommen. Nun, wie ist man denn früher ohne das Wort ausgekommen? Entweder durch vernünftige Wortstellung: ''die Beiträge der Arbeitsherren zur Unfallversicherung — der Übergang der Nordarmee über die Parthe — ein Opfer der Stadt von 3000 Mark''; oder indem man die Präposition ''durch'' benutzte: ''die Behandlung der Frauen durch die Männer'' $Seite 406$ (was zwar auch nicht schön, aber doch erträglicher ist als ''seitens''); oder endlich, und das ist das vernünftigste, dadurch, daß man Sätze bildete, anstatt, wie es jetzt geschieht, ganze Sätze immer in Substantiva zusammenzuquetschen. Zu einem Zeitwort kann man ein halbes Dutzend näherer Bestimmungen setzen, da hat man immer freie Bahn und kommt leicht vorwärts: sowie man aber das flüssige Zeitwort in das starre Hauptwort verwandelt, verrammelt man sich selbst den Weg, und dann werden solche Angstverbindungen fertig, wie: ''mit Beherrschung von Raum und Kraft seitens der Menschen wäre es zu Ende'' (statt: ''die Menschen würden Raum und Kraft nicht mehr beherrschen'') — ''der redliche Erwerb'' (!) ''der Kleidungsstücke seitens des Angeklagten ließ sich zum Glück nachweisen'' (statt: ''daß er sie redlich erworben hatte''). Nun aber das Tollste: diese Angstverbindungen von Substantiven mit ''seitens'' sind den Leuten schon so geläufig geworden, und man ist so vernarrt in das schöne Wort, daß man es auch da anwendet, wo gar keine Nötigung dazu vorliegt, daß man geradezu den Genitiv damit umschreibt! Man sagt nicht mehr: ''der Besuch des Publikums, die Anregung des Vorstandes, eine Erklärung des Wirts, die freiwillige Pflichterfüllung eines Einzelnen'', sondern: ''der Besuch seitens des Publikums, die Anregung seitens des Vorstandes, eine Erklärung seitens des Wirts, die freiwillige Pflichterfüllung seitens eines Einzelnen''. Überall laufen einem jetzt solche Genitive über den Weg, man braucht nur zuzugreifen: ''ich wollte damit etwaigen Einreden seitens der Gegner vorbeugen — der glänzende Erfolg, den der Verfasser dem ausgezeichneten Vortrage seitens des Rezitators zu danken hat — in der deutschen Literatur haben wir ein ähnliches Beispiel einer starken Willkür seitens eines Herausgebers erlebt — er wurde die Zielscheibe vieler Angriffe seitens der Klerikalen — ein höherer Gehilfe kann nicht ohne Vertrauen seitens des Handelsherrn angestellt werden — die Frau war wegen fortgesetzter Roheiten seitens ihres Mannes ins Elternhaus zurückgekehrt — der Gesandte hatte die Stirn'', $Seite 407$ ''zu fragen, ob man denn auch des Friedensbruchs seitens Frankreichs gewiß sei — es fehlt ihm die Anerkennung seitens der Großmächte — das Urteil klingt hart, beruht aber auf sorgfältiger Prüfung seitens eines Unbefangnen — es bedarf nur der Aufforderung seitens eines geeigneten Mannes — sie wählten diese Wohnungen, um sich gegen Überraschungen seitens ihrer Feinde zu sichern — ohne die freundliche Unterstützung seitens zahlreicher Bibliotheksverwaltungen würde es nicht gelungen sein — es trifft ihn die Verachtung seitens seiner Mitmenschen — es kostete große Anstrengungen seitens der bekümmerten Verwandten — an der Tafel fehlte es nicht an herzlichen Reden und Gegenreden seitens der Arbeiter und Prinzipale''. Für einzelne dieser Beispiele scheint es ja einen Schimmer von Entschuldigung zu geben. Das Hauptwort, von dem der Genitiv abhängen würde, ist meist ein Verbalsubstantiv, und da kann der Zweifel entstehen, ob man die Handlung, die es ausdrückt, als aktiv oder als passiv auffassen soll. ''Der Besuch des Publikums'' — das könnte ja auch heißen, das Publikum sei besucht worden; ''der Besuch seitens des Publikums'' — das ist nicht mißzuverstehen, da hat das Publikum besucht. ''Angriffe der Klerikalen'' — da könnte man auch denken, die Klerikalen wären angegriffen worden; ''Angriffe seitens der Klerikalen'' — da haben sie natürlich angegriffen. ''Die Untersuchung des Arztes'' — da könnte man ja denken, der Arzt wäre untersucht worden; ''die Untersuchung seitens des Arztes'' — nun hat der Arzt untersucht. Sollte es aber wirklich Leser geben, die so beschränkt wären, dergleichen mißzuverstehen?  
Noch gedankenloser und stärker als die Vermengung von ''fort'' mit ''weg'' ist es, wenn von ''seither'' (''seitherig'' und dem fast gleichbedeutenden ''seitdem'' und ''bisher'' (''bisherig'') das letzte durch das erste ersetzt wird. Genau unterscheiden sich die drei Wörter also: ''seitdem'' und ''seither'' bezeichnen eine zeitliche Ausdehnung von einem genannten oder wenn auch unbestimmt gelassenen, so doch gedachten Punkte in der Vergangenheit aus, und zwar ''seitdem'' bis zu einem Punkte wieder in der Vergangenheit oder auch bis in die Gegenwart, ''seither'' streng genommen immer bis zu einem Punkte der Gegenwart oder doch einem solchen, den sich der Darsteller lebhaft vergegenwärtigt: bei ''bisher'' dagegen wird ein Anfangspunkt gar nicht berücksichtigt und nur die Ausdehnung bis in die Gegenwart betont oder bis an einen Punkt der Vergangenheit, der lebhaft als gegenwärtig empfunden wird. Richtig sind also folgende Anwendungen: ''Die dem Reichskommissar ... auf Grund des Gesetzes ... vom 2. Februar v. J. erteilte Ermächtigung zur Anwerbung einer Schutztruppe war ... ein Notbehelf; bei aller Würdigung der seither'' (auch ''seitdem'' möglich) ''erzielten Erfolge ist nicht zu verkennen'' usw. ''Diese Produktion war es, die den Blick in eine höhere, bedeutendere Welt aus der literarischen und bürgerlichen, in welcher sich die Dichtkunst bisher bewegt hatte, glücklich eröffnete''. (Goethe). Aber: ''Bisher'' (nicht ''seither'') ''haben nicht nur die preußischen Könige, sondern auch ihre Minister und Beamten . . . die Frage, ob der König das Recht habe, die Fideikommiß-Stempel zu erlassen, bona fide bejaht''; falsch war es dagegen, wenn von vielen Blättern das ''seitherige Verfahren'' in eben dieser Angelegenheit getadelt wurde.  +
Das Verständnis der Bedeutung droht bei ''selbander'' abhanden zu kommen, das seiner Zusammensetzung gemäß bedeutet selber als zweiter und danach nur von einem Subjekte gebraucht werden kann, das etwas Gleiches mit einem zweiten tut, wie ''selbdritt, -viert'' von $Seite74$ einem, der etwas Gleiches wie zwei, drei tut. Es steht also fälschlich statt ''beide'' in der Deutschen Zeitung: ''N. und Chr. Schm. hätten selbander keine zuverlässigen Reisepfade vorzeichnen können'', und statt ''einander'' bei Rosegger: ''die Leute können sich selbander helfen, aber aufs (!) arme Vieh mußte es denken''.  +
Unter den Umstandswörtern gilt ''selten'' für ein rechtes Modewort, wenn es auch nicht so neu ist, wie manche meinen; denn Adelung hat es schon 1808 als in der Umgangssprache häufig belegt. Denn den heute gang und gäben Ausdrücken: ''ein selten schöner Stil, ein selten reicher Ertrag der Ernte, ein selten fleißiger Schüler, der Eindruck war ein selten wohltuender'', lassen sich denn auch schon aus den dreißiger Jahren Wendungen anreihen wie: ''Ich halte ihn für einen selten patriotischen Mann'', und schon v. Boyen schrieb damals von der ''selten'' (= ''sehr'') ''glücklichen Ehe seiner Eltern''. Das Bedenkliche der Anwendung liegt darin, daß alle diese Fügungen auch gerade das Ge- $Seite 448$ genteil von dem bezeichnen können, was sie sollen. Tatsächlich oft verwechselt werden ''anscheinend'' und ''scheinbar'', die freilich beide auf das Verhältnis zwischen Schein und Wirklichkeit gehen, über jenes diese als möglich bejahend, dieses sie verneinend und daher oft verbunden mit ''nur''. ''Das Paar ist anscheinend'' (= ''wohl'') ''glücklich'', aber: ''das Paar erfreute sich eines'' [''nur''] ''scheinbaren'' (= ''keines'') ''Glückes. Der alte Feindbund begründet seine unerhörten Forderungen mit Deutschlands anscheinend wiedergewonnenem Wohlstand, wir Deutsche wissen, wie scheinbar diese neue Blüte ist.'' 7. Das immer stärkere Übergewicht von Technik und Naturwissenschaft in Theorie wie Praxis hat natürlich ebenfalls neue Wörter und Bilder gebracht. Sie können gar wohl treffend sein, wie etwa ''verkraften'' (statt: ''automatisch betreiben''; ''das ganze verkraftete Verkehrswesen; Fernsprecher, Lautsprecher; Wassern, Wasserung von der Wasseraufnahme der Flugzeuge; einwecken'' nach dem Erfinder dieses Einmachverfahrens J. Weck in Öflingen und ''röntgen, geröntgt'' (nicht: ''röntgenieren'') nach dem Entdecker der jetzt in der Heilkunde so viel benützten Strahlen, dem Münchner Professor Wi. Ko. Röntgen. Auch ist gegen Neuworte von diesen wie andern Gebieten an sich nichts einzuwenden, da auf ihnen Bereicherung und genauere Bestimmtheit des Wortschatzes beruht, nur dürfen sie nicht einseitig gehäuft und zum Schaden besseren alten Sprachgutes bis zur Sinnlosigkeit nach- und abgebraucht werden. Aber jetzt ist alles auf ''Fernwirkung'', auf ''Verdienst'', auf ''Verunglimpfung der Gegner'', ist der ''Abgeordnete demokratisch'' eingestellt, und ''Mensch, Rede, Buch, Gesellschaft'' wird je nach ''persönlicher Einstellung'' beurteilt. Würdig reihen sich die ''eingesetzten Truppen und Kräfte'' und die ''Auswirkung'' (statt: ''Einwirkung'') ''des Zeitalters und seiner neuen Anschauungen auf das deutsche Volkstum, auf das deutsche Bildungsgut'' an. Man schaltet nicht mehr bloß ''Strom, Kraft, Licht'' aus, sondern auch eine Partei aus Verhandlungen und aus Parteirücksichten die naheliegenderen Steuerquellen, ja schon heißt es auch nichtzielend: ''die deutschnationale Volkspartei schaltet bei der Frage der Großen Koalition, N. N. schaltet bei einem Wettbewerb aus''. Alles löst eine Wirkung, ein Fußtritt eine Lawine, der Witz des Redners kolossales (!) Gelächter, ein drohendes Gewitter eine allgemeine Panik aus, die sich katastrophal auswirkt. Wenn die Zeit bis zum Abgang des Zuges knapp wird, dreht auch der Fußwanderer hochgradig an. Bücher und Vorträge sind heut immer quellen- und zahlenmäßig verankert und tiefschürfend, und im Zeitalter der Sonnenbäder heißt nicht nur Dietrich Schäfers Geschichtsschreibung von lebendigem politischem Gefühl, sondern bald jede frische Darstellung durchblutet. Steuern, Reformpläne, ja Minister sind für Volk oder Parteien nicht tragbar, Pläne, Gedanken, Vorschläge abwegig; das deutsche Volk ist immer noch der schon von Bismarck verspotteten Grundsatzpolitik verhaftet, und die Regierungsmaschine (!) arbeitet dauernd im Leerlauf, und wenn sie einmal richtig eingegleist ist, wird sie vom aufgepeitschten Widerstand der Massen zwangsläufig aus der Bahn geworfen. Die junge Persönlichkeit des viel aushäusigen Sohnes, für die sich häusliche Versklavung und Arbeitsenergie erübrigt, trägt nicht nur eine richtiggehende Uhr, sondern auch einen richtiggehenden Anzug, der tadellos sitzt, und für elterliche Vorstellungen von der Vordringlichkeit der Schulpflicht hat er $Seite 449$ nur die eine Antwort: „Ausgeschlossen“. Fragen werden nur noch angeschnitten, Gedanken dazu nur in kraftvollster Ballung vorgetragen und Kunstwerke schmissig ausgeführt; und erscheint ausgerechnet ein seriöser Gegner im Blickfeld oder auf der Bildfläche, so wird ihm Engstirnigkeit unterstellt, und damit ist er glatt erledigt. Nicht schlechthin berechtigt ist dagegen wieder der Feldzug gegen ''eigen, eigenartig'' vor Adjektiven und Adverbien. Denn solche Wendungen: ''es war mir eigen ergreifend, sich eigen teilnehmend erweisen'' entsprechen schon bei Goethe genau der folgenden adjektivischen Verwendung bei dem nämlichen Meister: ''Es ist eine eigene Sache, Wilhelm war auf eigene Weise beschäftigt''. Wohl aber ist es so verkehrt wie möglich, wenn jetzt ''eigen'' auch statt ''selbst'' zu Zusammensetzungen benutzt, wenn geredet wird von ''eigengeschlachteten Schweinen, eigenabgezogenem Wein, einem eigengebauten Boote'' //1 Das Neueste ist, daß dieser Gebrauch aus den Zusammensetzungen auch in die selbständige Anwendung übergreift: ''einer Schätzung um ihrer eigen willen können sich nur die wenigsten Künstler rühmen'' (E. Boehlich, Goethes Propyläen 1915.)// statt ''einem selbstgebauten''. Anderseits auch diese Bildung mit ''selbst'' zu beanstanden ist grundlos, da ihre Bespöttelung, als ob das ein Boot sein müsse, das von sich, dem Boote selbst, und nicht von seinem Benützer erbaut wäre, höchstens grammatische Spitzfindigkeit, aber keinen Einblick in das Wirtschaften der Sprache verrät. Schon die Griechen haben mancherlei solche Bildungen wie ''avto'' — und bei uns hat schon i. J. 1740 Niklas von Wyle z. B. von ''selbsgewunnen Gute'' gesprochen. Immer öfter begegnet man einer falschen Verwendung von ''vielfach'' statt des Adverbs ''oft'' und auch statt des Adjektivs ''viel''. Aber wenn man sagt: ''Bei dem Festzuge wurde sein Name vielfach genannt'', so hieße das eigentlich: ''bald so, bald so'', wie auch Jensens Ausdruck: ''Die Kinzig mit ihren vielfachen Nebenbächen nach Bächen mit drei- und mehrfachem Laufe suchen läßt''. Auch ''dergestalt, derart'', die so deutlich als möglich die Bezeichnung der Art in sich tragen, werden heute verständnislos auch für die räumliche und zeitliche Ausdehnung gebraucht: ''Der Main zieht sich dergestalt'' (statt ''so weit'') ''zurück, daß meilenweite Flächen trockengelegt werden''. Dagegen ist es glücklicherweise noch auf Österreich und Süddeutschland beschränkt, daß ''neuerdings'', das immer nur mit ''neulich, kürzlich gleichbedeutend'' sein kann, auch für ''wieder, nochmals, von neuem angewandt'' wird. Ebendort ist auch ''bislang'' statt des richtigeren ''bisher'' daheim. Allgemein aber hat sich aus dem an sich richtigen Gebrauch von ''restlos'' in den amtlichen Kriegsnachrichten (''Die Franzosen wurden restlos abgewiesen'') der üble Mißbrauch entwickelt, dieses Wort auch da anzuwenden, wo das Bild von einem Reste gar nicht möglich ist, wie in dem Satze: ''Die Kritik hat ihn restlos anerkannt''. Eine Verwechslung von ''ausnahmsweise'' mit ''ausnehmend'' (= ''sehr'') zeigen die Sätze einer südd. Ztg.: ''Der Händler bietet ausnahmsweise'' (also sonst nicht?) ''schönen Blumenkohl an'', und: ''Die Chöre wurden ausnahmsweise schön gesungen''. Gedankenlose Gespreiztheit ist es ferner, wenn bloß von der ''Gleichheit der Handelnden'' oder ''Handlungen'' die Rede sein kann, statt des einfachen auch zu sagen ''gleichzeitig'': ''Der Verbrecher wurde durch den hiesigen (Goslarer) Polizeikommissar und einen Berliner Kriminalschutzmann in einem Berliner Hotel verhaftet und gleichzeitig in das hiesige'' $Seite 450$ ''Untersuchungsgefängnis eingeliefert'', und: ''Es ist festzustellen, daß die malerischen Entwürfe für das Singspiel von dem hiesigen Maler N. entworfen sind und auch gleichzeitig ausgeführt wurden''. § 420. Soviel die Zahl der Verbindungen, die man durch die wechselnde Zusammenfügung der schon so zahlreichen Stücke unsers Sprachschatzes herzustellen vermag, größer ist als die Zahl dieser Einzelstücke, um so viel müßte auch, Vollständigkeit in beiden Sammlungen vorausgesetzt, eine Zusammenstellung widerspruchsvoll zusammengesetzter Wendungen reicher werden als eine Auszählung widersinnig gebrauchter Einzelausdrücke. Es kann demnach nur an einigen, darunter recht einfachen Beispielen gezeigt werden, wie sehr und den meisten Schreibenden unbewußt dieser Schaden das Gewand sprachlicher Darstellung schon durch Unnatur und Unwahrheit entstellt, während dessen größte Schönheit doch in der schlichten Wahrheit beruht.  
Das wäre nicht möglich? Wir haben ja den Unsinn schon! Wird nicht täglich in den Zeitungen das ''Auer Gasglühlicht'' (so!) angepriesen? Auch Personennamen können nur dann das Bestimmungswort einer Zusammensetzung bilden, wenn der Begriff ganz äußerlich und lose zu der Person in Beziehung steht, aber nicht, wenn das Eigentum, die Herkunft, der Ursprung oder dergleichen bezeichnet werden soll; das ist in anständigem Deutsch früher stets durch den Genitiv//* Daher Ortsnamen wie ''Karlsruhe, Ludwigsburg, Wilhelmshaven'', die ja nichts andres sind als ''Karls Ruhe'' usw.// oder ein von dem Personennamen gebildetes Adjektiv geschehen. Wenn, wie es in den letzten Jahrzehnten tausendfach vorgekommen ist, neue Straßen und Plätze großen Männern zu Ehren getauft und dabei kurz ''Goethestraße'' oder ''Blücherplatz'' benannt worden sind, so ist dagegen grammatisch nichts einzuwenden. Auch eine Stiftung, die zu Ehren eines verdienten Bürgers namens $Seite 191$ ''Schumann'' durch eine Geldsammlung geschaffen worden ist, mag man getrost eine ''Schumannstiftung'' nennen, ebenso Gesellschaften und Vereine, die das Studium der Geisteswerke großer Männer pflegen, ''Goethegesellschaft'' oder ''Bachverein''; auch ''Beethovenkonzert'' und ''Mozartabend'' sind richtig gebildet, wenn sie ein Konzert und einen Abend bezeichnen sollen, wo nur Werke von Beethoven oder Mozart aufgeführt werden. Auch die ''Schillerhäuser'' läßt man sich noch gefallen, denn man meint damit nicht Häuser, die Schillers Eigentum gewesen wären, sondern Häuser, in denen er einmal gewohnt, verkehrt, gedichtet hat, und die nur zu seinem Gedächtnis so genannt werden. Bedenklicher sind schon die ''Goethedenkmäler'', denn die beziehen sich doch nicht bloß auf Goethe, sondern stellen ihn wirklich und leibhaftig dar; noch in den dreißiger und vierziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hätte sich niemand so auszudrücken gewagt, da sprach man in Leipzig nur von ''Bachs Denkmal'', von ''Gellerts Denkmal''. Sind einmal die ''Goethedenkmäler'' richtig, dann sind es auch ''die Goethebildnisse'', dann ist es auch ''die Goethebüste, der Goethekopf'' und — ''die Goethebiographie''. Nun aber ''das Goethehaus'' auf dem Frauenplan in Weimar und ''die Weimarer Goetheausgabe'' — da meint man doch wirklich Goethes Haus und die Gesamtausgabe von Goethes Werken. Etwas andres ist es mit einer ''Elzevierausgabe''; das soll nicht eine Ausgabe der Werke eines Mannes namens ''Elzevier'' sein, sondern eine Ausgabe in dem Format und der Ausstattung der berühmten holländischen Verlagsbuchhandlung. Ist ''die Goetheausgabe'' richtig, dann kommen wir schließlich auch zu ''den Goethefreunden'', ''den Goetheeltern'' und ''den Goetheenkeln''. Es ist nicht einzusehen, weshalb man nicht auch so sollte sagen dürfen. Stammelt man doch in der Tat schon von einem ''Lutherbecher'' (einem Becher, den einst Luther besessen hat), einem ''Veltheimzettel'' (einem Theaterzettel ''der Veltheimschen'', richtiger ''Veltenschen Schauspielertruppe'' aus dem siebzehnten Jahrhundert) und einer ''Böttgerperiode'' (der Zeit Böttgers in $Seite 192$ der Geschichte des Porzellans!), einem ''Lenznachlaß'' (dem Nachlaß des Dichters Lenz) und einer ''Schlüterzeit'', von ''Kellerfreunden'' (Freunden des Dichters Gottfried Keller!), ''Pilotyschülern'' und einem ''Grillparzersarg''. Noch ärger ist es, wenn man zur Bezeichnung von Schöpfungen, von Werken einer Person, seien es nun wissenschaftliche oder Kunstschöpfungen, Entdeckungen oder Methoden, Vereine oder Stiftungen, Erfindungen oder Fabrikate, den Personennamen in solcher Weise vor das Hauptwort leimt. In anständigem Deutsch hat man sich in solchen Fällen früher stets des Genitivs oder der Adjektivbildung auf ''isch'' bedient. In Dresden ist ''die Brühlsche Terrasse'', in Frankfurt ''das Städelsche Institut'', und noch vor dreißig Jahren hat jedermann von ''Goethischen'' und ''Schillerschen Gedichten'' gesprochen. Jetzt wird nur noch gelallt; jetzt heißt es: ''Goethegedichte'' und ''Shakespearedramen, Mozartopern'' und ''Dürerzeichnungen, Bachkantaten'' und ''Chopinwalzer, Goethefaust'' und ''Gounodfaust, Bismarckreden'' und ''Schwindbriefe'' (Briefe des Malers Schwind), ''Schweningerkur'' und ''Röntgenstrahlen''; der von Karl Riedel gegründete Leipziger Kirchengesangverein, der jahrzehntelang ganz richtig der ''Riedelsche Verein'' hieß, ist neuerdings zum ''Riedelverein'' verschönert worden, und wie die Herren Fabrikanten, diese feinfühligsten aller Sprachschöpfer und Sprachneuerer, hinter allen neuen Sprachdummheiten mit einer Schnelligkeit her sind, als fürchteten sie damit zu spät zu kommen, so haben sie sich auch schleunigst dieser Sprachdummheit bemächtigt und preisen nun stolz ihre ''Pfaffnähmaschinen'' und ''Drewsgardinen'', ihre ''Jägerpumpen'' und ''Steinmüllerkessel'', ihren ''Kempfsekt'' und ihr ''Auergasglühlicht'', ja sogar ''Auer Gasglühlicht'' an, und das verehrte Publikum schwatzt es nach und streitet sich über die Vorzüge der ''Blüthnerflügel'' und der ''Bechsteinflügel''.//* Das Haarsträubendste, was auf diesem Gebiete geleistet worden ist, sind wohl die Ausdrücke, die einem täglich in den Zeitungen entgegenschreien: ''Henkell Trocken, Kupferberg Gold'' u. ähnl. Als vernünftiger Mensch möchte man sich doch hierbei gern etwas denken und fragt: Was sind denn das für Waren: ''Trocken'' und ''Gold''? Es sind gar keine Waren, die Bezeichnung der Ware fehlt hier ganz! Gemeint ist ''Henkellscher Champagner, Kupferbergscher Champagner''. Aber keiner der beiden Fabrikanten sagt das, sondern der eine schreibt statt der Ware eine Eigenschaft der Ware hin (''sec, dry''), aber mit großem Anfangsbuchstaben, sodaß sie jeder denkende Mensch für die Bezeichnung der Ware selbst halten muß, der andre die Art der Ausstattung, denn ''Gold'' soll sich doch wohl auf die Farbe der Kapsel beziehen? Die Sprache mancher afrikanischen Wilden ist gebildeter und fortgeschrittner als solches Fabrikantendeutsch.// Dieses $Seite 193$ Schandzeug aus unsrer Kaufmannssprache habt ihr auf dem Gewissen, ihr Herren, die ihr ''die Shakespearedramen'' und ''die Dürerzeichnungen'' erfunden habt! Wenn man in vornehmen Fachzeitschriften von einem ''Kuglerwerk'' und einem ''Menzelwerk, einem König Albert-Bild, einem Gleim-Uz-Briefwechsel, einem Mörike-Schwind-Briefwechsel, einer Rudolf Hildebrand-Erinnerung, einem Max Klinger-Werk'' lesen muß, kann man dann — andern Leuten einen Vorwurf machen, wenn sie von ''Kathreiners Kneipp-Malzkaffee, Junker- und Ruh-Öfen'' und ''August Lehr-Fahrrädern'' reden? Alle diese Zusammensetzungen zeugen von einer Zerrüttung des Denkens, die kaum noch ärger werden kann. Von ''Lichtfreunden'' kann man reden, von ''Naturfreunden, Kunstfreunden'' und ''Musikfreunden'', von ''Zinnsärgen'' und ''Marmorsärgen'', von ''Konzertflügeln'' und ''Stutzflügeln'', aber nicht von ''Kellerfreunden, Grillparzersärgen'' und ''Blüthnerflügeln''. Das ist schlechterdings kein Deutsch. Das Unkraut wuchert aber und treibt die unglaublichsten Blüten. Weißt du, was eine ''Reuterbibliothek'' ist, lieber Leser? ein ''Senfkatalog''? eine ''Schleicherskizze''? ein ''Pfeilliederabend''? Du ahnst es nicht, ich will dirs sagen. Eine ''Reuterbibliothek'' ist das Verlagsverzeichnis des Buchhändlers Reuter in Dresden, ein ''Senfkatalog'' ein Briefmarkenverzeichnis der Gebrüder Senf in Leipzig, eine ''Schleicherskizze'' eine $Seite 194$ Lebensbeschreibung des berühmten Philologen Schleicher, ein ''Pfeilliederabend'' ein Abendkonzert, bei dem nur Lieder des Männergesangkomponisten Pfeil gesungen werden. Was ein ''Lenbachaufsatz'' ist? Das weiß ich selber nicht. Es kann ein Aufsatz von Lenbach sein, es kann aber auch einer über ihn sein. Das läßt sich in unserm heutigen Schanddeutsch, das immer mehr verengländert, nicht mehr unterscheiden. Es braucht übrigens nicht immer ein Eigenname zu sein, der solche Zusammensetzungen unerträglich macht; Sie sind auch dann unerträglich, wenn an die Stelle eines Eigennamens ein Appellativ tritt, unter dem eine bestimmte Person verstanden werden soll. Da hat einer, der den Feldzug von 1870 als Kürassier mitgemacht hat, seine Briefe unter dem Titel ''Kürassierbriefe'' drucken lassen. Das können aber niemals Briefe eines bestimmten Kürassiers sein, sondern immer nur Briefe, wie sie Kürassiere schreiben. In allerjüngster Zeit ist das neue Wort ''Kaiserhoch'' aufgekommen. Es stammt natürlich aus der Telegrammsprache. Irgend einer telegraphierte: „Professor Ö. Festrede Kaiserhoch"; daraus machte ein dummer Zeitungschreiber: ''Professor Ö. hielt die Festrede, die in ein Kaiserhoch ausklang''. Ein ''Kaiserhoch'' kann aber auf jeden beliebigen Kaiser ausgebracht werden, und wenn die Zeitungen vollends statt ''ein Kaiserhoch'' schreiben ''das Kaiserhoch'' — die Herabwürdigung einer persönlichen Huldigung, die aus dem Herzen quellen soll, zu einem gewohnheitsmäßigen Bestandteil jeder beliebigen Esserei oder Trinkerei, kann gar keinen schlagendern Ausdruck finden. Ähnlich ist es mit der ''Königsbüste''. ''Professor Seffner-Leipzig'' (''Leipzig'' steht stets dabei!) ''ist damit beschäftigt, eine Königsbüste anzufertigen''. Ob von Ramses oder Romulus oder Ludwig dem Vierzehnten, wird nicht verraten. Das Ärgste dieser Art sind wohl die ''Herrenworte'' und das ''Herrenmahl'', das die Theologen jetzt aufgebracht haben. Das sollen Aussprüche Christi und das heilige Abendmahl sein! Man denkt doch unwillkürlich an ein ''Herrenessen''. Den Gipfel der Sinnlosigkeit erreichen solche Zu- $Seite 195$ sammenleimungen, wenn das Grundwort ein Verbalsubstantiv ist, gebildet von einem transitiven Verbum. Solche Zusammensetzungen können schlechterdings nicht mit Eigennamen vorgenommen werden, sondern nur mit Appellativen; sie bezeichnen ja nicht eine bestimmte einzelne Handlung, sondern eine Gattung von Handlungen, nicht Menschen, deren Tätigkeit sich auf eine bestimmte einzelne Person, sondern wieder nur auf eine Gattung erstreckt. In den siebziger Jahren erfand ein boshafter Zeitungschreiber das Wort ''Bismarckbeleidigung''. Natürlich sollte es eine höhnische Nachbildung von ''Majestätsbeleidigung'' sein. Wie viel dumme Zeitungschreiber aber haben das Wort dann im Ernst gebraucht und sogar ''Caprivibeleidigung'' darnach gebildet! Jetzt redet man aber auch von ''Cäsarmördern, Richardsonübersetzern, Beethovenerklärern, Wagnerverehrern, Zolanachahmern'' und ''Nietzscheanbetern''. Entsetzliche Verirrung! Man kann von ''Vatermördern, Romanübersetzern, Frauenverehrern'' und ''Fetischanbetern'' reden; aber ein ''Wagnerverehrer'' — das könnte doch nur ein Kerl sein, der gewerbsmäßig jeden „verehrt," der ''Wagner'' heißt. Wer das nicht fühlt, der stammle weiter, dem ist nicht zu helfen.//* Überhaupt kann man nicht, um eine nähere Bestimnumg zu schaffen, mechanisch alles mit allem zusammensetzen; es kommt doch sehr auf Sinn und Bedeutung der beiden Glieder an. Bei ''Gesellschaft'' und ''Verein'' z. B. liegt der Gedanke an die Personen, die den Verein bilden, so nahe, daß es mindestens etwas kühn erscheint, eine Anzahl Geldleute eine ''Aktiengesellschaft'' oder eine ''Immobiliengesellschaft'', eine ''Gesellschaft von Schlittschuhläufern'' einen ''Eisverein'' und eine ''Vereinigung von Förstern'' einen ''Forstverein'' zu nennen. Noch gewagter ist es, daß sich die deutschen Papierhändler zu einem ''Papierverein'' zusammengetan haben. Mit demselben Recht und demselben guten Geschmack könnte sich schließlich auch eine ''Fleischergesellschaft'' einen ''Fleischverein'' nennen.//  
Sehr leicht erklärlich ist das Schwanken bei einer Reihe von Zeitwörtern, die ausschließlich oder hauptsächlich rückbezüglich gebraucht werden und bei denen die Unsicherheit von dem im dritten und vierten Fall gleichen Formen ''uns, euch'' und der häufigsten, ''sich'', ausgegangen ist. Der Art der echten Reflexiven sind eigentlich ''sich unterstehn'' und ''sich trauen'' gefolgt und fordern deshalb, wie gewöhnlich auch ''sich getrauen'', den vierten Fall des Fürwortes: ''Ich'' (''du'') ''getraue''(''st''), ''unterstehe''(''st'') ''mich'' (''dich''). So heißt es auch allein mustergültig neben Infinitivergänzungen: ''Beim Herausgehn getraute ich mich nicht sie anzureden''. Die in einem Nomen angegebene Sache stand dabei ursprünglich im zweiten Falle: ''sich des nicht getrauen''. Die bekannte Auffassung des ''es'' in den Wendungen ''es sich'' oder ''sichs getrauen, - unterstehn'' als vierter Fall (§ 210) und die Anlehnung an ''sich etwas wagen, zutrauen'' verführte aber dazu, das sich als dritten Fall anzusehn und zu fügen: ''ich'' (''ge'')''traue'' $Seite 201$ ''mir das, ... den Sprung nicht; untersteh dir das nicht!'' Diese Fügungen sind heute besser als die auch noch vorkommenden: ''ich traue mich die Sache nicht''. Auch bei ''gelüsten'' ist die ehemalige Alleinherrschaft des vierten Falles bedroht: ''es gelüstete mich zu lachen. Dich gelüstet immer fremden Gutes'' oder jetzt öfter: ''nach fremdem Gute''. Die Verbindung mit dem Genetiv: ''es -, des gelüstete mich'' verleitete hier zu einem Nominative der Sache neben dem Akkusative der Person: ''Was gelüstet dich? Ihn gelüstet unsre Hütte, unser Hain'' (Goethe). Dagegen beruht es aus verwaschender Anlehnung an ''beheben, gefallen'', wenn es nun in der jüngsten Form heißt ''es gelüstete ihnen nach einer Zyane'' (v. Hörmann).  +
Um auch von den Modezeitwörtern noch einige herauszuheben, so entspricht es der Kälte, mit der man heute allem gegenübersteht, wenn man alles, auch das Ernsteste, einen Kampf, das ganze Leben, ein ergreifendes Menschenschicksal sich abspielen läßt — wie eine Spieldose. Als ob von dem Verlangen des Teilens und von der allgemeinen Unzuverlässigkeit und Unbestimmtheit auch in der Sprache für später ja ein kräftiger Abdruck hinterbleiben sollte, saugen sich die beiden Zeitwörter ''teilen'' und ''bedingen'' zu augenfälligsten Ungetümen voll, indem sie alle nahen und selbst ferner liegenden Begriffe in sich hineinschlürfen. Schon die Wendungen: ''jemand teilt unser Brot, wir teilen jemandes Schmerz'', zeigen eine nicht sonderlich erfreuliche Abdämpfung der Äußerung des Mitgefühls gegenüber der älteren und besseren: ''wir teilen das Brot mit ihm, nehmen teil an seinem Unglück, fühlen seinen Schmerz mit.'' Immerhin werden wir uns in sie schicken müssen, da sie schon in den Sprichwörtern vom geteilten Schmerz und Unglück und der geteilten Freude festgeprägt sind. Zu wirklichen Unklarheiten führt aber die Weiterentwicklung. Da sind bald die Meinungen und Ansichten geteilt (auch gespalten), wenn sie voneinander abweichen, also verschieden sind und auch — heißen sollten; und gleichzeitig bedeutet ''eine Meinung, einen Standpunkt teilen'' auch wieder: ''der gleichen Meinung sein.'' Wie eine Abwehr sozialistischer Forderungen klingt es immer, wenn man Mitteilungen und Handlungen, die einem gar nicht angehören, nicht teilen zu können erklärt, daß man sie, wie es bisher hieß, nicht glaubte, billigte, guthieß, ihnen nicht beipflichtete. Da kann z. B. ''Tisza das, was Sz. über die Militärakademiker sagt, nicht teilen'', ein anderer ebensowenig die ''Angriffe gegen einen Verwaltungsrat'', noch die ''Berliner Diplomatie eine in Amerika aufgestellte Behauptung''. Nach der Nat.-Ztg. aber wurde einmal Ernst gemacht mit dem Teilen; denn sie meldete: ''daß neben dem Angeklagten noch acht als Hehler oder Anstifter verdächtige Personen die Anklagebank teilten.''  
Trotz alledem muß eindringlich vor Gleichmacherei zugunsten des ersten Falles gewarnt werden. Vor allem sollte dieser den Zeitwörtern fernbleiben, die mehr die subjektive Auffassung eines Verhältnisses oder Zustandes als die objektive Feststellung und Klarlegung eines wirklich vorhandenen ausdrücken; es seien davon nur: ''sich bekennen, - ansehen, - betrachten, - hinstellen, - geben'' genannt. Also nicht: ''Er hat sich als Angehöriger der evangelischen Kirche bekannt'', vielmehr mit Goethe: ''Er bekannte sich selbst als Mitschuldigen ihrer'' (!) ''Vergehungen''; mit Lessing: ''Sagt'' $Seite 225$ ''Euerm Patriarchen, ich müsse mich noch als Gefangenen betrachten''; mit G. Hauptmann (E. Quint): ''So empfand er fast nur noch sein Dasein als Geist, als heiligen Geist und also als göttlich'', und mit Trentini: ''Jetzt büßte es das ganze Haus, daß ich mich offiziell als Sozialdemokraten bekannt habe''. Ebenso zeigt für sich geben der Satz der Tgl. R. das Gewöhnlichere: ''Es ist anstrengend, einem Gefühlsschwärmer, als welchen Paderewski sich ausschließlich gab, einen langen Abend hindurch zu folgen'', wenn es auch nach der vorigen S. ebendort in einem andern nur heißen konnte: ''Als der ganze Luther gibt er sich auch in den Briefen an seine Freunde''. Das Schlimmste ist es natürlich, wenn der bei rückbezüglichen Zeitwörtern oft mögliche erste Fall auch auf ihren transitiven Gebrauch übertragen wird, wo er unmöglich ist, wie in dem Beispiele: ''Man bezeichnete ihn als ergebner Diener des Kaisers'' (Köln. Ztg.)  +
Nur der erste Fall gehört auch zu ausschließlich reflexiven Verben, d. h. solchen, die in ähnlichem Sinne nicht auch transitiv vorkommen, wie ''sich betragen, - aufführen, - begeben, - aufspielen, - gebärden''. Nichts kann also falscher sein, als was im Daheim zu lesen stand: ''König Oskar betrat die deutsche Küste ..., um sich als gern gesehenen, freudig begrüßten Gast an das Hoflager unsers Kaisers ... zu begeben'' (Bornhak), oder in der DAZ. 29: ''für solch einen Halbweisen, als welchen'' (statt: ''als welcher'') ''ich mir gern verkomme''.  +
Sowohl der erste als auch der vierte Fall ist bei den rückbezüglichen Zeitwörtern möglich, die in wesentlich gleicher Bedeutung auch transitiv gebraucht werden können, wie ''sich erweisen, - zeigen, - bewähren, - darstellen'' u.v.a. Der Grund freilich für die Wahl des einen oder anderen Falles wird meist mißkannt, vor allem von den vielen Grammatikern, die auch diese Verba ausnahmslos in den steifen lateinischen Stiefel mit doppeltem Akkusativ spannen möchten. Sie verzichten damit auf ein feines Mittel der Unterscheidung, das die Sprache auf ihrem heutigen Standpunkte besitzt: Wenn nämlich die ausgesagten Zustände, Eigenschaften, Stellungen usw. als solche bezeichnet werden sollen, die schon tatsächlich oder anerkanntermaßen vorhanden sind, die nicht bezweckt werden, sondern sich von selbst ergeben, so steht der erste Fall; wenn es sich aber um die Darstellung, vor allem um die beabsichtigte Darstellung von etwas noch Unbekanntem oder noch nicht Anerkanntem handelt oder wenn man ein Verhältnis bezeichnen will, das man durch die Ausführung der im Verb ausgesagten Tätigkeit erst herstellt, so ist der vierte Fall zu wählen und jedenfalls bezeichnender. So sagt Lessing, eine ihm fälschlich zugesprochene Stellung dadurch abweisend und eine nicht anerkannte erst beanspruchend: ''Ich erzeige mich dadurch so wenig als den Advokaten des Unbekannten, daß ich mich vielmehr als den Advokaten der Religion damit erweise''; und die „Jugend“ 26: ''Hülle dich in Tand und Flitter, wappne dich als stolzen Ritter''. Anderseits mußte Goethe schreiben: ''Er zeigt sich'' (ohne es zu beabsichtigen, sondern wie er es eben war) ''als ein Strebender''; ein neuerer Musikkritiker: ''Herr B. erwies sich als fertiger Pianist'' (was er war), ''aber als ziemlich gewöhnlicher Komiker'' (was er gewiß nicht beabsichtigte); G. Keller: ''Er hatte sich immer als unwürdiger Mensch gezeigt'', und: ''Auch der Tuchscherer blieb in der Freundschaft und erhielt sich als ein geborgener Mann''; und G. Hauptmann (E. Quint): ''Was Wunder, daß er sich kaum noch als Mensch empfand!'' Es ist leicht erklärlich, daß ein so feiner Unterschied nicht immer gewahrt wird, vielleicht auch nicht immer gemacht werden kann, und so ist es kein Wunder, daß gemäß dem Zuge der Sprache nach Ausscheidung des Unbebequemen einer der beiden Fälle immer mehr die Oberhand gewinnt, und zwar, weil diese rückbezüglichen Zeitwörter dem Zustandsworte sein so $Seite 224$ nahe kommen, ganz natürlich der Nominativ. So herrscht dieser denn schon fast ausschließlich bei den abgegriffensten unter diesen Wörtern: ''sich bewähren, - zeigen, - erweisen'', neben denen er auch schon bei Goethe überwog. Auf den ziemlich 600 Seiten des 1. Bandes von Junkers „Reise durch Afrika" wird man z. B. Dutzende Fügungen der Art finden: ''Hansal war ein wahrhaft guter Mann und hat sich in der Folge als solcher'' (als der er bekannt war) ''bewährt''; aber auch von der Darstellung unerwarteter Eigenschaften: ''Ch. Effendi erwies sich als ein über das Durchschnittsmaß türkischer Beamtenbildung hinausragender Mann''. Auch Hindenburg (1920) schreibt: ''Der Zar von Bulgarien bewährte sich uns gegenüber als treuer Bundesgenosse''. Natürlich ist auch: ''er entpuppte sich als ein ... begeisterter Nimrod'' (Tgl. R.), und mit einem seltneren Wort: ''Man darf sich nicht als ein Bücherwurm'' (wenn man auch einer ist) ''verspinnen'' (Hohlbaum). Auch neben ''sich unterzeichnen, - unterschreiben, - empfehlen'' wird man sich über den überwiegenden Gebrauch des ersten Falles nicht wundern dürfen, wo völlig intransitive Formen in gleichem Sinne daneben stehn, wie ''ich zeichne, - verbleibe'' u. ä.//1 Scharf gefaßt ist auch hier ein Unterschied vorhanden: Im vierten Fall ''empfiehlt, unterschreibt man sich'' in einem Verhältnisse das man mit diesen Formeln erst herstellt ernstlich oder als Redensart; dagegen ist nur der erste Fall anwendbar für ein Verhältnis in dem man schon zu jemand steht. Man kann sich also z. B. ''empfehlen als jemandes aufrichtigsten Verehrer, ergebensten Diener''; aber nur ''als sein dankbarer Schüler''; denn daß man jemandes Schüler ist, weiß dieser schon und von seiner Dankbarkeit soll man nicht besondere Worte machen müssen.//. Ebenso verbinden sich fühlen mit dem ersten Falle nicht nur die neueren Schriftsteller, wie Holtei: ''Ich fühle mich nicht starker Geist genug zu widersprechen'', sondern auch ein Sprachforscher wie Hildebrand: ''Jeder Gebildete fühlt sich gern als mit bestellter Wächter dieser Bildung''; und L. Corinth dreimal derart: ''Ich fühle mich als Preuße und kaiserlicher Deutscher''. Nur etwa, wenn hervorgehoben werden soll, daß das Sein dem Fühlen nicht entspricht, wird der vierte Fall besser sein. So schreibt wieder R. Hildebrand: ''Ich fühle mich als heftigen Gegner des Aristokratismus auf den Gebieten, die ich die meinen nenne''; und in der Tgl. R. ein Reisender, der von einem Raja wie ein Fürst aufgenommen worden war: ''Ich fing an, mich als kleinen Herzog zu fühlen''. Ähnlich überwiegt durchaus der erste Fall bei ''sich darstellen, sich ankündigen, sich bezeichnen'', da es ja auch öfter darauf ankommt, was man ist, einfach auch darzustellen und anzukündigen, als darauf Nachdruck zu legen, daß man den Leuten etwas Neues sagen und zeigen will: ''Als erster Zufluchtsort für die guten Stilisten stellt sich die Revue des deux mondes dar'' (Rodenberg).  
Eine vollständig erstarrte Formel ist ''seinerzeit'' (''seiner Zeit''), wo es sich nämlich nicht auf das Subjekt bezieht, wo vielmehr der Ausdruck hauptsächlich von der Vergangenheit, aber auch von der Zukunft so viel als ''zu der'' [''für die Sache''] ''passenden Zeit'' bedeutet. Das Formelhafte erkennt man am deutlichsten daraus, daß es wohl eine Weiterbildung ''seinerzeitig'', aber kein ''ihrer-, unserzeitig'' gibt. Wir sagen also ebensogut mit Langbehn: ''Die seinerzeitigen venetianischen Gesandtschaftsberichte stellen selbst Bismarcksche Schriftstücke in den Schatten'', wie mit G. Rohlfs: ''eine Behauptung, die seiner Zeit im Englischen keinen Widerspruch fand''. An einem Satze wie dem der Augsb. Allg.: ''eine Geschichte des deutschen Volkes, welche an Stelle der ihrerzeit tüchtigen Geschichte der Deutschen von Pfitzer treten soll'', befremdet uns die künstliche Kongruenz sogar. Anderseits muß es geradezu eine Verwahrlosung der Geschlechtsbeziehung des besitzanzeigenden Fürwortes heißen, wenn gedankenlos mit der Form ''sein'' weibliche, seltener mit ''ihr'' männliche oder sächliche Wörter aufgenommen werden: ''eine solche Feldstellung hat seine Vorteile, diese Art der Darstellung hat seine Vorteile, die Kompanie begrüßt seine Gäste''; sogar in führenden Zeitschriften: ''Reclams Bibliothek hat das Werk unter seine Ausgaben aufgenommen; Die Wahl der Könige aus bestimmten alten Familien deutet auf seinen ursprünglichen sakralen Charakter; das Zerrbild des Gedehnten verliert ihren Sinn''//1 M. Ites in der Ztschr. des Deutschen Sprachvereins 1926, S. 105 f.//.  +
Neben der Frage, ob das Beziehungswort Sach- oder Personenname, ist $Seite 240$ noch eine andere von Wichtigkeit, ob nämlich das Aussagewort eine verhältnismäßig jüngere Bildung auf -''er'' von einem Zeitwort ist (wie ''Tröster'' von ''trösten, Verehrer, Verführer'' u. v. a.) oder ein älteres ursprünglicheres Wort (''Feind, Nachbar'') oder endlich eines, das in übertragener oder Sonderbedeutung oder in einer in der männlichen Form einmal festgewordenen Verbindung steht. Bei Wörtern der ersten Art nämlich, die ohne weiteres eine buchstäblich entsprechende Bildung auf -''in'' neben sich darbieten, ist deren Anwendung in Beziehung auf ein weibliches Beziehungswort üblich; bei den andern, wie ''Freund, Feind, Bürge, Bote, Erbe, Gesell, Meister, Nachbar, Narr, Rekrut'' u.ä., wäre sie oft undeutsch und gezwungen. Danach heißt es also in ähnlichen Fällen regelmäßig wie in den folgenden Mustersätzen: ''Armut ist eine Erfinderin der Kunst, eine Hüterin der Tugend. Der Bogen ist mir ein leidiger Helfer; Marie, unsre Helferin. Ein Hauptaffekt ist immer Führer, so gut wie den Weisen der Stern Führer gen Bethlehem war, aber Kühnheit ist die Führerin der Jünglinge wie Liebe die Führerin aller Wesen'', und derart wechseln ausnahmslos die auf -''er'' und -''erin'' von Zeitwörtern abgeleiteten Hauptwörter. Wie dagegen andere männliche Hauptwörter auch auf weibliche Personen wie Sachnamen bezogen werden können, mögen nur einige Beispiele lehren; ''Jungfer Lea, die ich mir zum Freunde zu machen vornahm'', heißt es schon bei einem alten Leipziger, und ''Die Frau Servilia ist auch kein Kostverächter'' bei Günther; und bei Goethe sagt Frau Marthe: ''Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen'', drei Beispiele, denen man das Typische der Fügung und Besondere der Bedeutung anfühlen wird. Grimm nennt ''die Katze den Feind der Mäuse'' und ''die Morgenröte den Boten des Tages'', und von Neueren schrieb z. B. Eltze: ''Die Sklaverei ist schlimm genug als Feind, aber der Herr bewahre uns vor ihr als Freund''(''e'')! und Breitinger: ''Er stürzte die Passionen von dem Throne, dessen sie sich Meister gemacht''; in einer Kritik wird ''Miß Helyett ein Rekrut der Heilsarmee'' genannt, und H. Leip sagt: ''Sie spielte dort einige Tage Gast''. Der ununterbrochene Zusammenhang einer langen Entwicklung und das natürliche Gefühl ist es, was hier der Gleichmacherei nach lateinischem Muster widerstrebt und übrigens ziemlich sicher leitet. Dieses selbe Gefühl hat auch Ausnahmen von der Regel, daß Subjekt und Prädikat in der Zahl übereinstimmen, hervorgerufen, wenn das Gefühl irrte, wohl auch unberechtigte, wenn es, wie meist, gesund und natürlich war, berechtigte, die als Fügungen nach dem Sinn allbekannt sind.  
Eine der eigentümlichsten Erscheinungen unsrer Sprache, die dem Ausländer, der Deutsch lernen will, viel Kopfzerbrechen macht, wird mit der Frage berührt, ob es heiße: ''ich habe dich singen gehört'' oder ''singen hören''? $Seite59$ Bei den Hilfszeitwörtern ''können, mögen, dürfen, wollen, sollen'' und ''müssen'' und bei einer Reihe andrer Zeitwörter, die ebenfalls mit dem Infinitiv verbunden werden, wie ''heißen, lehren, lernen, helfen, lassen'' (''lassen'' in allen seinen Bedeutungen: ''befehlen, erlauben'' und ''zurücklassen''), ''machen, sehen, hören'' und ''brauchen'' (''brauchen'' im Sinne von ''müssen'' und ''dürfen'') ist schon in früher Zeit das Partizipium der Vergangenheit, namentlich wenn es unmittelbar vor dem abhängigen Infinitiv stand (''der Rat hat ihn geheißen gehen''), durch eine Art von Versprechen mit diesem Infinitiv verwechselt und vermengt worden. In der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts heißt es bunt durcheinander: ''man hat ihn geheißen gehen'' und ''heißen gehen'', und passiv: ''er ist geheißen gehen, er ist heißen gehen, er ist geheißen zu gehen'', ja sogar ''er ist gegangen heißen''. Schließlich drang an der Stelle des Partizips der Infinitiv vollständig durch, namentlich dann, wenn der abhängige Infinitiv unmittelbar davor stand, und so sagte man nun allgemein: ''ich habe ihn gehen heißen, ich habe ihn tragen müssen, ich habe ihn kommen lassen, ich habe ihn kennen lernen, ich habe ihn laufen sehen, ich habe ihn rufen hören, er hat viel von sich reden machen'' (Goethe im Faust: ''ihr habt mich weidlich schwitzen machen''), ''du hättest nicht zu warten brauchen'').//* Bei brauchen darf natürlich zu beim Infinitiv nicht fehlen. ''So arg hätte es in dem Hauptgebäude der Ausstellung nicht durchregnen brauchen'' — ist Berliner Zeitungsdeutsch// Das merkwürdigste ist, daß bei vieren von diesen Zeitwörtern der abhängige Infinitiv ebenfalls erst durch ein Mißverständnis aus dem Partizip entstanden ist, nämlich bei ''hören, sehen, machen'' und ''lassen'': ''ich höre ihn singen, ich mache ihn schwitzen, ich lasse ihn liegen'' ist ja entstanden aus: ''ich höre ihn singend, ich mache ihn schwitzend, ich lasse ihn liegend''.//* Ebenso bei ''bleiben'' und ''haben'': ''er ist sitzen geblieben'' (eigentlich: ''sitzend'') — ''ich habe tausend Mark auf dem Hause stehen'' (eigentlich: ''stehend'') — ''hat keiner einen Bleistift einstecken''? (eigentlich: ''einsteckend''). Lenau: ''Drei Zigeuner fand ich einmal liegen'' $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ''an einer Weide''. In der ältern Zeit schrieb man sogar: ''ein Büchlein, das man in Kirchen gebrauchen ist'' (statt ''gebrauchend'') — ''wir sind euch dafür danken'' (statt ''dankend'')//) In der $Seite60$ Verbindung also: ''ich habe ihn singen hören'' sind, so wunderbar es klingt, zwei Partizipia, eins der Gegenwart und eins der Vergangenheit, durch bloßes Mißverständnis zu Infinitiven geworden! Diese merkwürdige Erscheinung ist aber nun durch jahrhundertelangen Gebrauch in unsrer Sprache so eingebürgert, und sie ist uns so vertraut und geläufig geworden, daß es gesucht, ungeschickt, ja geradezu fehlerhaft erscheint, wenn jemand schreibt: ''ich habe sie auf dem Balle kennen gelernt — Dozent auf der Hochschule hatte ich werden gewollt'' (''behüt dich Gott! es hat nicht sein gesollt!'') — ''er hatte ein Mädchen mit einem Kinde gewissenlos sitzen gelassen — wir haben die Situation kommen gesehen — über diesen Versuch hat er nie Reue zu empfinden gebraucht — du hast mir das Verständnis erschließen geholfen'' usw. Wer sich ungesucht ausdrücken will, bleibt beim Infinitiv, ja er dehnt ihn unwillkürlich gelegentlich noch auf sinnverwandte Zeitwörter aus und schreibt: ''wir hätten diese Schuld auch dann noch auf uns lasten fühlen'' (statt: ''lasten gefühlt''). Kommen zwei solche Hilfszeitwörter zusammen, so hilft es nichts, und wenn sich der Papiermensch noch so sehr darüber entsetzt: es stehn dann drei Infinitive nebeneinander: ''wir hätten den Kerl laufen lassen sollen, laufen lassen müssen, laufen lassen können''. Klingt wundervoll und ist — ganz richtig.  
Nicht bloß fremde Fassung verunziert das köstliche Kleinod unsrer Muttersprache, auch um Schliff und Fassung, die ihm eine lange Sprachentwicklung verliehen hat, kümmern sich nur zu viele nicht. Das sind noch dazu nicht bloß Leute des gemeinen Volkes; denn über deren Unbeholfenheit sollte man höchstens im stillen lächeln, da sie selbst im heutigen Deutschland mit seinen angeblich $Seite 429$ unübertrefflichen Volksschulen sie loszuwerden keine Gelegenheit hatten. Nein, es sind auch Männer in öffentlichen und verantwortungsreichen Stellungen, in denen sie wahrlich zu reden und zu schreiben berufen wären, und Männer der kleinen, aber auch der großen Presse, die sich freilich berufen wähnen, oft genug aber sich nur selber berufen haben, für die anderen zahlreicheren Menschen Wort und Feder zu führen. Wem das zu viel gesagt scheint, der lese nur folgenden alles Sinnes baren Erguß, der einem auf seine Bekanntschaft mit schönen Phrasen gewiß stolzen Berichterstatter des Hanauschen Anzeigers verdankt wird: ''Nur mit Wehmut kann man auf die Vorgänge in Bayern sehen, insofern als es die Stimme des Mannes war, die den ersten Anlaß zur Gründung des Deutschen Reiches gab und jedenfalls gibt sie'' (?) ''wie überall der Idee den Vorzug von'' (!) ''der Ausführung, die'' (?) ''mit Geistesumnachtung sein'' (?) ''Honorar'' (!) ''dafür'' (?) ''hinbringen soll.'' Wer aber daran noch nicht genug haben sollte, der nehme einen der Fahrgänge des „Albums unfreiwilliger Komik" zur Hand, die in Berlin bei Rich. Eckstein (!) Nachfolger erschienen sind. Vielleicht lacht er über die dort aufgestapelten Dummheiten, wie sie keine Absicht ausdenken, sondern nur Flüchtigkeit und Unbesonnenheit//1 Darauf beruhen solche Widersprüche; ''Lebende Hummern empfing gekocht N. N. oder von einem Prüfungskommissar: Die diesjährige Prüfung findet März künftigen Jahres statt''; und zalhlos sind die Fälle solcher Gedankenlosigkeit: ''eine Adresse an Se. Majestät, worin der tiefsten Entrüstung über die Errettung aus Mörders Hand Ausdruck gegeben war'', oder wie eine Essener Zeitung gemeldet hat: ''von einer Rheinbrücke über die Weser bei Minden.''//, doch auch Unbekanntschaft mit den einfachsten Regeln der Darstellung//2 Auf dem zweiten Grunde beruht es vielmehr, daß so oft am Anfange eines mit ''und, oder, aber'' angeknüpften Satzgliedes das Subjekt nicht gesetzt wird, obgleich es im vorhergehenden Satze nur als andrer Satzteil vorkommt und infolgedessen auch die neue Aussage auf das alte Subjekt bezogen wird: ''Die Polizei brachte den Menschen zur Haft, hatte aber von dem gestohlenen Gelde schon das meiste verpraßt'' — nette Polizei! möchte man da ausrufen, wie über das Verständnis eines Tieres sich freuen bei der nächsten Anzeige: ''Eine Ziege steht zu verkaufen und ist zu sprechen nachm. 3—4 Uhr, Dohnasche G. 11 bei N.'' — Die genauen Bestimmungen § 341 ff. u. 387 ff. sind ja nur nötig geworden, weil jedes Satzglied, das nicht ausdrücklich als zu einem anderen Satzteile gehörig kenntlich gemacht wird, immer auf die Verbindung von Subjekt und Prädikat und die von ''und'' in diesem gemachte ganze Aussage bezogen wird. Daher das Lächerliche, das Hunderten von Anzeigen des folgenden Stiles anhaftet: ''Wegen Rücktritts vom Adjutantenposten ist eine hellbraune Stute zu verkaufen. Das Haus, Poststr. 10, ist Altersschwäche halber zu verkaufen''; die Gewöhnung läßt uns die Angabe des Grundes immer auf das grammatische Subjekt beziehn. Das wissen aber nicht bloß die Handelsleute nicht, sondern z. B. selbst oben der Offizier und — ein Leiter einer höheren Bürgerschule, der eine Stelle also ausschreibt: ''Die Ernennung zum Turnlehrer erfolgt durch den Oberschulrat gegen eine Remuneration von 100 Mk. jährlich'' — schöne Zustände, wo die armen Lehrer auch noch die Ernennung bezahlen müssen! Gleich einfach ist wahrlich auch die Vorschrift, eine nähere Bestimmung immer auch zu demjenigen Wort zu setzen, das durch sie bestimmt werden soll; und doch wie oft wird gerade durch ihre Verletzung — Unsinn zutage gefördert: ''Aale, Schleien, Riesenspargel, lebend und geräuchert empfiehlt N. N. — Die Diebin ist von'' (!) ''dunkeln Haaren und Augenbrauen und etwas eingedrückter Nase, die korallenähnliche Ohrringe trägt!''// zeitigen können, dazu auch die gewalttätige Kürze der Umgangssprache//3 Die Wirkung jener dritten Kräfte zeigen solche Anzeigen: ''Abzahlungsgebisse werden angefertigt. — Zu verkaufen ein Trensenzaumzeug mit überzinntem Offiziersgebiß'' (statt: ''mit überzinntem Gebiß'', wie es für Offizierspferde üblich ist); sogar aus der Feder eines Amtsrichters: ''Wohnungen ohne Kinder sind zu vermieten'' (statt: $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ''an kinderlose Leute'') und von einem Gelehrten: ''das Bewegungsbild der Alpen'' (soll bedeuten: ''ein Bild von der Entstehung der Alpen durch Bewegung!''). ''Zu verkaufen ein in der Ostschweiz inmitten von 10 000 Seelen ohne Arzt sich befindliches Haus.''// verbunden $Seite 430$ mit der Absicht, an den Einrückungskosten zu sparen, Vielleicht überkommt ihn beim Durchblättern der Sammlung aber auch eine andere Stimmung, gerechtester Ingrimm über so große sprachliche Unbildung auch so vieler Träger und Vertreter der Bildung, die darin als Verbrecher gegen die Sinngemäßheit des Ausdrucks haben mit eingeliefert werden müssen.  
Das Gefühl, daß in solchen Fällen der Vergleichssatz mit der Beifügung zusammengehört, ist besonders stark bei Lessing gewesen, der das formelhafte ''als möglich'' vorrückt und dekliniert: ''die so lang als mögliche'' (statt ''möglichst lange'') ''Erhaltung des Lebens und der Tugend; die soviel als mögliche Vermeidung alles Ominösen''! Nimmer zu billigender Weise; denn was Eigenschaftswort sein müßte (''lang, viel''), wird zum Umstand, und was in adverbialer Form einen Vergleichsatz vertritt, zum Adjektiv//1 Die Verwendung dieser Formel wird ebenfalls nach der oben gegebenen Erläuterung geregelt; d. h.: kann zu diesem ''als möglich'' das Hauptverb samt dem Substantiv und dessen den Vergleich enthaltenem Attribute ergänzt werden, so ist es am Platze: ''Immer wieder muß der Hygieniker mahnen, einen so großen Teil als immer möglich für die gesunde Wohnung anzulegen'' ( = ''einen wie großen Teil anzulegen möglich ist''. Ist eine so vollständige Ergänzung nicht möglich, so tritt besser ''möglichst'' + Positiv vor das Hauptwort; statt ''sie suchten sich auf so schnellen Märschen als möglich Konstantinopel zu nähern'' hätte es also besser geheißen: ''auf möglichst schnellen Märschen'', weil die Ergänzung nicht ist: ''als ... , möglich ist sich Konstantinopel zu nähern'', sondern ''als zu machen möglich ist''.//. Dazu gibt es neben der in Klammer angedeuteten eine ganze Anzahl richtiger Aushilfen. Manchmal springt das Wörtchen ''vor'' ein: ''das Christentum, diese vor allen anderen gesittende und emporhebende Macht''. Oder nach Zerlegung des Komparativs in ''mehr'' + Positiv kann der Vergleich eingeschoben werden, wie bei Chamisso: ''auf diesem mehr als ich geduldgen Stein''. Das allerschönste, freilich nicht immer gebotene Mittel liegt darin, daß man für das zweite Adjektiv + Substantiv ein zusammengesetztes Hauptwort nimmt, in der Art Herders: ''Er band jede Kugel mit noch feineren als Strahlenbanden an die große Sonne''//2 Denn Herders Form enthält keine andere Freiheit als die tausendfach benutzte, d. h. die Bestimmung eines gemeinsamen Substantivs teils durch ein Adjektiv, teils $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ durch ein Bestimmungswort im engem Sinne, die zwar in der grammatischen Form verschieden, aber als sachlich gleichwertig durch ''und'' verbunden sind: ''die nahe bei Städten gelegenen und die Industriedörfer selber haben immer eine starke Arbeiterbevölkerung''.//.  
Zunächst die sogenannten absoluten ersten Partizipien. Glücklicherweise ist deren Gebrauch noch ziemlich beschränkt, hauptsächlich nämlich auf die Formen ''an''(''be'')''langend'', (''an'')''betreffend, entsprechend, angehend, beginnend, folgend'' u. ä., die trotz ihrer Herkunft aus dem Kanzleistil im gewöhnlichen erzählenden und erörternden Stile niemand verwehrt sein können. Dem Satze: ''Deutschland anlangend, so habe freilich niemand in Europa die Schwäche der österreichischen Regierung voraussehen können'', sieht z. B. niemand den diplomatischen Urheber an, und in Th. Manns Betrachtungen eines Unpolitischen (1918) steht: ''Das jungliberale Schrifttum angehend, so hat es gewiß unsre politische Auffassung kräftig gefördert''. Noch weniger läßt sich gegen alle diese Fälle sagen, wo das Mittelwort eigentlich nichts als der partizipiale Ersatz eines Relativsatzes ist, dessen Prädikat das entsprechende finite Verb wäre und an dessen Spitze ein auf den ganzen übergeordneten Satz gehendes: ''was- wie, es womit man'' u.ä. stünde, wo das Mittelwort also eigentlich zum ganzen Satze, im besondern zu seinem Zeitworte gehört. So wenn die Tgl. R. bietet: ''Deshalb haben einzelne Unterrichtsveranstaltungen des Lettehauses, den Zeitforderungen folgend'' (möglich auch: ''entsprechend, angemessen''), ''mehrfache Veränderungen erfahren'', oder: ''In einer andern Abteilung werden Schiffskanonen'' $Seite 347$ ''aller Kaliber und Arten zu sehen sein, mit denen des 15. Jahrhunderts beginnend''. Aber falsch wäre es, über diese halb adverbialen (§ 343), halb prädikativen Formeln hinaus jedes erste Mittelwort so anwenden zu wollen. Gleich verkehrt also steht in einer gelehrten Zeitschrift: ''An diese Gedanken anknüpfend bedarf es nur der Nennung dreier Namen'', und bei Bornhak: ''Absehend'' (statt: ''abgesehen'') ''von dieser schweren Kriegszeit, lassen die späteren Jugendjahre der Prinzessin Augusta in eine sonnige Welt des Familienlebens blicken''. Auch die einem griechischen Mittelwort im Wem- Fall entsprechende Wendung J. Grimms ist billig ohne Nachfolge geblieben: ''Von der Tür eintretend an der Wand zur rechten Hand ganz hinten fand sich auch ein Quartant''.  
Eine andere Reihe sogenannter absoluter Partizipien leidet nur deshalb unter ungerechtfertigter Befehdung durch die Grammatiker, weil diese ihre Entstehung aus einzelnen ersten Beispielen streng grammatischer Fügung nicht erkennen und den Kreis der absoluten Partizipien viel zu eng ziehen möchten. Es sind dies zum Subjekt, gelegentlich auch Objekt gehörige zweite Mittelwörter transitiver Verben//1 Über die jüngere Verwendung auch erster Mittelwörter zu gleichem Zweck siehe vorige Seite!//, denen in Erinnerung an ihre Kraft, einen vierten Fall bei sich zu haben, dieser, wie neben der Befehlsform (''Den Wagen angespannt! schnell Hilfe geholt!''), so auch neben dem Mittelwort belassen ist: ''Sie begab sich, ein paar Tücher turbanartig um den Kopf gewunden, in das Gastzimmer'' (v. Heigel). ''Schnell den Schleier vorgezogen, steht das Töchterchen in Tränen'' (Mörike). Neben zahllosen ähnlichen Mittelwörtern, die einen sinnlich wahrnehmbaren Zustand des handelnden Subjektes bezeichnen, sind immer häufiger auch andre getreten, die hauptsächlich eine für die Handlung des übergeordneten Satzes wichtige Zeitbestimmung enthalten. ''Meine Lebensgeschichte so weit geschrieben, bleibt mir nur weniges von mir zu sagen übrig'' (Der arme Mann in Toggenburg 1789). ''Dieses Geschäft berichtigt, eilten alle Statthalter nach den Provinzen'' (Schiller). ''Dies vor den Augen alles Volkes abgemacht, erhebt sie sich. Die Koppel der Pferde einige Wochen darauf zu seiner Zufriedenheit verkauft, kehrte er zur Tronkenburg zurück'' (H. v. Kleist). ''Dies verrichtet, begab ich mich zum Grafen'' (G. Keller), und mit einem gleichgemeinten Wer-Fall dazwischen schon 1878 Fr. Th. Vischer: ''Er zog ein zierliches Messer hervor, die Klinge jataganartig geschwungen, zierliche Ornamente auf ihrer Fläche, das Heft ungleich feiner als bei schweren Steingeräten gebildet''. Diese Form des Satzes ist so bequem und so klar, daß sie sich allen Einreden der Sprachlehrer//2 Solche Abneigung beruht darauf, daß diese behufs ihrer Erklärung vom wirklich absoluten Partizip ausgehn. Der Ausgangspunkt für diese der deutschen Sprache durchaus nicht zuwiderlaufende, wenn auch früher seltnere Fügung sind vielmehr tatsächlich verbundene Fügungen mit solchen Wörtern, welche sowohl einen Akkusativ der Person als einen der Sache bei sich haben können oder es doch ursprünglich konnten wie ''anlegen, antun, an-'' und ''ausziehen, umschlagen, umgürten, einhüllen, bedecken'' u. ä. (Vgl. Grimm, Wb. I, 289. 397). Daß das Partizip wirklich ein conjunctum und der 4. Fall von der Tragkraft des entsprechenden Zeitworts oder eines die Verbalform $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ganz überflüssig machenden Adverbiales abhängig ist, kann schon das älteste Beispiel bei Ulfilas deutlich machen: ''wasuth-than Johannes gawasiths traglam ulbandaus jah gairda filleina bi hup seinana'', wo zugleich ein Dativ (= Instrumental: ''mit Kamelshaaren'') und ein Akkusativ erscheint, mag dieser schon außerdem durch das Adverbilae ''bi hup seinana'' gestützt werden. Eine zweite Anlehnung fand die Fügung auch an den gar nicht seltnen Sätzen, in denen ein zweites Mittelwort mit Adverb oder auch Akkusativobjekt das Subjekt ist, ohne grammatisch als solches gefühlt zu werden: ''Frisch gewagt ist halb gewonnen. — Feuer auf den Herd gemacht ist gut für ein Gewitter''; bei Goethe: ''Unter Tausenden einen Redlichen gefunden, das ist anzunehmen''; und bei Hebbel: ''die Stirn entrunzelt, die Hände wie zum Dankgebet gefaltet; Das ist ihr Herz''. Hier ist wohl die „ursprachliche" Ausdrucksweise wieder lebendig geworden, die noch kein finites Verb, sondern nur Nomina kannte, und solche sind ja auch Nennform und Mittelwort. Vgl. E. Müller-Graupa, Der ,ursprachliche' Infinitiv im Deutschen. Ztschr. f. d. deutschen Unterr. XXXIII (1919), S. 330—351). — Doch genug über die Entstehung der Fügung; aus ihrer Betrachtung geht folgendes hervor: 1. Neben nur sogenannte unverbundene 2te Mittelwörter transitiver Verben gehört der 4. Fall, 2. neben solche intransitiver wie neben 1ten nur der 1. Fall (vgl. S. 366 f.), während 3. neben Umstandsangaben der 1. wie der 4. möglich ist. Man vgl. zu oben gebotenen Beispielen der 3. Art mit dem 4. Fall für den 1. den Satz W. Raabes: ''Der Spruch in aller Herzen und das Vaterland ist ewig'', sowie den W. Bloems: ''Der Wagen zog an und rollte nach der Stadt, im Fond der tote Peter Laas und der lebende Erich''. Ja selbst neben dem 2ten Mittelwort eines transitiven Verbs kann, so gut wie neben Adverbiale oder Adjektiv, der 1. Fall stehen, wenn ohne Satzband und finites Verb überhaupt die Ausmalung eines Zustandes ein- oder angefügt wird, wie bei Ann. v. Droste-H.: ''Da saß ich manchen Sommertag, rings kleiner Quelle Plätschern wach, doch mir im Herzen springt der Bronnen''; und bei Storm: ''Am Waldrand, wo ich am lichten Junimorgen, die Kinder klein und klein die Sorgen, mit dir gesessen Hand in Hand''; und bei Tim. Kröger: ''Wagrecht reglos sah das Sonnenlicht über die Flucht der Ebene, jeder Halm in Licht und Glanz gebadet''. Ein Beispiel für 2) ist der Satz Grillparzers: ''Ein paar Tage vergangen, wußte ich nicht, ob es schon Zeit sei, die Noten abzuholen oder nicht''. Dagegen in den Sätzen: ''Im braunen festanliegenden Reitkleide, ein runder Hut mit Federn auf dem Haupte .... , glich sie jenen ritterlichen Frauengestalten'', paßt der erste Fall zu dieser adverbialen Fügung so wenig, wie der vierte Fall zum ersten Mittelworte neutraler Verben, so z. B. in dem Satze des Grafen Westarp. ''Er hing in allen Fenstern, die großen Augen den Gipfeln zugewendet, ... den langen Bart bis auf die gekreuzten Arme niederwallend''; dem älteren Raus: ''Er glich, den dicken Kopf aus einer ... weißen Halsbinde heraus-'' $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ''wachsend, einer Bohnenstange'', oder allerjüngst bei Alice Berend: ''Die Köchin kam aus dem Haus, den Schlüssel am Ringfinger hängend''. — Nach 1) stand ausschließlich der Akkusativ einst bei ''ausgenommen'', während er heute daneben nur noch vorherrscht, wenn das Ausgenommene diesem Worte vorangestellt ist; sonst hat bei ''ausgenommen'', seltner ''ausgeschlossen'', zumal wenn das Ausgenommene nachfolgt, das Verblassen der Partizipialbedeutung zur Konjunktion und die Ähnlichkeit des Schwankens bei dem sinnverwandten außer dazu geführt, daß der vom Zeitwort des Satzes geforderte Fall eintritt; ebenso, freilich nur selten, beim Gegenteile: ''ein-'' oder ''inbegriffen''. Also: während Wieland schrieb: ''Alle Menschen haben ihre Fehler, dich allein ausgenommen'', was auch heute möglich ist, dünkt es uns doch, zumal ohne einen Zusatz wie ''allein'', kräftiger zu sagen: ''Alle freuen sich, ausgenommen du''; ähnlich steht in der Tgl. R.: ''die Zahl derselben kann sich auf 500 belaufen, der Herzog von Orleans, Sie, ich, unsre ganze Partei einbegriffen''. Nur der Genetiv gehört dagegen zu ''ein-'' und ''ausschließlich'', in denen keine verbale Kraft steckt, wohl aber das den Genetiv fordernde Hauptwort (= mit ''Ein-, Ausschluß des'' ...). Falsch steht also in der Tgl. R.: ''Im ganzen sollen die 90 Abgeordneten 900 000 Bergleute vertreten, einschließlich 140 000 deutsche'' (statt ''deutscher''). Am besten tut man freilich, sich über den zu diesen Worten zu setzenden Fall den Kopf nicht zu zerbrechen, da man mit ''auch, nur'' ... nicht, ''darunter'' immer und geschmackvoller auskommen kann.// zum Trotz auch in unsrer Prosa, nicht nur der höheren, eingebürgert $Seite 348$ hat. Durchaus mit Recht. Schon Grillparzer bietet: ''Da stößt der Fürst den Tisch von sich und schwört: Ein volles Jahr zu sehen nicht das Antlitz einer Frau''. Kaum ausgesprochen, kommt die Fürstin Kämmerin, den goldnen Schlüssel fordernd, und E. T. A. Hoffmann: ''Alles Grauen überwunden, ergriff ich das Messer'', sowie: ''Dies andre zustande gebracht, wandte er sich um''. Franz Wolter z. B. schreibt in der Kunst für Alle 1911: ''Frühzeitig von seinem Vater in die Kunst eingeführt, durch den kraftvollen Münchner Altmeister Wilh. Dietz weiter gestärkt, in Paris den Geschmack kultiviert, kam Friedr. Aug. v. Kaulbach in die Zeit der Renaissanceschwärmerei von selbst hinein''; und in einer Breslauer Dissertation von 1913 steht: ''Den Engländern, vorzüglich Shakespeare, die Originalität und Meisterschaft in der Tragödie zuerkannt, begnügt sich Herder von ihren Vorzügen gegenüber den französischen Tragödiendichtern das Handlungsvolle und Leidenschaftliche hervorzuheben''. Bei Heinrich Mann steht: ''Dies vollbracht, fand er die Kraft sie aufs Trockne zu setzen'', und: ''Die Arbeit getan in der Fabrik, erfrischte ihn diese andre''. — Eine gleich beliebte und gleich gerechtfertigte Weiterbildung dieser Partizipialkonstrution ist es, wenn an Stelle eines solchen Mittelworts eine adverbiale Be- $Seite 349$ stimmung oder ein einfaches Adverb auf das Subjekt, auch Objekt bezogen wird, und zwar auch diese mit der Fähigkeit, einen vierten Fall zu regieren. So steht bei Heigel: ''Sie machten sich auf den Weg, die Peppi in einem Überwurf von Sammet, den Hut mit den roten Federn auf''; bei v. Proskowetz: ''Eine geraume Zeit trieb ich mich, ein gutes Frühstück und die Lektüre einer gut abgelegenen Petersburger Zeitung hinter mir, im Treppenhause des Gasthofes umher''. Nicht weniger als dritthalb Dutzend unanfechtbarer solcher Fügungen, darunter ein halbes auch aus Allerjüngsten konnte seit der vorigen Auflage dieses Buches — gelegentlich! — noch vermerkt werden. Eben nur dann, wenn die Beziehung auf das Subjekt oder Objekt nicht möglich ist, gemahnen Fügungen der letzten Art genau so form- und fügungslos wie die § 345 verurteilten Partizipien, der beste Beweis, daß sie nicht eigentlich absolut sind. Man höre nur zwei Beispiele: ''Die alten Hände zu Fäusten geballt, die suchenden Augen zornig ins Leere gerichtet, endete die Rede mit einem geflüsterten Worte'' (Tägl. R.), und bei Hackländer: ''Der reich besetzte Tisch prangte in jener malerischen Unordnung, über welche das Auge so gern schweift, den ... Kaffee vor sich und die wohlriechende Havanna im Munde''.  
Die Haushältigkeit der Sprache begnügt sich damit, wenn von ein und demselben Begriffe gleichzeitig mehrere Aussagen gemacht werden sollen, nur das an der neuen Aussage wirklich Neue zu setzen, es sei denn, daß besonderer Nachdruck es anders verlangt. Man sagt also gewöhnlich: ''er wird kommen und dich abholen'', und nicht:'' und er wird dich abholen''; dagegen kann man nicht sagen: ''er ist gekommen und nach dir gefragt'', sondern nur: ''und hat nach dir gefragt''; denn gegenüber ''er ist gekommen'' ist nicht nur die Vorstellung des Fragens, sondern auch die über die Art der Verbindung dieser Vorstellung mit dem gemeinsamen Subjekt durch das Hilfswort ''haben'' neu. Dies auf Relativsätze angewendet, gibt die Regel: für mehrere verbundene Relativsätze kann man sich nur dann mit einer Relativform an der Spitze des ersten begnügen, wenn diese zur Fügung beider Sätze paßt; sonst muß man an der Spitze des zweiten Satzes das Relativ in der von dessen Fügung benötigten Form wiederholen. Und zwar auch dann, wenn die vom zweiten Satze geforderte Form der des ersten Satzes äußerlich dem Laute nach gleich wäre, wie die ersten Fälle: ''die, welche''(''s''), ''das'' den vierten: ''die, welche''(''s''), ''das''. Mustergültig ist also der Satz J. Rodenbergs: ''Schlag auf Schlag kommen die neuen Stücke, d. h. die alten, die Wildenbruch jetzt eins nach dem andern hervorholt und die alle zünden''. Dagegen sind Sätze, wie der am Kopfe, trotzdem er gleich vielen bedenklichen Brüdern bei Goethe steht, ebensowenig nachahmenswert wie etwa der in der Tgl. R.: ''ein Spiel, welches er als Glücksspiel bezeichnet und auch anscheinend ein solches ist'', oder bei Gottfried Keller: ''Er hatte schon ein hübsches Sümmchen zurückgelegt, welches er sorgfältig bewahrte und mit der Zeit groß genug werden mußte zur Erreichung seines Zieles''; bei Ad. Pichler (1900): ''Fragen, welche die Erwachsenen nicht beantworten mochten und mir von einem Franzis-'' $Seite 296$ ''kaner eine sehr herbe Abfertigung zuzogen''; beim Herausgeber der Briefe Gabrieles v. Bülow: ''So kamen noch häufig genug Besuche, die B. auch zum Teil nicht ungern sah, seine Frau aber immer in die peinlichste Stimmung versetzten'', und der schlimmste bei Friedr. Pecht: ''Von den Bedingungen, unter welchen die Kunstwerke entstanden sind, deren Spuren sie zwar deutlich für den zeigen, der sie genau kennt, aber meist ein verschlossenes Buch für den bleiben, der nichts von denselben weiß''. Sehen wir zu, welche Freiheiten von der strengen Regel zu gestatten, welche unbedingt zu verpönen sind.