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B
Die Eigenschaftswörter auf ''-bar'' bezeichnen immer, daß die im Stamm ausgedrückte Tätigkeit mit etwas ausgeführt werden kann, haben also passivischen Sinn und sind daher nur von transitivischen Verben üblich: ''einedrehbare Scheibe, ein gangbarer Weg''. Oskar Schmitz durfte also nicht von einem ''unversinkbaren Riesendampfer Halbgott'' (= ''Titanic'') fabulieren und H. Leip nicht schreiben: ''Meine Stimme entglitt mir unrufbar''. Die Bildungen auf ''-ig'' bezeichnen im allgemeinen, daß etwas mit dem durch den Stamm angegebenen Begriffe als einer Eigenschaft behaftet ist, ihn hat, umfaßt, als Merkmal an sich trägt (''verdächtig, spitzig, rührig''). Magister Laukhard schrieb 1795, noch heut empfehlenswert: ''Menschenrechte zu retten kann dir nicht heiliger, Verräterei zu verabscheuen dir nicht pflichtigersein als mir''; und Gundolf (1916) bildet: ''Sinnbild der schöpferisch selbstigen Freiheit'' und: ''Verzicht auf alle Selbstigkeit die mit dem System von Pflichten gegen das Ganze sich nicht verträgt, und treffend ist die allerneuste Bildung griffiger Stoff''. Dagegen gibt ''-lich'', seiner Verwandtschaft mit dem bekannten Abjektiv ''gleich'' (aus ''ge-liche'') gemäß, die übereinstimmende ober ähnliche Art verschiedener Gegenstände an oder auch schlechthin die Art und Weise des Seins und Tuns; so ist das ''reichliche Mahl'' fast dem ''reichen'' gleich, die ''rötliche Farbe'' dagegen der ''roten'' nur ähnlich und eine ''buchstäbliche Wiedergabe'' eine Wiedergabe derart, daß dadurch selbst dem Buchstaben Genüge getan wird. Diese Verschiedenheit der Bedeutung beider Endungen droht jetzt an den Eigenschaftswörtern, die Zeitbestimmungen enthalten, verwischt zu werden. Diese wurden früher sprachrichtig durchaus auf ''ig'' gebildet, wenn es zu bezeichnen galt, daß etwas eine Zeitüber dauert, diese Zeit innehat, einnimmt (''der einstündige Besuch''); ebenso durchgehend ward ''lich'' verwendet, wenn die Wiederkehr des gleichen Vorgangs innerhalb gleicher Fristen bezeichnet werden sollte. So verschrieben die Ärzte früher ''zwei-, dreistündlich'' zu nehmende Heilmittel, und man sprach nur von einer ''viertel- ober halbjährlichen''//1 Über ''jährig'' in Zusammensetzung mit Zahlen vgl. mehr in § 201.//''Zinszahlung''. Man darf also nicht von ''ein-, zweistündlichem Aufenthalte'' reden, den ein Achsenbruch verschuldet habe, sondern nur von ''ein-, zweistündigem''. Ein Geschäftsreisender besucht seine Kunden ''wöchentlich, monatlich, viertel- und halbjährlich'', d. h. jeden Monat usw. einmal; aber wer drei Tage oder Wochen oder Monate auf einer Reise ist, der macht eine ''dreitägige, -wöchige, -monatige Reise''. Wie leicht sich freilich anderseits die Grenzen verschieben, zeigt $Seite 12$ die Möglichkeit, ebensogut von ''vierteljähriger Kündigung'' (d. h. ein Vierteljahr umfassend) zu reden als von ''vierteljährlicher'', d. h. von Viertel- zu Vierteljahr möglicher), ebenso gut von Schuldentilgung in ''vierzehntägigen'' als in ''vierzehntäglichen'' Fristen.
Ein anderer Mißbrauch trifft die Endung ''-lich'' gemeinsam mit ''-isch'', daß nämlich mit diesen Endungen gebildete Eigenschaftswörter anstatt des Wes-Falles der entsprechenden Hauptwörter verwendet werden. Allerdings bezeichnen die Wörter auf ''-isch'' gewöhnlich (''Homerische Gedichte, Pommersche Gänsebrust'') und die auf ''-lich'' in manchen Verbindungen (''Kaiserliches Handschreiben, mütterliches Erbteil'' (= von der Mutter ge-Geerbtes) äußerlich betrachtet dasselbe wie der 2. Fall, nämlich das Ausgehen von einer Person, die Zugehörigkeit zu ihr//1 Der Endung ''haft'', die das Anhaften des im Grundworte Ausgesagten ausdrückt, geht diese Berührung mit dem Genetiv ab; demgemäß ist der Gebrauch von Eigenschaftswörtern auf ''haft'' statt des Wes-Falls oder solcher auf ''isch'' noch schlimmer, trotzdem schreibt ein Mitarbeiter der Tägl. Rundschau von ''Treitschkehafter'' statt ''Treitschkischer Entschiedenheit''.//. Trotzdem waltet zwischen beiden Ausdrucksweisen ein großer Unterschied ob. Während der Genetiv die Zugehörigkeit für den einzelnen Fall und als im einzelnen Fall erkannt und zutage getreten hinstellt, kann das Eigenschaftswort auf ''-lich'' und ''-isch'' schon als solches nur eine Angabe der Art machen und sagt also aus, daß die Dinge der durch den Grundbegriff ausgedrückten Sache oder Person ihrer Art oder ihrem Stande nach angemessen, entsprechend sind. ''Mütterliche Fürsorge'' ist demnach die Fürsorge, wie sie eine Mutter als Mutter ihrem Kinde angedeihen läßt, ''hausfrauliche Talente'' (P. Heyse) sind Talente, die jede Hassfrau zieren; aber Worte, die die Mutter nicht ermahnend als Mutter spricht und die das Verhältnis von Mutter und Kind nicht berühren, sind keine ''mütterlichen'', sondern bleiben nur ''Worte der Mutter''.
Immerhin wird man ein Grenzgebiet einräumen müssen, auf dem man das Adjektiv statt des Genetivs zu setzen berechtigt, ja gehalten ist. Einmal nämlich kommt es der Artbestimmung nahe, wenn etwas im einzelnen Falle einer Person oder Sache Zugehöriges, von ihr Ausgehendes die Erinnerung daran wachruft, daß, besonders standes- und rechtsgemäß, dieselben Dinge öfter in derselben Art als zusammengehörig erscheinen, also gewissermaßen die Erinnerung an das gewöhnlich Eigenartige dieser Gegenstände und Personen. So rechtfertigt sich denn ''der Königliche Wagen'' und ''der Gräfliche Diener, die Kaiserliche Botschaft'' und ''das Großherzogliche Handschreiben'', nicht minder ''die bäuerlichen Abgaben'' und ''das elterliche Haus, die volksbildnerische Aufgabe'' und ''die buchhändlerische Ausstattung'', insofern dies z. B. nicht die Ausstattung durch den Buchhändler N. N. ist, sondern die Ausstattung, wie sie der Buchhändler als solcher, jeder Buchhändler gibt. Auf demselben Verhältnis ist auch der Unterschied begründet, daß man wohl das einzelne Werk eines Künstlers ebensogut mit dem Adjektiv als mit dem Genetiv anführt: ''die Glocke, das volkstümlichste Schillersche Gedicht, eine Mozartsche Sonate, ein Richard Wagnersches Musikdrama wie Lohengrin'', weil da zugleich an die Herkunft vom Künstler und an seine Eigenart gedacht wird, während der Buchhändler nur an jene denkt, $Seite 13$ wenn er Schillers Werke anpreist, und ebenso der Vater, der als Weihnachtsgeschenk W. Skotts Romane kauft. — Zweitens gibt es sogar einen Fall, wo der Genetiv ein zu persönliches Verhältnis bezeichnen würde, ein Verhältnis, in dem der Person durch ihre Anführung im Genetiv viel zu sehr eine eigene, wirksame Teilnahme beigelegt würde. Das ist der Fall, wenn einer bloß den Namen oder Titel hergibt, wie bei ''den Kaiserlichen Ländern'' oder den nicht dem Könige, sondern dem Staate gehörigen ''Königlichen Forsten''; in diesem Sinne gibt es auch Schuldscheine des ''Markgrafentums Oberlausitz Preußischen Anteils'' und an manchen Bauten einen ''städtischen und staatlichen Anteil'', während z. B. ein verdienter Mann natürlich die Teilnahme der Stadt oder des Staates genießt. Auch die ''R. Hartmannsche Maschinenfabrik, Graf Salmsche Brauerei, Graf Clam-Gallas(i)sche Schneidewerke, Fürst Rohansche Forstverwaltung'' und hundert ähnliche Verbindungen erklären sich auf die gleiche Weise, wenn auch hier, wie bei ''der Cottaschen Buchhandlung'' oder ''der Helwingschen Verlagsbuchhandlung'' eine Annäherung an die Artbezeichnung insofern statthat, als das Geschäft das gleiche unter gleichem Namen bleibt, auch wenn die Person des Besitzers wechselt. Auch Besitzungen und Erfindungen uns persönlich unbekannter Leute können wir nicht wohl durch den Genetiv bezeichnen, eben weil er zu persönlich ist, und so reden wir nicht bloß von ''Blankscher Gichtwatte'' und ''Siemensschen Brennern'', womit zugleich eine bestimmte Art gemeint ist, sondern auch vom ''Venerschen Gesetz'' und H. Hoffmann z. B. ''vom Konsul Grunertschen'' oder ein Beurteiler der Entwürfe für das Kaiser Wilhelm-Denkmal vom ''Gersonschen Hause''. Was außerhalb aller dieser verschiedenen gewonnenen Gesichtspunkte fällt, darf getrost als Mißbrauch verurteilt werden. So durften die Blätter in ihren Berichten über die Kaisertage in Bayern 1891 nicht von der ''Abfahrt der prinzlichen Wagen'' statt ''der Wagen des Prinzregenten'' schreiben und ein Jurist im N. Pitaval nicht von ''der Treppe zum prinzlichen Schlafzimmer'' oder gar Zeitungen vom ''Mozartschen Sterbetage, dem kanzlerischen Hause, dem Falkschen Rücktritte, der kultusministerlichen Rede, bergbaulichen Interessen, der kaiserlichen'' oder gar ''der Verehrung der präsidentiellen Person'', und (1919) ''die weltanschaulichen Jünger Stefan Georges''. Und wen der Schreck über die eben vorgeführten Ungetüme nicht heilt, der findet vielleicht die Abkehr von einer viel mitgemachten Abgeschmacktheit, wenn er über ''den fürstlichen Pfau'' lacht, den ein Bedienter den Besuchern eines Schlosses gezeigt hat, oder über ''die justizrätliche Katze'', von der es freilich nur noch ein Katzensprung ist gleich bis zu zwei so falschen Adjektiven in einem Satze der Gartenlaube: ''„Die väterlichen Worte frischten ein halberloschnes Bild in der töchterlichen Erinnerung wieder auf"''. Aber der häufige Ausdruck ''mein elterliches Haus'' (statt: ''Elternhaus'') ist meist nicht viel schöner.
Nach dem Unterschiede, der sich zwischen den beiden Zeiten herausgebildet hat, wird die zweite Vergangenheit gewählt, wenn etwas Vergangenes als jetzt oder für immer abgeschlossen, noch fortbestehend oder fortwirkend, also vom Stand- $Seite 356$ punkte der Gegenwart und des Sprechenden aus dargestellt wird, ohne daß es als Glied einer Kette sich in innerm Zusammenhange entwickelnder Ereignisse bezeichnet werden soll. Die erste Vergangenheit hat dagegen die Aufgabe, vergangene, ehemalige Tätigkeiten und Zustände in ihrem Verlaufe und ihrer Dauer auszudrücken, eine Kraft, die heute darin am fühlbarsten wird, daß es zur Beschreibung und Schilderung vergangner Handlungen und Zustände, Sitten und Gebräuche verwendet wird. Aber eine Ausstrahlung derselben Kraft ist auch seine zweite Aufgabe, im Nebensatze zu jeder in Zeiten der Vergangenheit (Imperfekt, Perfekt und Plusquamperfekt) ausgedrückten Handlung der Vergangenheit die begleitenden Umstände anzugeben, kurz die Gleichzeitigkeit in der Vergangenheit auszudrücken. Freilich konnte es zu diesen Zwecken erst verwendet werden, nachdem es gegenüber dem jüngern und in der angedeuteten Weise verwendeten Perfekt vermöge seiner urersten Kraft, die Vergangenheit schlechthin zu bezeichnen, vor allem die eigentliche Zeitform für die Erzählung geworden war. Denn in ihr versetzt uns ja der Erzähler aus der Gegenwart hinweg in den Zusammenhang der sich entwickelnden Ereignisse, in deren Gegenwart und Gleichzeitigkeit und stellt sie so in ihrer lebendigen Beziehung und Wechselwirkung dar. Also wenn die Gleichzeitigkeit mit einem Ereignisse in einem Nachbarsatze oder mit einer einfachen Zeitangabe angedeutet ist und wenn genau oder nur ganz ungefähr die Frage ''wann?'' beantwortet, wenn ein gewisser Zusammenhang der Ereignisse und eine innere Teilnahme des Sprechenden ausgedrückt werden soll, dann wähle man das Imperfekt; die Angabe einer Tatsache schlechthin, ohne Rücksicht auf ihren Zusammenhang mit dem Nachher und Vorher und überhaupt auf den Zeitpunkt ihrer Ausführung entscheidet für die Wahl des Perfekts.
Noch weniger als solche Sätze, in denen ein Formwort nur einmal
gesetzt ist, darf man andre tadeln, in denen ein bedeutungsvolleres Wort
in mehr oder minder großer Verschiedenheit der Bedeutung verwandt
und doch nur einmal gesetzt ist. So bei Goethe: ''Die Reformation versetzte das Kloster in die Wüste'' (bildlich),'' worin'' (wörtlich) ''es entstanden war''; bei Scherer: ''Klinger stieg aus unklaren Versuchen, aus Dramen von Kraftflegelei, aus maßlosem revolutionärem Tatendrang zu gefaßter Männlichkeit, reicher Lebenserfahrung und hohen russischen Würden empor''; oder in dem ebenso knappen als wirkungsvollen Satze aus einem Armeebefehle Friedrich Karls: ''Laßt eure Herzen zu Gott schlagen'' (übertragen) ''und eure Fäuste auf den Feind'' (eigentlich). Denn hier wird die Wirkung des Wortspiels, die schon in dem Reize der Neuheit liegt, noch dadurch erhöht, daß ein Wort so unmittelbar nacheinander in verschiedener Bedeutung steht, durch die Antanaklasis, wie das bereits die alten Rhetoren, also als ein Kunstmittel benannten. Nur muß der Gedanke neu und eigenartig genug sein, um eines so außergewöhnlichen Mittels gewürdigt werden zu dürfen. Ist er zu gewöhnlich, so verrät sich in solch doppelsinniger Anwendung desselben Wortes nicht Neuheit und Eigenart, sondern — Spracharmut und Unklarheit, wie in dem bereits von Heyse getadelten Satze: ''Die Wasserfahrt unterblieb, weil sie ihm zuviel Kosten und ich mir nichts daraus machte''; ebenso in dem der Tgl. R.: ''Trochy hat endlich den großen Ausfall und 40 000 Preußen kampfunfähig gemacht'', und in dem eines Allerjüngsten (H. Johst): ''Werner hatte nach Tisch'' (= nach der Essenszeit), ''an den er sich mit der ganzen Hingabe seines Alters gesetzt hatte, bis jetzt geschlafen''. +
Noch schlimmer ist der Mißbrauch, der mit ''bedingen'' getrieben wird, so schlimm, daß Wustmann mit Recht sagte: ,,Wo der Deutsche eine dunkle Ahnung davon hat, daß zwei Dinge in irgend einem ursäch- $Seite 446$ lichen Zusammenhange stehn, aber weder Neigung noch Fähigkeit, sich und andern diesen Zusammenhang klar zu machen, so sagt er: ''das eine Ding bedingt das andere''." Man kann es sich nämlich wohl gefallen lassen, daß ''bedingen'', dem Zusammenhange mit ''ausbedingen, bedungener Lohn, Bedingung'' noch entsprechend, in der Bedeutung von ''erheischen, fordern, voraussetzen'' gebraucht werde: ''eine gute Übersetzung bedingt Verständnis des Urtextes und Herrschaft über die Sprache, in die man übersetzt''. Immerhin ist auch da das Verhältnis ''des Bedingenden'' — das ist das Verständnis des Urtextes usw. — und ''des Bedingten'' — das ist die von jenem abhängige gute Übersetzung — wenigstens der Form nach schon verschoben; denn es heißt ja: ''die gute Übersetzung bedingt'', d. h. ''ist bedingend''! Aber vollends nicht zu rechtfertigen ist es, daß dieser Ausdruck, der den Eintritt eines Falls immer nur als möglich von dem auch nur erst möglichen Eintritt eines andern abhängig macht, auch das Verhältnis der tatsächlichen Folge zur bestimmt gegebenen Ursache und umgekehrt bezeichnen soll, und daß nun statt der mannigfachsten Bezeichnungen der verschiedensten Verhältnisse wie ''veranlassen, verursachen, hervorrufen, zur Folge haben, herkommen, abhängen'' u. v. a. als allein zulässig die schlottrige Kommißform ''bedingen'' und ''bedingt sein'' angelegt wird. ''Da bedingt'' (statt: ''führt herbei'') ''trockne Witterung eine Zunahme der Halskrankheiten'' oder ''die Zunahme der Halskrankheiten ist von trockner Witterung bedingt'' (statt ''verursacht''). ''Der Verlagsort eines Werkes bedingt den größeren oder geringeren Absatz desselben'' (statt ''hat zur Folge, ist der Grund davon''). Selbst ein Zittauer Schuster, der sich vom Fuße jedes Kunden einen Abguß machte, zeigte schon an, daß ''dieses Verfahren unbedingt zugleich die größte Bequemlichkeit und den knappsten Sitz bedinge'' (statt ''sichere, gewährleiste, verleihe''). Auch Schüler schreiben schon, daß ''Rüdigers Dienstverhältnis zu Etzel, sein Gelöbnis an Kriemhild und seine Gastfreundschaft und junge Verwandtschaft mit den Burgunden den schweren Kampf der Pflichten bedingen mußten''. Das Schlimmste ist es aber, wenn bei der passivischen Wendung ''bedingt sein'' das ''Erfordernde, Voraussetzende, Bedingend''e durch ein unerklärliches Kunststück zum ''Geforderten, Vorausgesetzten, Bedingten'' gemacht, also Folge und Ursache völlig umgekehrt werden, wenigstens formell. Heißt doch der sachlich und allenfalls auch sprachlich richtige Satz: ''Die größte, die innere Zufriedenheit bedingt'' (= ''fordert, setzt voraus'') ''Pflichterfüllung und Selbstbescheidung'', anders als alle andern Sätze im Passiv: ''Die innere Zufriedenheit wird durch Pflichterfüllung und Selbstbescheidung bedingt''! Schließlich bildet freilich dieser Widerspruch nur die letzte Folge der oben bemerkten ersten Verrückung, und die passivische Fügung ''bedingt sein'' hängt mit der ursprünglichen Bedeutung des Zeitworts, wie sie auch in den Ausdrücken ''bedingender'' und ''bedingter Satz'' fortlebt, enger zusammen als die beliebte aktivische! Jedenfalls gibt es hier Wirrwarr durch und durch, und wer klar sein und reden will, meide alle diese bedingenden und bedingten Wendungen und nenne jedes Verhältnis beim rechten Namen. Sonst wird am Ende das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung selbst bei andern Ausdrücken ganz allgemein auf den Kopf gestellt, und es drücken sich auch andere Leute aus wie jener Photograph, der Versicherte, daß sein Verfahren auf das Wetter keinen Einfluß habe, oder der Zeitungsmann, der die Ursache eines Selbstmordes also er- $Seite 447$ klärte: ''Gänzliche Erwerbs- und Mittellosigkeit sind die Folgen jenes Schrittes''.
Wie unter den Hauptwörtern das Wort ''Gesichtspunkt'', so ist unter den Zeitwörtern das am unsinnigsten mißbrauchte Modewort jetzt ''bedingen''. Der erste Band von Grimms Wörterbuch (1854) erklärt ''bedingen'' durch ''aushalten, bestimmen, ausnehmen''. Im Sandersschen Wörterbuche (1860) sind folgende Bedeutungen aufgezählt und belegt: ''verpflichten, festsetzen, ausmachen, beschränken, von etwas abhängig machen'', außerdem eine Anwendung, die bei Grimm noch fehlt: ''eine Sache bedingt die andre'', oder passiv: ''eine Sache ist oder wird durch die andre bedingt''; das Aktivum erklärt Sanders hier durch ''notwendig machen, erheischen, erfordern'', das Passivum durch ''abhängig sein von etwas''.
Nun vergleiche man damit den heutigen Sprachgebrauch (der Sinn, in dem das Wort gebraucht ist, soll stets in Klammern hinzugefügt werden). Da schreiben die einen: ''eine Laufbahn, die akademische Vorbildung bedingt'' (''voraussetzt, verlangt, erfordert, erheischt, notwendig macht'') — ''der große Aufwand, den die Aufführung dieser Oper bedingt'' (ebenso) — ''die angegebnen Preise bedingen die Abnahme des ganzen Werkes'' (''machen zur Pflicht'') — ''die Ausgaben für Saalmiete, Beleuchtung und Annoncen bedingen einen Berg von Kosten'' (''verursachen'') — ''unsre ganzen Zeitverhältnisse bedingen den zurückgegangnen Theaterbesuch'' (''sind die Ursache, bringen mit sich, sind schuld an'') — ''die Lage der Bergarbeiter zu studieren, ist es nötig, auch die Verhältnisse zu berühren, die diese Lage bedingen'' (''schaffen, hervorbringen, hervorrufen, erzeugen'') — ''der Sand- und Lehmboden bedingt eine besondre Flora'' (ebenso) — ''dieses Korsett bedingt eleganten Sitz'' (!) ''des Kleides'' (''schafft, bewirkt'') — ''der humanistische Charakter des akademischen Studiums bedingt das ganze Wesen unsrer Universitäten'' (''ist von Einfluß auf'') — ''bei Lessing bedingte stets die kritische Einsicht das dichterische Schaffen'' (ebenso) — ''Tatsache ist, daß gewisse Affekte den Eintritt des Stotteranfalls'' $Seite 381$ ''bedingen'' (''herbeiführen'') — ''die Stellung der Türen in den Wänden bedingt wesentlich die Nutzbarkeit der Räume'' (''von ihr hängt ab)'' — ''nur körperliches Leiden'' (''Laokoongruppe!'') ''bedingt eine so gewaltsame Anspannung aller Muskeln'' (''macht erklärlich, macht begreiflich'') — ''dieser Zweck bedingt sowohl die Mängel als die Vorzüge des Werkes'' (''aus ihm erklären sich'') usw.
Nun der passive Gebrauch. Da wird geschrieben: ''die hohen Ränder des Sees und der dadurch bedingte Reichtum malerischer Wirkungen'' (''geschaffne'') — ''diese durch die Lage Englands bedingte Gunst des Glückes'' (ebenso) — ''durch die Verkehrserleichterungen ist ein Rückgang des Kommissionsgeschäfts bedingt worden'' (''bewirkt worden, herbeigeführt worden'') — ''die durch die Großstadt bedingte Vermehrung der Arbeitsgelegenheit'' (''bewirkte, verursachte'') — ''die Krankheit wird durch den Genuß des schlechten Mais bedingt'' (''entsteht'') — ''der Ausfall der Wahlen ist durch unzählige nicht in der Macht der Regierung liegende Verhältnisse bedingt'' (''hängt ab von'') — ''die Zulassung zur Fakultät war durch den Nachweis des philosophischen Magistergrades bedingt'' (''hing ab von'') — ''der Erfolg des Mittels war durch die Zuverlässigkeit der Leute bedingt'' (ebenso) — ''die Überholung Leipzigs durch Berlin ist durch die Macht der äußern Verhältnisse bedingt'' (''ist die Folge'') — ''diese Aussichtslosigkeit war durch die seit drei Jahren gemachte Erfahrung bedingt'' (''war entstanden, war die Folge'') — ''Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt'' (''entsteht'') — ''die Gefahr für den innern Frieden ist durch den Gegensatz zwischen Besitz und Besitzlosigkeit bedingt'' (''liegt in, beruht auf, entsteht aus'') — ''die durch den Reichtum bedingten Lebensgenüsse'' (''ermöglichten'') usw.
Überblicken wir die angeführten Beispiele, so ergibt sich folgendes. Die einen gebrauchen ''bedingen'' in dem Sinne von: ''zur Voraussetzung haben''. ''A bedingt B'' — das heißt: A hat B zur Voraussetzung, A hängt von B ab, A ist undenkbar, wenn nicht B ist, A verlangt also, erheischt, erfordert B. Das ist die vernünftige und berechtigte Anwendung des Wortes: aus ihr erklärt sich das Wort ''Bedingung''. ''Die Auf-'' $Seite 382$ ''führung der Oper bedingt großen Aufwand'' — das versteht jedermann; es heißt: ''die Oper ist ohne großen Aufwand nicht aufführbar'', der Aufwand ist die Voraussetzung, die Bedingung einer guten Aufführung.
Nun gebrauchen aber andre das Wort in dem Sinne von ''bewirken'' und den zahlreichen sinnverwandten Wörtern (''schaffen, erzeugen, hervorbringen, hervorrufen, verursachen, zur Folge haben''). ''A bedingt B'' — das heißt dann: A ist die Ursache von B.
B wird durch A bedingt heißt: B ist die Folge von A. Wie dieser Bedeutungswandel möglich sein soll, ist unverständlich; es ist schlechterdings nicht einzusehen, wie der Begriff der Voraussetzung zu dem der Hervorbringung soll werden können.
Es wird aber noch ein weiterer Schritt getan, namentlich in der passivischen Anwendung des Wortes. ''B wird durch A bedingt'' — das heißt nicht bloß: B wird durch A bewirkt, sondern B wird nur (!) durch A bewirkt, es kann durch nichts andres entstehen als durch A, also mit andern Worten: B hat A zur Voraussetzung. Und da wären wir denn glücklich bei der vollständigen Verrücktheit angelangt. Denn wenn es ganz gleichgültig ist, ob jemand sagt: ''A hat B zur Voraussetzung'', oder ''B hat A zur Voraussetzung, B ist die Voraussetzung von A'', oder ''A ist die Voraussetzung von B'', wenn das beides (!) mit dem Satze ausgedrückt werden kann: ''A bedingt B'' (oder passiv: ''B wird durch A bedingt''), mit andern Worten: wenn es ganz gleichgültig ist, ob jemand sagt ''bedingen'' oder ''bedingt werden'', so ist das doch die vollständige Verrücktheit. Auf diesem Punkte stehen wir aber jetzt. Geschrieben wird: ''Glück wird durch Leistungsfähigkeit bedingt — die Zulassung zur Fakultät wurde durch den Magistergrad bedingt'', also aktiv ausgedrückt: ''Leistungsfähigkeit bedingt Glück — der Magistergrad bedingte die Zulassung zur Fakultät''. Gemeint ist aber: ''Glück bedingt'' (d. h. ''ist nicht denkbar ohne'') ''Leistungsfähigkeit — die Zulassung zur Fakultät bedingte'' (d. h. ''war nicht zu erlangen ohne'') ''den Magistergrad''.
Man übertreibt nicht, wenn man den gegenwärtigen $Seite 383$ Gebrauch von ''bedingen'' etwa so bezeichnet: wenn der Deutsche eine dunkle Ahnung davon hat, daß zwei Dinge in irgend einem ursächlichen Zusammenhänge stehen, aber weder Neigung noch Fähigkeit, sich und andern diesen Zusammenhang klar zu machen, so sagt er: ''das eine Ding bedingt das andre''. In welcher Reihenfolge er dabei die Dinge nennt, ob er sagt: ''Kraft bedingt Wärme'' oder: ''Wärme bedingt Kraft'', ist ganz gleichgiltig; der Leser wird sich schon irgend etwas dabei denken.
Soll man sich denn aber nicht darüber freuen, daß dieses Wort eine so bewundernswürdige Verwandlungsfähigkeit erlangt hat? Wenn es vor vierzig Jahren, wie die Wörterbücher zeigen, nur einen kleinen Bruchteil der zahlreichen Bedeutungen hatte, die es heute hat, so ist das doch ein Beweis für die wunderbare Triebkraft, die noch in unsrer Sprache lebt. Aus einem einzigen Wort entfaltet sie noch jetzt einen solchen Reichtum! — Die Sache ist doch wohl anders anzusehen. Wenn zwanzig sinn- und lebensvolle Wörter und Wendungen, die zur Verfügung stehen, und die die feinste Schattierung des Gedankens ermöglichen, verschmäht werden einem hohlen, ausgeblasnen Wortbalg wie diesem ''bedingen'' zuliebe, so ist das weder Reichtum noch Triebkraft, sondern nur eine alberne Mode und zugleich ein trauriges Zeichen von der zunehmenden Verschwommenheit unsers Denkens.
Endlich noch ein Unterschied zwischen dem starken und schwachen Verbum, der einst durchging, heute freilich nur noch zum Teil besteht, zeigt sich in der Einzahl der Befehlsform. Einst nur von den schwachen Verben auf ''e'' endigend (''rette, labe, erhöre''), sowie von den wenigen starken, deren Gegenwart der der schwachen gleichgebildet war, d. h. von ''bitten, liegen, sitzen, schaffen, heben'' und ''schwören'' //1 Bei diesen letzten drei erklärt sich eben daraus auch, daß sich ihr Stammvokal im Präsens nicht ändert. Von ''heben'' wird, nebenbei bemerkt, neben ''hob'' jetzt ''hub'' wieder häufiger, besonders bei ''anheben'' = ''anfangen''.// , wird er heute fast schon von allen starken Zeitwörtern so gut mit als ohne ''e'' gebildet, also: ''komme'' und richtiger ''komm'' (nicht ''komm'''), ''falle nicht'' und ''fall nicht!'' //2 Es widerstreitet zu sehr dem Gebrauche, wenn man von allen starken Verben nur die Form ohne ''e'' gelten lassen will. Berechtigter ist es, wenn Wolzogen, a. a. O. (S. 322) die Form mit ''e'' besonders für solche Fälle empfiehlt, wo dadurch Deutlichkeit oder Rhythmus gewinnt; dieser war ja ehemals ebenso bestimmend, schon vom Mittelhochdeutschen her, für die Wahl der jetzt ganz ausgestorbenen Form mit ''e'' in der l. und 3. Sing. des Imperfektums starker Verben, die noch Goethe oft hat: ''ich, er sahe'' statt ''sah''.// Nur diejenigen Verben, die neben dem ''e'' (''ä'' oder ''ö'') des Stammes in der 2. und 3. Pers. der Einzahl in der Gegenwart ''i'' oder ''ie'' haben (§ 110), bilden ihn mit der einzigen Ausnahme von ''werden'' (''werde!'') noch durchaus ohne ''e'': ''gib! hilf!''
Nach alledem wird man wissen, was für eine Stellung man zu Formen einzunehmen hat wie ''vermesse! lese!'' bei Goethe, ''empfehle!'' bei $Seite 93$ Bismarck und zuvor ''esse!'' bei Bonfels. Falsch steht auch in der Deutschen Z. ''er gebärt'', in der Nat.-Z.: ''er fechtet'', und bei einem neuern Herausgeber Kants, der dessen richtige Form schlimmbessert: ''er verflechtet''. Platen hat regelmäßig ''er hangt'' statt ''hängt''; ganz besonders sind in dieser Unterlassung des Umlautes die österreichischen und süddeutschen Blätter eifrig, daher auch die Münchner Bilderbogen: ''er ratet, lauft, tragt, fangt'' ist dort sehr geläufig. Nichts mehr zu ändern ist an der Form ''Siehe!'' als Befehlsform; aber eine arge Verwirrung ist es, wenn nun auch ''Da seh!'' also die Konjunktiv- als Befehlsform gesetzt wird, z. B. in der Deutschen Z., und umgekehrt die Befehlsform als Konjunktiv: ''Sieh mal einer die Christine an!'' (Jos. Ponten 1918).
''Lasset, laßt uns gehen''. Diese schwerfällige Umschreibung der
Aufforderung an uns selbst statt des einfachen ''Gehen wir!'' die auf den in sprachlichen Dingen sonst so feinfühligen Luther zurückgeht, erscheint gar verbalhornt bei R. Herzog: ''Lassen wir uns freuen, daß wir mit'm blauen Auge durch et Leben gekommen sind''.
Bei schuldig und wert stehn die beiden Fälle jetzt in verschiedener Bedeutung. Im 4. Falle stehen Wertangaben: ''einen Taler schuldig, ... wert sein''; im Genetiv (der Ursache) steht die Strafe (''des Todes schuldig'') und das Verbrechen, das jedoch auch mit ''an'' angefügt werden kann: ''an etwas unschuldig sein, der Brandstiftung schuldig''. Nach Art der Eingaben des bloßen materiellen Preises werden auch abschätzige übertragene Wertbestimmungen in den 4. Fall gesetzt: ''keinen Schuß Pulver, nicht soviel, keinen Pfifferling, keine Auszeichnung wert sein'', überhaupt Eingaben, die durch verdienen mit 4tem Fall ausgedrückt sein könnten, mit dem ''wert sein'' in diesen Fällen gleichbedeutend ist. Wenn der innere Wert, die Würde bestimmt wird und ''wert sein'' mehr ''würdig sein'' (einem Ideale, einem Vorbilde entsprechen) bedeutet, ist der Genetiv nötig, je feiner und innerlicher der Ausdruck gemeint ist, desto mehr: ''Sei des Namens deiner Väter wert.'' +
Ein schwerer Verstoß gegen das Wesen und den innern Geist
der Beifügung besteht darin, daß in der Form der Beifügung nicht Eigenschaften oder Verhältnisse des Ortes, der Zeit, der Art oder des Grundes angeführt werden, die dem Hauptworte, sei es auch nur in dem einzelnen vorliegenden Zusammenhänge innewohnen, sondern gelegentliche Bemerkungen, die für die (objektive) Einwirkung der durch die einzelnen Satzteile dargestellten Gegenstände und Mächte aufeinander ohne jeden Belang sind; so eine dem Leser gelegentlich gebotene subjektive Erläuterung oder Beurteilung, oder unbedingt fehlerhaft Vergleiche, die in dieser Form der Wirklichkeit und Geschichte widersprechen, Folgerungen, die unter Umständen hätten eintreten können oder die erst nach Ausführung der durch die Verbindung von Prädikat und Objekt ausgedrückten Tätigkeit wirklich eingetreten sind. Zu jener weniger schlimmen Art gehört ein solcher Satz: ''Grolmann hat sich ein großes, freilich nicht immer anerkanntes Verdienst um den Geist der Armee erworben'' (M. Lehmann); allerdings bequemer als das Richtigere: ''er hat sich ... ein großes Verdienst erworben'' (sc.: das behaupte ich), wenn es auch nicht immer anerkannt wird. Deutlicher wird der Fehler schon an dem Satze von O. Ehlers: ''Der Einsiedelmann war nicht zu Haus, und ich mußte daher auf die mir sonst hochwillkommene Beihilfe dieses Herrn verzichten'', wo das Eigenschaftswort die Bedingungsform ersehen soll: ''die mir sonst hochwillkommen gewesen wäre''. Das stimmt wahrlich zu dem Stile der Staatsmänner des vorigen Jahrhunderts, deren einer z. B. nach Koser ''von einer darauf der Ordnung nach zu nehmen gewesenen'' (!) ''schriftlichen Abrede'' schrieb.
Doch was ist das schließlich gegen den Widersinn, der in Hunderte von Zeitungssätzen dadurch gebracht wird, daß die Folge, der Erfolg einer selbst vorher noch nicht gemeldeten Handlung schon mitgeteilt wird, ehe wir noch von ihrem Ziele und ihrer Ausführung erfahren haben; die kennen $Seite 185$ wir aber doch erst, sobald in Haupt- wie in mitteilenden Nebensätzen z. B. Verbum und Objekt oder in passivischer Fügung Subjekt und Prädikat vernommen worden sind. Ist es also nicht ein Widerspruch, wenn man liest: ''Die freisinnige Partei ließ einen freilich nicht beachteten Warnungsruf erschallen'' (statt: ... ''erschallen, freilich ohne daß er beachtet wurde''); ''Die Vertreter wollten noch einen letzten, jedoch auch nutzlosen Versuch machen, um die für ihre Gemeinde ungünstige Führung der Bahn von B. nach L. zu verhindern''. Diese schauspielernden Biedermänner, die sich von vornherein einen nutzlosen Versuch vornehmen! Etwas anders wäre es, wenn in demselben Zusammenhange schon über den Versuch gesprochen wäre, wie es etwa bei Goethe erst heißt: ''Einen Abend stritt die Gesellschaft, ob der Roman oder das Drama den Vorzug verdiene''; denn dann kann darauf Bezug genommen werden: ''Serlo versicherte, es sei ein vergeblicher, mißverstandener Streit''. Falsch heißt es wieder: ''Nur in X. stellte sich der Durchführung des Planes noch ein freilich schnell überwundenes Hindernis in den Weg''; wirklich: ein überwundenes Hindernis konnte sich noch in den Weg stellen? Auch der Satz Jensens: ''Das Kloster ward wiederum von badischen Soldaten besetzt und'' (1771) ''ein abermaliger, indes unglaublich schnell schon 1782 zu Gunsten des Markgrafen entschiedener Prozeß beim Reichskammergericht angestrengt'', läßt mit dem Kunststück, daß 1771 ein 1782 entschiedener Prozeß angestrengt wird, folgenden besonders starken Leistungen nicht viel draus: ''Scharnhorst vertauschte i. J. 1801 auf Anraten des bei Auerstädt'' (1806!) ''gebliebenen Herzogs v. Braunschweig'' (statt in Klammern: ''desselben, der später bei Auerstädt blieb'') ''den Hannoverschen Dienst mit dem preußischen''; und gar ''die schon einem Ludwig XIV. sehr gewohnte Friedensheuchelei des ersten Napoleon'', von dem sie jener doch gewiß nicht gelernt haben konnte!
Lediglich Einwirkung der Mundart Süddeutschlands und Österreichs ist es, wenn ''beiläufig'', das sich in der Schriftsprache in seiner ursprünglichen Bedeutung: ''im Vorübergehen, gelegentlich, nebenher'' festgesetzt hat, im Sinne von ''ungefähr'' angewendet wird. Nicht nur fast jede Seite dortiger Zeitungen weist diese Eigenart auf, sondern auch Bücher dorther: ''Das Klausenkirchlein ist beiläufig'' (statt ''etwa'') ''eine Stunde von Kitzbüchel entfernt'' (v. Hörmann). Besonders ebendort ist auch die Anwendung von ''mehr'' anstatt ''noch'' in bejahenden Sätzen üblich: ''Sie hatte nur mehr den einen Gedanken'' (Chiavacci). An dem Stifterschen Satze: ''Wir sahen den Park nur mehr als einen dunkeln Fleck in der Ferne liegen'', sieht man aber immerhin,
wie dieses mehr eine Unklarheit hervorrufen kann, indem es auch an das
eigentlich komparativische denken läßt. +
Dem § 239 ff. behandelten eigentlichen Beisatz sehr ähnlich und deshalb viel mehr mit schuld an dessen dort beklagter Verwahrlosung sind die erklärenden Zusätze des Schriftleiters oder persönliche Urteile und beiläufige Bemerkungen des Schriftstellers. In ihrer einfachsten Form sind das Erklärungen dem Leser unbekannter Namen, besonders von Örtlichkeiten, oder anderer dem Berichterstatter geläufiger Bezeichnungen, Fach- und anderer Ausdrücke, für die nach seiner Vermutung der Leser vielleicht einen Fingerzeig wünschen könnte: ''Auf dem linken Ufer des Ituri'' (Nebenfluß oder oberer Lauf des Aruwini); ''an der Abendkasse des neuen Theaters'' (Vorderhaus), — ''hier'' (Südufer des Victoria-Nyanza), — ''in der zweiten Arie'' (dritter Akt), — ''mit Wega'' (Waki, der fallende Vogel), — ''bis auf einige Seltsamkeiten'' (z. B. bei N. der Niagarafall, bei O. der Osterluzei) u. a. So häufig solche Erörterungen in dieser Form gemacht werden, würden sie doch auf den eigentlichen Beisatz nicht so zerstörend einwirken, wie es der Fall ist//1 Wie groß die Gefahr der gegenseitigen Einwirkung solcher Erklärungen und des eigentlichen Beisatzes ist, geht vielleicht am deutlichsten daraus hervor, daß auch in Fügungen, die sich durch Zusätze wie ''nebenbei'' (nämlich: ''gesagt ist es ...'') als klammern zu erkennen geben, die strenge Form der Apposition eindrang: ''Aus der schlesischen Stadt Haynau, nebenbei einer „unbestrittenen freisinnigen Hochburg“, wird gemeldet'' (Leipz. Zeit.).//, wollten es doch nur die Zeitungen alle noch machen, wie in den oben verzeichneten Fällen ehemals z. B. die alte Leipziger, nämlich Klammern anwenden. Der Redner gibt doch solche gelegentliche Erläuterungen auch in anderm Tone, und ganze Zwischensätze werden gewöhnlich durch Klammern oder Gedankenstriche abgesondert! Sind die Bemerkungen weniger so einfache Erklärungen der angegebenen Art, vielmehr persönliche Urteile, eigene Gedanken über eine Sache, so dürften die Gedankenstriche so angebracht als nötig sein, zugleich aber auch ausreichend, um gegen ungerechte Vorwürfe einer Regelverletzung sicherzustellen. Niemand wird also Ibsens Übersetzer Brausewetter tadeln, wenn er schreibt: ''Julian kommt durch Berührung mit neugriechischen Philosophen und dem Mystiker — wohl eine beabsichtigte Verkörperung St. Simonistischer Ideen — zum Kultus der Schönheit zurück''; denn da ist innerhalb der Gedankenstriche eine persönliche Vermutung über eine Rolle in die Angabe des objektiven Gedankenganges eingeschoben. Ganz ähnlich liegt es, wenn im Stücke selbst Julian die Worte in den Mund gelegt werden: ''Laßt uns der Welt das ungewöhnliche Schauspiel geben eines Hofes ohne Heuchelei — gewiß der einzige Hof in seiner Art — eines Hofes, wo Schmeichler zu den gefährlichsten Feinden gerechnet werden''. Eltze übersetzt: ''Ich bemerke zum ersten Male den Herzog'' $Seite 238$ ''von Leuchtenberg — ein langer, schlanker, gewöhnlich aussehender Mann'', und Friedr. Naumann schreibt: ''Dann zeigte er uns eine kalte Douche, ein Hochgenuß in dieser heißen Gegend''. Neueste Beispiele sind: ''Jedenfalls ist es des deutschen Volkes, an der Spitze sein Kaiser, unwürdig, aus Furcht den deutschen Lebensbaum zurückzuschneiden'' (G. Bl. Keim). ''— Im „Ritter Olaf“, neben den „Grenadieren“ die bedeutendste Ballade Heines'' (Witkop); ''Die Gesellschaft saß an der langen Tafel einer großen Stube, eigentlich mehr ein Saal, niedrig, gedrückt'' (H. Stehr); ''Gudrun bewohnte mit ihrer Mutter ein kleines villenartiges Häuschen — der Rest eines ehedem beträchtlichen Vermögens'' (O. Enking). Die Einspannung einer solchen Gelegenheitsangabe in den spanischen Stiefel des Beisatzes ergab dagegen den Widersinn der Heeresberichtsmeldung vom 15.2. 17: ''Die Gegner verloren gestern 7 Flugzeuge, von denen Leutnant von Richthofen 2 — seinen 20. und 21. Sieg, abschoß!''
Neben solchen wirklich subjektiven Urteilen treten aus dem objektiven Zusammenhange heraus auch gelegentliche Angaben über eine Stellung oder Bedeutung der genannten Person oder Sache, die auf das im objektiven Zusammenhange Dargestellte keinen Einfluß haben oder gar nur von einer ganz andern Zeit gelten als der im Zusammenhange behandelten. Sicher also ist für erläuternde Zusätze mit ''jetzt, heut, vollends, damals, früher, später, schon'' u. ä. die feste Form der Apposition nicht geeignet, da in dieser als einer eingeordneten begrifflichen Bestimmung nur Angaben über die Zugehörigkeit nach Art und Maße, einer gewissen Identität, der stehenden oder doch einer für den Einzelfall maßgebenden Eigenschaft, Stellung oder Bedeutung gemacht werden können. Sehr wohl konnte ein Kaufmann melden: ''Der Firma Meier, alleiniger Inhaber Müller, wird aufgegeben ...'', und die „Dolomiten" 25. 6. 28 berichten: ''Mit dem Dampfer Leviathan, heute das größte Schiff der Welt, kamen am Freitag 3238 Postsäcke an''. Vollends Goethe konnte nicht anders schreiben als: ''Der Zug wendete sich nach der inneren Stadt durch die Katharinenpforte, ein ehemaliges Tor und seit Erweiterung der Stadt ein offener Durchgang, da der Zug eben noch nicht durch einen offenen Durchgang, sondern durch ein Tor ging, wegen dessen Niedrigkeit unter seiner Spannung erst der Boden ausgehoben werden mußte''. Auch der Zeitungsschreiber, der den Satz gebaut hat: ''Man wollte in dem Verfasser des Poems allgemein Joh. Scherr, damals württembergischer Abgeordneter, erkennen'', hat richtig empfunden, daß man in dem Verfasser nicht J. Scherr den Abgeordneten, sondern den Menschen erkannt hat//1 Vgl. H. Wunderlich, Der deutsche Satzbau, 2. Aufl., Bd. 2 (S. 18 ff.).//.
Ein Stück weiter heißt es dort: ''Wilhelm dachte allerlei bei sich selbst, was er jedoch dem guten Menschen nicht ins Gesicht sagen wollte. Er ging also nur von weitem mit dem Gespräche um ihn herum''; und bei Grosse z. B. einmal: ''Es fehlte nicht an gesellschaftlichem Verkehr, wenn Ottokar und seine Gemahlin Zeit und Neigung dafür gehabt hätten; man lebte deshalb'' (= trotzdem) ''nicht einsam für sich hin''. Beide Sätze werden vor dem Richterstuhle peinlicher Grammatiker, die alles Gleichwertige in gleichartigen Sätzen auftreten sehen wollen, nur übel bestehn; und nicht besser vor denen, die den Begriff der beiordnenden Bindewörter, hier ''jedoch'' und ''also'', so pressen, daß sie nur sollen zwischen gleichartigen Sätzen stehn können. Doch man sage nur einmal dafür: ''er dachte allerlei bei sich selbst, wollte es jedoch dem guten Menschen nicht ins Gesicht sagen''; ''er ging also nur von ferne ... um ihn herum''; und: ''es fehlte nicht am gesellschaftlichen Verkehr; Ottokar und seine Gemahlin hatten aber'' $Seite 321$ ''keine ... Neigung dafür''; ''man lebte deshalb nicht einsam für sich hin''. Wer wollte leugnen, daß diese zweite Form der Sätze einförmig und kinderhaft erscheint gegenüber der von den Dichtern gewählten Abwechslung zwischen Haupt- und Nebensätzen? Mit dieser Erkenntnis wird sich zugleich die andre verbinden, daß sich beiordnende Bindewörter eines folgenden Hauptsatzes auch auf einen vorangehenden Nebensatz beziehen können: anreihende, wenn der in jenem Nebensatze ausgesprochene Gedanke einfach weitergesponnen wird, ebenso entgegensetzende, begründende oder schließende, wenn eben ausschließlich der Nebensatz je nach seinem Gegensatze, seinen Gründen oder Folgen beleuchtet wird. +
Beiordnende Bindewörter, die gewöhnlich zur Verbindung je zwei gleichgeordneter Satzteile oder je zwei gleichgeordneter Sätze dienen, stellen gelegentlich auch die Beziehung zwischen Wörtern und Sätzen her. Der Prunkstil freilich wird gleichwertigen Gliedern möglichst immer auch gleiche Form verleihen, der gewöhnliche ungezwungene Stil wird dagegen ganz wohl einem Hauptworte durch ''und'' und ''oder'' einen Satz gleichstellen dürfen, wenn er nur den gleichen grammatischen Wert hat. Gar nicht selten sind denn auch Fügungen wie: ''Nachrichten erhalten über die Niederlage bei Balls Bluff und wie mein Sohn dabei zu seinen Wunden gekommen ist'' (Eltze); ''Sie schrieben seinen Namen darauf und daß es eine Königstochter wäre'' (Grimmsche Märchen); ''Der Pilger betrachtete ihre anmutigen Züge und wie sie freundlich ihm zuwinkte und die Hand auf ihre linke Brust legte''; oder: ''Als Älterer und weil ich nur ein Weib, ersah er mich zum Spielwerk seiner Launen ''(Grillparzer). Vgl. S. 268, 2. Auf derselben Stufe steht auch der Junge, der einen Streich also rechtfertigt: ''Ich habe es aus Furcht vor dem Gelächter getan und weil mir's nichts so Schlimmes schien''; und nicht minder Nietzsche: ''Ich hieß sie ihre Lehrstühle umstürzen und wo nur jener alte Dünkel gesessen hatte''; und R. Hildebrand, wenn $Seite 314$ er schreibt: ''Ich möchte doch den Bildungswert noch weiter zeigen, den der Unterricht im Althochdeutschen ... haben kann. Einmal für die Übung und Ausbildung des geschichtlichen Denkens, dessen Wichtigkeit nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Auch um zu zeigen wie'' usw. Namentlich Goethe faltet in dieser Weise gern einen substantivisch begonnenen Satzteil dann in Sätze auseinander: ''Auf uns selbst und was uns schadet und nützt zu achten. Man vergegenwärtige sich die ... Pfeiler von ... Spitzgebäudchen begleitet und wie zuletzt jede Rippe, jeder Knopf ... als Naturgebilde erscheint''. +
Mit der einfachen Apposition, sollte man meinen, müßte es besser stehen, da ihr Wesen so klar und deutlich als nur möglich in ihrer Begriffsbestimmung ausgesprochen liegt, wonach sie bekanntlich die Erklärung eines Hauptwortes durch ein anderes in demselben Falle ist. Aber auch hier wirken viele Kräfte, die vom rechten Wege abziehen! Die erste Quelle aller Fehler ist eine leidige Bequemlichkeit, in der hoch und niedrig, gelehrt und ungelehrt, kurz alles, was die Feder führt, zusammentrifft. +
Selten ist dagegen die Beziehung eines Beisatzes auf ein Possessiv, d. h. auf den darin liegenden Genetiv. Ohne ''als'' kommt sie eher vor, und zwar mehr dichterisch mit Nachstellung, wie in den Worten Theklas im Wallenstein: ''Ich kannte mich als seine Tochter nur, des Mächtigen''; in Prosa dagegen gewöhnlich eingeschoben: ''Du wirst doch wenigstens meine, deines Freundes Hilfe annehmen!'' Doch auch mit ''als'' ist sie nicht unmöglich: ''Ein Teil ist mein als eures Gesellen'' (Luther). Im allgemeinen ist man aber einem solchen Genetiv abgeneigt, außer wenn er durch ein eingeschobenes ''der, die, das'' eine Stütze erhalten kann. ''Auch wenn nach Jahrtausenden'', hieß es in einer Würdigung Luthers, ''die Geschichte einmal nur noch nach den allergrößten Männern fragt, wird sie Luther nicht vergessen und seinen Namen preisen als den eines Befreiers der Geister''. Sonst treten solche Hauptwörter, die als wirklicher Beisatz eigentlich in den Genetiv gehörten, gern in die Fügung der oben erläuterten Satzaussagen über; und da hier die Unbequemlichkeit, einen Genetiv auf ein besitzanzeigendes Fürwort zu beziehen, noch mit der Schwierigkeit zusammentrifft, Apposition und prädikative Aussage neben Substantiven zu unterscheiden, ganz zu schweigen von dem Zuge der Sprache zum Einfachsten, so wird man diese kleine Grenzüberschreitung wohl einfach zugestehn dürfen. Sonach dürfte ein Satz wie der: ''Seine Voreingenommenheit als erster Herausgeber''//1 Die Schwierigkeiten verursachende Fügung rührt in sehr vielen Fällen, deren einige schon oben im Verlaufe der Darstellung durch ein Sternchen (*) kenntlich gemacht sind, von dem bedenklichen Zuge unserer Sprache her, alles in Attribut + Substantiv zusammenzudrängen; z. B. könnte man besser schreiben: ''Daß er als erster Herausgeber voreingenommen ist, kann nicht geleugnet werden'', und statt wie oben angeführt ist, also: ''Daß Fürst B. im Kreise Geestemünde als Kandidat aufgestellt wird, ist Tatsache''.// ''kann nicht geleugnet werden'', oder: ''in seiner Antrittsrede als Professer an der Universität Jena'' (Hagen-München), so wenig zu beanstanden sein als jene Worte, mit denen Wilhelm I. einst sein Fernbleiben vom Frankfurter Fürstentage begründete: ''Meine Pflichten als König von Preußen und als deutscher Fürst gestatten mir nicht, den Entwurf als die Grundlage einer neuen Bundesverfassung anzunehmen''.
1. Etwas überflüssiges belieben auch überwiegend die Berichterstatter der Zeitungen zu leisten, indem sie sich zur Wiederaufnahme einer soeben durch Hauptwort, Namen oder Titel bezeichneten Person innerhalb desselben Satzgefüges nicht eines Fürwortes bedienen, das doch zugleich die Knappheit und Deutlichkeit förderte, sondern einer anderen neuen substantivischen Bezeichnung; wenn an erster Stelle der Titel gestanden hat, ist dies gewöhnlich der Name, wenn dieser vorangegangen ist, der Titel. Durch dieses Zuviel aber erreichen sie nichts, als daß sie bei den nicht gleich gut unterrichteten Lesern leicht den Wahn hervorrufen, es sei von verschiedenen Personen die Rede. Wozu also, wenn damit nichts gewonnen wird, der Überfluß von Aufwand zu sagen: ''In dem Schreiben Benedettis hatte der frühere Botschafter angekündigt''? (statt nach § 390): ''in seinem Schreiben hatte Benedetti'', oder auch mit andern als Personennamen: ''Graf Arnim, der eine Wohnung in Versailles hat, reitet zuweilen nach der Stadt Ludwigs XIV.'' (statt: ''dorthin''). Etwas anderes ist es selbstverständlich, wenn in demselben oder in einem neuen Satze durch die neue Bezeichnung eine die neue Aussage begründende Eigenschaft oder ein den Fortschritt der Handlung bezeichnender Zustand hervorgekehrt werden soll. So in dem Satze: ''Fritz brauchte damals nur den Rat seines alten Lehrers zu befolgen; der erfahrene (kundige) Mann hat noch immer gut geraten''. +
Die meisten wähnen in Beziehung auf das nämliche Hauptwort einer äußerlichen Abwechslung halben aus ''welcher'' in ''der'' und aus ''der'' in ''welcher'' übergehen zu müssen. So sind denn in Büchern und noch mehr in Zeitungen wie Sand am Meer Sätze mit solch unnötigem Wechsel wie im folgenden Beispiel oder dem umgekehrten: ''Die Stellung ist ähnlich der des Beherrschers aller Reußen, welcher auf der einen Seite die altrussische Partei zu beeinflussen sucht und der'' (statt: ''welcher'') ''auf der andern Seite gegen das Eindringen der Zivilisation des Westens doch keine uneinnehmbare Barrikade bauen kann''. Freilich auch G. Keller ist gern aus der kürzeren in die längere Form übergegangen: ''ein Mensch, mit dem es keiner gut meine und welchem niemand glauben wolle; über einen Gegenstand, der mich nahe angeht und welchen ich euch gleich vorlegen werde''. Tatsächlich ist die richtige Wahl zwischen den beiden Relativen zu treffen gerade leicht genug! Beziehen sich nämlich mehrere Relative auf ein und dasselbe Haupt- oder Fürwort, so gebührt ihnen allen dasselbe Fürwort, also entweder allen ''welcher'' oder allen ''der''. So heißt es musterhaft bei Goethe: ''weil mein Sohn, für den ich alles eigentlich getan und eingerichtet, dem ich es zu übergeben, mit dem ich noch es zu genießen hoffte, an allem keinen Teil nimmt''; $Seite 288$ und mit dreimaligem ''welcher'' bei Schiller: ''(So) ist es die Dichtkunst beinahe allein, welche die getrennten Kräfte der Seele wieder in Vereinigung bringt, welche Kopf und Herz, Scharfsinn und Witz, Vernunft und Einbildungskraft in harmonischem Bunde beschäftigt, welche gleichsam den ganzen Menschen in uns wieder herstellt''.
Ebenso zweifelsohne gebühren aneinandergereihten Relativsätzen verschiedener Stufen, also solchen, von denen der spätere vom frühern abhängt, auch verschiedene Formen des Einleitungswortes. Ganz richtig wechselt also „Frau Rat" in einem Briefe feinfühlig: ''Wollen Sie von einer Frau einen Rat annehmen, die zwar von der ganzen Medizin nicht das Mindeste versteht, die aber doch Gelegenheit gehabt hat, mit vielen Menschen in genauer Verbindung zu stehn, welche von diesem Übel geplagt wurden ...'' Auch in den Briefen der Tochter P. Richters (E. Förster) sieht man dieses und ebenso das erste Gesetz fast ausnahmslos beachtet; so wenn sie schreibt: ''Die Quelle wird zum Strome geschnellt von all den Bergwässern, die die Natur einer jeden zuschickt, welche sie aus der Tiefe an die Oberfläche heraufschickt''. Nur Abarten dieses zweiten Falles sind es, wenn an einen Relativsatz zweiter Stufe sich gar ein dritter der dritten und an diesen noch einer der vierten schließt; besser dürfte man das vielleicht sogar Afterarten nennen, da solche Sätze selten wohlklingen werden. Immerhin ist es auch da besser, dem Relativsatze der zweiten Stufe ein andres Fürwort zu geben als dem der ersten und diesen Wechsel unter Umständen auch zwischen denen der dritten und vierten Stufe wiederkehren zu lassen, wenn nicht bei nur drei Gliedern einmal wie ''er, ...sie, ...es'' aushelfen kann. Schiller wechselt z. B. so in einem Gefüge, dessen Relativsätze nicht einmal alle einer vom andern abhängen: ''Eine geistreiche ... Nation hat die Inquisition mitten auf dem Wege zur Vollendung gehalten, aus einem Himmelsstriche, worin es heimisch war, das Genie verband, und eine Stille, wie sie auf Gräbern ruht, in dem Geist eines Volkes hinterlassen, das vor vielen andern, die diesen Weltteil bewohnen, zur Freude berufen war''. Das Beispiel weist in den zwei letzten Sätzen zugleich auf ein Nebenmittel hin, vielfache Beziehungsverhältnisse deutlich zu unterscheiden: wenn nämlich zwei der Beziehungswörter verschiedenen Geschlechts oder verschiedener Zahl sind, dann können sich schon infolgedessen die Formen des kurzen Relativums ''der, die, das''; den, das deutlich genug unterscheiden, ohne daß es eines weiteren Wechsels bedürfte. Schiller, der sonst bei nur zwei Relativsätzen ziemlich gewissenhaft wechselt, schreibt dann ruhig: ''mit totem, unfruchtbarem Golde, das nie in die Hand zurückkehrt, die es weggab'', und in der Nat.-Ztg. war auf diese Weise geschickt eine dreifache Beziehung verdeutlicht: ''eine Begegnung, die Ranke 1870 mit Thiers gehabt hat, der damals auf jener Rundreise an den europäischen Höfen begriffen war, auf welcher er mildere Bedingungen für seine Landsleute zu erreichen suchte''.
Der dritte Fall ist der, daß sich an verschiedene Wörter des nämlichen Satzes Relativsätze anschließen. Hier wegen der Beziehung auf verschiedene Wörter zwischen den beiden Relativen zu wechseln, was nicht verboten werden soll und oft vorkommt, ist doch durchaus nicht nötig; rückt doch in solchen Fällen der Relativsatz ohnedies näher an sein Beziehungswort, so daß schon dadurch Mißverständnissen vorgebeugt wird. Vielmehr dient $Seite 289$ es zur Erhöhung des Ebenmaßes, wenn solche zu verschiedenen Wörtern zu beziehende, aber doch der gleichen Stufe angehörige Sätze in derselben Form auftreten, wie auch gewöhnlich bei Goethe: ''Der Bruder hat unter der Truppe eine Tänzerin, mit der er schön tut, ein Aktricechen, mit der er vertraut ist, in der Stadt noch einige Frauen, denen er aufwartet.''
Und doch wird man gar manche Sätze billigen müssen, die äußerlich betrachtet den nämlichen Fehler wie die vier angeführten enthalten, daß sie nämlich besonders infolge Gemeinsamkeit des Subjekts zusammengezogen sind, obwohl das einleitende gemeinsame Fürwort nicht für beide paßt. Oder hätte einer, der mit Bewußtsein auch für die sprachliche Schönheit in einem Musterwerke deutscher Prosa wie den ersten Büchern von Wilhelm Meisters Lehrjahren gelesen hat, wirklich einen ähnlichen Ruck wie bei den oben angeführten Sätzen erhalten, wenn er dort auf den ersten Seiten die folgenden las? ''Dagegen waren mir unter den Büchern des Großvaters die deutsche Schaubühne und ital.-deutsche Opern in die Hände gefallen, in die ich mich sehr vertiefte und jedesmal nur erst vorne die Personen überrechnete und dann sogleich zur Aufführung des Stückes schritt''. — ''Marianne schaute mit einem traurigen Blick nach ihr auf, den Wilhelm bemerkte und in seiner Erzählung fortfuhr''. — ''Es finde sich ja so manche leere Zeit, die man dadurch ausfüllen und nach und nach etwas hervorbringen könne, wodurch wir uns und andern ein Vergnügen bereiten'', und ohne verbindendes ''und'': ''In diesen Zimmern platzte jetzt wohl eine Feuerkugel ..,'' $Seite 298$ ''in diesen Zimmern, deren vermaledeite Peking-Tapete ich geschont, mich geniert habe, meine Landkarte aufzunageln''. Ich meine, der Ruck ist ausgeblieben und bleibt auch bei jüngeren und jüngsten Sätzen derart aus: ''bis zur Ausgelassenheit, worüber Veronika sich nicht wenig verwunderte und es ihr unverhohlen äußerte'' (E. T. A. Hoffmann); oder: ''ohne ihren Rat, den sie für ... unschätzbar hielt und deshalb die Fähigkeiten nicht hoch genug anzuschlagen wußte, die eines so kostbaren Förderungsmittels zu entbehren wußten'' (Annette v. Droste-H.); oder: ''der Einfluß, den die weltpolitische und wirtschaftliche Lage auf den Krieg gewonnen und ihn in die Länge gezogen haben, konnte zu lange nicht erkannt werden'' (v. Freytag-Loringhoven); oder: ''Er schritt auf einen eisernen Schrank zu, dem er ein graues Büchlein entnahm und vor mich hinlegte'' (Bonsels); oder: ''Eine Postexistenz der Seele fordert ihre Präexistenz, wie auch Origines sah und dadurch in Ketzerei verfiel'' (Deussen). Der Eindruck der tadellosen Glätte solcher Sätze beruht auf zwei Gründen//1 In stilistischen Lehrbüchern, wo man freilich solche Unterscheidungen vergebens sucht, werden solche Fügungen allgemein grobe Fehltritte genannt. Die oben aufgestellten Gesichtspunkte wollen natürlich auch keine Regeln sein, welche die Klassiker bewußt befolgt hätten; aber sie sind der weit überwiegenden Mehrheit der Beispiele entnommen, in denen die Freiheit, die es immer bleibt, bei Klassikern und bei guten Stilisten unserer Zeit vorkommt, und sie bezeichnen somit die Grenzen, innerhalb deren sie das Sprachbewußtsein und Schönheitsgefühl dieser berufenen Sprachschöpfer nach noch größerer früherer Freiheit auch jetzt noch für zulässig hält.//: einmal benimmt die Form des zweiten Satzes frühzeitig genug die Vorstellung, als ob das Fürwort auch für ihn noch voll gelte; vor allem aber enthalten sie sämtliche Angaben über die Ausführung, das Fortspinnen, die Folgen der ersten Handlung; aber diese Ausführung, dies Fortspinnen und diese Folgen liegen sämtlich auf dem nämlichen Gebiete, innerhalb desselben Umkreises wie jene, so daß sie dem ersten Satze durchaus Verwandtes und Ähnliches enthalten. Das läßt sich aber wahrlich von ''der Abfahrt von Markranstädt oder St. Flour und der Ankunft in Leipzig oder Clermont'' nicht sagen und ebensowenig von ''dem Aufstecken der Köpfe auf einer Stange und der Beisetzung der Leichname sonst wo!'' Endlich wird eine weitere Betrachtung ergeben, daß in den getadelten Beispielen die falsch angeknüpften Sätze auch tatsächlich vielmehr mit dem übergeordneten als mit dem Satze, mit welchem sie zusammengezogen sind, auf gleicher Stufe stehn: ''die letzte Post bringt uns nach Markranstädt, und 81/2 sind wir in Leipzig''; ''am Xten abends sind wir in St. Flour und drei Tage später in Clermont''. Das Gleiche gilt von dem tadelnswerten Satze Grillparzers: ''Gegenwärtiger Brief ist nicht mein erster, sondern ich hatte schon in Karlsruhe einen geschrieben, den ich aber vergaß, auf die Post zu geben, und als ich es in Straßburg tun wollte, sah, daß ich ihn verloren hatte''. In den gutgeheißenen Sätzen Goethes dagegen sind die zusammengezogenen Sätze auch sachlich völlig gleichwertig, und um dies der Sache entsprechend auszudrücken, ist die Zusammenziehung gewählt, obwohl die formellen Bedingungen dafür nicht ganz erfüllt waren. Wer die Form nicht über alles setzt, kann danach unbedenklich Sätze billigen und nachbilden wie den Marie Ebners: ''Es ist eine Entwicklungskrankheit, aus der Georg sich neu gekräftigt erheben und dann erst recht kräftig an Leib und Seele gedeihen wird''; oder folgende zwei bei v. Boyen: ''Ich erblickte den Obersten Scharnhorst, an den ich'' $Seite 299$ ''sogleich heranritt und mich meldete''; und: ''Die häufigen Gelegenheiten zum Absatz, den die Garnisonen ihnen und ihrer Nachbarschaft darboten und so den innern Verkehr belebten'', wo und so die innigste Verbindung der beiden Nebensätze ausdrückt. Gleich entschieden wird er aber nach denselben Gesichtspunkten den folgenden Satz des nämlichen Generals zurückweisen: ''Er hatte ein Regiment in Westfalen bekommen, wo es aber auch nicht recht zu gehen schien und er es möglich machte, daß ihm das in Marienstein erledigte Regiment verliehen wurde''. Er wird danach auch bei einem Neusten, Bornhak, der überhaupt die Freiheit über Gebühr gebraucht, ja mißbraucht, unbedingt den Satz verurteilen: ''Sie bleibt an das Lutherische Bekenntnis gebunden, nach dessen Ritus sie das heilige Abendmahl auf ihren Zimmern feierte, aber die Predigten der verschiedensten Geistlichen beider Bekenntnisse hörte und jeder Religionsgemeinschaft helfend zur Seite stand''; die von ''aber'' an folgenden Sätze sind doch, wie wahrlich deutlich genug ist, dem Hauptsatze gleichwertig. Bei H. Hansjakob wird man den Satz untadelig finden: ''Das war die gute alte Zeit, von der sie in den Schottenhöfen heute noch reden und Vergleiche anstellen mit der Neuzeit'', aber desto entschiedener den anderen mißbilligen: ''Als blinder Spielmann hatte er die Welt durchreist und auch die Jahrmärkte meiner Heimat, wo er alle Wirtshäuser kannte, mir davon erzählte, mein Heimweh milderte und mein Freund war''; denn daß der Spielmann Hansjakobs Heimweh milderte und sein Freund war, geschah eben nicht in der mit ''wo'' bezeichnten Heimat, sondern in — Freiburg i. Br.! Wieder wird man nicht mit einem Berichterstatter der Tgl. R. rechten, der schrieb: ''Am andern Morgen erzählte er mir sein Mißgeschick, worüber ich ihn bedauerte und ihm mehr Stabilität während des Schlafens empfahl''; gar ernstlich aber mit denen der Köln. Ztg., welche sich gestattet haben: ''Derselbe sprach mit einem die Straße passierenden Mädchen, dem er ein Adieu zurief und sich umdrehend das Gleichgewicht verlor'' (statt ''und verlor dabei das Gleichgewicht''), und: ''Die Feier wird durch eine Rede begangen werden, welche der zeitige'' (!) ''Rektor Br. hält und dann die Ergebnisse der Preisaufgaben verkündet'' (statt ''die Feier wird durch eine Rede, welche der .. Rektor .. hält, begangen und dann die Ergebnisse ... verkündet werden''). Überhaupt wird diese Freiheit, wenn sie in Zeitungen angetroffen wird, öfter auf Unbeholfenheit der Berichterstatter oder Mangel an Nachdenken beruhen, als daß sie von jener Art wäre, unter welcher die Schönheit und Beweglichkeit des Stiles gedeiht. Auch das kann noch allgemein gesagt werden, daß sie dem rednerischen und verstandesmäßigen Stile ferner liegt als dem gemütlich ausspinnenden, also dem geschichtlichen und erzählenden, davon am meisten dem der Romane.
Im Niederdeutschen ist es gebräuchlich, bei Verwandtschaftsbezeichnungen den Artikel wegzulassen wie
bei Personennamen und zu sagen: ''Vater hats erlaubt, Mutter ist verreist, Tante ist dagewesen''. Wenn das neuerdings auch in Mitteldeutschland viele nachschwatzen, weils aus Berlin kommt, so ist das Geschmackssache; schön ist es nicht, nicht einmal traulich. Eine widerwärtige Unsitte aber ist es, diese niederdeutsche Gewohnheit auszudehnen auf Wörter wie: ''der Verfasser, der Berichterstatter, der Referent, der Rezensent, der Angeklagte, der Kläger, der Redner, der Vorredner'' (!), ''der Vorsitzende'' usw. Es ist nur eine alberne Mode, wenn jetzt geschrieben wird: ''in dieser Schrift bietet Verfasser eine Anthologie aus den Hauptwerken der Klassiker der Staatswissenschaft — die Veröffentlichung dieses Buchs hat für Referenten ein besondres Interesse gehabt'' (also für alle Referenten?) — ''Berichterstatter bekennt gern, daß er eine solche Bemerkung nie zu hören bekommen hat — Schreiber dieser Zeilen hat das selbst beobachtet.''
Einen zweiten Fall, wo der Artikel jetzt unberechtigterweise weggelassen wird, vergegenwärtigen Ausdrücke wie: ''Denkmale deutscher Tonkunst, die erste Blütezeit französischer Plastik, Fragen auswärtiger Politik, die Freude an heimischer Vergangenheit, eine Tat evangelischen Bekenntnisses''. Sind denn die französische Plastik und die deutsche Tonkunst früherer Zeiten Dinge, wie französischer Rotwein und deutscher Käse, die unaufhörlich vertilgt und neu fabriziert werden? Es sind doch ganz bestimmt umgrenzte Mengen dauernder Erzeugnisse der menschlichen Geistestätigkeit. Welcher Unsinn, da den bestimmten Artikel wegzulassen! Man denke sich, daß Overbeck seine Geschichte der griechischen Plastik ''Geschichte griechischer Plastik'' genannt hätte!
Ein dritter Fall endlich — ungefähr von derselben Art — ist die Geschmacklosigkeit, den bestimmten Artikel in Überschriften von Aussätzen und in Buchtiteln wegzulassen. Aber auch das ist jetzt sehr beliebt. Man nimmt $Seite 269$ eine Monatsschrift zur Hand und findet im Inhaltsverzeichnis: ''Ballade. Von X.'' Ei der tausend! denkt man, ist dein guter Freund X unter die Balladendichter gegangen? und schlägt begierig auf. Was findet man? Einen Aufsatz über die Geschichte der Ballade! Der kann aber doch vernünftigerweise nur überschrieben werden: ''Die Ballade.''//* Obwohl schon der alte Goethe einen Aufsatz ''Ballade'' überschrieben hat!// Ein bekannter Kunstsammler hat über seine Schätze ein Prachtwerk veröffentlicht unter dem Titel: ''Sammlung Schubart.'' Ja, so kann er ins Treppenhaus über die Tür seines Museums schreiben, aber der Buchtitel kann nur lauten: ''Die Sammlung Schubart'' (wenn durchaus französelt sein muß!). Namentlich Romane, Schauspiele und Zeitschriften werden jetzt gern mit solchen artikellosen Titeln versehen (''Heimat, Jugend, Sonntagskind'' u. ähnl.), aber auch andre Werke, wie: ''Stammbaum Becker-Glauch'' (das soll heißen: ''der Stammbaum der Familien Becker und Glauch''!). Ein bekanntes Werk von Guhl und Koner hat fünf Auflagen lang ''das Leben der Griechen und Römer'' geheißen; der neue Herausgeber der sechsten Auflage hat es wahrhaftig verschönert zu: ''Leben der Griechen und Römer''!//** In der Schiffersprache geht man ''in See, an Land, an Bord, auf Deck'', und der Soldat zieht ''auf Wache''. Neuerdings ist es aber auch fein geworden, nicht mehr ''auf die Jagd'' zu gehen, sondern ''auf Jagd'' (oder vielmehr ''auf Jacht'', natürlich nachdem man vorher ein Stück „mitm Zuch jefahren is"), und der junge Leutnant wird ''auf Festung kommandiert'' oder geht ''auf Kriegsschule''. Schließlich geht man vielleicht auch noch ''auf Universität'', setzt sich ''auf Stuhl'' und klettert ''auf Baum''.//
Es gibt aber auch Fälle, wo der Artikel gesetzt wird, obwohl er nicht hingehört. Gleich unausstehlich sind zwei Anwendungen des Artikels — das einemal des unbestimmten, das andremal des bestimmten — bei Personennamen. Für Leute von Geschmack bedarf es wohl nur folgender Beispiele, um ihren ganzen Abscheu zu erregen: ''Heyse hat nie die ruhige Größe eines Goethe erreicht — welcher unsrer großen Schriftsteller, selbst ein Lessing und ein Goethe, wäre von Fehlern'' $Seite 270$ ''freizusprechen!'' — und: ''von den Franzosen kamen die Dumas Sohn und Genossen herüber — die Neigung und Schätzung der Haupt, Jahn und Mommsen — die tiefeindringende Ästhetik der Hebbel und Ludwig.'' Der zweite Fall ist ja ein ganz gemeiner Latinismus; den ersten aber sollte man dem Untersekundaner überlassen, der seinen ersten deutschen Aufsatz über ein literargeschichtliches Thema schreibt, ja nicht einmal dem, denn wie soll er sonst seinen Ungeschmack loswerden?
Die meisten Schwankungen und Fehler, die bei der Adjektivflexion vorfallen, beruhen auf einer Verschiebung der hier durch die Satzfügung gegebnen Grenzen, innerhalb deren die starke und die schwache Beugung eintritt, mag sie nun geschichtliche Berechtigung gewonnen haben oder von Nichtwissen und falscher Regelung herrühren.
Bestimmung über die Anwendung der drei Adjektivformen.
1. Nach dem bestimmten Artikel und nach ''dieser, jener, jeder, solch, der-'' $Seite63$ ''selbe'' und ''derjenige'', die in allen Fällen die pronominale Deklination haben, sowie nach dem unbestimmten Artikel, nach ''kein'' und nach allen mehrgeschlechtigen Fürwörtern wie ''mein, dein, ihr, sein, unser, euer, welcher'', soweit sie die pronominalen Endungen haben, steht das Adjektiv in der schwachen Form. 2. Wenn kein Artikel oder kein solches Fürwort mit pronominaler Deklination oder zwar ein solches Fürwort, aber ohne pronominale Endung (wie besonders im Nom. Sing. Mask. und Neutr., bei ''welch'' und ''solch'' auch ''sonst'') vorangeht, erhält das Adjektiv selbst die starken (pronominalen) Formen. 3. Die unveränderte Form steht hauptsächlich als Satzaussage (''die Bäume sind grün''), worüber mehr beim einfachen Satze; als Beifügung nur bei Nachstellung: ''Röslein rot, ein Märchen gar schnurrig'', bei Hölderlin sogar: ''Seliges Griechenland, du Haus der Himmlischen alle''; und mehr formelhaft, vertraulicher und ausnahmsweise statt der starken Form des sächlichen Nominativs und Akkusativs der Einzahl selbst vor dem Hauptworte: ''Auf gut Glück! Ein harmlos Volk von Hirten''. +