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D
Eine zweite, ebenso unüberschreitbare Grenze für die Neigung, überall den Konjunktiv der Gegenwart vorzuziehen, liegt in einer gewissen Bedeutung des Konjunktivs der Vergangenheit. Der Indikativ stellt etwas als wirklich hin, der Konjunktiv nur als gedacht, gleichviel, ob diesem Gedachten die Wirklichkeit entspricht oder nicht. Es gibt aber noch einen dritten Fall. Es kann etwas als gedacht hingestellt, aber zugleich aufs bestimmteste ausgedrückt werden, daß diesem Gedachten die Wirklichkeit nicht entspreche. Diese Aufgabe kann aber nur der Konjunktiv der Vergangenheit erfüllen. Das bekanntere Beispiel dafür und eins, das niemand falsch bildet, sind die sogenannten irrealen Konditionalsätze oder Bedingungssätze der Nichtwirklichkeit. Jedermann sagt und schreibt richtig: ''wenn ich Geld hätte, käme ich'', oder: ''wenn ich Geld gehabt hätte, wäre ich gekommen''. Der Sinn ist in dem ersten Falle: ''ich habe aber keins'', im zweiten: ''ich hatte aber keins'', mit andern Worten: sowohl das Geldhaben, als die Folge davon, das ''Kommen'', wird in beiden Fällen als nichtwirklich, als „irreal" hingestellt. Die Sprache verfährt dabei sehr ausdrucksvoll. Sie rückt den Gedanken nicht bloß aus dem Bereiche der Wirklichkeit (den der Indikativ ausdrücken würde), sondern versetzt ihn außerdem auch noch in eine größere Zeitferne: eine irreale Bedingung in der Gegenwart wird durch das Imperfekt (''wenn ich hätte''), eine irreale Bedingung in der Vergangenheit $Seite 153$ durch das Plusquamperfekt (''wenn ich gehabt hätte'') ausgedrückt. Ein Schwanken in dem Tempus des Konjunktivs ist hier völlig ausgeschlossen; Imperfekt und Plusquamperfekt sind in solchen Sätzen unerläßlich.//* Der Volksmund liebt es, eine irreale Bedingung in der Vergangenheit durch den Indikativ des Imperfekts auszudrücken: ''wenn ich Geld hatte, kam ich''. Das klingt aber der Angabe einer wiederholten Handlung in der Wirklichkeit ''jedesmal, wenn ich Geld hatte, kam ich'' so ähnlich, daß man es in der guten Schriftsprache besser vermeidet.// Solche Sätze bildet ja nun jeder richtig, wenn er auch vielleicht nie darüber nachgedacht hat, warum er sie so bildet. Die Bedingungssätze sind aber keineswegs die einzigen Nebensätze, die irrealen Sinn haben können. Etwas sehr gewöhnliches sind auch Relativsätze, Objektsätze, Kausalsätze, Folgesätze mit irrealem Sinn. In allen diesen Sätzen verfährt die lebendige Sprache genau so, wie in den irrealen Bedingungssätzen, jedermann bildet auch sie in der Umgangssprache ganz richtig, ohne sich einen Augenblick zu besinnen, und sagt: ''ich kenne keinen Menschen, den ich lieber hätte als dich — ich weiß nichts davon, daß er verreist gewesen wäre — ich will nicht sagen, daß ich keine Lust gehabt hätte''//** Auch oft verkürzt, ohne Hauptsatz: ''daß ich nicht wüßte — nicht daß es dem Vater an trefflichen Eigenschaften gefehlt hätte''.// — ''er ist zu dieser Arbeit nicht zu brauchen, nicht etwa weil er zu dumm dazu wäre — ich bin nicht so ungeduldig, daß ich es nicht erwarten könnte — statt daß du zu Hause bliebest und dich pflegtest, läufst du in Wind und Wetter herum'' usw. Aber der Papiermensch getraut sich solche Sätze nicht zu schreiben, er stutzt, zweifelt, wird irre, schreibt schließlich — den Indikativ, und so laufen einem denn täglich auch solche Sätze über den Weg, wie: ''ich kenne keine zweite Fachzeitschrift auf diesem Gebiete, die so allen Ansprüchen entgegenkommt'' (''käme!'') — ''die Geschichte kennt keine Musiker, die auf rein autodidaktischem Wege zur Bedeutung gelangt sind'' (''wären!'') — ''es dürfte heute kein Physiker zu ermitteln sein, der an die Möglichkeit eines absolut leeren Raumes glaubt'' (''glaubte!'') — ''bei Shakespeare selbst findet sich kein Wort, das auf eine solche Anschauung seines Helden'' $Seite 154$ ''deutet'' (''deutete!'') — ''es gibt kein Stück Shakespeares, worin die Charaktere klarer entwickelt sind'' (''wären!'') — ''es fehlte bisher an einem Buche, das dem Laien verständlich war'' (''gewesen wäre!'') ''und zugleich auf der Höhe der Wissenschaft stand'' (''gestanden hätte!'') — ''es gibt keinen, der die Entwicklung der politischen Verhältnisse kennt'' (''kennte!''), ''keinen, der sagen kann'' (''könnte!''): ''morgen wird es so sein — nie hat er etwas getan, was mit seiner Untertanenpflicht in Widerspruch stand'' (''gestanden hätte!'') — ''wir haben seit langen Jahren kein Abgeordnetenhaus gehabt, worin diese Partei so stark vertreten war'' (''gewesen wäre!'') — ''ich gebe diese Auslassung wörtlich wieder, nicht weil ich sie für sehr bedeutend halte'' (''hielte!''), ''sondern weil'' usw. — ''es ist ganz undenkbar, daß die Armenier diese Gräueltaten hervorriefen'' (''hervorgerufen hätten!'') — ''wir hören nichts davon, daß die weniger betroffnen Gemeinden den notleidenden die Hand boten'' (''geboten hätten!'') — ''wie selten sind diese Kenntnisse ein so sichrer Besitz geworden, daß mit Freiheit darüber verfügt wird'' (''würde!'') — ''die Summe gewährt ihm keine genügende Unterstützung, daß er während seiner Studentenzeit sorgenfrei leben kann'' (''könnte!'') — ''die Sache ist damals beanstandet worden, ohne daß über den Grund aus den Akten etwas zu ersehen ist'' (''wäre!'') — ''ach, es war eine schöne Zeit, zu schön, als daß sie lange dauern konnte'' (''hätte dauern können!'') — ''zum Glück war ich noch zu klein, als daß mir der Inhalt des Buches großen Schaden zufügen konnte'' (''hätte zufügen können!'') — ''die Hauswirte lassen lieber die Wohnungen leer stehen, als daß sie sie billig vermieten'' (''vermieteten!'') — ''anstatt daß eine Beruhigung eintrat'' (''eingetreten wäre!''), ''bemächtigte sich vielmehr des ganzen Landes eine tiefe Aufregung''. In allen diesen Sätzen drückt der Nebensatz etwas Nichtwirkliches aus. Zu allen diesen Nebensätzen ist gleichsam im Geist ein irrealer Bedingungssatz zu ergänzen: ''nie hat er etwas getan, was mit seiner Untertanenpflicht in Widerspruch gestanden hätte'' (nämlich wenn er es getan hätte, was eben nicht der Fall $Seite 155$ war). Also müssen sie auch alle in den Modus der Nichtwirklichkeit treten. Es würde ganz unbegreiflich sein, wie jemand solche Nebensätze in den Indikativ setzen kann, wenn nicht, wie so oft, die leidige Halbwisserei dabei im Spiele wäre. Man ist nicht unwissend genug, den richtigen Konjunktiv aus der lebendigen Sprache unangezweifelt zu lassen, aber man ist auch nicht wissend, nicht unterrichtet genug, den Zweifel niederzuschlagen und das Richtige aufs Papier zu bringen.  
Endlich gar die Vermählung der Unart aus der Kanzleisprache mit der Gespreiztheit unsrer heutigen Redeweise stellt es dar, wenn die falsche umgekehrte Wortfolge dadurch herbeigeführt wird, daß das Subjekt nach ''und'' ganz überflüssig wiederholt wird, meist in der allen Akten- und Zeitungsmenschen ans Herz gewachsenen Form: ''derselbe, dieselbe, dasselbe''. Es war nichts als Kanzleideutsch, was in der Bekanntmachung über eine 3%ige preußische Anleihe zu lesen war: ''Die Bescheinigung über die erfolgte Zeichnung mit der Quittung über die Sicherstellung wird dem Zeichner zurückgegeben und ist dieselbe bei der ersten Zahlung der Zeichnungsstelle wieder einzuliefern''; in der gleichen Bekanntmachung über die Reichsanleihe auf der nämlichen Seite fehlte das falsche ''dieselbe''! — Die Unzahl von Ortsberichterstattern glaubte gewiß, etwas Absonderliches getan zu haben, wenn sie begann: ''Gestern traf der Minister von G. in unserer Stadt ein und beehrte derselbe noch an diesem Tage mehrere Klassen der Stadtschule mit seinem Besuche''; meinten sie doch billig, sich die Hofberichte hoher Stellen zum Muster nehmen zu dürfen: ''Der König hat sich vorgestern zu den Jagden nach Rehefeld begeben und wird Allerhöchstderselbe wahrscheinlich bis Mittwoch dort der Jagd obliegen''.  +
Geradezu undeutsch ist die Bildung der Leideform mit ''sein'' statt ''werden''; lediglich in Nachäffung französischer und englischer Art bringt uns diese Ausdrucksweise noch dazu um den Unterschied zwischen der eigentlichen Leideform und der oben § 120 besprochenen Bezeichnung der Vollendung. Man täte wahrlich gut, sich von solchen Sätzen freizuhalten: ''Der Herzog und die Herzogin von Edinburg sind hier nur erwartet''. Nur bei ''einladen, bitten'' u. ä. Verben kann ein derartiges Passiv sachlich begründet sein als ein Ausfluß der Höflichkeit, die eine Einladung, Bitte noch möglichst in die Vergangenheit zurückverlegen möchte, in der sie schon hätte ausgesprochen sein sollen: ''Wenn Sie noch eine Viertelstunde übrig haben, so sind Sie für diese zu mir eingeladen''.  +
Eine Unsitte des Amts- und Geschäftsstiles besteht in der durchgängigen Auslassung des Subjekts ''ich'' und sogar ''wir'', über welche man sich fast so oft ärgern muß, als man einen kaufmännischen Brief erhält; zuerst gewöhnlich am Anfang über ein: ''Teile hierdurch ergebenst mit; Frage hierdurch höflichst an''; dann in vielen Wendungen durch das so schön gezogene Schriftstück hindurch bis zu dem schönen Schlusse: ''Habe die Ehre, zeichne hochachtungsvollst'' u. a. Man begegnet ihr wieder in Ankündigungen: ''Frischen Schellfisch habe wieder erhalten und verkaufe zu billigsten Preisen. H. Müller. — Zur kostenfreien Einwechslung der Coupons ... halten uns empfohlen. H. und Schm''. Kurz in allem, was geschäftsmäßig ist, und von da aus in vielen anderen Stellen wird die Unsitte des Geschäftsstils mitgemacht, wenn auch schließlich nicht immer so streng durchgeführt, wie von einem böhmischen Rechtsanwalt; in einem mindestens einstündigen Vortrage über eine Fußwanderung in den Karpathen, die er mit einigen Freunden gemacht hatte, verschluckte derselbe oft in Mißverständnis erregender Weise wahrlich von Anfang bis Ende auch jegliches ''wir''! Freilich rückte im alten Österreich auch Akademiker und Baron näher zusammen, und auch für den Adel und seine gepreßten Formen ist das Sparen mit Worten besonders mit dem Subjektswort kennzeichnend. Warum das aber falsch sei? Ob es überhaupt fehlerhaft, da es doch auch die Klassiker oft ebenso gemacht haben? Freilich haben sich diese von diesem Mißbrauche nicht ganz frei erhalten, am allerwenigsten Goethe. Doch beachte man den folgenden Unterschied. Nur vereinzelt gestattet er sich diese Ausdrucksweise in einem so gehaltvollen Briefwechsel wie dem mit Schiller, dagegen z. B. fast überall, wo sie möglich war, in einem so leeren, rein geschäftlichen wie dem mit Carlyle: ''Mit aufrichtigstem Danke füge hinzu''; sogar: ''Sei mir nun erlaubt''. Falsch aber ist der Brauch, weil das deutsche Zeitwort wegen seiner abgeschliffenen Endungen außer in der Befehlsform heute im allgemeinen eines besonderen Subjektwortes nicht entraten kann, und bei Weglassung des Fürwortes in der ersten Person der Einzahl zumal diese und die heute ebenfalls überwiegend auf -''e'' ausgehende Befehlsform zusammenfallen würden. Im 16. Jahrhundert haben Briefsteller, in denen die im übrigen für Geschäftsbriefe mit Recht empfohlene Kürze fälschlich auch darin gesucht wurde, diesen Unfug angestiftet; also ist die Unsitte gewiß nichts — natürlich Gewordenes. Später glaubte man $Seite 209$ höflicher zu sein, wenn man bescheiden die Bezeichnung der eigenen Person unterdrückte, weshalb denn schon P. Richter den Grund zu dem grammatischen Selbstmorde des ''Ich'' darin fand, daß wir wie Perser und Türken viel zu höflich seien, vor ansehnlicheren Personen ein ''Ich'' zu haben. Das ist auch die Ursache, wenn es noch heute im Amtsstile, besonders in Gesuchen an Behörden trotz aller bemäntelten demokratischen Gesinnung unterdrückt wird — zugleich mit dem Selbstbewußtsein! In neuester Zeit hat sich dann auch noch mit der Katzbuckelei, in welcher der kautschukartige Handlungsreisende noch immer und mehr selbst als Kanzlisten ein übriges tun zu müssen glaubt, die Pfennigsparerei an Telegrammen verbunden, um dem Übel, und zwar ziemlich weit hinaus, neuen Rückhalt zu geben, obwohl gerade dadurch schon manches kostspielige Mißverständnis//1 Wer für solche noch nicht mit Geldtasche und viel Ärger gebüßt hat, der kann das aus einer niedlichen Geschichte H. Hoffmanns: Die Friedensfeier (jetzt in seiner Sammlung: Von Frühling zu Frühling, Berl., Gebr. Paetel 1889) kennen lernen; da fahren, anstatt den 7jährigen Ehefrieden schließen zu können, infolge eines so unklaren Telegramms Mann und Frau mehrmals auf der Bahn aneinander vorbei.// verschuldet worden ist. Vielleicht kommt aber doch dem Heere der Geschäftsleute die Einsicht des Besseren daher, wo dies noch bekannt ist, bei den Vordersten, Größten und Feinsten ihres Standes, auf die sie doch nachahmend schauen und in deren Briefen und Bekanntmachungen die ''ich'' und ''wir'' auch heute noch stehen. Auch das Gegenteil zu diesem Versinken des Subjektpronomens ins reine Nichts wird immer beliebter, sein Ersatz durch ein Hauptwort, ebenfalls eine Erbschaft vom Kanzlei- und Gerichtsstile her, den schon P. Richter, natürlich verspottend, nachahmt: ''ferner negiert Beklagter, daß Beklagter auf die Klage sich nicht einzulassen brauche'' (vgl. § 132 a. E.). Nur wird hier besonders die dritte Person betroffen, und zur Bescheidenheit, mit der es der alleruntertänigste Briefschreiber fertig bringt, seitenlange Briefe hindurch von sich als ''der ergebenste Diener, der Unterzeichnete, Gefertigte'' usw. in der dritten Person statt in der ersten zu reden, gesellt sich noch das Bestreben, besonders bei Berichterstattern und Beurteilern, ihren Berichten durch die Unterdrückung des ''Ich'' statt subjektiver Färbung ein gewisses objektives Gewicht zu verleihen. Als ob nicht eine die Außenwelt widerspiegelnde Persönlichkeit das Wertvollste wäre! Drum, wenn sich auch die vertrockneten Gerichtsstuben- und die berichterstattenden Menschen ihre die Persönlichkeit verleugnende Art nicht wollen nehmen lassen, die Verfasser der persönlichsten aller Darstellungen, der Briefe, sollten sich zu gut dazu dünken, und ebenso alle, die aus einem trocknen Berichterstatter gestaltende Erzähler werden wollen. Sie sind dann auch nicht der Gefahr ausgesetzt, aus einer Person in die andere zu fallen, wie ein Plauderer in der Tägl. R.: ''Manches lustige Stückchen erlebten wir, von denen Schreiber dieses, der während des Feldzugs Fourieroffizier war, eins zum besten geben will. Nachdem wir uns in Ch. an dem herrlichen weißen Burgunder gütlich getan hatten, ging es am 14./1. auf Dijon weiter''.  
Wenn in den letzten Beispielen etwa eine Metonymie, die dichterische Verwendung eines Teiles für das Ganze, vorliegen soll, so muß man zweierlei bedenken: Was dichterisch ist, kann nicht überall angewandt werden; überhaupt ist es in dieser Weise nicht üblich bei Körperteilen, und vor allem darf nicht durch Nennung eines weiteren Teiles die gewünschte Illusion, daß der eine Teil die Vorstellung des Ganzen hervorrufen soll, wieder zerstört werden. Vom $Seite 454$ ersten abgesehn, sind der zweite und dritte Umstand Grund genug, die letzten Beispiele ebensogut zu verurteilen als die folgenden, worin ''ein weiblicher Kopf angeboten wird, der in den Händen eine Bronzestatue hält'', oder wenn ''eine Prinzessin mit bekannten Gesichtern Händedrücke wechselt'' oder ''eine Diebesbande dem wachsamen Auge der Polizei in die Hände fällt''. Allein der erste und zweite Gesichtspunkt genügt, um das Lächerliche z. B. in dem Satze eines Schulbuches zu erklären, daß ''eine'' (!) ''von heißer Sehnsucht durchdrungene Ritterbrust nach dem heiligen Lande zieht''.  +
Der Nominativ vor Relativsätzen hängt mit der von Sprachmeistern freilich gern als Anakoluth (Verstümmelung!) hingestellten, durchaus — natürlichen Art zusammen, den Gegenstand, dessen der Gedanke voll ist, schnell und ohne ein Zeichen der Abhängigkeit voranzustellen, während man sein grammatisches Verhältnis erst nachdrücklich durch ein der Satzfügung eingeordnetes Fürwort ausdrückt; auch da ist es gleichglütig, ob sich an den Nominativ ein Nebensatz, zumeist ein relativer, anschließt oder ob die freie Fügung nur der Hervorhebung des wichtigsten Begriffes innerhalb ein und desselben oft ganz kurzen Satzes dient. In der letzten Weise angewendet, ausnahmslos infolge lebhaftester Erregung des Gefühls//1 Wenn dieser Grund fehlt, kann die Fügung gar nicht gebilligt werden, gar nicht also, wenn sie der geringsten Hervorhebung wegen angewendet wird, besonders in Fragen nach Art der Franzosen, die dem Verbum ein Subj., besonders ein durch einen Relativsatz erweitertes nicht nach- und ein Obj. nicht voranstellen können, ohne es vor diesem durch ein Fürwort zu wiederholen. Nicht immer gelingt es im Einzelfall, die dem Einsichtigen nie zweifelhafte französische Herkunft dieser Stellung so klar aufzuweisen, wie es für den Satz möglich ist: ''jene Kraft, wir werden sie hauptsächlich in der öffentlichen Meinung schöpfen'', wo das ''in'' statt des deutschen ''aus'' die französische Quelle verrät. — Mit diesen Fällen sind aber nicht etwa die zusammenzuwerfen, wo der vorangestellte Satzteil, gleichviel welcher, unmittelbar hinter sich durch ein Für- oder Umstandswort noch einmal ausgenommen, sonst aber die regelmäßige Stellung: ein beliebiger Satzteil + Verb, nicht gestört wird. Man denke nur an Uhlands Einkehr: ''Bei einem Wirte wundermild, da war ich jüngst zu Gaste. Der Wirt, er deckte selbst mich zu''. Diese Fügungsweise, neuerdings ansprechend Satzbrechung genannt, erscheint besonders bequemer und volkstümlicher Sprache angemessen.//, aber in den verschiedensten Stilarten, zeigen diesen Nominativ die folgenden klassischen Sätze: ''Der armselige Ehekrüppel, den soll ein frisches Mädchen heiraten!'' (Goethe). ''Die Tiroler, mit denen halt ichs''. Mit nachfolgenden Sätzen steht er oft folgendermaßen: ''Diese innere Stärke des Geistes, wodurch ganz allein der Zuschauer getäuscht wird, diese erlogene Warheit, die ganz allein Wirkung hervorbringt, wodurch ganz allein die Illusion erzeugt wird, wer hat davon einen Begriff?'' Nicht gleich gerechtfertigt durch Lebendigkeit des Gefühls ist die umgekehrte Erscheinung, daß ein Wort, welches der Satzfügung nach im Nominativ stehn sollte, in dem $Seite 237$ abhängigen Fall vorantritt, in welchem ein daran anschließendes Relativum steht: ''Den ersten, den ich zu Gesicht bekam, das warst du''. So geläufig diese Fügung dem Munde des gemeinen Mannes noch sein mag und so natürlich sie erscheint bei der für ihn gerechtfertigten Annahme, daß zunächst nur das Verbum des Nebensatzes dem Bewußtsein gegenwärtig ist, so beruht sie doch auf einer Unklarheit der Beziehung, die, schon nach der Meinung J. Grimms (Kl. Schriften III, 323 ff.), mit der Schriftsprache und verstandesmäßigem Stile nicht vereinbar ist.  
Viel ist schon gespottet worden über Attributbildungen wie: ''der musikalische Instrumentenmacher, der vierstöckige Hausbesitzer, der wilde Schweinskopf, die reitende Artilleriekaserne, die geprüfte Lehrerinnenanstalt, die durchlöcherte Stuhlsitzfabrik, die chinesische Feuerzeugfabrik, der ge-'' $Seite 203$ ''räucherte Fischladen, die verheiratete Inspektorwohnung, die gelben Fieberanfälle, das einjährig-freiwillige Berechtigungswesen'' und ähnliche, wo ein Attribut zu einem zusammengesetzten Worte gestellt ist, während es sich nur auf das Bestimmungswort der Zusammensetzung, in dem letzten Falle sogar auf einen dritten, hinzuzudenkenden Begriff (Dienst) bezieht. Dennoch wagen sich immer wieder Verbindungen dieser Art hervor, wie: ''das alte Thomanerstipendium'' (das soll eine Stiftung ''der alten'', d. h. ''ehemaligen Thomaner'' sein!), ''der grobe Unfugparagraph, die weißen Handschuhfabrikanten, die transportabeln Beleuchtungszwecke, der Vereinigte Staatenstaatssekretär, die Weiße Damenpartitur, die elektrische Pianinoversteigerung''. Solche Verbindungen werden nur dann erträglich, wenn es möglich ist, sie durch doppelte Zusammensetzung zu dreigliedrigen Wörtern zu gestalten; wie: ''Armesünderglocke, Liebfrauenmilch, Altweibersommer, Sauregurkenzeit'' u. dgl. Nicht besser, eher noch schlimmer ist es natürlich, wenn das Attribut, statt durch ein Eigenschaftswort, durch einen Genitiv oder eine Präposition mit einem Hauptworte gebildet wird, wie: ''der Doktortitel der Philosophie, der Enthüllungstag des Geibeldenkmals, das Heilverfahren der Diphtheritis, das Schmerzstillen der Zähne, die Anzeigepflicht der ansteckenden Krankheiten, eine Fälscherbande amtlicher Papiere, das Übersetzungsrecht in fremde Sprachen, der Verpackungstag nach Österreich, ein Reisehandbuch nach Griechenland, die Abfahrtszeit nach Kassel, eine Sterngruppe dritter Größe, eine Zuckerfabrik aus Rüben, Erinnerungsstätte an Käthchen Schönkopf, 100 Stück Kinderhemden von 2 bis 14 Jahren'', und ähnliches.  
Der objektive Genetiv gehört im allgemeinen hinter sein Hauptwort, und es heißt besser nicht: ''Straßburgs Eroberung durch Werder'', sondern: ''die Beschießung Alexandrias durch Admiral Seymour''. Nur der durch die Relative ''dessen'' und ''deren'' gebildete objektive Genetiv und sein Ersatz durch ein zueignendes Fürwort kann nicht anders als voranstehn, nur darf dabei keine Zweideutigkeit entstehen, und das Objekt muß die dem Zusammenhange entsprechende Selbständigkeit und Tonstärke erhalten. Wie Schleiermacher über die Religion schrieb an die Gebildeten unter ihren Verächtern, wie Klinger die Leute wegen des Vertrauens zu ihren Betrügern verspottet, dürfen wir bei einer Stadt von ''ihrer Beschießung'', bei einem Berge von ''seiner Besteigung'' reden und z. B. die Tägl. R. von allem schreiben: ''was sich auf ... die Phylloxera und ihre Bekämpfung bezieht''//1 es ist papierne Klügelei, ''sein Besitz'' nur als aktiv: ''der Besitz, den er hat; der Besitz desselben'' als passiv; ''das Verhältnis, daß er der Besessene'' (!) ''ist, hinzustellen'' und für den gewiß keinem Mißverständnisse ausgesetzten Satz: ''„Ein Freund ist ein großes Gut; denn sein Besitz erhöht den Wert des Lebens“'' als besser zu fordern: ''der Besitz desselben''. Grimms Deutung Wb. II, 911: ''dein Besitz macht mich glücklich'' bedeutet gewöhnlich: ''ich bin dadurch glücklich, daß ich dich besitze'', wird durch viele Belege im Wb. und im Schrifttum bestätigt. — Die logischen Römer haben etwas anderes, doch Ähnliches in ''timor hic: die Furcht davor; desiderium tuum: Sehnsucht nach dir; odium tuum: Haß gegen dich''!//. Dagegen befremdet heute die Fügung bei E. Troeltsch: ''das Bildungsideal kann nur die Vereinheitlichung der konkreten Kräfte, die Auslese und die Verhältnisbestimmung ihrer sein''. Noch viel weniger ist natürlich ein subjektiver Genetiv von ''er, sie, es'' neben Hauptwörtern am Platze, wie etwa in dem Satze des Grafen H. Keyserling: ''Die'' $Seite 170$ ''Unbegreiflichkeit wird gelten gelassen, wo sie vorliegt'', dann aber wird das „Warum“ ihrer nach Möglichkeit bestimmt.  
Merkwürdig, dem Deutschen, für den sonst das Geschlecht der Ländernamen fest und sicher ist, schwankt in dieser Beziehung nur das ehemalige deutsche Reichsland ''Elsaß'', gerade wie es in der Geschichte zwischen West und Ost geschwankt hat; aber das ursprüngliche Neutrum, das bis auf Goethe allein herrschte, verdient vor der heute ziemlich üblichen männlichen Form entschieden den Vorzug. — Auch bei den mit ''Gau'' zusammengesetzten Landschaftsnamen: ''Allgäu, Breis-, Prinz-, Pon-, Rheingau'' ist das Neutrum das alte und fortgeerbt aus der Zeit her, wo ''Gau'' selbst noch durchaus Neutrum war. Das $Seite 41$ heutige Sprachgefühl, das dieses Wort nur in der erst reichlich hundert Jahre alten männlichen Form kennt, ist natürlich versucht, diesem Maskulinum auch jenen Namen anzugleichen, wie dieses ja allein berechtigt ist für die Bezeichnung der turnerischen Gauverbände und der künstlich geschaffenen Landschaftsbezeichnungen, wie z. B. den — von L. Steub so getauften — ''Chiemgau''.  +
kann wohl schwankend fragen, wer das weibliche Geschlecht für Schiffsnamen, zumal in den Zeitungen vorherrschen sieht und doch den Widerspruch empfindet zwischen dem weiblichen Geschlechtswort und dem Namen des Mannes Gneisenau, dessen Andenken mit solcher Benennung geehrt werden sollte. Er ist mit solchem Empfinden durchaus auf dem rechten Wege. Die Vorsetzung des weiblichen Geschlechtswortes vor alle Schiffsnamen, auch die nicht weiblichen Geschlechts, ist bloße Engländerei, die unser Sprachgefühl desto mehr verletzt, je geläufiger uns das zur Schiffsbenennung benutzte Wort mit anderm Geschlechtswort ist, wie ja natürlich alle männlichen und sächlichen Gattungsnamen. Also sage man zwar: ''die Möve'', aber: ''der Panther, das Vaterland'', und ebenso bei Personennamen zwar: ''die Freya'', aber: ''der Ägir, der Blücher''. Nur bei Städte- und Ländernamen widerstrebt der Wunsch, zwischen ihrer eigentlichen Bedeutung (''das schöne Dresden, das starke Preußen'') und ihrer Verwendung als Schiffsnamen zu unterscheiden, dem ursprünglichen einheimischen Geschlecht; hier findet aber die weibliche Benennung: ''die (starke) Preußen, die (schlanke) Hamburg'' auch ihre Rechtfertigung in der weiblichen Gestalt, in der uns diese Gebilde von je durch die Kunst vor Augen gestellt worden sind: ''Borussia, Hammonia'', wie in dem Vorgange der Dichter: ''die rege Zürich, die edle Bern'' sagt Schiller, und ''der edeln Zürich'' auch C. F. Meyer.  +
Ja zu allen diesen Fehlern kommt hier gar noch ein besonderer hinzu: Dieses Zusammenpressen, das bei der engeren Zugehörigkeit des Infinitivs zum Verbum besonders leicht fallen muß, ist nur eine Stufe auf dem Wege, an dessen Ziele die Infinitive mit ihren Adverbialien und Objekten vollends zu einem Zwitterdinge von verbaler Fügung und Substantivum verdichtet werden. Am ehesten wird es sich ertragen lassen, wenn ein oft in gleicher Verbindung und Bedeutung gebrauchtes Adverbiale, das eben der allgemeinen Bedeutung halber nur aus Präposition und artikellosem Substantiv besteht, mit dem Infinitiv zusammenwächst: ''das Zuhausebleiben, Beiseitetreten, Zutagetreten, Inachtnehmen''. Ausnahmsweise wird man auch dem oder jenem Fachmanne, zumeist dem Philosophen, ein Mehr zugestehen: ''das Nichtaufkommenlassen, Anundfürsichsein''; auch ein Humorist oder ein Spottvogel darf manchmal versuchen, mit solchen Bildungen eben durch ihr Absonderliches eine eigentümliche Wirkung zu erzielen, ob nun Heine über ''das Nebeneinandergehenktwerden'' spottet oder P. Richter sich Gefühlen überläßt über ''ein solches gemeinsames Zusammenbrüten in Einem Neste, das nächtliche Poltern, Türenzuwerfen seines ... Schmollgeistes, das ungewöhnliche Alleinessen, die Nachricht des Beisammenwohnens, etwas zum Wechseljammern über ihre Weiber''. Aber in den Stil der Erzählungen und des Vortrages, in die Berichte der Geschichts- und Zeitungsschreiber, in die Plaudereien und Besprechungen der Tages- und Monatsblätter gehörten alle die folgenden Bildungen nicht: 1. ''das in den Vordergrund Treten eines Soldaten, das an die Wand Malen des russischen Teufels, das Gefühl des noch nicht über die Lippen Bringens''; 2. ''das Beidemhausewohnen, das Nichtversammeltsein der Kammern, das Nachneunuhrzubettgehn, das Nochnichtdagewesensein, das Ausderrollefallen, das Überwiegendwerden des Tones, das lange Erhaltenbleiben der Organismen, das häufige Scheuwerden der Pferde vor den neben der Straße hingeführten Sekundärbahnen''. Nach dem S. 116, Anm. 1 Bemerkten weist solche Klebarbeit noch einen besonderen Fehler auf, wenn das Zeitwort rückbezüglich ist: ''ein Sichhinwegsetzen über die Sünde, eine Energie im Sichunterhalten und Allesansehn, die Erscheinung des Nichtweitersichausbreitens der Cholera''. Natürlich wird hier der Fehler mit Streichung des ''sich'' nicht behoben; drum hätte ein moderner Epiker (Fr. Lange) $Seite 263$ wahrlich nicht dichten sollen: ''Gern auch ward mein wirres Denken. Langsam ein in den Tod Versenken'', oder: ''Und all dies schmerzbittre Brennen. Der Brust, dies nicht erschöpfen können''. Wie diese entsetzliche Unart der allerneusten Sprache, die schon die Dichter ansteckt, wirklich vermieden werden könne, sei kurz gezeigt: ''die Erscheinung, daß sich die Cholera nicht weiter ausbreitet; das Gefühl, als ob'' oder ''daß man etwas nicht über die Lippen brächte'' oder ''bringt; der Grund liegt nur darin, daß die Kammern nicht versammelt sind. Daß die Pferde vor den ... Sekundärbahnen so oft scheunen, hat das Vorurteil gegen diese noch erhöht'', statt: ''das Sichaneignen'' (Bücherfr. 13): ''die Aneignung eines bestimmten Tatsachenwissens''.  
Noch in etwas äußert sich jener Hang zum Greisenhaften besonders schlimm, das ist die schier ärgerliche Aufdringlichkeit, mit der sich eben just, wo das Verständnis für Sätze als das allein Richtige fehlt, zur rechten Zeit eine substantivierte Verbalform einstellt: § 268. Wesen und Zulässigkeit. Selbstverständlich ist der Gebrauch der Nennform als Hauptwort nicht an sich falsch, gegenüber dem stamm- oder sinnverwandten Hauptworte vielmehr immer am Platze, wo es sich darum handelt, Tätigkeit oder Zustand ganz allgemein und schlechthin zwar in substantivierter Form, aber doch in ihrer Entwicklung darzustellen. Man vergleiche: ''der Lauf des Flusses, Lebens, Blutes'' u. ä. womit der sachlich und danach auch begrifflich festgelegte Weg gemeint ist, und: ''das Laufen der Rinnen'', das einen fortdauernden Zustand ausdrückt. ''Ein Verein, ein Reich feiert sein Bestehen'', d. i. das Dasein eine lange Dauer hindurch, aber ''der Kaufmann nimmt seine Bestände auf'', worin sein Vorrat besteht, und so gut ''das Wetter wie mancher Charakter hat keinen Bestand. Es kommt nicht auf die Größe der Gabe'' (die etwas Festes, Bestimmtes ist), ''sondern auf die Art des Gehens an'' (das man in seiner Ausführung beobachtet). Ähnlich erklärt sich der folgende Wechsel: ''Freilich ist mit dem Dampfschiff auf der Elbe zu fahren ein Hochgenuß: nur dauert die Rückfahrt von Pirna nach Schandau so viel länger als die Talfahrt! Die Frau verträgt das Rückwärtsfahren nicht''. — Man höre auch noch die Mustersätze: ''Alle Kunst ist ein Bilden'' (eine fortgesetzte Ausübung dieser Tätigkeit) ''und wahrlich nicht die geringste der Künste die der Erziehung, der Bildung'' (einer begrifflich abgegrenzten Art) ''der Menschen nach dem Bilde Gottes. Fr. A. Langes bekanntes Wort von der Begriffsdichtung der Metaphysik sollte ja wohl eine verhüllte Form des Aburteilens sein''. Es ist weiter auch nicht ausgeschlossen, zur Nennform eine Beifügung hinzuzusetzen, insofern ja die Tätigkeit auch dann noch in ihrer Entwicklung, nur nach einer bestimmten Art oder Richtung, bezeichnet werden kann. So singt der fromme Dichter: ''Segne uns mit sel'gem Sterben'', der Kulturhistoriker erinnert daran, daß ''das Reisen im Postwagen auch seine großen Vorzüge hatte''. Ebenso kann der substantivierte Infinitiv, wenn er mit einem Genetiv verbunden ist, mit dem subjektiven, wenn es ein intransitives, mit dem objektiven, wenn es ein transitives Verbum ist, recht wohl unter der nämlichen Bedingung am Platze sein, daß Zustand und Tätigkeit als solche in ihrer Entwicklung und Ausführung dargestellt werden sollen, ja wenn es kein entsprechendes Hauptwort gibt, selbst ohne diese Bedingung. So darf also nur aus dem $Seite 260$ letzteren Grunde eine Überschrift bei J. G. Vogt, lauten: ''Das Entstehen und Vergehen der Welt''. Anderseits aber ist, weil jene Bedingungen unerfüllbar bleiben, von den immer wieder fortgeschleppten Beispielen K. F. Beckers//1 Ausführl. deutsche Gramm. I, 239; er verurteilt sogar ''„das Tragen seidener Kleider“'', das heute längst berechtigt ist, wo — soviel über ''das Tragen von Seide, Wolle'' und ''Baumwolle'' geschrieben wird!// wenigstens das eine sicher falsch: ''das Essen unreifer Äpfel'' (statt: ''der Genuß unreifer Äpfel''), und ebenso sicher ein anderes: ''der Apostroph zeigt das Ausfallen eines e an''; denn es handelt sich nicht mehr um das noch zu beobachtende Ausfallen, sondern um den bereits erfolgten Ausfall.  
Ein Gegenstück zu der ''schrittweisen Vervollkommnung'', das freilich durch eine andre Sprachdummheit entsteht, bilden Verbindungen wie: ''das einzig Richtige, der tiefer Denkende, der mittellos Verstorbne, der mit ihm Redende'' u. ähnl. Da liegt der Fehler nicht im Ausdruck, sondern in der Schreibung, nämlich in den törichten großen Anfangsbuchstaben, mit denen man ganz allgemein die Adjektiva und Partizipia solcher Verbindungen schreibt und druckt. Gewöhnlich wird gelehrt, daß Adjektiva und Partizipia, wenn sie kein Hauptwort bei sich haben, selber zu Hauptwörtern würden und dann mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden müßten, also: ''die Grünen'' und ''die Blauen, alle Gebildeten''. Das läßt sich hören. Nun geht man aber weiter. Man schreibt solche Adjektiva und Partizipia auch dann groß, wenn zu dem Adjektiv ein Adverb oder ein Objekt, zu dem Partizip ein Adverb, ein Prädikat, ein Objekt oder eine adverbielle Bestimmung tritt, z. B.: ''so Schönes, längst Bekanntes, etwas ungemein Elastisches, der minder Arme, alles bloß Technische, das eigentlich Theatralische, der wirtschaftlich Abhängige, das dem Vaterland Ersprießliche — ein unglücklich Liebender, kein billig Denkender, der wagehalsig Spekulierende, das wahrhaft Seiende, der früh Dahingeschiedne, die mäßig Begüterten, die bloß Verschwägerten, der ergebenst Unterzeichnete, der sehnlichst Erwartete, der wahrhaft Gebildete, das glücklich Erreichte, das früher Versäumte, der hier Begrabne, das anderwärts besser Dargestellte — der beschaulich Angelegte, der gefesselt Daliegende, der unschuldig Hingerichtete, das als richtig Erkannte — die dem Gemetzel Entgangnen, die Medizin Studierenden — die zu ihm Geflüchteten, die vom Leben Abgeschiednen, die bei der Schaffung des Denkmals Beteiligten, die an der Aufführung Mitwirkenden,'' $Seite 208$ ''die auf die Eröffnung der Kasse Wartenden'' — auch: ''die von ihm zu Befördernden, das auf Grund des schon Vorhandnen noch zu Erreichende'' usw. Ist denn das richtig? Können in solchen Verbindungen die Adjektiva und Partizipia wirklich als Substantiva angesehen werden? Ein wenig Nachdenken genügt doch, zu zeigen, daß das unmöglich ist. Wenn ich sage: ''der frühere Geliebte'', so ist das Partizip wirklich zum Substantivum geworden; sage ich aber: ''der früher geliebte'', so kann doch von einer Substantivierung keine Rede sein. Welchen Sinn hat es nun aber, Wörter äußerlich, für das Auge, zu Hauptwörtern zu stempeln, die gar nicht als Hauptwörter gefühlt werden können? Diese Fälle sollten im Unterricht dazu benutzt werden, den Unterschied zwischen einem zum Substantiv gewordnen und einem Partizip gebliebnen Partizipium klar zu machen! Wäre es richtig, zu schreiben: ''alles bisher Erforschte, alle vernünftig Denkenden, die im Elsaß Reisenden, die zwei Jahre lang Verbündeten, die zur Feier von Kaisers Geburtstag Versammelten, die durch die Überschwemmung Beschädigten, die auf preußischen Universitäten Studierenden, der wegen einer geringfügigen Übertretung Angeklagte'', wäre es möglich, alle diese Partizipia als Substantiva zu fühlen — und nur darauf kommt es doch an! —, dann müßte man auch sagen können: ''alle bisher Forscher, alle vernünftig Denker, die im Elsaß Reise, die zwei Jahre lang Verbindung, die zur Feier von Kaisers Geburtstag Versammlung, der durch die Überschwemmung Schade, die auf preußischen Universitäten Studenten, die wegen einer geringfügigen Übertretung Anklage''. Wollte man hier wirklich eine Substantivierung annehmen und äußerlich vornehmen, so könnte das doch nur so geschehen, daß man die ganze Bekleidung mitsubstantivierte und schriebe: ''die Wirklich'' oder ''angeblich minderbegabten, jeder Tieferindiegoethe-studieneingedrungne''. So verfährt man ja wirklich bei kurzen Zusätzen, wie: ''die Leichtverwundeten, der Frühverstorbne, die Fernerstehenden, die Wenigerbegabten''. $Seite 209$ Nun könnte man sagen: gut, wir wollen da, wo Adjektiva und Partizipia allein stehen, sie mit großen Anfangsbuchstaben schreiben; treten sie mit adverbiellen Zusätzen aus, so mögen sie mit dem kleinen Buchstaben zufrieden sein. Was soll denn aber dann geschehen, wenn beide Fälle miteinander verbunden sind, was sehr oft geschieht, z. B.: ''das unbedeutende, in der Eile hingeworfne — etwas selbstverständliches, mit Händen greifbares — etwas großes, der ganzen Menschheit ersprießliches — eine nach dem pikanten, noch nicht dagewesenen haschende Phantasie — mit Verzicht auf das verlorne und zu unsrer Sicherheit unbedingt notwendige''? Soll man da abwechseln? das eine klein, das andre groß schreiben? Das vernünftigste wäre ohne Zweifel, man beschränkte die großen Anfangsbuchstaben überhaupt auf die wirklichen Substantiva und schriebe alles übrige klein. Dahin wird es in Deutschland wohl nie wieder kommen. Aber zu schreiben: ''das durch redlichen Fleiß Gewonnene'', und sich und andern einzureden, ''Gewonnene'' sei hier ein Substantivum, ist doch ein Verbrechen an der Logik. Aber auch das ''schrittweise Gewonnene'' ist Unsinn. Denn wäre ''Gewonnene'' ein Hauptwort, dann könnte ''schrittweise'' nur ein Eigenschaftswort sein, und das ist es nicht; ist aber ''schrittweise'' ein Adverbium, dann kann ''Gewonnene'' nur eine Verbalform sein, und das ist es ebenfalls nicht, sowie man es mit ''G'' schreibt.  
Die eine Grenze liegt in der Sprachform unsrer Konjunktive. Der Konjunktiv der Gegenwart hat nämlich jetzt im Deutschen nur zwei (oder drei) Formen, in denen er sich von dem Indikativ unterscheidet: die zweite und die dritte Person der Einzahl (und allenfalls die zweite Person im Plural); in allen übrigen Formen stimmen beide überein. Nur das Zeitwort ''sein'' macht eine Ausnahme, und die Hilfszeitwörter ''müssen, dürfen, können, wollen, mögen'' und ''sollen''; die haben einen durchgeführten Konjunktiv des Präsens: ''ich sei, du seist, er sei, ich müsse, du müssest, er müsse''. Im Plural unterscheiden sich aber die beiden Modi auch bei den Hilfszeitwörtern nicht. Nur in der zweiten Person heißt es im Indikativ ''wollt, müßt'', im Konjunktiv ''wollet, müsset''; eigentlich sind aber auch diese Formen gleich, man hat nur im Konjunktiv das ''e'' bewahrt, das man im Indikativ ausgeworfen hat. Die Formen nun, in denen der Konjunktiv nicht erkennbar $Seite 149$ ist, weil er sich vom Indikativ nicht unterscheidet, haben natürlich nur theoretischen Wert, sie stehen gleichsam nur als Füllsel in der Grammatik (um das Konjugationsschema vollzumachen), aber praktische Bedeutung haben sie nicht, im Satzbau müssen sie durch den Konjunktiv des Imperfekts ersetzt werden. Das geschieht denn auch in der lebendigen Sprache ganz regelmäßig, So regelmäßig, daß es fast ein Unsinn ist, wenn unsre Grammatiken lehren: Conj. praes.: ''ich trage, du tragest, er trage, wir tragen, ihr traget, sie tragen''. Solche Schattenbilder brauchten gar nicht in der Grammatik zu stehen, es könnte einfach gelehrt werden: Conj. praes.: ''ich trüge, du tragest, er trage, wir trügen, ihr trüget, sie trügen''. Dieser Gebrauch steht schon lange so fest, daß er selbst dann gilt, wenn das regierende Verbum in der Gegenwart steht, also — gegen die consecutio temporum. Unsre guten Schriftsteller haben ihn denn auch fast immer beobachtet. Nicht selten springen sie in einer längern abhängigen Rede scheinbar willkürlich zwischen dem Konjunktiv des Präsens und dem des Imperfekts hin und her; sieht man aber genauer zu, so sieht man, daß das Imperfekt immer nur dazu dient, den Konjunktiv erkennbar zu machen — ganz wie in der lebendigen Sprache. Nun unterscheidet sich zwar der Konjunktiv des Imperfekts, zu dem man seine Zuflucht nimmt, bisweilen auch nicht von dem Indikativ des Imperfekts. Wenn er aber in der abhängigen Rede zwischen erkennbaren Konjunktiven der Gegenwart und abwechselnd mit ihnen erscheint, so wird er eben nicht als Indikativ gefühlt, sondern da ist er das einzige Mittel, das Konjunktivgefühl aufrecht zu erhalten. Ganz dasselbe gilt natürlich von dem Konjunktiv des Perfekts und des Plusquamperfekts; der erste ist, abgesehen von den zwei erkennbaren Formen: ''du habest gesagt, er habe gesagt'' für die lebendige Sprache so gut wie nicht vorhanden, er muß überall durch den des Plusquamperfekts ersetzt werden: ''ich hätte gesagt, wir hätten gesagt'' usw. Nun vergleiche man damit die klägliche Hilflosigkeit unsrer Papiersprache! Da wird geschrieben: ''es ist eine Lüge, wenn man behauptet, daß wir die Juden nur'' $Seite 150$ ''angreifen, weil sie Juden sind''. Es muß unbedingt heißen: ''angriffen'', denn es muß der Konjunktiv stehen, und das Präsens ''angreifen'' wird nicht als Konjunktiv gefühlt. Zu folgenden falschen Sätzen mag das richtige immer gleich in Klammern danebengesetzt werden: ''es ist ein Irrtum, wenn behauptet wird, daß sich die Ziele hieraus von selbft ergeben'' (''ergäben!'')— ''wie oft wird geklagt, daß die Diener des Staats und der Kirche von der Universität nicht die genügende Vorbildung für ihren Beruf mitbringen'' (''mitbrächten!'') — ''jedes Jahr wird die Beschuldigung erneuert, daß die Juden zu rituellen Zwecken Christenblut gebrauchen'' (''gebrauchten!'') — ''von dem Gedanken, daß in Lothringen ähnliche Verhältnisse vorliegen'' (''vorlägen!'') ''wie in Posen, muß ganz abgesehen werden — es war eine ausgemachte Sache, daß ich in Kriegsdienst zu treten habe'' (''hätte!'') — ''es gibt noch Leute, die ernstlich der Meinung sind, daß die Nationalliberalen 1866 das Deutsche Reich haben'' (''hätten!'') ''gründen helfen — es wird mir vorgeworfen, daß ich die ursprüngliche Reihenfolge ohne zureichenden Grund verlassen habe'' //** Habe wäre ja ein Eingeständnis, daß der Vorwurf berechtigt sei, denn es kann eben nur als Indikativ gefühlt werden. Manchen Süddeutschen will das gar nicht in den Kopf, weil sie (in Schwaben) den dialektischen Konjunktiv des Präsens haben: ''ich häbe, wir häben, sie häben'' und daher den Konjunktiv ''ich habe, wir haben, sie haben'', wo sie ihn gedruckt sehen, unwillkürlich als ''häbe'' verstehen und vielleicht auch so — aussprechen. Die mögen dann nichts davon wissen, ein ''habe'' durch ein ''hätte'' zu ersetzen, und behaupten, sie könnten das ''hätte'' nur als Konditional fühlen. Mag sein. Andre fühlen eben anders.// (''hätte!'') — ''H. Grimm geht von der Voraussetzung aus, daß ich den Unterricht in der neuern Kunstgeschichte an der Berliner Universität bekrittelt habe'' (''hätte!'') — ''am Tage meiner Abreise konnte ich schreiben, daß ich die Taschen voll gewichtiger Empfehlungen habe'' (''hätte!'') — ''da mußte ich erkennen, daß ich für mein wissenschaftliches Streben nicht die gehoffte Förderung zu erwarten habe'' (''hätte!'') — ''der Verfasser ist der Meinung, das Verbrechen müsse als gesellschaftliche Erscheinung betrachtet und bekämpft werden, zu seiner Ergründung müssen'' (''müßten!'') ''die'' $Seite 151$ ''reichen Ergebnisse der Gesellschaftswissenschaft berücksichtigt werden — man behauptet, daß die Lehren des Talmud veraltet seien und nicht mehr befolgt werden'' (''würden!'') — ''ich schrieb ihm, daß ich die Verantwortung nicht übernehmen könne, sondern die anstößigen Stellen beseitigen werde'' (''würde!'')//* Im Konjunktiv Futuri von ''werden'' zu ''würden'' auszuweichen ist freilich nicht möglich, wenn der Hauptsatz im Präsens steht, weil dann würden als Konditional gefühlt werden würde, z. B. ''ein geschlagnes Ministerium kann dem Herrscher raten, das Parlament aufzulösen, in der Hoffnung, daß die Wähler eine seinen Ansichten günstige Mehrheit von Abgeordneten entsenden werden''.// In solchen Fällen kann man sich mir dadurch helfen, daß man zum Singular greift: ''daß die Wählerschaft entsenden werde. — in dem Gutachten wird darauf hingewiesen, daß die Erhebungen sehr wenig brauchbare Anhaltepunkte bieten'' (''böten!'') — ''es geschah das auf das Drängen einheimischer Wähler, die vorstellten, daß Protestprogramme in den Dörfern nicht mehr ziehen'' (''zögen!'') — ''er erhebt den Vorwurf gegen uns, daß wir damit ein bloßes Wahlmanöver bezwecken'' (''bezweckten!'') — ''er hatte vor seinem Tode den Wunsch geäußert, die Soldaten mögen'' (''möchten!'') ''nicht auf seinen Kopf zielen — der Verfasser sucht nachzuweisen, daß die behaupteten Erfolge nicht bestehen'' (''bestünden!'') — ''durch die Städte und Dörfer eilte die Schreckenskunde, daß Haufen französischer Freischärler den Rhein überschritten haben'' (''hätten!'') ''und sich sengend und brennend über das Land ergießen'' (''ergössen!'') — ''ich hatte ihm bei der letzten Besprechung gesagt, ich begreife'' (''begriffe!'') ''sehr wohl, daß unser Verhältnis nicht wieder angeknüpft werden könne'' usw. Daß die Verfasser dieser Sätze den Indikativ hätten gebrauchen wollen, ist nicht anzunehmen; sie haben ohne Zweifel alle die redliche Absicht gehabt, einen Konjunktiv hinzuschreiben. Aber sie haben alle jenes Papiergespenst erwischt, das in der Schulgrammatik, um das Kästchen der Konjugationstabelle zu füllen, als Konjunktiv des Präsens oder des Perfekts dasteht, aber in der Satzbildung dazu völlig unbrauchbar ist. Ganz entsetzlich zu lesen sind Zeitungsberichte über ''„stattgefundne" Versammlungen'' und die dabei ''„statt-'' $Seite 152$ ''gefundnen" Debatten''. Was die Redner da gesagt haben, erscheint ja in den Berichten in abhängiger Rede. Aber von Anfang bis zu Ende wird alles mechanisch in den Konjunktiv der Gegenwart gesetzt, dazwischen noch so und so viel Indikative. Da aber mindestens fünfzig von hundert solchen Konjunktiven gar nicht als solche gefühlt werden können, so taumeln die Berichte nun unausgesetzt zwischen Konjunktiv und Indikativ hin und her. Auch Protokolle werden jetzt zum größten Teil so abgefaßt.  
Wer wollte verkennen, daß der Ausdruck auf die alte logische Auffassung der Sprache zurückgeht? Solche Sätze wie: ''Der Förster ist Pflanzer und Züchter zugleich'', sollen danach entstanden sein aus mehreren selbständigen Sätzen der Art: ''der Förster ist Pflanzer, der Förster ist zugleich Züchter''; tatsächlich ist diese vorausgesetzte vollständigere Form die zergliedernde logische Zerlegung, und psychologisch ist die Satzsorm in der § 308, 1 angedeuteten Weise zu erklären, immerhin darf der bequeme Name beibehalten werden für alle Sätze, denen ein Satzteil, gleichviel ob Subjekt oder Prädikat, Objekt oder Adverbiale oder selbst die Konjunktion gemeinsam ist. Im allgemeinen läßt sich zunächst sagen: wenn gleiche Satzteile nicht etwa im rednerischen oder poetischen Stile zu den künstlerischen Mitteln der Anapher und Epanalepse verwendet oder behufs Nachdruckes oder zur Hervorhebung einer Verschiedenheit wiederholt werden müssen, so ist, zumal für den Nebensatz, ihre nur einmalige Setzung notwendig, damit möglichste Kürze erreicht und Eintönigkeit vermieden wird. Selbst auf zwei durch ein Stück des gemeinsamen übergeordneten Satzes getrennte, aber völlig gleichartige Nebensätze kann sich die Auslassung erstrecken; ''verständige Christen, die sich nicht gern mit Empfindungen, die sie leicht ins Trübe, und Schwärmerei, die sie bald ins Dunkel hätte führen können, abgaben und vermengten'' (Goethe). Der strenge Sprachmeister verlangt solch vollständig gleiche Form und Bedeutung ausnahmslos, wenn die sogenannten zusammengezogenen Sätze nicht seiner Verurteilung verfallen sollen. Wer die Sprache nicht in spanische Stiefel schnüren will, wird auch hier manches natürlicher fassen müssen.  +
Die gleiche Erweiterung eines ursprünglich kürzeren Kasus durch ''-er'' stellt auch die Form ''derer'' dar, die heute nur als Genetiv der Mehrzahl zu ''der'' in der Bedeutung ''derjenige'' verwendet werden darf, also hin- oder zurückweisend auf einen Relativsatz, statt eines vor einem Attribute zu wiederholenden Hauptwortes (= ''celui'') und in Verbindung mit ''von'' vor Adelsnamen: ''das Geschlecht derer von Moltke; der Herr vernichtet die Macht derer, die sich gegen ihn auflehnen; der Rankischen Schule gehören fast sämtliche großen Historiker Deutschlands und ein Teil derer des Auslandes an''. Dagegen steht es falsch attributivisch vor einem Substantiv wie in dem Satz: ''der Widerstand aller derer'' (statt: ''der[jenigen]'') ''Kreise, die ein Interesse an der Reinheit des Marktes haben''. Nicht minder ist es falsch, weil damit eine von der Sprache herausgearbeitete Unterscheidung wieder verwischt wird, wenn es auch als einfaches unbetontes Demonstrativum oder als Relativum gebraucht wird; deren Genetiv der Mehrzahl wie der weiblichen Einzahl lautet vielmehr ''deren'': ''der alte Herr verständigte mich, daß diese Mücken, wenn deren im Paradiese gewesen, nur angenehm gesummt hätten'' (H. Hoffmann). ''Die Festaufführung, deren ich stets gedenken werde, war unvergleichlich schön. Das sind Erlebnisse, deren wir uns am liebsten erinnern.'' Falsch schreibt also Junker: ''Sie trugen stets ihre Schilde und mehrere Lanzen in den Händen'' oder ''statt derer auch ein Pingah.'' Überhaupt begegnet die Form ''derer'' fälschlich am Anfange von Relativsätzen zumal neben Verhältniswörtern wie ''vermittels, vermöge, wegen'' immer häufiger: Fürst $Seite76$ Bülow: ''in den unklaren Jahrzehnten, während derer ...'' und ein Lehrer: ''eine Art von Satzbildung, mittels derer Wünsche und Fragen ausgedrückt werden''. Wichtiger als diese kleine Formfrage ist für die hinweisenden Fürwörter der Übelstand, daß das abgestumpfte Sprachgefühl, verbunden mit der gleichfalls bereits gerügten Sucht, derber aufzutragen, ihre Bedeutung oft verkennen und die mit engerer Bedeutung an die Stelle einfacherer, allgemeinerer treten läßt.  
Eine Unform ist, wenn wir nicht den Portugiesen ihr ''cujos, cujas'' nachmachen wollen, ''dessem'' und ''derem''; wenn nur aber $Seite82$ dieser adjektivisch deklinierte Dativ von einem Genetive nicht schon bei viel gelesenen Schriftstellern, z. B. bei Raabe im Heiligen Brunnen wie in Hastenbeck und nicht nur in Tagesblättern vorkäme!  +
Die Genitive der Mehrzahl ''derer'' und ''deren'' sind der alten Sprache überhaupt unbekannt, sie hat nur ''der''; beide sind — ebenso wie die Genitive der Einzahl ''dessen'' und ''deren'' — erst im Neuhochdeutschen gebildet worden und als willkommne Unterscheidungen des betonten und lang gesprochnen Determinativs und Relativs ''der'' (''der'') von dem gewöhnlich unbetonten und kurz gesprochnen Artikel ''der'' (''der'') festgehalten worden. ''Derer'' steht vor Relativsätzen (und verdient dort den Vorzug vor dem schleppenden ''derjenigen''); ''deren'' ist Demonstrativum: ''die Krankheit und deren Heilung'' (d. i. ''ihre Heilung'') und Relativum: ''die Krankheiten, deren Heilung möglich ist''. Falsch ist es also, wenn Relativsätze angefangen werden: ''in Betreff derer, vermöge derer''. Ein ganz neuer Unsinn, den man jetzt bisweilen lesen muß, ist ''dessem'' und ''derem'': ''der Dichter, dessem löblichen Fortschreiten ich mit Freuden folge — die Geschäfte werden inzwischen von dessem Stellvertreter besorgt — die fremde Kunst, bei derem Studium der Deutsche seine eigne Kunst vergaß — für die Behörden zu derem alleinigen Gebrauch ausgefertigt''. Der Dativ, der in diesen Sätzen steht, hat gleichsam den vorangehenden abhängigen Genitiv angesteckt und dadurch diese Mißbildungen geschaffen. Die Verirrung geht aber wohl öfter in den Köpfen der Setzer als in denen der Schriftsteller vor; bei der Korrektur lesen die Verfasser über den Unsinn weg, und so wird er mit gedruckt. Auch dergleichem findet sich schon: ''er ist zu Verschickungen und dergleichem gebraucht worden''.//** Das Dativ-''m'' hat Ungebildeten immer großen Respekt eingeflößt. Schrieb und druckte man doch sogar im achtzehnten Jahrhundert in Leipzig: ''der Gasthof zum drei Schwanen, der Riß zum Schlachthöfen''. Man meinte natürlich ''zun'', getraute sich das aber nicht zu schreiben.//  +
Bald noch schlimmer macht sich ''derselbe'' breit. Nur ein Beispiel zum Abschrecken: ''Infolge schwerer Krankheit ist es mir leider nicht vergönnt, ihr die letzte Ehre zu erweisen, und wird uns die-'' $Seite78$ ''selbe unersetzlich sein'' (statt: ''erweisen''. ''Sie wird uns unersetzlich sein''). Nach seiner ersten und eigensten Bedeutung dient ''derselbe'', betont, zur Bezeichnung der Wesensgleichheit, ganz wie die Zusammensetzung ''einundderselbe'', die man, nebenbei bemerkt, ebensogut in beiden Teilen beugen kann: ''eines und desselben'', wie, als einheitlichen Begriff gefaßt, nur am Ende: ''ein und demselben'': ''Die verdächtige Person, die heute bei euch vorgesprochen hat, ist dieselbe'' (''ein und dieselbe, nämliche''), ''die gestern bei uns versteckt gefunden wurde''. Niemand wird auch mehr daran etwas ändern wollen, daß ''derselbe'' zu einem unbetonten Demonstrativ geworden ist und, sobald in einem Satze Beziehungen auf verschiedene Wörter gleichen Geschlechts ausgedrückt werden müssen, neben ''er, sie, es'' verwendet wird, so zwar, daß die Nominative ''er, sie, es'' nur auf das Subjekt des vorhergehenden Satzes bezogen werden, ''derselbe'' aber, doch daneben auch die obliquen Kasus zu ''er, sie, es'' auf oblique Kasus des Satzes//1 Ähnlich ist der Unterschied zwischen den Possessiven ''sein, ihr'' und ihren Vertretern ''dessen, deren''. Diese letzteren drücken Beziehung auf einen obliquen Kasus desselben Satzes oder auf irgend ein Wort, auch das Subjekt eines vorausgehenden aus, sind aber nur dann notwendig, wenn diese Beziehung von der auf das Subjekt ein und desselben Satzes geschieden werden muß, die nur ''sein, ihr'', nie auch ''dessen, deren'' ausdrücken dürfen: ''Notker war ein berühmter Lehrer. Als Otto I. in dessen'' (''Notkers'') ''Greisenalter St. Gallen besuchte, führte der Kaiser den erblindeten Notker mit eigener Hand. Er führte uns zuerst zu seinem Schwiegersohne und dessen Eltern'' (''des Schwiegersohnes''). Also falsch ist ebensogut: ''Niemand gibt dessen'' (statt ''seinen'') ''Besitz freiwillig auf'', wie: ''Die Königin nahm von Prinzessin Klementine und ihrem Gemahl Abschied'', denn das wäre der eigene Gemahl, während der der Prinzessin gemeint ist, also ''deren Gemahle'' stehen muß. Möglich zwar, aber nicht nötig ist ''dessen, deren'' in Beziehung auf ein anderes Wort als das Subjekt desselben Satzes, wenn überhaupt nur eine Beziehung möglich ist: ''Von dieser Sorte gibt es so viele, daß es schade wäre, wollte ein solcher deren'' (oder ''ihre'') ''Zahl noch vergrößern''. Falsch endlich ist der Gebrauch von ''dessen'' und ''deren'' statt ''sein'' und ''ihr'', wenn dadurch bei dem Hauptwort, zu dem sie gehören, jede Bezeichnung des Abhängigkeitsverhältnisses unmöglich gemacht wird, also namentlich vor einem Hauptwort, das selbst im Wesfall steht. Es darf also nicht heißen: ''zum Schutze unserer Missionare und deren'' (sondern ''ihrer'') ''Anstalten'', nicht: ''Ein Kenner der Armee Österreich-Ungarns und dessen'' (sondern: ''seiner'') ''Wehrverfassung''; nicht: ''Robert Duncan, der 40 jähr. Sohn des alten Jägers D. und dessen'' (sondern: ''seiner'') ''Ehefrau'' (DAZ. 29). Neben der Undeutlichkeit wirkt hier noch der sprachgeschichtliche Grund mit, daß die älteren Formen von ''dessen'' und ''deren'': ''des'' und ''der'', auch Genetiv des Geschlechtswortes waren und so dieses und das Fürwort oft garnicht unterscheidbar gewesen wären. VgI. O. Behaghel, Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 1906, S. 39 u. 247.//, auf die man sich freilich auch mit ''jener'' oder ''dieser'' beziehen kann. Z. B.: ''Mein Bruder ist zu seinem Freunde gegangen; derselbe'' = (''der Freund'') ''will ohne ihn'' (''den Bruder'') ''den Kauf nicht abschließen''; aber: ''Mein Bruder ist zu seinem Freunde gegangen''; ''er'' (''der Bruder'') ''will dann mit demselben'' (auch: ''ihm'' oder ''diesem'') ''in die Stadt gehn.'' Auch läßt man sich's gefallen, wenn ''derselbe'' des Ebenmaßes wegen gesetzt ist, damit ein einem andern vorhergehenden gleichwertiges Glied diesem gewichtiger entspreche oder ein vorhergehendes augen- und ohrenfälliger wieder aufgenommen werde//2 Vgl. O. Schröder, „Der Papierne Stil", S. 35 ff. G. Eucken ersetzt durchweg auch den (substantivischen) Wesfall von ''derselbe'' durch ''seiner'': ''Wir dürfen gegenüber den Verwicklungen unseres deutschen Lebensideals einer Verklärung seines Kernes, einer deutlicheren Heraushebung seiner aus allem, was ihn umgibt und leicht auch verhüllt''. Ähnlich in der DAZ. 27: ''Das Zwölftafelgesetz wurde niemals formell'' $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ''aufgehoben, sondern neben ihm und auf Grund seiner entstanden ganz neue Rechtsordnungen''.//: $Seite79$ weil die deutsche Sprache vor vielen anderen sich dem Ursprunge zu nähern scheint, so sind auch die Grundwurzeln in ''derselben'' desto besser zu erkennen. Aber notwendig ist das Wort hier so wenig wie im Genetiv neben einem Hauptwort mit dem unbestimmten Artikel, wo freilich das Possessiv wie auch ''dessen, deren'' das Unbestimmte aufheben würde. Immerhin steht es in solchem Falle selbst in den Grimmschen Märchen, wo die — Distel aus den Kanzleien sonst wahrlich nicht gedeiht: ''Es blieb nichts übrig als den Bart abzuschneiden; dabei ging ein kleiner Teil desselben verloren''; aber schöner hieße es doch auch da: ''ein kleiner Teil davon'' oder ohne besonderen Ausdruck für die selbstverständliche Beziehung: ''... ging ein kleiner Teil verloren''.  
Zum Vorteile der Sprache haben sich ''derselbe'' und ''der nämliche'', ''welcher'' oder ''der'' und ''der gleiche wie'' in der Weise ausgeholfen, daß in vollständigen Sätzen neben ''dem'' auch bisweilen möglichen ''wie'' nach beiden das Relativ, in der Zusammenziehung ebenso bei beiden fast nur ''wie'' gebraucht wird: ''Erkennen Sie diesen für den selben'' (''nämlichen, gleichen''), ''der Sie gestern beleidigt hat?'' Aber: ''Dadurch werden den deutschen und österreichischen Waren dieselben'' (''nämlichen, gleichen'') ''Ermäßigungen eingeräumt wie den ungarischen''. Zu weit gehen bei denselben Wörtern und dem Gegenteile der umgekehrte, entgegengesetzte nun aber Fügungen wie die folgenden bei einem Germanisten: ''Nach demselben Schema von Schottel angelegt unterscheidet sich Morhofs Werk davon ...'' und: ''Es gilt also für ihn das Umgekehrte, was für Luther''. In der ersten sind die Fügungen ''nach dem Schema von Schottel'' (besser: ''Schottels'') und ''nach demselben Schema, wie das von Schottel'' zusammengeflossen, und in der anderen die beiden: ''das Umgekehrte von dem, was für Luther gilt'', oder kürzer (nach § 300 f.) ''das Umgekehrte als für Luther''. Wie griechisch klingt der Satz Jensens: ''Die Uhrenindustrie nimmt ungefähr denselben Raum auf dem Hochlande mit der Strohflechterei ein''; aber Schiller wird die gleiche Fügung: ''Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns kaum dem Griechischen verdanken''. Dagegen sinnwidrig ist die Fügung: ''Shauß ist mit dem Richter in einer Hauptsache verschiedener Meinung''. (Grenzboten 1906, LXIII, 24, S. 587).  +