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N
Von der Überzahl von Zeitwörtern her, die durch eine Nennsorm mit ''zu'' ergänzt werden, droht dieses auch neben Zeitwörtern einzudringen, neben die es nach Sprachgefühl und Sprachgebrauch nicht gehört. Ziemlich unbedroht sind davon noch die Zeitwörter der sinnlichen Wahrnehmung wie ''finden, fühlen, sehen'' und ''hören'', ebenso vier der Bewegung: ''bleiben, gehn, fahren'' und ''reiten'', und dazu ''haben''. Hier empfindet wohl das Sprachgefühl durch die Nennform noch das erste Mittelwort hindurch, das ursprünglich bei diesen Wörtern stand, sich aber nimmer mit ''zu'' vertrüge; noch Luther sagt z. B.: ''Er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend''. Auch die Ausdrucksweise Storms: ''Schau nur, wie fremd und vornehm er aussehen worden ist'', erklärt sich gewiß ebenso. Falsch ist dagegen also die namentlich norddeutsche Unsitte, nicht, wie der Bauer zu sagen: ''Ich habe nur noch neun Kühe im Stalle stehn'', sondern: ''Ich habe ein großes Gefäß in der Küche zu stehn'', oder: ''Ich hatte sehr viele Beiträge zu liegen'' (U. Peters). Vgl. § 127.  +
Kein Tag vergeht, ohne daß einem in Büchern oder Zeitungen neue Wörter entgegenträten. Nun wird niemand so töricht sein, ein neues Wort deshalb anzufechten, weil es neu ist. Jedes Wort ist zu irgend einer Zeit einmal neu gewesen; von zahlreichen Wörtern, die uns jetzt so geläufig sind, daß wir sie uns gar nicht mehr aus der Sprache wegdenken können, läßt sich nachweisen, wann und wie sie ältern Wörtern an die Seite getreten sind, bis sie diese allmählich ganz verdrängten. Wohl aber darf man neuen Wörtern gegenüber fragen: sind sie nötig? und sind sie richtig gebildet? Neue Gegenstände, neue Vorstellungen und Begriffe verlangen unbedingt auch neue Wörter. Ein neu er- $Seite 350$ fundnes Gerät, ein neu ersonnener Kleiderstoff, eine neu entdeckte chemische Verbindung, eine neu beobachtete Krankheit, eine neu entstandne politische Partei — wie sollte man sie mit den bisher üblichen Wörtern bezeichnen können? Sie alle verlangen und erhalten auch alsbald ihre neuen Namen. Aber auch alte Dinge fordern bisweilen nette Bezeichnungen. Wörter sind wie Münzen im Verkehr: sie greifen sich mit der Zeit ab und verlieren ihr scharfes Gepräge. Ist dieser Vorgang so weit fortgeschritten, daß das Gepräge beinahe unkenntlich geworden ist, so entsteht von selbst das Bedürfnis, die abgenutzten Wörter gegen neue umzutauschen. Und wie bei abgegriffnen Münzen leicht Täuschungen entstehen, so auch bei vielbenutzten Wörtern; sehr leicht verschiebt sich nämlich ihre ursprüngliche Bedeutung. Hat sich aber eine solche Verschiebung vollzogen, dann ist für den alten Begriff, der durch das alte Wort nun nicht mehr völlig gedeckt wird, gleichfalls ein neues Wort nötig. In vielen Fällen büßen die Wörter, ebenso wie die Münzen, durch den fortwährenden Gebrauch geradezu an Wert ein, sie erhalten einen niedrigen, gemeinen Nebensinn. Dieser „pessimistische" Zug, wie man ihn genannt hat, ist gerade im Deutschen weit verbreitet und hat mit der Zeit eine große Masse von Wörtern ergriffen; man denke an ''Pfaffe, Schulmeister, Komödiant, Literat, Magd, Dirne, Mensch'' (''das Mensch, Küchenmensch, Kammermensch''), ''Elend, Schimpf, Hoffart, Gift, Lift, gemein, schlecht, frech, erbärmlich''. Ihnen allen ist ursprünglich der verächtliche Nebensinn fremd, der im Laufe der Zeit hineingelegt worden ist. Sobald sie aber einmal damit behaftet waren, mußten sie, wenn der frühere Sinn ohne Beigeschmack wieder ausgedrückt werden sollte, durch andre Wörter ersetzt werden. So wurden sie verdrängt durch ''Geistlicher, Lehrer, Schauspieler, Schriftsteller, Mädchen, Fremde, Scherz, Hochherzigkeit, Gabe, Klugheit, allgemein, schlicht, kühn, barmherzig''. Die andre Forderung, die man an ein neu aufkommendes Wort stellen darf, ist die, daß es regelrecht, $Seite 351$ gesetzmäßig gebildet sei, und daß es mit einleuchtender Deutlichkeit wirklich das ausdrücke, was es auszudrücken vorgibt. Diese Forderung ist so wesentlich, daß man, wo sie erfüllt ist, selbst davon absieht, die Bedürfnisfrage zu betonen. Verrät sich in einem neu gebildeten Wort ein besonders geschickter Griff, zeigt es etwas besonders schlagendes, überzeugendes, eine besondre Anschaulichkeit, und das alles noch verbunden mit gefälligem Klang, so heißt man es auch dann willkommen, wenn es überflüssig ist; man läßt es sich als eine Bereicherung des Wortschatzes gefallen. Wie wenige aber von den neuen Wörtern, mit denen wir überschwemmt werden, erfüllen diese Forderungen! Die meisten werden aus Eitelkeit oder — aus Langerweile gebildet. Schopenhauer hat einmal mit schlagender Kürze ausgesprochen, was er von einem guten Schriftsteller verlangt: er gebrauche gewöhnliche Wörter und sage ungewöhnliche Dinge! Die meisten aber machen es umgekehrt und hoffen, der Leser werde so dumm sein, zu glauben, sie hätten etwas neues gesagt. Wie quälen sich unsre ästhetischen Schwätzer, namentlich die, die über die „künstlerische Erziehung des Volkes" schwatzen oder fabrikmäßig Biographien lebender Künstler anfertigen, ihren Trivialitäten den Schein des Geistreichen zu geben, indem sie sich neue Wörter aussinnen! Eine Art von „Jugendstil" möchten sie auch in die Sprache einführen. Wie quälen sich unsre Musik- und Theaterschreiber, den tausendmal gesagten Quark einmal mit andern Worten zu sagen! Wie quälen sich die Geschäftsleute in ihren Anzeigen, den „Konkurrenten" durch neue Wörter und Wendungen zu übertrumpfen! Jahrzehntelang hat man von ''Zeitungsnachrichten'' gesprochen; jetzt heißt es: ''Blättermeldungen''! Das eine verhält sich zum andern ungefähr wie der ''Essenkehrer'' zum ''Schornsteinfeger'' oder der ''Korkzieher'' zum ''Pfropfenheber''. Verfallen sein kann auf ''Blättermeldung'' nur einer, dem ''Zeitungsnachricht'' zu langweilig geworden war. Was soll ''Jetztzeit''? Es ist schlecht gebildet, denn unsre Sprache kennt keine Zusammensetzungen aus einem Umstandswort und $Seite 352$ einem Hauptwort,//* Höchstens ''Wollust'' und ''Jawort'' ließen sich vergleichen. Nur wenn das Hauptwort ein Verbalsubstantiv ist, sind solche Zusammensetzungen möglich, z. B. ''Leisetreter''.// es klingt auch schlecht mit seinem ''tztz'' und ist ganz überflüssig, denn ''Gegenwart'' hat weder etwas von seiner alten Kraft eingebüßt, noch seine Bedeutung verschoben. ''Gepflogenheit'' hat man gebildet, um eine Schattierung von ''Gewohnheit'' zu haben; ist aber nicht ''Brauch'' so ziemlich dasselbe? Ein garstiges Wort ist ''Einakter'' (für einaktiges Schauspiel). Freilich haben wir auch ''Einhufer, Dreimaster'' und ''Vierpfünder''; würde aber wohl jemand ein Distichon einen ''Zweizeiler'' nennen? Um für ''Lehrer'' und ''Lehrerin'' ein gemeinschaftliches Wort zu haben, hat man ''Lehrperson'' gebildet — eine gräßliche Geschmacklosigkeit. Statt ''voriges Jahr'' sagt man jetzt ''Vorjahr''; alle Jahresberichte spreizen sich damit. Man hat das aus dem Adjektivum ''vorjährig'' gebildet, wie man auch aus ''alltäglich'' und ''vormärzlich'' gedankenloserweise ''Alltag'' und ''Vormärz'' (!) gemacht hat und neuerdings gar aus ''überseeisch'' ''Übersee'': ''aus Europa und Übersee''! (''die Übersee'' oder ''das Übersee''?). Es ist aber auch dem Sinne nach anstößig. Die mit ''Vor'' zusammengesetzten Hauptwörter bedeuten (wenn es nicht Verbalsubstantiva sind, wie ''Vorsteher, Vorreiter, Vorsänger, Vorbeter'') ein Ding, das einem andern Dinge als Vorbereitung vorhergeht, wie ''Vorspiel, Vorrede, Vorgeschichte, Vorfrühling, Voressen, Vorgeschmack''. Die Leipziger Messe hatte sonst eine ''Vorwoche'', die der ''Hauptwoche'' vorausging. Wie kann man aber jedes beliebige Jahr das ''Vorjahr'' des folgenden Jahres nennen! Dann könnte auch der Lehrer im Unterricht sagen: ''wir haben in der Vorstunde das und das behandelt''. Ebenso verfehlt wie das ''Vorjahr'' ist der ''Vorredner'' — man vergleiche ihn nur mit dem ''Vorsänger'' und dem ''Vorbeter''. Wenn ein Schiff eine Reise antritt, so nennt man das jetzt nicht mehr ''abreisen'', sondern ''ausreisen'': ''der Tag der Ausreise der Deutschland rückte heran''. War das Wort wirklich $Seite 353$ nötig, das so lächerlich an ''ausreißen'' anklingt? Für die zeichnenden Künste hat neuerdings jemand das schöne Wort ''Griffelkunst'' erfunden, das die Kunstschreiber schon fleißig nachgebrauchen. Nun verstand man ja unter den zeichnenden Künsten auch den Kupferstich und die Radierung, die mit dem Griffel arbeiten. Unter der ''Griffelkunst'' aber soll man nun auch die Bleistift-, die Feder- und die Tuschzeichnung verstehen, die nicht mit dem Griffel arbeiten. Was ist also gewonnen? Und wollen wir die Malerei vielleicht nun ''Pinselkunst'' nennen? Zu ganz verunglückten Bildungen hat neuerdings öfter das Streben geführt, einen Ersatz für Fremdwörter zu schaffen. Hierher gehören namentlich ''der Fehlbetrag'' (''Defizit''), ''die Begleiterscheinung'' (''Symptom''), ''der Werdegang'' (''Genesis'') und ''die Straftat'' (''Delikt''). Auch ''Folgezeit'' und ''Lebewesen'' können mit angereiht werden. Ein Verbalstamm als Bestimmungswort einer Zusammensetzung bedeutet stets den Zweck des Dinges (vgl. ''Leitfaden, Trinkglas, Schießpulver'' und S. 71).//* Auch Wörter wie ''Pflegemutter, Schreihals, Singvogel, Stechapfel, Stinktier'' machen nur scheinbar eine Ausnahme, auch ''Beißkorb'' und ''Klapperdeckchen'', denn sie bezeichnen Dinge, die den Zweck haben, Beißen und Klappern zu verhüten. Nur ''Bratheringe'' und ''Röstkartoffeln'' haben ihren Zweck schon erfüllt, sie sind schon gebraten und geröstet.// Ein ''Fehlbetrag'' ist aber doch nicht ein Betrag, der den Zweck hat, zu fehlen, sondern es soll ein fehlender Betrag sein (ganz anders gebildet sind ''Fehlbitte, Fehltritt, Fehlschuß, Fehlschluß''; hier ist fehl nicht der Verbalstamm, sondern das Adverbium), ebenso soll ''Lebewesen'' ein lebendes Wesen, ''Folgezeit'' die folgende Zeit, ''Begleiterscheinung'' eine begleitende Erscheinung bedeuten. In ''Werdegang'' vollends soll der Verbalstamm den Genitiv ersetzen (''Gang des Werdens''); es scheint nach ''Lehrgang'' gebildet zu sein, aber es scheint nur so, denn ''Lehrgang'' ist mit ''Lehre'' zusammengesetzt. Die verunglückteste Bildung ist wohl ''Straftat'' — wer mag die auf dem Gewissen haben! Das Wort ist gebildet, um eine gemeinschaftliche $Seite 354$ Bezeichnung für ''Vergehen'' und ''Verbrechen'' zu haben. Was soll man sich aber dabei unter ''Straf'' denken? das Hauptwort oder den Verbalstamm? Eins ist so unmöglich wie das andre. Im ersten Falle würde das Wort auf einer Stufe stehen mit ''Freveltat, Gewalttat, Greueltat, Schandtat, Wundertat''. Alle diese Zusammensetzungen bezeichnen eine Eigenschaft der Tat und zugleich des Täters; in ''Straftat'' aber würde die Folge der Tat bezeichnet sein! Im zweiten Falle würde es auf einer Stufe stehen mit ''Trinkwasser'', und das wäre der helle Unsinn, denn dann wäre es eine Tat, die den Zweck hätte, bestraft zu werden! Solche ungeschickte Wörter sind freilich auch schon früher als Übersetzung von Fremdwörtern „von plumpen Puristenfäusten geknetet" worden, man denke nur an ''Beweggrund'' (für ''Motiv''), ''Fahrgast'' (für ''Passagier'') u. ähnl.; müssen wir das aber fortsetzen? Unter den Eigenschaftswörtern sind ebenso geschmacklose wie überflüssige Neubildungen: ''erhältlich'' (''in allen Apotheken erhältlich''), ''erstklassig'' (''ein erstklassiges Etablissement''), ''erstrangig'' (''ein erstrangiges Hotel''), ''erststellig'' und ''zweitstellig'' (''eine erststellige Beleihung, eine zweitstellige Hypothek''), ''innerpolitisch'' (''die innerpolitische Lage''), ''kapitalkräftig, treffsicher'' (''eine treffsichere Charakteristik'') ''parteilos'' (für ''unparteiisch''), ''lateinlos'' (''die lateinlose Realschule''!); unter den Adverbien: ''fraglos, debattelos'' (''es wurde debattelos genehmigt''), ''verdachtlos'' (''ein Fahrrad wurde verdachtlos gestohlen'' — abgesehen davon, daß hier weder das grammatische Subjekt, das ''Fahrrad'', noch das logische Subjekt, ''der Dieb'', einen Verdacht haben kann). Ja als ob überall ohne weiteres ''los'' für ''ohne'' gesetzt werden könnte, preist ein Biograph die ''gleichenlose Laufbahn seines Helden''! Ganz seltsam gebraucht man seit einiger Zeit ''rückständig'', nämlich für ''zurückgeblieben'' und ''veraltet''; man spricht von ''rückständigen Anschauungen''; früher hat man nur von ''rückständigen Geldsummen'' gesprochen. Nach ''jahrein jahraus'' hat man ''tagein tagaus'' gebildet — sehr töricht! Das Jahr ist ein großer Ring oder Kreis, in den tritt man ein und $Seite 355$ wieder aus; die kurzen Tage aber gleichen einzelnen Schritten, darum sagt man viel richtiger: ''Tag für Tag'', wie ''Schritt für Schritt''. Besonders gern werfen die Techniker unnötige neue Wörter in die Sprache. So haben sie ''lochen'' und ''durchlochen'' gebildet (neben ''durchlöchern''), angeblich um das planmäßige auszudrücken; ''eine Scheibe auf dem Schießstande werde durchlöchert'', ebenso ''ein Buch durch Würmerfraß'', aber ''eine „Fahrkarte," ein Stuhlsitz'' oder''die Metallscheibe eines Leierkastens'' (jetzt ''Musikwerk'' genannt) ''werde durchlocht''. Wenn man auf einen Gegenstand Licht fallen läßt, so nannte man das früher ''beleuchten''. Das hat aber den Photographen nicht genügt, sie haben sich das schöne Wort ''belichten'' ausgedacht. Ein Ding, womit man ein Zimmer heizt, nannte man früher einen ''Ofen'', und ein Ding, womit man ein Zimmer erleuchtet, einen ''Leuchter'' (''Armleuchter, Kronleuchter''). Jetzt nennt man das eine ''Heizkörper'', das andre ''Beleuchtungskörper''. ''Lehrperson'' und ''Heizkörper'' — eins immer schöner als das andre!  
Von Beiwörtern sind z. B. ''gebildet: der Himmel fahlt, es feuchtet, es finstert, die Pflanze geilt, vergeilt sein''; und in Verbindung mit Vorwörtern: ''der Mond bleichte totkalt ins Zimmer; schwaches Licht blaßte nieder, die Segel schlafften zusammen, die Bergwand steilte (sich) empor''. Zahlreicher sind solche Ableitungen von Hauptwörtern: ''das Gefühl, das golden durch die Seele adert; deichen'' (mit Deich umziehen, Deicharbeit machen); ''sie ist die Zugspitze auf- und abgedrahtseilt''; ''der Regen dümpelt'' (''tümpelt'': bildet T.); ''banken'' (faul, fest auf der B. sitzen); ''ein Steilweg brückt zur Tiefe''; ''die gebeulte Brust''; ''Durch diese Kreise falterte die Gestalt wie ein Sonnenstrahl''; ''eine gefelderte Decke''; ''Schätze felsen seine Enge enger''; ''festen'' (ein F. feiern); ''gespenstern''; ''generalstreiken''; ''Kalt höhte der Norden sich''; ''es—, mich frostet''; ''der schnee flockt''; ''es—, die Sonne glutet''; ''der Wein goldete im Glase''; ''er klotzt nur so'' (ist klotzig reich); ''Meine Freude kümmert nur im Dunkel''; ''dort kuppte das Heidegebirge''; ''der Dom kuppelt in den Himmel''; ''Er kurvte'' (fuhr in K.) ''zu Tal''; ''leinen'' (an die L. nehmen); ''es mondet'' (der M. scheint, es wird bald einen Monat); ''Ein Buchental muldete sich zur Ebene hin''; ''In deinem Glanzlicht muß ich nachten''; d''as Kind neugierte in den Korb''; ''Leere ödete aus den finstern Ecken''; ''parken'' (am Park, an der Autohaltestelle warten); ''der Vogel pfeilte in die Luft''; ''polken'' (Polka tanzen); ''Kein liebes Veilchen purpurt''; ''reigen'' (R. tanzen); ''schiern, schlitteln; schlittern'' (stehend auf dem Eise gleiten); ''die schleiernde Nacht''; ''wie im Alter Reue brennt und Tränen drüber schneen''; ''Nebel schwadet über die Wiesen''; ''seekrankheiten''; ''stumpfsinnen''; ''tanken'' (Brennstoff aus dem T. entnehmen); ''walden'' (im W. hausen); ''Weihnachten'' (W. sein, werden, feiern); ''die Unermüdliche wieselte durch die Menge''; ''Auf seiner Stirn wölkte der Unmut''; ''die Masten zinkten hervor''; ''zu höflich, um zu zwisten'' (Zw. zu erregen). Besonders von Personen- u. a. Eigennamen sind solche Tätigkeitsbezeichnungen nicht so neu: ''bauern'' (als B. leben); ''dieseln'' (mit Dieselmotor treiben); ''echternachern'' (tun wie bei der E.-Sprungprozession); ''fletschern'' (nach Fletschers Weisung Speise tüchtig kauen); ''feuerwerke[r]n''; ''klausnern''; ''mensendiecken'' (Frauenturnen nach M. treiben) ; ''morsen'' (telegraphieren); ''müllern'' (Zimmerturnen nach Dr. M. treiben); ''taschenspielern''; ''wäschern''; ''zigeunern''. Wieder helfen auch Vorwörter: ''Da fächerte ein Tal sich auf''; ''Westlich geiert Gewölk empor''; ''ummanteln''; ''Mein Herz durchflügelt die Landschaft der Liebe''; ''die Sonne zerfunkte in meinen Augen''; ''Das Herz verperlte sein Blut''; ''Es durchpfeilte den Torweg''; ''verproleten''; ''Mächtig quadert die Mauer empor''; ''Goldgefunkel durchspeerte'' $Seite 5$ ''die Wege''; ''ihn kreuzigen'', ''zerstriemen''; ''Zigarrenrauch entwölkt dem Manne''; ''die Stadt zackte uns entgegen''. Selbst ganze Wendungen und Vergleiche „''ballt''“ heutige Freude an kraftvoller Gedrungenheit in ein Tatwort: ''Ich will mit dir die Erde abschiedgrüßen, Sie eislächelte''; ''sich am Podium hinprangern''; ''Dein Herz hat alle Nägel der Vernunft gleich jenem Berge aus mir herausmagnetet''; ''das Boot, das zwischen den Wellen hochpfeilte''; ''Sie nutznießt die Inflation''; ''ich seelenverhungere''; ''der Wille weltentrückte ihn''; ''wer kann dich fassen, Macht, und wortgestalten?'' Unverkennbar sind manche dieser Bildungen launig gefärbt, anderseits ist ihre Art nicht schlechthin neu. Goethe bietet: ''Ein Gelächter echot in den Räumen'' (F. II) und: ''wie zur Nacht der Himmel erst sich sternet'' (Tageb.), und selbst die „geballtesten" Wörter finden ihresgleichen schon in der neunzig Jahre alten Wendung: ''es mühlräderte ihm im Kopfe''. Freilich hätte Bismarck den Ausdruck ''staatsstreichern'', den er im Gespräch gebraucht hat, in Rede und Schrift sicher nicht verwendet, und mögen anderseits manche der obigen Bildungen auch der Schrift-, ja Dichtersprache angemessen sein, so werden andere auf Umgangs- und Verkehrssprache beschränkt bleiben. Immerhin, für die Biegsamkeit und Bildkraft unserer Sprache zeugen alle gleichermaßen.  
Eine Mischmaschfügung ist auch die Verbindung ''nicht — als vielmehr''. Statt: ''Auch möchte ich nicht Abstraktion und Vergessenheit als Ursache annehmen als vielmehr eine bestimmte Konvention'', mußte es z. B. in Herrigs Archiv heißen: ''nicht Abstraktion, sondern oder eher eine Konvention'', oder: ''weniger Abstraktion als'' (''denn'') ''eine Konvention''. Nach ''nicht sowohl, nicht so sehr'' ist ''als vielmehr'' sogar noch häufiger, trotzdem nicht besser und nur ein alter Latinismus an einer Stelle, wo ''sondern'' oder bloßes ''vielmehr'' echt deutsch und ausreichend wäre. Wer es da gebraucht, hat Goethe mit einer Reihe von Beispielen auf seiner Seite: ''Er gehört nicht sowohl zu den Dichtern der neuen Welt, welche man die romantische genannt hat, sondern'' (''vielmehr'') ''zu jenen der naiven Gattung''//2 Für ''sowohl'' und ''nicht sowohl'' ist es lehrreich, das Tonverhältnis zu beachten. Bei ''sowohl'' hat ''so'' (wenigstens auch) den Ton im ersten Gliede und fordert sich entsprechend ein ''als'' im zweiten; bei ''nicht sowohl, nicht sosehr'' ist die Verneinung die Hauptsache und daher auch am stärksten betont, ihr aber entspricht ''sondern'' (''vielmehr''). Auch ein ''insofern, insoweit'' des Hauptsatzes fordert an der Spitze des Nebensatzes ein entsprechendes ''als'', und C. Hille (DWSch. 26) mußte fügen: ''Das Äußerliche des schweren Lebensganges Meyers wird nur insoweit gegeben, als es für das Verständnis der Seelenbiographie'' (!) ''erforderlich ist'', und nicht: ''insoweit ..., um die Seelenbiogr. zu verstehen''!//. Nach bejahendem Satzgliede wird ein ergänzendes steigerndes beigeordnet durch ''aber auch'' oder ''auch'' in Relativ- $Seite 277$ satz angefügt: ''Wer Führer sein will, trägt bei höchster unumschränkter Autorität aber auch die schwerste Verantwortung''; und: ''Diese Pest hätte nie zu der erstickenden Flut anzusteigen vermocht, die seit nun fünf Jahren aber auch den letzten Rest von Achtung für uns ertränkte'' (Hitler). ''Sondern'' steht hier in der Weise, in welcher es wesentlich seit Luther//1 Vgl. H. Wunderlich, Der deutsche Satzbau, l.Aufl., S. 242; 2. Aufl., Bd. 2,423.// im Deutschen ausschließlich steht, nämlich aufhebend und berichtigend, doch ''auch so'' nur nach einer Verneinung, und zwar muß diese eines der mit ''n'' anfangenden verneinenden Adverbien ''nicht, nirgends'' u. ä. oder ''kein'' und ''kaum'' sein, allenfalls auch ''selten. Der Minister von Lutz kommt nur noch selten hierher, sondern ist gewöhnlich auf seinem Landhause in Tutzing'' (M. Allg. Z.). Andere Ausdrücke mit verneinendem Sinne sind, weil ihre Verneinung nicht selbständig genug ausgedrückt ist, vollends nicht geeignet, durch das scharf entgegengesetzte ''sondern'' ausgehoben oder berichtigt zu werden. Es gilt dann entweder jene Begriffe aufzulösen oder das zweite Glied mit (''und'') ''vielmehr'' fortzusetzen. Es darf also nicht gesagt werden: ''Die Gründe waren unaussprechbar, sondern mußten verschwiegen bleiben'', sondern nur: ''sie konnten nicht ausgesprochen werden, sondern'' ... Oft liegt auch der Fehler gar nicht im ersten, sondern im zweiten Gliede, in ''sondern'' selbst, das angewendet ist, wo der Gedanke nur in einer bestimmten Weise erläuternd weiter geführt wird, so daß ''also und'' genügt: So sollte Hebel sagen: ''Da ist ihm die Rache zu klein und verächtlich, und'' (nicht: ''sondern'') ''er denkt: Wir sind in Gottes Hand, und will nicht Böses mit Bösem vergelten''.  
Noch einen Schritt breiter geht die Gespreiztheit, wenn wieder im Amtsstile und danach in dem des Briefes wie überhaupt im Tone einer falschen Bescheidenheit nicht mehr gesagt wird, daß etwas geschieht, sondern daß die Ausführung nicht unterlassen, also eigentlich ausgeführt wird. Oder ist es etwas anderes als solche Doppelung der Worte, wenn eine Behörde nicht bloß ''nicht umhin kann'' oder ''sich verpflichtet hält darauf hinzuweisen'', sondern auch ''nicht unterläßt zu bemerken; nicht verfehlt'' oder ''ermangelt zu betonen; sich nicht bedenkt, nicht ansteht, keinen Anstand nimmt zu erklären'' u. v. ä.? Dazu verbirgt sich, was das Schlimmste ist und die Seele der Sprache nur verdirbt, weil die des Volkes verderbt ist, in solchen Wendungen zugleich ein schlimmes Zeichen der Zeit, eine Furcht vor der Wahrheit, die Scheu, eine Tatsache so wie sie ist, auch ohne Umschweife gerade heraus zu sagen; und doch hat Gott die Gradheit selbst ans Herz genommen. Davon wissen freilich die nichts, welche die Schuld für Tun und Lassen auf andere schieben, indem sie ewig erklären, daß sie sich genötigt, gedrängt, außerstande sehen, veranlaßt und behindert fühlen. Eben darum dünkt es viele vorsichtiger, sich statt eines bestimmten tadelnden Ausdruckes der Verneinung eines allgemein lobenden zu bedienen, der ja immer noch beliebig aufgefaßt werden kann: ''da steht man nicht an, einem Werke keine tiefere Bedeutung zuzumessen, während ihm eine'' (''jede'') ''tiefere Bedeutung abgesprochen werden müßte''. Man findet etwas nicht häßlich, sondern unschön, nicht schlecht, sondern ungut und als rücksichtsvoller Lehrer den Schüler ja nicht faul und liederlich, sondern unfleißig und von geringem Ordnungssinn. Auch ''unsanft, unfein'' und ''unzart'' sind oft nur ähnliche Ausgeburten der Zimperlichkeit; und wenn einer leichtes Spiel mit etwas gehabt hat, so könnte man ihn beleidigen, wenn man das offen ausspräche, und sagt deshalb lieber, daß er es unschwer getan habe.  +
Mit der Stellung von ''nicht'' ist auch der Gebrauch von ''kein'' unsicher geworden. Die Nachstellung der Verneinung ist nämlich schuld daran, daß jenes oft nicht gebraucht wird, wo es am Platze wäre, um rechtzeitig den verneinten Sinn des ganzen Satzes anzudeuten: ''Hofrat v. S. war so schwer erkrankt, daß Hoffnung auf Rettung seines Lebens nicht vorhanden ist'' (statt des richtigen und deutscheren: ''daß keine Hoffnung .... vorhanden ist''). Nach deutschem Sprachgebrauch wird nämlich nicht nur jenes ''nicht'', auch wenn es zum Zeitwort oder sonst einem andern Satzteile gehört, unbedenklich von jedem ''ein'' im Satze angezogen und mit ihm zu ''kein'' vereinigt; sondern es steht gleich gerechtfertigt auch in drei andern Fällen, wo ein ''ein'' nicht zugrunde liegt. Nämlich vor artikellosen Mehrzahlen: ''Ich habe keine Geheimnisse vor dir''; zweitens selbst für ''nicht'' + bestimmten Artikel ist es möglich in solchen Sätzen: ''Vor 90 Jahren gab es noch kein Königreich Belgien; er kommt in keine Kirche'' (= ''nie in die Kirche''); $Seite 407$ und drittens vor Zahlwörtern, wenn die Vielheit darin als eins gedacht wird; ''es ist noch keine zwei Stunden her''. Auch die letzten Anwendungen sind trotz ihrer Anfechtung durch die Sprachmeisterer nicht unberechtigt. Wenn Zeitungsschreiber z. B. gesagt haben: ''Ich mochte keine 5 Minuten länger bleiben. Der Glaube vermag keine Berge mehr zu versetzen'', oder Chiavacci: ''Sie kommen ohnehin das ganze Jahr unter keine Menschen'', so fühlen sie nur gleich sinnlich und lebhaft wie das Volk, das mit diesem ''kein'', das gemäß dessen Entstehung aus ''nichein'' die Aufhebung jedes einzelnen Wesens oder Teilchens einer Gattung oder Masse ausdrückt, mit Recht kräftiger zu verneinen glaubt. — Dagegen ist es das würdige Seitenstück zu der närrenden Aufsparung von ''nicht'', wenn der Satz in einer zumal in Österreich beliebten Art erst bejahend angefangen und dann durch ein nachschleppendes ''kein'' in das Gegenteil umgebogen wird: ''Eintrittsgeld wird keins erhoben''. Nicht eine Art ''Eintrittsgeld'' ist hier der zu verneinende Begriff, sondern die Tatsache der Erhebung, und für deren Verneinung ist die übliche Form: ''Eintrittsgeld wird nicht erhoben''.  
Ebenso sollte das Relativ dann nicht durch ein hinweisendes oder persönliches Fürwort wieder aufgenommen werden, wenn auch für den zweiten Satz die an der Spitze des ersten stehende Form am Platze ist. Der alte Goethe war es, der schrieb: ''Redensarten, die der Schriftsteller vermeidet, sie jedoch dem Leser beliebig einzuschalten überläßt''. Daher kann er z. B. Widmanns Satz nicht mehr entschuldigen: ''viele Damen übergaben dem Priester Kleinkinderzeug, das dieser mit lächelndem Eunuchengesicht in Empfang nahm, es dreimal'' (statt ''und dreimal'') ''vor dem Allerheiligsten hin- und herschwenkte'', ebensowenig den J. Minors: ''aldorf, wo der Bruder eines der Herrenhäuser besaß und sich eben dort aufhielt'', und H. Johsts: ''Das seien Tatsachen, die man nicht mit Sentimentalitäten verbrämen solle, sondern sie hinzunehmen habe wie alle Erscheinungen dieses Lebens''. Aber nicht nur unnötig ist eine solche Form, sondern auch häßlich breit und aufdringlich wirkt sie; das zeigt besonders der Satz der Tgl. R.: ''Ein Siren nimmt den Rock herab, den nach Jahren ein Pilger auf dem Strande findet, ihn erkennt und sich desselben nicht würdig haltend, ihn wieder ins Meer wirft'' (statt ''findet und erkennt, sich aber seiner nicht würdig haltend, wieder ins Meer wirft''). Erfordert wirklich Nachdruck oder Gegensatz die mehrmalige Andeutung des Beziehungs- $Seite 302$ wortes, so wird dem am besten die Wiederholung des Relativums in der regelrechten Form dienen. Über die Stellung der Relativsätze vgl. § 404.  +
''Zu'' dient bekanntlich neben seiner Hauptaufgabe, eine Annäherung an einen Ort, Zweck und ein Ziel zu bezeichnen, auch dazu, anzuzeigen, daß sich etwas wo befindet: ''die Herrschaft ist schon zu Bett; wir waren zu Wagen da und da''; besonders auch zeitlich: ''zu den Zeiten Neros, zu Anfang des 10. Jahrhunderts, zu Ende des Monats''. Nur die Ausdehnung bis zu einem Ziel kann es dagegen bezeichnen, wenn es mit ''bis'' verbunden ist, das zeitlich heute auch allein denselben Dienst versehen kann; ''bis'' (''zu'') ''Sonntag zurückhalten, bis zu dir''. Somit ist es ein Zuviel, eine Mischfügung, wenn ''bis'' (''zu'') $Seite 155$ zur Beantwortung der bloßen Frage ''wann?'' verwendet wird. ''Auch den Kuchen aßen die Kinder auf, weil sie meinten, bis zu'' (statt ''bei'') ''unserer Rückkehr wäre er nicht mehr zu genießen'', hat z. B. Förster geschrieben; ein süddeutscher Wahlausschuß: ''Die erwachsenen männlichen Bewohner von Cannstadt und Umgegend werden bis'' (statt: ''für, auf'') ''Sonntag, den 16. Februar d. J. zu einer allgemeinen Wählerversammlung eingeladen''. M. Janitschek: ''Bis Sonntag wird wohl der erste Ball sein'', und der norddeutsche Bismarck: ''Daß wir bis heute nur mit einem Unfallversicherungsgesetze kommen, hat seinen Grund darin''//1 Auch das Bindewort ''bis'' hat bei österreichischen Schriftstellern eine ähnliche nicht empfehlenswerte Bedeutungsverschiebung erfahren, indem es statt vom Erstrecken über eine Zeitstrecke hin von einem Punkte in der Zukunft im Sinn von ''als, erst wenn, wenn einmal'' gebraucht wird. So bei A. Meißner: ''Sie sollte die Scheidende erst vermissen, bis sie allein war''; bei H. Bahr: ''Wir erkennen die wichtigen Stunden unseres Lebens erst, bis sie vorüber sind''; u. gehäuft bei Zd. v. Kraft: ''Morgen oder übermorgen, bis ich vorüberkomme, werde ich bezahlen'': oder: ''Die Axt war an den Stamm gelegt und würde den Baum seiner Freundschaft brechen, bis die zähen Wurzeln der Gewohnheit erst morsch und brüchig geworden wären''.//. Umgekehrt ist dem Wörtchen ''zu'' in der Verbindung ''zu Hause'' in der heutigen Schriftsprache durchaus die Bezeichnung des Ruheverhältnisses zugefallen, so daß ''zu Hause gehn''//2 Nur für die übertragene Anwendung: ''es kommt einem zu Hause, wird einem zu Hause gebracht'' = ''einem heimgezahlt'' z. B. bei Sanders, Wb. (S. 709 b) muß die Wendung ''zu Hause'' als die Richtung bezeichnend anerkannt werden.//, z. B. bei Trentini, neben dem der Schriftsprache gemäßeren: ''nach Hause gehen'' mehr volkstümlich anmutet, ganz wie auch in E. T. A. Hoffmanns Märchen „Der goldene Topf": ''daß er sie zu Hause führte''; und in Grabbes „Napoleon": ''Fahren sie zu Haus!'' Die entsprechende Antwort auf die Frage ''woher?'' ist strenggenommen nur: ''von Hause''; aber auch von ''zu Hause'' gehört heute nicht nur der mitteldeutschen Umgangssprache an, sondern hat Heimatsrecht auch in der Schriftsprache, in der z. B. Keller schreibt: ''zehn Stunden von zu Hause weg''.  
Fehlerhaft ist es, wenn einem Eigenschafts- oder Mittelwort, das als Beifügung vor einem Hauptworte steht, die von jenem abhängige Bestimmung erst hinter dem Hauptworte nachträglich nachgeschickt wird, wie in der Fügung Lessings: ''mit gestütztem Haupte auf die rechte Hand''. Den Grund, warum diese Stellung unzulässig ist, findet jeder zunächst in der ungebührlichen Zerreißung des Zusammengehörigen. Doch hat das Gefühl, das diese als ungebührlich empfindet, noch einen tieferen Ursprung in den erst § 378 ff. bes. 393 zu besprechenden Gesetzen der deutschen Wortstellung. So wird auch für die oft zu lesende Aufschrift: ''Verbotener Weg für Lastfuhrwerk bei Polizeistrafe'' am besten ein vollständiger Satz gewählt: ''Dieser Weg ist bei Polizeistrafe für Lastfuhrwerk verboten!'' oder ganz kurz: ''Für Lastfuhrwerke bei P. verboten!'' und in der Tägl. R. durfte nicht von ''kundigeren Sachverständigen der parlamentarischen Geschäftsbehandlung'' statt ''der Geschäftsbehandlung kundigeren Sachverständigen'' die Rede sein; ebensowenig durfte es dort heißen: ''Der Reichsritter steht in gar zu verschiedenem Verhältnis da von dem modernen Kanonier''; und in der DAZ. 28 nicht: ''dem im bestehenden Rechte überschriebener Abschnitt „Vergehen und Verbrechen im Amt“'' (statt: ... ''Vergehen u. V. im A. überschriebenen A''., noch: ''die von vorn nach hinten gelegte Achse durch den Augapfel''. Den Vogel hat Jensen abgeschossen: ''zwei Steinblöcke ... berichten von gegeneinander abgehaltenen Predigten des Teufels und eines Engels, selbstverständlich zum schließlichen großen Schaden des ersteren und unwünschbar'' (!) ''glorreichsten Erfolge des letzteren''. Auch ein Vergleichsglied mit ''als'', das nur zu einem komparativischen Beiwort gehört, darf von diesem nicht durch das leitende Hauptwort getrennt werden, wie in dem Satze: ''Diesen Romulustempel, der durch seine frühere Entstehung als die Kirche naturgemäß etwas tiefer liegt'' (L. N. N. 1916 statt: ''durch seine Entstehung vor der Kirche'').  
Nur sollte man in einer Fügung, deren innerlicher Zweck ist, die Fügung des Satzes nur durch eine allerleichteste, fast enklitische Form anzudeuten und so des engeren Zusammenschlusses wegen für den wichtigeren Verbal- oder Objektsbegriff die beherrschende Stelle frei zu machen, nicht das schwerfällige derselbe verwenden. Also sage man nicht mit Goethe: ''Wir stellten eine Gesellschaft vor, die wohl mancher andre zufällig berühren, aber sich nie in dieselbe'' (statt ''in sie'' oder ''darein'') ''eindrängen konnte''; sondern mit H. Güntert: ''Die Nacht war den alten Indern ein dunkles Tuch, das man sackartig über die Welt deckte und sie damit einengte''. Mehr ähnliche Beispiele in § 308, 6.  +
Ebenso falsch, freilich fast noch verbreiteter ist der passivische Gebrauch des reflexiven Verbums auch in anderen Formen: ''Es wurde sich erst gesetzt, als der Fürst das Zeichen gab. Es muß sich noch geduldet werden bis'' —; und bei G. Keller: ''ob er ein Schwänzchen des Glückes mitgebracht hatte, woran sich klüglich zu halten sei'', sowie: ''Es hieß, der Genuß der günstigen Stunde sei sich zu gönnen''. Kein Wunder, wenn man dann in dem Erlasse eines österreichischen Justizministers liest: ''daß sich im innern Dienste ausschließend der deutschen Sprache zu bedienen ist''. Ein Gelehrter wie H. Petersen bringt fertig: ''wenn sich nur um eine ernstliche Auseinandersetzung gemüht würde'' (Lit. Wschr. 26); Rud. Herzog: ''wonach sich doppelt und dreifach zu richten ist''; und: H. Leip: ''worauf sich am meisten eingebildet wird''. Ausdrücklich mag auch darauf hingewiesen werden, daß selbst ein dativisches ''sich'' neben dem zweiten Mittelworte eine Härte bleibt, wenn auch vielleicht keine so große: ''jede mit größter Kraft sich abgezwungene Besserung; Schulze hat das sich gesteckte Ziel erreicht''; ebenso ein von Präpositionen abhängiges: ''Dazwischen gehen die eigenen mit sich getragenen Gedanken ungestört fort''. Etwas anderes ist es, wenn das Reflexiv in der ersten oder zweiten Person steht, weil dieses nur auf das Subjekt des Satzes bezogen werden kann, während das der dritten auch auf das Substantiv gehen könnte, bei dem es steht und mit dem zusammen es einen abgekürzten Satz mit diesem Substantiv als Subjekt darstellt. Also während der Satz: ''Infolgedessen war ich genötigt, den bis dahin bei mir behaltenen Führer zu entlassen'', ohne jeglichen Anstoß ist, wird ein solcher lieber vermieden: ''Er war genötigt, den bei sich behaltenen Führer zu entlassen''//1 Daß der deutschen Sprache das Reflexiv selbst in dieser Fügung unbequem ist, zeigt sich auch in seinem Verschwinden hinter ''mit'': dem lateinischen ''dimisit comites illuc secum ductos'' entspricht deutsch am besten: ''er entließ die bis dahin mitgenommenen Begleiter''. Noch deutlicher zeigt eine andere allgemeinere Betrachtung, daß das Reflexiv der deutschen Sprache in anderen als Satzfügungen zuwider ist, während es in der Fügung des vollständigen Satzes immer am Platze ist, da es sich darin als Objekt auf das Subjekt zurückbezieht. Adjektive und Substantive nämlich, selbst das Substantiv des Verbs, d. h. der (substantivierte) Infinitiv bedürfen des Reflexivs nicht, um den nämlichen Begriff auszudrücken, den im Satze nur ein reflexives Verb auszudrücken vermag. Man vergegenwärtige sich nur einige solche Reihen: ''sich beteiligen, Beteiligung, beteiligt; sich ausleben, ausgelebt, die Auslebung des Ichs; sich hingeben, Hingabe, das Hingeben, hingebend; sich besinnen, Besinnung, besonnen; sich verirren, Verirrung, verirrt; sich verspäten, Verspätung, verspätet''. Und so sagt nicht allein Schiller: ''Da war ein Freuen, wenn er wiederkam''; und: ''Es muß ein furchtbares Reißen um den Almanach sein''; der Plauderer über Silvesterfeiern ruft mit Wieland: ''zu alt zum Verlieben und Vernarren''; und Rud. Huch: ''Sie erzählten von allem Lieben, Leiden und Freuen'', und: ''Das war ein Beglückwünschen, Umarmen und Küssen''; ein Kunstkritiker in der Tägl. Rundschau: ''Es ist in diesen Bildern etwas wie . . . ein Besinnen auf frühere Jahre''; und: ''Auch das Fischerdorf V. hat teil an dem Aufraffen des Künstlers''. Schon Goethe bietet nebeneinander: ''das Überheben der menschlichen Natur'' und: ''das überhobenste Bestreben der rein geistigen Natur des'' $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ ''Menschen''; G.Keller: ''Er führte die Herren zu einem außergewöhnlichen Gütlichtun''; Otbeede: ''Die Heldin hatte eine ewige Krone gewonnen durch ihr tapferes, unermüdlliches Bezeigen gegen dieses Volk''; Trentini: ''Ich muß gestehen, sagte Esther nach angem Gedulden''; und W. Flex: ''Mein Schreiben ist wie Träumen und Erinnern, gegen das wir wehrlos sind''. Für den Fehler, daß der Infinitiv mit dem Reflexiv substantiviert wird, stehn viele Beispiele unten beim substantivierten Infinitive § 271 f. Von den Eigenschaftswörtern ist es besonders ''befindlich'', neben dem sich fälschlich erscheint: ''Alle sich auf dem Eise befindlichen Personen'' (statt ''alle auf dem Eise befindlichen'' oder allenfalls: ''alle sich auf dem Eise befindenden Personen'') ''bewunderten den kühnen Musterfahrer''.//.  
Aus Rücksicht zugleich auf Wohllaut und Deutlichkeit wird es vermieden, zwei Nennformen mit ''zu'' (oder ''um zu''), die von einander abhängen, zusammentreffen, vor allem hart aneinanderrücken zu lassen. Es ist also unbedenklich, zwei solche Fügungen in einem Satze zu vereinigen, wenn sie durch ein übergeordnetes Satzglied getrennt werden: ''Denn das Bad alsdann entbehren zu können, bin ich nicht so töricht zu erwarten''. Dagegen sind die folgenden Zeitungssätze alle hart und unerträglich: ''Unser Kritiker scheint nicht zu lesen zu verstehn'' (statt: ''versteht anscheinend nicht zu lesen''). ''Er stellte sich zur Hauptaufgabe, die Lust holländische Bücher und Zeitungen zu lesen zu wecken'' (Tgl. R. statt: ''die Lust am Lesen holländischer ... Zeitungen zu wecken''). ''Brauchen'', von dem ja ein Infinitiv mit ''zu'' abhinge, wird deshalb im verkürzten Infinitivsatze durch $Seite 267$ ''müssen'' ersetzt. Statt übellautend wie Gutzkow: ''um nicht zu weinen zu brauchen'', oder wie Ebers: ''ohne eine Entdeckung befürchten zu brauchen'' sagt man also: ''um nicht weinen zu müssen; ohne eine Entdeckung befürchten zu müssen''. Freilich wird hier dem Wohlklang zuliebe (gegen § 275) gern das erste ''zu'' geopfert, so von Hindenburg: ''Ich glaubte mich keinem Zweifel hingeben zu brauchen'', und von Emma Vockeradt: ''im festen Glauben, die Hand nur ausstrecken zu brauchen, um es zu erfassen'' (DAZ. 27).  +
Ein Prädikat, das sich auf zwei oder mehr Subjekte bezieht, muß selbstverständlich im Plural stehen, wenn die Subjekte zu einer Gruppe zusammengefaßt werden. Das geschieht aber immer, wenn sie durch das Bindewort und verbunden sind. Dagegen werden die Subjekte niemals zu einer Gruppe vereinigt, wenn sie mit trennenden (disjunktiven) oder gegenüberstellenden Bindewörtern verbunden werden — eigentlich ein Widerspruch, aber doch nur ein scheinbarer, denn die Verbindung ist etwas äußerliches, rein syntaktisches, die Gegenüberstellung ist etwas innerliches, logisches. Zu diesen Bindewörtern (zum Teil eigentlich mehr Adverbien) gehören: ''oder, teils — teils, weder — noch, wie, sowie, sowohl — wie, sowohl — als auch''. Es ist eins der unverkennbarsten Zeichen der zunehmenden Unklarheit des Denkens, daß in solchen Fällen das Prädikat jetzt immer öfter in den Plural gesetzt wird. Verhältnismäßig selten liest man ja so unsinnige Sätze wie: ''wenn ein schwacher Vater oder eine schwache Mutter der Schule ein Schnippchen schlagen'' (''schlägt''!) — ''es ist sehr fraglich, ob ein roher, trunksüchtiger Mann oder eine böse, schlecht wirtschaftende Frau im Hause mehr Schaden anrichten'' (''anrichtet!'') — ''so war es teils die Willkür des Geschmacks, teils die Willkür des Zufalls, die zu entscheiden hatten'' (''hatte''!) — oder gar: ''sein Milieu, wenn nicht etwas andres in ihm, erhalten'' (''erhält''!) ''ihn unparteiisch und nüchtern''. Aber schon etwas ganz alltägliches ist der Fehler bei ''weder — noch'': ''wenn weder der Beklagte noch er selbst sich stellen — während doch sonst weder Tinte noch Papier gespart werden — da weder der Vater noch die Mutter des Jungen mit uns das geringste zu tun haben — weder die Gräfin noch ihr Bruder verfüge' über ein größeres Vermögen — weder Boccaccio noch Lafontaine haben solche Abweichungen geduldet — weder Preußen noch das junge Reich waren stark genug, das Zentrum zu überwinden''. Am häufigsten wird der Fehler bei ''wie, sowie'' und den verwandten $Seite 98$ Verbindungen begangen: ''die vornehme Salondame wie die schlichte Hausfrau stellen an Dienstboten oft unerhörte Anforderungen — der Verfasser zeigt, wie sich von da an das Heer wie das Reich immer mehr barbarisierten — da der Rationalismus den Grundzug dieser Religion bildet, so ist es klar, daß ihr der Gebildete wie der Ungebildete in gleicher Weise anhängen — die Ausbildung der städtischen Verfassung wie die Entwicklung der Fürstentümer zwangen zur Vermehrung der Beamten — der höchste Gerichtshof sowie der Rechnungshof des Reichs befinden sich nicht in der Reichshauptstadt — Frankreich sowohl wie Deutschland entwickeln sich sozialistisch — Custine sowohl wie die französische Regierung waren hinlänglich davon unterrichtet — sowohl der romantische als der realistische Meister hatten der Entwicklung eine breite Bahn geöffnet — sowohl der Wortschatz als auch die Formenlehre haben im Verlaufe von hundert Jahren merkliche Veränderungen erfahren — die freundlichen Worte, die sowohl der Vizepräsident an mich, als auch der Herr Ministerpräsident an die Direktoren gerichtet haben''. In allen diesen Sätzen kann gar kein Zweifel sein, daß nur von einem Singular etwas ausgesagt wird. Dieser Singular wird einem andern Singular gleichgestellt, von dem dieselbe Aussage gilt. Aber daduch wird doch aus den beiden Singularen noch kein Plural. Wer das Prädikat in den Plural setzen will, muß eben die Subjekte durch ''und'' verbinden, nicht durch ''wie''.  
Leicht zu verstehn und im angemeinen auch beachtet ist es, daß in allen von Zeitwörtern der in § 371 genannten Art abhängigen Sätzen der Konjunktiv stehn muß, wenn ihr Inhalt nur als die subjektive Auffassung und Mitteilung des Subjekts dieser Verben hingestellt wird und dem, was tatsächlich bekannt ist, widerspricht oder doch in dieser Weise noch nicht gesagt worden ist. Ausdrücke vollends, die schon an sich andeuten, daß eine Meldung oder Mutmaßung durch die Tatsachen noch nicht bestätigt ist, haben eben darum fast ausschließlich den Konjunktiv nach sich; so: ''wähnen, es geht ein Gerücht, es verlautet, sich einbilden, vorgeben, einen Vorwand machen'', wie auch alle irrigen und unsichern Meinungen in der unbestimmten Redeweise ausgedrückt werden müssen. Nichts kann verkehrter sein, als solche persönliche Ansichten und Mitteilungen, die durch die Tatsachen nicht bestätigt und vom Darstellenden selbst nicht gebilligt werden, doch in die bestimmte indikativische Redeweise zu kleiden. Freilich ist selbst einem Lessing z. B. der Satz untergelaufen: ''Ich will auf dem Einfall des R. nicht bestehn, daß das Latein erst den rechten Narren macht'' (statt: ''mache''), und Gellert der andre: ''Es ist falsch, daß ein bequemliches Leben ein zufriedenes ist'' (statt: ''sei''). Heute sind solche Indikative viel häufiger, wenn auch nicht immer so ärgerlich wie in folgendem Satze: ''Ich habe die Leute mit Opium kuriert, und sie haben sich eingebildet, es ist'' (statt: ''sei'') ''ihnen vom Psalmensagen besser geworden''.  +
Endlich Abweichungen von der Regel, daß die Zahl des Relativs durch sein Beziehungswort bestimmt wird. Zunächst kann natürlich auch hier die Fügung nach dem Sinne einreten: ''Ich fand manches bemerkenswerte Bürgerhaus, manches unscheinbar alte auch, an denen Tafeln verkündeten'' ... (W. v. Scholz); ''Ich habe etwas vom Handwerker in mir, die müssen die Länder abreisen, aber dann wollen sie Ruhe haben'' (DAZ. 27). Ebenso wenn an die Erwähnung eines einzelnen Gegenstandes eine Bemerkung über eine von seinesgleichen gebildete Mehrheit oder gar die Gesamtheit geknüpft wird, kann sich — ganz wie im Griechischen (vgl. Odyss. V, 438) — untadelhaft der Plural des Relativs an einen Singular des Substantivs anschließen: ''Das gebräuchlichste Gewand ist ein blauer Samtrock, von denen 20 auf einen von Tuch kommen'' (Eltze); $Seite 248$ ''Sie sprechen denn auch keinen Sprechstil, sondern einen Druckstil, die gar sehr verschieden sind'' (Rud. Hildebrand); und: ''Jeder große Feldherr, unter welchen die Szipionen, Marius, Sulla, Cäsar waren, dachten über ihr Kriegshandwerk als eine Kunst nach''. Vgl. auch § 255. Heute vertuscht man, wie man wähnt, etwas Regelwidriges, wenn man dafür umständlich sagt: ''von der Art, von welcher'' oder vergleichend: ''wie ihrer'' ... Etwas ganz anderes ist es mit den Relativsätzen, deren übergeordneter Satz durch seine Form die Absicht verrät, daß die Zurechnung zur Gattung ausdrücklich ausgesprochen werden soll, wie in dem Satze: ''Grant ist einer der einfachsten und stillsten Menschen, die ich je gesehen''. Hier wird ein starker Widerspruch zwischen der angedeuteten Absicht und der weiteren Ausdrucksweise fühlbar, wenn das Fürwort dann auf den Einzelbegriff bezogen wird, wie etwa in einem Satze Vilmars: ''Der Zug, daß Alexander habe vor dem Paradiestor umkehren müssen, weil ihm Demut gefehlt, ist übrigens einer von denen, welcher in allen späteren Alexandersagen wiederkehrt''. In etwas anderer Weise liegt doch der gleiche Fehler auch in solchen Beziehungen vor, ''wie eine Art Korb, die aus Blattstielen geflochten sind'' (statt ''ist'' oder statt: ''Körbe, die .... sind'') bei A. v. Humboldt, oder: ''Der Teil des Volkes, das'' (statt ''der'') ''nicht schon dort saß, lief nebenher'' bei G. Keller.  
Alle Präpositionen sind ursprünglich einmal Adverbia gewesen. Auch die häßlichen, langatmigen Modepräpositionen unsrer Amts- und Zeitungssprache: ''anläßlich, gelegentlich, inhaltlich, antwortlich'', was sind sie zunächst anders als Adverbia? Neuerdings soll nun aber noch eine Anzahl weiterer Adverbia mit aller Gewalt zu Präpositionen gepreßt werden, nämlich: ''rechts, links, nördlich, südlich, östlich, westlich'' und ''seitlich'' (das letzte ein recht überflüssiges Wort). Niemand wird bestreiten, daß auch diese Wörter Adverbia sind. $Seite 244$ Um anzugeben, im Vergleich womit etwas ''rechts'' oder ''links, nördlich'' oder ''südlich'' sei, haben wir denn auch früher immer die Präposition ''von'' zu Hilfe genommen und gesagt: ''rechts von der Straße, nördlich von den Alpen''. Da haben nun offenbar manche Leute geglaubt, ''von'' sei hier, wie so oft, eine bloße Umschreibung des Genitivs, und da sei es doch gescheiter, lieber gleich den Genitiv zu setzen. Und so hat sich denn seit einiger Zeit immer mehr der Fehler verbreitet, zu schreiben: ''rechts der Elbe, rechts'' und ''links der Szene, nördlich des Viktoriasees, südlich der Kirche, seitlich des Altars'', ja neuerdings sogar ''ringsum des Marktes''. Namentlich Architekten, Techniker und Geographen schreiben schon gar nicht mehr anders. Ein Fehler ist es aber doch, wenigstens solange es noch Menschen gibt, die so altväterisch sind, zu glauben, ''rechts'' und ''links, nördlich'' und ''südlich'' seien Adverbia, und solange — die Schule ihre Schuldigkeit tut. Ebenso verhält sichs mit den verneinten Adverbien ''unfern'' und ''unweit''. Auch sie können von Rechts wegen nur als Adverbia gebraucht werden: ''unweit von dem Dorfe''; aber auch sie hat man zu Präpositionen zu pressen gesucht und weiß nun nicht, ob man sie mit dem Genitiv oder, wie das gleichbedeutende ''nahe'', mit dem Dativ verbinden soll; die einen schreiben: ''unfern des Bodensees, unweit des Flusses'', andre: ''unfern dem Schlosse, unweit dem Tore''. Und das hat wieder zur Folge gehabt, daß man sogar bei nahe irre geworden ist und zu schreiben anfängt: ''nahe Leipzigs''! Auch ''nahe'' ist keine Präposition, sondern ein Adverbium (''nahe bei, nahe an''), und als Adjektiv kann es unzweifelhaft nur den Dativ haben; ''unfern'' aber und ''unweit'' sollte man doch lieber ganz vermeiden; sie haben (wie ''unschwer'') etwas gesuchtes und sind der lebendigen Sprache fremd.  
O
Rücksichtlich der Bedeutung sind hauptsächlich Eigenschaftswörter dieser Art, und wären sie selbst formell richtig gebildet, tadelnswert und unstatthaft, dann nämlich, wenn sie gar keine Eigenschaften bezeichnen. Dies gilt aber von allen solchen Ausdrücken wie: ''hochortige'' und ''oberbehördliche Entscheidungen'', ''allfallsige Hilfeleistung, altsprachliches Lehrverfahren, regierungsseitige Äußerung, rechtsparteiliche Aufnahme, textilgewerbliche'' und ''hausindustrielle Gegenden, privatinteressierte Ausnützung, eine preßgesetzlich nicht wiederzugebende Äußerung'' u. a. Gegen sie wird sich jedes nicht ganz ertötete Sprachgewissen sträuben, da in diesen Wörtern ganz unsachgemäß Bestimmungen zu Artbezeichnungen verdichtet worden sind, die richtiger, fließender und gefälliger besonders in genetivischen und präpositionalen Wendungen ausgedrückt würden: z. B. ''Äußerung der Regierung, Gegenden mit Hausindustrie, eine ohne Verletzung des Preßgesetzes nicht wiederzugebende Äußerung'' u. ä. Daß Zeitangaben solche Annäherung an Artbestimmungen ebenfalls nicht vertragen, mag für Schulmänner, Geistliche und Schriftsteller allerart besonders bemerkt werden, da diese einander mit diesem falschen Gebrauche auch einfacher Adjektive ordentlich überbieten, indem sie schreiben: ''österliche Schulaufnahme'' (statt ''Schulaufnahme zu Ostern''), ''winterliche Hinausschaffung des Alpendüngers'' (Hörmann), ''herbstliche Truppenübungen'', sogar ''dieswinterliche Vergnügungen''. Auch ''recht- und linksseitig, recht- und linkuferig'' sind meist überflüssig, da die ''linksseitige Körperhälfte'' wahrlich nicht mehr sagt als die ''linke Körperseite'' oder ''-hälfte'' und ''rechtsuferige Rheintalbahn'' nicht mehr als ''rechte Rheintal-'' oder ''Rheinuferbahn.''  +
Mehr Freiheit als für ''wenn'' und ''weil'' darf man für die einräumenden Bindewörter ''obgleich, -wohl, -schon, -zwar'', auch ''wenn auch'' und ''wenngleich'' in Anspruch nehmen. Denn während man im allgemeinen Bedingungen und Gründe nur durch Sätze auszusprechen vermag, kann eingeräumt und beschränkt werden auch der einzelne Begriff durch einen einzelnen Begriff. So finden sich denn genug Beispiele, die dem Goethes ähnlich sind: ''ein guter, obgleich zu solchen Arbeiten völlig unfähiger Knabe'', oder in adverbialer Fügung dem Bürgers: ''in der Vergangenheit spiegelt sich manche Erscheinung der Zukunft, obgleich dämmernd und täuschend, auch für das Auge des Sehers''. Ganz unbeschränkt treten die Bindewörter ja auch vor jedes Partizip, das einräumend oder beschränkend aufgefaßt werden soll: ''Obgleich schon von einem Streifschuß verwundet, führte er sein Regiment selber zum Sturm''.  +
Aus mangelnder Schärfe des Denkens beruht es, wenn ''obgleich, obwohl'', die den Grund für das Gegenteil einräumen, also einen inneren Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebensatz voraussetzen, statt ''während'' verwendet wird, das den bloßen Unterschied und Gegensatz ausdrückt. So wenn Wetzke vor Freytags Auswahl aus F. Kürnberger schreibt: ''Obwohl'' (statt: ''während'') ''viele seiner Gedanken nicht in die Tat umgesetzt wurden, konnten andere Ideen doch praktische Erfolge aufweisen, wo auch doch aus derselben Gedankenverschiebung erwächst''. Nur eine Folge der Unklarheit und des Strebens nach unnatürlichem Ausdrucke ist die Einschmuggelung des Bedingungsverhältnisses oder wenigstens seiner Ausdrucksweise an Stelle begründender, vergleichender und entgegensetzender Sätze. Zur Verdeutlichung, worauf doch die Sprachentwicklung mit ihren Spaltungen immer hinstrebt, trägt es wahrlich nicht bei, wenn die rein bedingende Form für die einräumende gesetzt wird, zu deren Unterscheidung sonst ein ''schon, gleich, auch'' hinter ''wenn'' und ein ''doch'' im Nachsatze eingefügt zu werden pflegt. Wohin dieses falsche Streben nach Knappheit führen kann, zeigt z. B. der Satz H. Hoffmanns: ''Sie gab jede Geschichte, wenn in abgekürzter Gestalt, so immer mit der vollen Farbe wieder'', für den die Auffassung als Bedingungssatz und somit der Schluß sehr nahe liegt: ''wenn sie sie völlig ausspann, verloren sie also die Farbe''! ''Wenn'' wird sogar auch ganz falsch anstatt des in seiner entgegengesetzten Bedeutung nie zu verkennenden ''während'' gesetzt, wie bei K. Vogt: ''Wenn'' (statt: ''während'') ''früher nur französische Weine in Cette veredelt wurden, so geschieht dies jetzt mit ausländischen''. Das Urteil ändert sich auch darum nicht, daß Schüler und Goethe diese Fügung haben, freilich haupt- $Seite 283$ sächlich nur in der poetischen Form, für welche verstandesmäßige Scheidung nicht oberster Grundsatz ist. Im Gefolge von ''wenn'' dringt auch ''wo'' in das nämliche Verhältnis ein, und man kann sogar lesen: ''Die Chinesen gehen in Seide umher, wo''//1 Seine bedingende Verwendung sollte auf die Formeln ''wo nicht'', ''womöglich'' und auf kurze Bedingungssätze oder solche mit lokalem Grundtone (''Wo der Wille des Fürsten wankt, wankt das gemeine Wesen'' [Goethe]), beschränkt bleiben, namentlich auf Drohungen der Art: ''Wo du das tust''! Denn hierfür ist diese Form mit ihrem vollen Selbstlaut offenbar besonders geeignet, wie denn auch beliebter.// (statt ''während'') ''der reichste Scheich der Araber sich kaum einen einzigen seidenen Schlafrock kaufen kann''. Selbstverständlich durfte heutigen Tages, wo alles neben Gespreiztheit auf das Gesuchte abzielt, von solchem Mißbrauche auch die Form des Bedingungssatzes nicht verschont bleiben, die nur für besonders lebhafte, nachdrückliche und eindringliche Darstellung ausgespart werden sollte: statt der Sätze mit ''wenn, wofern, wo'' und ''so'' die Form des Fragesatzes. Heute liest man ohne Ende statt Vergleichen mit ''wie'' oder Entgegenstellungen mit ''während'' solche Sätze: ''Trifft die Juden die Verachtung'' (richtig ''während'' oder ''wie die Juden die Verachtung trifft''), ''so trifft die Ruthenen der Haß der Polen''. Auch ein Sprachforscher kleidet Einräumungs- und Begründungssätze in diese aufrüttelnde Form, die ja dem Gedankenwerte der Sätze nicht gerecht zu werden braucht: ''War Vilmars Buch arm an Gedanken'' (= ''wenn es auch arm ... war''), ''so war es umso reicher an anschaulichen Bildern; legte es auf die altdeutsche Dichtung einen unerlaubten Akzent'' (statt: ''da es ... legte''), ''so wuchs unser Publikum immer gründlicher in das altdeutsche Interesse''. Der Zug der Sprache nach Unterscheidung, der uns gegenüber einer geringern Anzahl zum Teil sehr vieldeutiger Fügungen des Mittelhochdeutschen eine größere Zahl der Bedeutung nach verschiedener Bindewörter gebracht hat, wird von dem Streben nach Klarheit und Deutlichkeit gelenkt, verdiente also gegenüber der in den zuletzt behandelten Fällen sich zeigenden Verschwommenheit alle mögliche Förderung. Von diesem Gesichtspunkte aus ist man vielmehr berechtigt, freilich soweit ein Gebrauch nicht schon vorherrscht, noch nicht verpflichtet, die Weise der neusten Schriftsteller zu untersuchen, die zwischen bedeutungsverwandten Ausdrucksweisen sorgfältig unterscheiden.  
Eigentlich in das Kapitel von der Verwechslung zweier Satzarten gehört es, wenn die Nennform mit ''ohne zu'', die nach der Bedeutung der Präposition ''ohne'' wie der Konjunktion ''ohne daß'' nur 1.) einem Abrede gestellte Bestimmung der Weise, 2.) eine nicht eingetretene Folge ausdrücken kann, letztere allenfalls mit leiser Hinneigung zur Einräumung, auch das Gegenteil der Folge, den Grund bezeichnen soll. So ist nicht nur der Satz Lessings in Ordnung: ''Es geht mir wie dem Onkel, ohne sonst viel Ähnlichkeit mit ihm zu haben'' (Fall 1), sondern wenigstens erträglich (Fall 2) auch folgender Satz mit konzessiver Färbung: ''Der Abgeordnete R. erklärte, daß seine Partei an der sachlichen Beratung und Umgestaltung der Vorlage allen Anteil nehmen wird, ohne deshalb dem Gesetze ihre Zustimmung erteilen zu können''. Dagegen ist z. B. der Satz bei Arnim unerträglich: ''Ohne das Reiten gelernt zu haben, riß mich das Pferd nach dem Gebirge''.  +