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S
Der Satz Goethes: ''Da endlich die Grimmsche Korrespondenz im Druck erschien, las ich solche'' (statt ''sie'') ist nur einer von vielen, worin der Große ein ''solcher'' statt des einfachen ''er, sie, es'' verwendet. Und Zeitungsschreiber und Erzähler haben das nicht nur nachgemacht mit Sätzen wie: ''ein Haufe Franktireurs überfiel die Brücke und sprengte solche in die Luft''; sondern sie haben den Mißbrauch noch weiter ausgedehnt, indem sie ''solch'' auch statt des unbestimmten Artikels oder auch Fürwortes ''ein'' und des pluralen Indefinitums ''welche'', selbst statt ''dér'' oder ''derjenige'' vor einem Genetiv anwenden. Für jeden der Fälle zur Warnung ein Beispiel: ''Unter den zahlreichen Telegrammen befand sich auch ein solches'' (statt ''eins'') ''aus New York. Ich durfte den armen Studenten doch nicht für einen sechswöchigen Kursus ihre letzten Zwanzigmarkstücke aus der Tasche ziehen, wenn sie überhaupt noch solche'' (statt ''welche'') ''besaßen'' (H. Hoffmann). ''Dabei beschweren sich die Türken über Bevorzugung der Christen, die Serben über solche'' (statt ''die'') ''der Türken''. Groß ist freilich die Versuchung besonders von solchen Stellen aus, wo ''solcher'' scheinbar ebenso und doch richtig steht, weil es sich auf Hauptwort mit Eigenschaftswort oder auf Grund- mit Bestimmungswort bezieht, im Gegensatz zu einem anderen Eigenschafts- oder Bestimmungsworte vor dem Hauptworte, wie in der folgenden Stelle und so ziemlich häufig: ''Ich sah das erste Negerdorf, das sich nur durch die Bauart als solches verriet''. +
Am schärfsten ist der Unterschied zwischen dem zweiten und dem vierten Falle noch bei den Namen der Wochentage und verdiente es, auch ferner gewahrt zu werden. Der vierte Fall bezeichnet hier einen einzelnen durch den Zusammenhang oder in der § 242 angedeuteten Weise bestimmbaren Tag: ''Ich komme Montag'' (= den nächsten M.) ''nach Dresden''. ''Der Arzt war Sonnabend vor dem Feste das letzte Mal bei dem Genesenden''. Der zweite Fall dagegen steht, wenn von einer regelmäßig an demselben Tage wiederkehrenden Handlung die Rede ist: ''Montags und Sonnabends laufen besonders vollbesetzte Arbeiterzüge''. Wenn dieser Genetiv nicht nachahmenswert auch in der Bedeutung des Akkusativs steht, so erklärt sich das wohl daraus, daß der artikellose Akkusativ in zeitlicher Bedeutung sonst nicht mehr üblich ist. Noch erklärlicher und schwerlich mehr vermeidlich ist das Eindringen des Genetivs in das Gebiet des Akkusativs bei den Namen der Tageszeiten: ''mittags, vormittags, nachmittags, morgens, abends: Er ging durch Karlsbad und speiste mittags bei der Gräfin'' (Wieland). Besser bleibt diese Form natürlich auch hier für den Ausdruck der Wiederholung und Allgemeinheit aufgespart: ''Abends, morgens und mittags will ich klagen und heulen'' (Luther). Zur Bezeichnung der einzelnen bestimmten und ganz ausgefüllten Tageszeit sage man also: ''am Vormittage, zu Mittag, im Verlaufe des Nachmittags'', und wem das zu schwerfällig klingt, der scheue sich nur nicht vor dem Akkusative ''Mittag'' und dem von vor und nach abhängigen Dative desselben Wortes in den $Seite 207$ Ausdrücken ''vor-, nachmittag''(''e'')//1 Die Formen kommen nämlich nicht nur bei Gellert vor und in der Leipziger Mundart, für die sie Hildebrand-Albrecht, Leipziger Mundart, nachweist, sondern z. B. auch in der Lausitz und nicht minder beim jungen Goethe; sind also mindestens gut volkstümlich//. Streng sollten der vierte und der zweite Fall jedenfalls wieder geschieden werden, sobald vor diese Angaben der Tageszeiten der Name des Wochentages tritt; denn der muß dann dieselbe Wirkung ausüben wie ein Formwort vor jedem Substantivum. Wie man nämlich von bloßen Hauptwörtern den vierten Fall nicht mehr allgemein zeitlich verwenden kann, wohl aber mit einem Formwort davor (nicht ''Jahr'', aber ''dieses Jahr'', nicht ''Stunde'', aber ''diese Stunde''), so kann man auch sagen: ''Dienstag morgen, Sonntag abend'', d. h. am Abende des nächsten oder letzten Sonntags. Davon scheidet sich dann zur Bezeichnung der Unbestimmtheit und Wiederholung: ''Donnerstag vormittags'' = jeden Donnerstag vormittag, wie es denn heißt: ''Mittwoch und Sonnabend nachmittags ist kein Unterricht''. Doch könnte es auch mit einer Zusammensetzung heißen: ''An Sonntag-Nachmittagen'', oder man sagt: ''alle Montag''(''e''), - ''Dienstag''(''e''), - ''Donnerstag''(''e''), - ''Freitag''(''e''), ''alle Sonnabend''(''e''); aber schriftgemäß nur: ''alle Mittwoch'' gemäß der abweichenden Bildungsweise dieses Wochentagsnamens.
Das Mißtönende in dem Satze der Deutschen Ztg.: ''Sowohl Samstag nacht sowie auch gestern nachmittag wurden Erschütterungen verspürt'', entspringt der heute weitverbreiteten Scheu vor dem Alltäglichen und der Sucht nach dem Ungewöhnlichen, aus der man sogar das einfache ''und'' immer öfter durch das gespreizte ''sowie'' (auch ''ebenso'') ersetzen zu müssen meint. ''Ein Gelehrter veröffentlicht Grundzüge der homerischen Modussyntax sowie Lehre vom Gebrauch der Partikel av''. Eine Zeitung bietet: ''Er war mit'' $Seite 276$ ''einer Nachtjacke und einer Hose sowie mit Stiefeln bekleidet''. Natürlich konnte sich auch Jensen diese Neuheit nicht entgehen lassen: ''Die ganze Nagoldbahn zeigt sich sehr tunnelreich wie die von ihr durchzogne Landschaft'' — merkwürdige Landschaft das! denkt man schon, doch da kommt noch, den formell vorliegenden Vergleich verbietend: ''in ziemlicher Gleichartigkeit''. Es verrät sich hierin weiter nichts als Mangel des Gefühls für den Unterschied zwischen ''und'' und (''so'')''wie''. ''Jenes'' paßt meist und kann zwischen alle für den Gedanken gleich wichtigen, gleichartigen Satzglieder treten; (''so'')''wie'' ist im Grunde nur vergleichend und kommt in weiterer Anwendung nur dem Gegenstande zu, welcher nicht gleich wichtig ist und nur herangezogen wird, um die über den in Rede stehenden, für den Zusammenhangwichtigeren Gegenstand gemachte Behauptung durch einen Hinweis auf etwas Allgemeineres oder Ähnliches zu beleuchten. So sagt Goethe im Winckelmann, wo es in erster Reihe auf den Künstler abgesehen ist, fein und bedeutsam: ''Für den Künstler wie für den Menschen ist eine geschichtliche Ansicht verwandter Zustände höchst vorteilhaft''. Noch schlimmer als dieses ''wie'' ist ''als auch'' statt ''und: Ich benutzte die Zeit, mich über die Verhältnisse der verschiedenen Länder als auch über die Grundsätze des Bank- und Handelswesens zu informieren''; noch schlimmer, insofern dabei das ''als'' noch mehr als in der Luft schwebend empfunden wird. Dagegen ist ''sowohl — wie'' natürlich empfehlenswert, wenn bei der Verwendung von ''sowohl — als auch'' zwei ''als'' hart aufeinander träfen: ''sowohl als Mensch wie als Bürger''. — Die stachlichste Papierblume aber ist ''beziehungsweise'', wenn es anders als in seiner ursprünglichen Bedeutung (= relativ) gebraucht wird; die jetzt beliebte Mode oder Gedankenlosigkeit, es bald statt ''und, oder'' oder ''oder vielmehr'', das heißt ''oder nämlich'' zu setzen, beeinträchtigt mindestens die Schlichtheit, oft die Deutlichkeit der Darstellung//1 Vgl. Th. Gartner, Ztschr. d. Allg. D. Sprachvereins 1919, S. 134 ff.//.
Da haben also wohl die Schenkwirte, die statt der früher allgemein üblichen ''Speißekarte eine Speißenkarte'' eingeführt haben, etwas recht weises getan? Sie $Seite 71$ haben den guten alten Genitiv wiederhergestellt? Nein, daran haben sie nicht gedacht, sie haben die Mehrzahl ausdrücken wollen, denn sie haben sich überlegt: auf meiner Karte steht doch nicht bloß eine Speiße. Damit sind sie nun aber auch wieder gründlich in die Irre geraten. In ''Speißekarte'' ist die erste Hälfte gar nicht durch das Hauptwort ''Speiße'' gebildet, sondern durch den Verbalstamm von ''speißen'' (wie in ''Lesebuch, Schiebetür''). Alles, was zum ''Speißen'' gehört: ''die Speißekammer, das Speißezimmer, das Speißegeschirr, der Speißezettel'' — alles ist mit diesem Verbalstamm zusammengesetzt. So ist auch die ''Speißekarte'' nicht die Karte, auf der die Speißen verzeichnet stehen, sondern die Karte, die man beim Speißen gebraucht, wie die ''Tanzkarte'' die Karte, die man beim Tanzen gebraucht, das ''Kochbuch'' das Buch, das man beim Kochen benutzt, die ''Spielregel'' die Regel, die man beim Spielen beobachtet, die ''Bauordnung'' die Ordnung, nach der man sich beim Bauen richtet, die ''Singweise'' die Weise, nach der man singt, das ''Stickmuster'' das Muster, nach dem man stickt, die ''Zählmethode'' die Methode, nach der man zählt. Alle diese Wörter sind mit einem Verbalstamm zusammengesetzt, hätten die Schenkwirte mit ihrer ''Speißenkarte'' Recht, dann müßten sie ja auch ''Weinekarte'' sagen.//* Ähnlich verhält sichs mit dem neuen Modewort ''Anhaltspunkt''. Früher sagte man: ''ich finde keinen Anhaltepunkt'', d. h. keinen Punkt, wo ich mich anhalten könnte (vgl. ''Siedepunkt, Gefrierpunkt''). Daneben hatte man noch in demselben Sinne das Substantiv ''Anhalt''; man sagte: ''dafür fehlt es mir an jedem Anhalt''. Aus beiden aber einen ''Anhaltspunkt'' zu bilden war doch wirklich überflüssig. Wahrscheinlich hat man geglaubt, damit einen feinen Unterschied zu schaffen zu den ''Anhaltepunkten'' auf den Eisenbahnen. Als ob ''Anhaltepunkt'' nicht ebensogut die Stelle bedeuten könnte, wo man sich anhält, wie die, wo man anhält!// Glücklicherweise lässt sich der Volksmund nicht irre machen. Niemals hört man in einer Wirtschaft eine ''Speißenkarte'' verlangen, es wird immer nur gedruckt entweder auf Verlangen der Wirte, die damit etwas besonders feines ausgeheckt zu haben glauben, oder auf Drängen der Accidenzdrucker, die es den Wirten als etwas besonders feines aufschwatzen. Ganz lächerlich ist es, wenn $Seite 72$ manche Wirte einen Unterschied machen wollen: eine ''Speißekarte'' sei die, aus der ich mir eine Speiße aussuchen könne, eine ''Speißenkarte'' dagegen ein „Menu," das Verzeichnis der Speißen bei einem Mahl, wofür man neuerdings auch das schöne Wort ''Speißenfolge'' erfunden hat. Die ''Speißekarte'' ist die Karte, die zum Speißen gehört, ob ich mir nun etwas darauf aussuche, oder ob ich sie von oben bis unten abesse.
Ein Gegenstück zur ''Speißenkarte'' ist die ''Fahrrichtung''; an den ehemaligen Leipziger Pferdebahnwagen stand: ''nur in der Fahrrichtung abspringen''! Es spricht aber niemand von ''Fließrichtung, Strömrichtung, Schußrichtung'', wohl aber von ''Flußrichtung, Stromrichtung, Schußrichtung, Windrichtung, Strahlrichtung''. Bedenkt man freilich, daß der Volksmund ''die Fahrtrichtung'' unzweifelhaft binnen acht Tagen ''zur Fahrtsrichtung'' verschönert hätte (nach ''Mietskaserne''), so muß man ja eigentlich für die ''Fahrrichtung'' sehr dankbar sein.
Der starken Beugung unterliegen die männlichen und sächlichen Fremdwörter mit anderen als den oben für schwache Maskulinen ausgezählten Endungen, ganz besonders männliche und sächliche Sachnamen: ja dieselbe Endung, die einem Personennamen schwache, trägt einem Sachnamen starke Beugung ein. So bei ''-at''; gegenüber den Formen ''des'' -, ''die Legaten'' von ''der Legat'' steht von ''das Legat'': ''des Legates, die Legate'', und so auch von Sammelnamen: ''des Magistrates'' usw.; bei ''-et'' (''des Alphabetes''), ''-it'' (''Granite''), ''-ut'' (''Tribute''), ''-ast'' (''Ballastes''), ''-ent'' (''Akzente''), ''-og'' (''die Monologe''), ''-em'' und ''-om'' (''Diademe, Diplome''), ''-ll'' (''Kristalle''), ''-ph'' (''die Paragraphe, des Paragraphs'') //2 Dieses Wort allerdings daneben mit den schwachen Formen: ''des -, die Paragraphen''.//), ''-kt'' (''Subjektes'') und ''-pt'' (''Rezepte''). So wie diese auch bei Personennamen vorkommenden Endungen nur Sachnamen, reihen alle anderen konsonantischen Endungen Sach- und Personennamen der starken Beugung an: so z. B. ''des Kokains'' wie ''Patrones''. Besonders erwähnt mögen davon noch werden zuerst die Wörter auf ''-al'', bei denen die nicht seltene umgelautete Form ''Generäle'' süddeutschen Ursprungs ist; von ''Admiral, Korporal, Tribunal'' überwiegt noch durchaus die norddeutsche unumgelautete Mehrzahl. Ebenso müssen sich die Süddeutschen und Österreicher bei den Wörtern auf ''-r'' vor den umgelauteten französelnden Formen hüten, wie ''Referendar, Kommissär, Missionär''. Auch die französischen auf ''-oir'' (gesprochen ''oahr'', die häufigeren auf ''-eur'' (= ''öhr'') und ''-ier'', sobald dies ihr $Seite56$ gesprochen wird, werden durchaus deutsch dekliniert: ''des Deserteurs, die Deserteure'', ebenso alle auf die Zischlaute ''x, ss'' und ''s''; nur wenn das letzte in den lateinischen oder griechischen Wort- und Kasusendungen ''-us, -as, -es, -is'' erscheint, bleiben diese Endungen für Genetiv wie Mehrzahl durchaus unverändert. ''Liviussens'' ist also ebenso ungebührlich als Mehrzahlen wie ''Johannesse, Epaminondasse''. Wohl aber heißt es z. B. ''des Topases, die Chrysoprase'', weil hier ''-as'' keine Wort- und Kasusendung, sondern Stammsilbe ist (''topazos, crusoprasos''); ebenso heißt es ''Iltisse'' als von einem deutschen Worte, auch ''des Atlasses, die Atlasse'' vom Kleiderstoffe ''Atlas'' neben ''des Atlas, die Atlanten'' von dem die Landkartensammlung bezeichnenden griechischen ''Atlas''. Auch ''Globus'' hat die unschönen Formen ''des Globusses, die Globusse'' schon häufig zugunsten von ''des Globus, die Globen'' aufgegeben. Der starken Beugung unterzieht man am besten auch die Wörter auf ''-men''; ''Nomen, des Nomens'' (vgl. ''des Wesens''), ''die Nomen'' (vgl. ''die Wesen'') und nicht lateinisch ''die Nomina''.
Bekanntlich gibt es — oder wir wollen doch lieber ehrlich sein und einfach sagen: es gibt im Deutschen eine starke und eine schwache Deklination. Unter der starken versteht man die, die einen größern Formenreichtum und eine größere Formenmannigfaltigkeit hat. Sie hat in der Einzahl im Genitiv die Endung ''es'', im Dativ ''e'', in der Mehrzahl im Nominativ, Genitiv und Akkusativ die Endung ''e'' (bei vielen Wörtern männlichen und sächlichen Geschlechts ''er''), im Dativ ''en'' (''ern''). Die Stammvokale ''a, o, u'' und der Diphthong ''au'' werden dabei in der Mehrzahl gewöhnlich in ''ä, ö, ü, au'' verwandelt, was man den Umlaut nennt.//* Die Bezeichnungen starke und schwache Deklination sind ebenso wie das Wort Umlaut von Jakob Grimm erfunden.// Unter der schwachen Deklination versteht man die formenärmere. Hier haben alle Kasus der Einzahl (mit Ausnahme des Nominativs) und alle Kasus der Mehrzahl die Endung ''en''. Die schwache Deklination hat auch keinen Umlaut. Zur starken Deklination gehören Wörter männlichen, weiblichen und sächlichen, zur schwachen nur Wörter männlichen und weiblichen Geschlechts. Die Wörter weiblichen Geschlechts verändern in beiden Deklinationen nur in der Mehrzahl ihre Form.
Zur starken Deklination gehören z. B. ''der Fuß, die Hand, das Haus; zur schwachen der Mensch, die Frau''.//** Einige Wörter, wie ''Auge, Bett'' u. a., werden in der Einzahl stark, in der Mehrzahl schwach dekliniert. Diese faßt man als gemischte Deklination zusammen.//
$Seite 4$ Im Vergleich zu dem großen Reichtum unsrer Sprache an Hauptwörtern und der großen Mannigfaltigkeit, die innerhalb der beiden Deklinationen besteht, ist die Zahl der Fälle, wo heute Deklinationsfehler im Schwange sind, oder wo sich Unsicherheit zeigt, verhältnismäßig klein. Aber ganz fehlt es doch nicht daran.
Ein Wort, mit dem die Leute gar nicht mehr recht umzugehen wissen, und das sie doch sehr gern gebrauchen, ist ''Gewerke'' (für ''Handwerker''). Ein Gewerke ist ein zu einer Innung gehöriger Meister oder ein Teilnehmer an einem gesellschaftlichen Geschäftsbetrieb (das alte gute deutsche Wort für das heutige ''Aktionär''). Das Wort ist aber schwach zu flektieren, die Mehrzahl heißt ''die Gewerken'' (''die Baugewerken'') und nicht, wie viele jetzt, wohl durch den Anklang an ''Gewerbe'' verführt, sagen: ''die Gewerke'' (''heimische Künstler und Gewerke schaffen fleißig an der Ausschmückung der Stadt'').
In Leipziger Zeitungen werden alle Tage ''Darlehne'' gesucht (''Pfanddarlehne, Hypothekendarlehne''), und die Geistlichen treten für ihre alten ''Kirchlehne'' ein. Die Einzahl heißt aber ''das Lehen'', und wenn das auch kein substantivierter Infinitiv ist, wie ''Wesen, Schreiben, Vermögen, Verfahren, Vergnügen, Unternehmen'', so wird es doch in der guten Schriftsprache so flektiert wie diese, und die Mehrzahl heißt: ''die Lehen, die Darlehen, die Kirchlehen'', so gut wie ''die Wesen, die Verfahren, die Unternehmen''.
Die Abstumpfung des Gefühles für die Unterschiede starker und schwacher Biegung hat auch das arge Durcheinander in den Formen der Wörter ''erschrecken, löschen, quellen, schmelzen, schwellen, hängen'' (und ''hangen'') und ''verderben'' verschuldet. Jedes dieser Verben birgt nämlich trotz der meist gleichen Präsensformen zwei verschiedene Wörter in sich, ein intransitives starkes (z. B. ''ich erschrecke'' = ''ich fahre zusammen, ich erschrak, erschrocken'') und ein transitives schwaches (''ich erschrecke ihn, erschreckte ihn, habe ihn erschreckt''): und wenn schon bei ''hängen, schmelzen'' und ''verderben'' auch transitiv für die starken Formen das Übergewicht zuzugeben ist, so sind deshalb bei den anderen noch nicht umgekehrt die schwachen statt der starken zu dulden. Die „Heimat" ist also zu rügen für ein: ''Erschreck'' (statt ''erschrick'') ''nicht''! Findeisen für den Ausdruck: ''das Feuer erlöscht'' (statt: ''erlischt''), und die Augsbg. Allg. Z., trotzdem sie darin mit Schiller zusammentrifft, für den ähnlichen: ''das Licht erlöschte'' statt ''(v)erlosch'', wie es immer bei Freitag heißt. Selbst von jenen letzten drei sind noch bei ''schmelzen'' und ''hängen'' intransitiv die starken, transitiv die schwachen Formen richtiger. So ist es, ganz zu schweigen von ''gehenkt werden'', trotz des Sprichwortes: ''Mitgefangen, mitgehangen'' richtiger zu sagen: ''er ist erhängt aufgefunden worden''; und Fr. Th. Vischer sagt besser: ''in Goethes römischen Elegien ist aus der Schlackenglut eines Naturverhältnisses das poetische Gold ausgeschmelzt, als das Volk, in dessen Weise bereits überwiegt: die Sonne hat den Schnee schon ziemlich weggeschmolzen''. Bei ''verderben'' dagegen wäre es vergebliches Bemühen, den Übertritt der starken Formen ins Transitivum noch bekämpfen zu wollen; denn da ist gewöhnlich ''die Unentschlossenheit verdirbt'' (statt richtiger ''verderbt'') ''den Charakter, die Nässe soll einige Dutzend Exemplare verdorben haben'' //1 Selbst daß es von moralischer Schlechtigkeit adjektivisch nur ''verderbt'' heißen soll, gilt nicht mehr. Ein und derselbe Eltze bietet: ''Zudem sind die Reichen meist sehr verderbt'', und: ''die demokratischen Führer in einigen Staaten sind sehr verdorbene schlechte Subjekte''. — Die Tätigkeit des Henkers heißt natürlich ''henken'': ''er henkte ihn, er wurde gehenkt''.// . Auch neben ''wiegen'' (''wog, gewogen: Gewicht haben, Gewicht fest''- $Seite 94$ ''stellen'') ist ''wägen'' im zweiten Sinne selten geworden, wenn auch Heer (1915) wieder schreibt: ''die Säcke abzuwägen'', und Br. Tanzmann prophetisch: ''Alle Worte nahm ich in die Hand und wägte sie''. Schlimmer ist die Vermengung der Formen derjenigen Verben, die in demselben Verhältnisse, den Zustand und das Versetzen in denselben bezeichnend, (also als intransitive und transitive kausative) nebeneinander stehen, aber verschiedene Formen haben, wie ''sinken'' und ''senken, fallen'' und ''fällen''. So schreibt z. B. Jensen fehlerhaft und lächerlich zugleich: ''die kleine Tür, in welcher gerade Se. Majestät in Ihre ästhethische Betrachtung versenkt stand''; man fragt unwillkürlich: von wem denn? und erwartet: ''versunken''. Willkürliche Ausdehnung des i-Wechsels ist es endlich, wenn H. Hart schreibt: ''ein zu einer großen Einheit zusammenschwillendes Konzert''.
Oft hat die Sprache von demselben Worte entwickelte ursprüngliche starke und jüngere Formen feinfühlig so verwandt, daß diese in gewöhnlicherem Sinne, jene in altertümlicher Weise und in übertragenem Sinne stehn. Man vergleiche: ''Sie pflogen Rats. Mählich umwob uns die Erinnerung an die alte Zeit. Nur sein Drängen bewog'' (= ''veranlaßte'') ''uns zu dem Schritte'', und: ''Sie pflegte den Kranken aufopfernd. Der Wind bewegte das Wasser. Die Nachricht bewegte ihn so heftig, daß er in Tränen ausbrach''. Das starke ''schaffen'' (''schuf, geschaffen'') bezeichnet den Schöpfungsakt, geistiges Hervorbringen: ''Gott hat die Welt, noch niemand wieder ein Werk wie Goethes Faust geschaffen''; das schwache mehr werktätiges Arbeiten, Fertigbringen: ''er hat den ganzen Tag geschafft; es muß Wandel, Abhilfe geschafft werden''. Von den Sternen am Himmel wie des Ruhmes heißt es: ''sie sind ver-, erblichen''; aber vom Verbrecher: ''er ist erbleicht'' (''bleich geworden''), wie auch ''das Garn gebleicht'' (''= bleich gemacht'') ''worden ist''. Umgekehrt heißt es: ''der Wein hat gegoren'', aber ''es gärte in ihm''. Manchmal ist die eine Form hauptsächlich transitiv, die andere intransitiv: so heißt es gewöhnlich ''sie hat Eier gesotten, gesottene Fische'', aber das ''Wasser siedete''; umgekehrt ist ''stiebte, stäubte'' gewöhnlich transitiv in der Bedeutung wie ''Staub zerstreuen'', und ''stob, gestoben'' intransitiv in der Bedeutung: (infolge schneller Bewegung oder infolge Zertrümmerung) wie ''Staub fort oder auseinander fliegen''. Auch sogar ganz verschiedene Stämme sind manchmal ganz oder teilweise zusammengefallen. So steckt in ''laden'' ein ''aufladen'' bedeutendes starkes Verb (''du lädst, lud, geladen''), und ein ''zu sich bitten'' bedeutendes schwaches (''du ladest, ich ladete''), aber heute herrscht wenigstens in der Vergangenheit nur noch jenes: ''er lud das Gewehr'' und ''sie lud Gäste ein''; nur im Präsens ist wohl in der zweiten Bedeutung noch ''du ladest, er ladet'' neben ''du lädst ein, er lädt ein'', zu dulden, nimmer aber, wie eine Schriftstellerin schreibt, in der ersten Anwendung: ''er ladet'' (statt ''lädt'') ''den Zorn des Vaters auf sich, die Flinte entladet'' (statt ''entlädt'') sich. Endlich einige Wörter, bei denen schwache und starke Formen ganz gleichbedeutend nebeneinander stehn, sind ''glimmen'', (''glomm'' und ''glimmte''), ''klimmen'' (''erklimmt'' und ''erklommen''), ''schallen'' (''scholl'' und ''schallte'') und ''schnauben'' (''schnob'' und ''schnaubte''). Aus der Sprache der jüngsten Philosophie dringt in der Bedeutung „[überpersönliches] Dasein haben, geben" jetzt schon in den Roman ein schwach durchgebeugtes ''wesen'' ein, das sonst nur noch in den starken Formen ''war, wäre, gewesen'' des Hilfszeitworts ''sein'' und der Substantivierung ''das Wesen'' $Seite 95$ vertraut war. Vgl.: ''Der Harfner und Mignon bezeugen sich als übergesellschaftliche, unbedingt im Reich der Seele und des Schicksals wesende Geschöpfe'', und: ''Diese Ausstrahlung macht das Leben nicht, es west sie'' (Gundolf); und ''Jubal erkannte, daß im innersten Seelengrund eine unzersplitterte Einheit west'' (Osk. Schmitz).
Wie bei den Hauptwörtern zwischen einer starken und einer schwachen Deklination, so unterscheidet man bei den Zeitwörtern zwischen einer starken und einer schwachen Konjugation. Starke Zeitwörter nennt man die, die ihre Formen nur durch Veränderung des Stamm- $Seite49$ wortes bilden, schwache die, die zur Bildung ihrer Formen andrer Mittel bedürfen. Ein starkes Zeitwort ist: ''ich springe, ich sprang, ich bin gesprungen'', ein schwaches: ''ich sage, ich sagte, ich habe gesagt''. Die Veränderung des Stammvokals nennt man den Ablaut, die verschiednen Wege, die der Ablaut einschlägt, die Ablautsreihen //* Auch diese Ausdrücke stammen von Jakob Grimm.//. Die wichtigsten Ablautsreihen sind: ''ei, i, i'' (''reite, ritt, geritten''), ''ei, ie, ie'' (''bleibe, blieb, geblieben''), ''ie, o, o'' (''gieße, goß, gegossen''), ''i, a, u'' (''binde, band, gebunden''), ''i, a, o'' (''schwimme, schwamm, geschwommen''), ''e, a, o'' (''nehme, nahm, genommen''), ''i, a, e'' (''bitte, bat, gebeten''), ''e, a, e'' (''lese, las, gelesen''), ''a, u, a'' (''fahre, fuhr, gefahren''). Außerdem gibt es noch eine Mischgruppe mit ''ie'' im Imperfekt und einunddemselben Vokal im Präsens und im Partizip, wie ''falle, fiel, gefallen, stoße, stieß, gestoßen, rufe, rief, gerufen, laufe, lief, gelaufen, heiße, hieß, geheißen'', wofür man jetzt bisweilen falsch ''gehießen'' hören muß, als ob es in die zweite Ablautsreihe gehörte.
Fast noch bewundernswürdiger als in der Deklination der Hauptwörter ist in der Flexion der Zeitwörter die Sicherheit, mit der auch der Mindergebildete der Fülle und Mannigfaltigkeit der Formen gegenübersteht. Freilich gibt es auch hier Schwankungen und Verirrungen, darunter sogar recht ärgerliche und beschämende. Es gibt Verbalstämme, die eine starke und auch eine schwache Flexion erzeugt haben mit verschiedner Bedeutung; da ist dann Verwechslung eingetreten. Es gibt aber auch Zeitwörter, die sich bloß in die andre Flexion verirrt haben ohne Bedeutungswechsel. Bei gutem Willen ist aber doch vielleicht noch manches zu verhüten oder aufzuhalten.
Mannigfachen Verstößen begegnet man in der Steigerung der Adjektiva (Positiv, Komparativ, Superlativ). Von ''viel'' heißt der Komparativ nicht ''mehrere'', sondern ''mehr'': ''ich habe in meinem Garten viel Rosen, du hast mehr Rosen, er hat die meisten Rosen''. ''Mehrere'' ist nichts andres als ''einige, etliche''. Wenn also ein Hausbesitzer genötigt wird, zu bescheinigen, daß ''mehrere Hunde als die hier verzeichneten in seinem Hause nicht gehalten werden'', so wird er genötigt, einen groben Schnitzer zu unterschreiben.
Bei Adjektiven, deren Stamm auf einen Zischlaut endigt, stoßen im Superlativ zwei Zischlaute zusammen. Das stört nicht, wenn die Wörter mehrsilbig sind (''der weibischste, der malerischste''), wohl aber, wenn sie einsilbig sind (''der hübschste, der süßste''). Man bewahrt dann lieber das ''e'', das sonst immer ausgeworfen wird, und sagt: ''der hübscheste, der süßeste''. Von ''groß'' ist allgemein der ''größte'' üblich geworden (Goethe im Götz auch: ''der hübschte'').
Bei der Vorliebe, womit jetzt einfache Begriffe wie ''groß'' und ''klein, stark'' und ''schwach, schwer'' und ''leicht'' durch schleppende Zusammensetzungen wie ''tiefgehend, weitgehend, weittragend, schwerwiegend'' ersetzt werden, entsteht oft Verlegenheit, wie man solche Zusammensetzungen im Komparativ und Superlativ behandeln soll. Logisch ist ja die Frage leicht zu beantworten; was gesteigert werden soll, ist nicht das Partizip ''gehend'', sondern das dabeistehende Adverb ''tief'' oder ''weit''.//* Völlig unsinnig ist natürlich: ''es gibt kein leicht verdaulicheres Mehl als Rademanns Kindermehl''.// In vielen solchen Zusammensetzungen ist aber das Adverb mit dem Partizip so innig verwachsen, daß man kaum noch die Zusammensetzung empfindet. Wenn also auch niemand wagen wird, ''eine weitverbreitete Unsitte'' zu steigern: ''eine weitverbreitetere Unsitte'', sondern ''eine weiter verbreitete, das hochbesteuerte Einkommen'' nicht: ''das hoch-'' $Seite 41$ ''besteuertste'', sondern ''das höchstbesteuerte'', so ist doch gegen einen Komparativ wie ''zartfühlender'' nichts einzuwenden, denn das Partizipium ''fühlend'' wird hier gar nicht als Verbalform empfunden, sondern etwa wie ''fühlig'' in ''feinfühlig'', und solche Zusammensetzungen (''feinsinnig, kleinmütig, böswillig, fremdartig, gleichmäßig'') gelten für einfache Wörter und können nur steigern: ''kleinmütiger, der kleinmütigste''. Ihnen würde sich auch das neumodische ''hochgradig'' anschließen. Dazwischen liegen aber nun Zusammensetzungen, bei denen manchmal kaum zu entscheiden ist, ob man sie als einfache oder als zusammengesetzte Wörter behandeln soll; sogar derselbe Mensch kann darin zu verschiednen Zeiten verschieden fühlen. Ganz unerträglich sind: ''der schöngelegenste Teil, die vielgenannteste Persönlichkeit, die naheliegendste Erklärung, die leichtlaufendste Maschine, die tiefliegendere Bedeutung, tiefgehendere Anregungen, die feinschmeckenderen Sorten, die weitblickendere Klugheit, eine engbegrenztere Aufgabe''; es muß unbedingt heißen: ''der schönstgelegne, noch besser der am schönsten gelegne Teil, die am meisten genannte Persönlichkeit, die tiefer liegende Bedeutung, tiefer gehende Anregungen, die feiner schmeckenden Sorten, die nächstliegende Erklärung, die weiter blickende Klugheit, eine enger begrenzte Aufgabe''. Nicht ganz so anstößig erscheint: ''die wohlgemeinteste Warnung, die weitgehendste Mitwirkung, die weittragendste Bedeutung, die fernliegendsten Dinge, die hochfliegendsten Pläne, obwohl natürlich der bestgemeinte Rat, die weitestgehende Mitwirkung'' vorzuziehen ist. Völlig gewöhnt haben wir uns an ''den tiefgefühltesten Dank'' und an ''die hochgeehrtesten'' oder ''hochverehrtesten Damen und Herren''. Schön kann man alle solche Steigerungen nicht nennen; sie klingen alle mehr oder weniger schleppend und schwülstig, und was sie ausdrücken sollen, kann meist durch ein einfacheres Wort oder durch einen kurzen Nebensatz ebenso kräftig und deutlich gesagt werden.
Die schwierigste Frage ist bei der Steigerung die, wieweit ihr auch die Partizipien unterworfen werden können. Nichts hindert natürlich, Mittelwörter zu steigern, wie ''reizend, ansprechend, gelungen, verschlafen, betrübt, befriedigt'', kurz alle die, deren adjektivische Bedeutung überhaupt oder im gegebenen Zusammenhange überwiegt. Gewöhnlich wird diese mehr adjektivische Bedeutung eine übertragene, von der des Zeitworts weiter abliegende Sein, und umgekehrt läßt die Beifügung desselben Falles, der beim Zeitworte steht, das Partizip noch dessen Wesen bewahren und somit der Steigerung nicht fähig erscheinen. Eben deshalb sagt man wohl: ''immer schreiendere Ungerechtigkeit, die schreiendsten Farben'', aber nicht ''die schreienderen'' (statt ''immer lauter schreienden'') ''Kinder''!, ''wohl einnehmendstes Wesen'', aber nicht ''die Stadt einnehmendere Soldaten''; zwar ''jemand verbundener sein als man wünscht'', ''der verbundenste Dank'', aber nicht ''eine verbundenere Wunde''; wohl ''die quälendsten, selbst die mit der Zeit immer quälenderen Sorgen'', aber nur ''die ihn später immer mehr quälenden Sorgen'', wohl also ''die widersprechendsten Gerüchte'', aber nicht, wie z. B. in der $Seite72$ Tägl. Rundschau stand: ''die Österreich kräftigendsten Elemente'', noch: ''die Tiere sind an ihre Scholle gebundener als der Mensch'' (D. Ztg. 1916). In der DAZ. 27 durfte es nicht heißen ''die Staatsidee, die in Florenz viel ausgebildeter'' (statt: ''mehr ausgebildet war als anderweit'', in einer andern Ztg. nicht: ''in immer anwachsenderem'' (statt: ''immer mehr anwachsendem Maße'' und bei Th. v. Harbou nicht: ''der Mann war viel erschrockener'' (statt: ''viel mehr erschrocken''), ''als sein Herr es war''. Danach werden auch Goethe, Lessing, Wieland, Rabener, Kant, Schopenhauer u. a. die Sprache weiterbildende Dichter und Denker Billigung und Nachahmung finden dürfen mit solchen Ausdrücken: ''angenommenere Systeme, eindringendste Einflüsse, entgegengesetzteste Eigenschaften, das berufenste Gesetz, nachsehenderes Gesetz, - Urteil, kleinkauendste Weitschweifigkeit''. Gleich wenig darf man Neueren und Neuesten Steigerungen derart verargen: ''durchgehendste Unterschiede, durchschlagendster Erfolg, verlockendere Versprechungen''. Selbst Akkusative vor dem Partizip hindern die Steigerung nicht, wenn anders sie nur mit diesem zu einem Begriffe zusammengewachsen sind, wie in: ''maßgebendste Personen, nichts ist zeitraubender, geisttötender, bluttriefendste Gestalt der englischen Geschichte, nichtssagendste'' (bei Schiller und Wieland auch ''nichtsbedeutendste'') ''Redensarten, markerschütterndste Hiferufe''.//1 Nach der richtigen Auffassung (Paul, Prinzipien, S. 287f.) empfindet der, welcher steigert: ''der tieffühlendste Geist'' (Goethe) tieffühlend bereits als Einheit, so gut wie ''zart-, feinfühlend'', was uns bei den letzten beiden oder etwa bei ''wohlschmekkendst, scharfblickender'' nur deshalb gewohnter ist, weil daneben auch Hauptwörter wie ''Wohlgeschmack, Scharfblick, Zartgefühl'' stehn. Tatsächlich liegt es also so: Wer wirklich in solchen Verbindungen noch Adverb und Partizip als zwei gesonderte Begriffe empfindet, die nur für den Einzelfall zusammengestellt werden, der mag und wird das Adverb steigern, es aber am besten auch vom Partizip trennen: ''eine südlicher gelegene Stadt''. Wo man aber Adverb + Partizip als neuen einheitlichen Begriff fühlt, wird man ihn am Ende steigern, aber auch zusammenschreiben; also nicht wie Junker: ''Die vier Klöster sind ....''4) ''das Kloster des Heil. Macarius, das südlich gelegenste''. Nur die Zusammensetzungen mit ''bestwiderstehen dem letzteren herrschenden Zuge'', wohl deshalb, weil Prägungen, wie ''besttunlich'', ''Bismarck, der bestgehaßte und bestverleumdete Deutsche'', eine sehr reiche Zahl älterer solcher Bildungen vorfanden, an die sie sich anlehnen konnten, wie ''bestbemittelt, -gedacht, -gefühlt, -vergoldet, -frisiert, -behaart.'' Überdies sind sie garnicht immer eine Steigerung von ''gut'' + Partizip, sondern eine Zusammensetzung von ''best'' + Partizip.//
Eine eigentlich selbstverständliche Vorschrift verlangt, einen Satzteil, namentlich ein Adverb, dorthin zu setzen, wohin er gehört, d. h. zum ganzen Satze gehörige möglichst in seinen vorderen Teil, zu einzelnen Worten gehörige unmittelbar zu diesen. Was gibt es eigentlich Einfacheres und Natürlicheres? Und doch wie oft wird dagegen gefehlt, oft genug auf Kosten der Berechtigung, ernst genommen werden zu wollen. Bloß mißtönend klingt es, wenn G. Hauptmann oft derart stellt: ''Er fing mit ihm über das traurige Dasein im allgemeinen und das der Alten im besonderen zu philosophieren — an''. Aber schon lächerlich wirkt der Satz bei K. v. Raumer: ''Väterlicherseits floh mein Großvater im 17. Jahrhundert ... nach Wittenberg'', indem er etwas wie zum Verb gehörig an die Spitze stellt, was als eine nicht deklinierte Bestimmung eines Substantivs nur unmittelbar hinter diesem stehen darf. +
Die Stellung der Fürwörter, namentlich der persönlichen mit ihren leichten Formen, wird aus Rücksichten des Wohllautes nicht nach jenen Hauptgesetzen über die Stellung der Ergänzungen bestimmt; vielmehr wird von ihnen stets die kürzere und tonlose Form vor die längere und volltönendere wie vor alle Hauptwörter gestellt; auch rücken sie im Nebensatze möglichst an den Anfang, im Hauptsatze ebenso hinter das finite Verb als je die schwächstbetonte Stelle: ''Sage es der Frau, Gib es mir oder Gib mirs. Er ließ ihn dem Knaben. — Verse, die ihm der Graf bei seiner Abreise zusandte; wenn ihn der Wohlanstand nicht zurückgehalten hätte'' (Goethe). Ganz falsch steht also bei H. Rückert: ''So rückt sie'' (die deutsche Sprache) ''den Hauptton auf das erste Wort, und so hält es sie mit einigen Ausnahmen bei allen ihren Zusammensetzungen''; denn das alte Subjekt ''sie'' ist schwächer betont als das ''es'' in der eine neue Aussage bildenden Wendung ''es so halten'', während es bei ''dieselbe'' der Tonstärke halber nur hätte heißen können: ''so hält es dieselbe''. Namentlich klingt es häßlich, wenn gegen Forderung des steigenden Rhythmus tonlose Für- und verwandte Wörter für die wichtige letzte oder andere hochtonige Satzstellen ausgespart werden. Einige mißtönende Sätze derart zur Warnung: ''Die beiden Damen ließen ihre beiden Jungfern selber dafür sorgen, wie sie sich der Jugend des Karlsplatzes entzögen. Lucie und Christabel entzogen'' (!) ''sich vermittels einer Droschke derselben'' (W. Raabe). — ''Der Weg zu den beiden andern Burgen führt noch einmal uns an den Bergrand des Trifels'' (Trinius). ''Durch den westfälischen Frieden hatte Österreich seine Rechte auf das Elsaß an Frankreich abgetreten wie solches es vor dem 30jährigen Kriege gegenüber Spanien getan hatte'' $Seite 398$ (ders.). — ''So hatte unangefochten Baum, Strauch, Ranke und Blume es sich'' (statt: ''So hatte es sich oder so hatte sichs) durch anderhalb Jahrhunderte darin bequem gemacht'', und: ''Mehrfach suchte großer Brand es heim'' (Jensen). Die üble Wirkung stellt sich also auch innerhalb des kürzesten Satzes ein, wie noch ein Satz von F. Lewald dartun mag: ''wie zu tun ich es'' (statt: ''wie ich'' [''e'']''s zu tun'') ''gewohnt war''. Namentlich Wildenbruch suchte zuletzt (z. B. im König Heinrich) ordentlich etwas in solchen Stellungen wie: ''Drinnen betet etwas am Boden — dann ist es er! — Tausend Schritte komm ich dir entgegen, nur einen einzigen begegne mir du!'' Ähnlich ungewöhnlich ordnet Bonsels: ''Sahib, du tust nichts ... Als wir in Anandapura waren, hast du die Brahminen verlacht, die den ganzen Tag in der Sonne liegen und den Tempelreis fressen, der ihr Anrecht ist, aber wie machst nun du es?'' Vollends übellautend schreibt H. Bahr: ''Nur muß der Zuhörer auch danach sein; in Danzig ist er es mir'' (statt: ''ist er mir’s'').
Bei untrennbar zusammengesetzten Zeitwörtern oder, was dasselbe ist, bei solchen, die nicht auf der Partikel, sondern auf dem Grundworte betont sind (''vergében; übervórteilen, durchwándern'') tritt ''zu'' vor das Ganze: ''Was nutzt es, ein Land nur in der Eisenbahn zu durchfliegen?'' Nur bei trennbar zusammengesetzten, d. h. auf dem ersten Bestandteile betonten Zeitwörtern (''aúflesen, vórlesen, ánerkennen'') tritt ''zu'' zwischen Partikel und Grundwort: ''Er hat vergessen, den Brief abzugeben. Die Mächte bedenken sich noch immer, den Prinzen Ferdinand ... anzuerkénnen'': aber trotz der Betonung ''rechtfertigen: um ihre Schönheit zu rechtfertigen'', nicht: ''recht-'' $Seite 98$ ''zufertigen'' (Univ. XVI); denn ''rechtfertigen'' ist eine Ableitung, keine Zusammensetzung.
Bei den mit ''miß-'' zusammengesetzten Verben gehn nun drei Auffassungen nebeneinander her: 1. Die noch häufige Betonung der ersten Silbe und das Gefühl, daß ''miß-'', da es in den einfachen Zeiten nicht wie andere betonte Partikeln nachtritt, besonders fest verwachsen sein müsse, scheinen nebeneinander die Vorstellung von ''ge-'' und ''zu'' zu fördern: ''gemißbraucht, mißzubrauchen.'' 2. Wegen Nichtbetonung der Silbe ''miß-'' tritt ''zu'' vor und ''ge-'' gar nicht ein: ''zu mißlíngen; mißlúngen, mißáchtet, mißráten, mißártet, mißbílligt, mißtraút''; diese Formen sind, wie die älteren, auch die gefälligeren //1 Überhaupt ist der Eifer, alle diese Verben in allen Formen mit ''ge''- zu uniformieren, nicht mehr so groß wie im 17. und 18. Jahrhundert, wo es hübsch steif sogar in der Nennform lautete: ''mißgefallen, mißgelingen, mißgestalten'' und so ohne Ende!// 3. Die Erinnerung daran, daß die Trennung besonders bei absoluter Anwendung ehemals üblich war und es in Norddeutschland noch ist (''er versteht míß; er handelt miß = schlecht, falsch''), spricht sich noch in der Möglichkeit aus, ''zu'' und ''ge-'' einzuschieben, freilich nur in den Formen: ''míßgegriffen'' und ''mißzuverstehen''. +
Stellung der Objekte und Adverbien bei Eigenschafts- und Mittelwort sowie mehrerer Attribute untereinander +
Alles, was von § 378 an über die Wortstellung gesagt worden ist, bezieht sich auf den sich erst bildenden und durch ein finites Verb ausgedrückten Gedanken, der Erlebnisse//1 Vgl. Kieseritzky, S. 194// nach-, miterleben lassen will. Über die Gedanken, die auf einen Begriff, auf ein Substantiv mit seinen Attributen oder auf ein Adjektiv oder Mittelwort mit Adverbialien zurückgeführt sind, ist gelegentlich schon früher, besonders in § 204 ff. gehandelt worden. In allen den Fügungen mußten wir Fehler erblicken, in denen, wenn einmal die Begriff- $Seite 404$ lichkeit wirklich eingetreten war, zusammengesetzten Haupt- und den Mittel- oder Eigenschaftswörtern gleichwohl nähere Bestimmungen nach gestellt waren. Denn darin liegt nur ein weiterer, großer Vorzug der deutschen Sprache vor anderen, nicht zwar für ihre Beweglichkeit, wohl aber für ihre Deutlichkeit und Unterscheidungskraft, daß den Begriffen beigegebene Bestimmungen nicht wie im Satze von den allgemeineren zu den besonderen und neueren fortschreiten, sondern in der Weise vortreten müssen, daß die allgemeinste und dem Begriffe am engsten verbundene ihm am nächsten, die speziellste und neueste am weitesten von ihm wegtreten muß, wenn ein Artikel da ist, unmittelbar hinter diesen, wenn keiner und anstatt seiner auch kein Fürwort vorhanden ist, an seine Stelle. Selbst in bezug auf den Tonfall ist es so, daß bei sonst gleichem Werte die schwereren gern voran und die leichteren zwischen sie und den Oberbegriff zu stehn kommen.
1. Nur in einem entspricht auch hier die Stellung genau der im Satze: die dem Zeitwort am nächsten tretenden präpositionalen Wendungen müssen auch einem Mittelwort unmittelbar vorangehen. Man vergleiche: ''Blauveilchen stand eben erst ein Weilchen unten im Tal am Bach'', und: ''das eben erst ein Weilchen unten im Tal am Bache stehende Veilchen''. Man erkennt dem gegenüber leicht die Unrichtigkeit der folgenden Fügungen: ''Der Künstler wird einem an ihn von New York aus ergangenen Gastspielantrage Folge leisten'' (statt: ''einem von New York aus an ihn ergangenen Antrage''). ''Ihr Regiment war das in die Wagschale gewaltig gelegte Schwert'' (statt: ''das gewaltig in die Wagschale gelegte Schwert''). ''Von den nach Preußen dem König gefolgten Ministern'' (statt: ''von den dem Könige nach Preußen gefolgten Ministern''. — v. Boyen).
Auf den nämlichen Grundsatz geht auch die besondere Vorschrift zurück, daß das ein Adjektiv bestimmende Adverb jenem vorangehen muß, sodaß es nur in gesuchten oder poetischen Darstellungen zu ordnen erlaubt ist, wie es nach Goethes Vorgange Koser tut: ''bewundert viel und viel gescholten ist der Mut''. Die bloße Umkehr des Grundsatzes ist aber die andere Form der Regel, daß das bestimmende Wort, wenn es nicht gerade eine allgemein übliche Gradbestimmung enthält wie ''viel, weit, sehr, ganz, sondern'' in neuer, für den Einzelfall besonderer Weise vorgesetzt wird, den speziellen Begriff enthalten, eine stets durch den Gegensatz feststellbare Unterart bezeichnen muß. So schreibt gleich falsch eine Schriftstellerin: ''klein winzig'' statt ''winzig klein'', und ein Schriftsteller: ''ein bescheiden einfaches Gasthaus, ein höchst unerwartet überraschender Eindruck''; als ob etwas auch unbescheiden einfach oder erwartet überraschend sein könnte!
2. Für mehrere Beiwörter neben dem Hauptwort wirkt sich obiges Gesetz folgendermaßen aus: a) Bei rein sachlicher Beschreibung tritt das näher Bestimmende, Einschränkende, das die Unterart darstellt, vor den Gattungsbegriff: ''volles weißes Haar, der zartere weibliche Bau'' (Schiller), ''die gotischen stark verkleinerten Flügel''. b) Bei gefühlsbetonter, wertender Stellungnahme gehört das der Wertung zugrunde liegende beschreibende Beiwort an die zweite, das wertende selbst an die erste Stelle: ''eine nicht ganz verwahrloste moralische Anlage und künftige bessere Tage'' (Schiller), ''wesentliche technische Unterschiede''. c) Nur wenn keins der beiden Beiwörter dem andern begrifflich untergeordnet ist oder beide für den Wertenden oder unter sich gleich bedeutend sind, kann jedes so gut an erster als $Seite 405$ an zweiter Stelle stehen: ''ein tiefes weites Loch'' oder ''ein weites tiefes Loch; eine verständige, geistreiche Oberin'' oder ''eine geistreiche verständige O.'' d) Außerdem geht naturgemäß von beiden das voran, das eine Beziehung auf Vorhergehendes enthält (vgl. § 416 Anm. 1): ''in der gleichen äußeren Erkennung, im angrenzenden großen Mauerweg''//1 Nach O. Behaghel, „Zur Stellung des Beiworts", Muttersprache, Ztschr. d. Deutsch. Sprachvs. 1929, S. 1—3.//.
Wenn solch unrhythmische Stellungen wie die in § 403 gerügten auf der Befolgung der Regel beruhen, daß der Relativsatz seinem Beziehungsworte möglichst unmittelbar nachfolgen soll, so galt es doch, diese nicht im Buchstaben, sondern im Geiste zu erfüllen. In Schillers Prosa wie Poesie steht zwischen Relativ- und Beziehungswort oft das Hauptwort, von dem dieses abhängig ist: ''Biondellos Zurückkunft, der mir dies Rätsel aufklären sollte, in des Siegels Gewalt, das alle Geister dir beuget — An des Trefflichen Brust, der dir jetzt Vater nur ist''. Oft darf sogar ein ganz Erkleckliches zwischen den Relativsatz und $Seite 416$ sein Beziehungswort treten, wenn dadurch nur Schachtelei vermieden wird; so in dem Satze Goethes: ''Ich fand es schrecklich, daß ich um eines Mädchens willen Schlaf und Ruhe und Gesundheit aufgeopfert hatte, das sich darin gefiel, mich als einen Säugling zu betrachten''. Jene Beziehung auf einen vorangestellten Wesfall, die auch Th. Mann kennt: ''Holms Tochter, der am Markt wohnt, ist möglich, wenn das andere Geschlecht des zwischenstehenden regierenden Wortes eine falsche Beziehung ausschließt''. Nur zweierlei muß eben vermieden werden: zuerst, was leichter ist. Zweideutigkeit, d. h. die Möglichkeit, sei es auch nur vorübergehend, das Relativ auf ein zwischen ihm und seinem richtigen Beziehungsworte stehendes Hauptwort zu beziehen, zu dem es seiner Form nach gleich gut paßte. Wenn man z. B. bei Schillers Frau liest: ''Eine literarische Bekanntschaft habe ich mit Bernardin de St. Pierre eben durch die Gräfin Edling gemacht, die mir auch schon angenehme Stunden gab'', so wäre die Unklarheit der Beziehung leicht durch die Stellung vermieden worden: ''Eben durch die Gräfin E. habe ich eine ... Bekanntschaft gemacht, die ... gab''//1 Zu engherzig ist es freilich, wenn auch solche Sätze wie: ''Er holte einen Rock aus dem Schranke, den er lange nicht getragen hatte'', angefochten werden. Als ob hier Sinn und Ton auch nur einen Augenblick über die Beziehung in Zweifel ließen. Wie entsetzlich, wenn statt des Satzes: ''Deshalb hatte ich über meine Equipage'' (= ''Kleidung'') ''einen weiten Rock meines Vetters angezogen, der die Stelle eines großen Mantels vertrat'', die Schlimmbesserung vorgeschlagen wurde: ''das Kleidungsstück vertrat ...'' wohl damit auch für jeden blöden Leser gesorgt wird, dem der Vetter als Mantel gedacht scheinen könnte? Den auch hier wichtigen Gesichtspunkt bei Satzrhythmus gibt es offenbar für solche Sprachmeisterer überhaupt nicht.//. Oder wenn H. Hopfen geschrieben hat: ''So unscheinbar war das Köpfchen der Riesenschlange doch nicht, wie der Herr Oberst meine bescheidene Liebschaftenreihe zu nennen beehren'', so konnte er den Leser vor der Unklarheit, ob ''wie ...'' auf das betonte ''so unscheinbar'' oder auf ''Riesenschlange'' geht, durch die Stellung bewahren: ''Das Köpfchen der Riesenschlange, wie ... beehren, war doch nicht so unscheinbar''. Ebenso mußte Egelhaaf etwa schreiben: ''Das Oberhaus soll ... bestehen — aus 120 Mitgliedern, von 6 Wahlkollegien gewählt, die aus Mitgliedern des Unterhauses bestehen sollten'' (und nicht: ''— aus 120 von Wahlkollegien Gewählten, die'' etc.). Bei dem Zeitungssatze: ''Das alte Spritzenhaus wird so umgebaut, daß darin Räume für durchziehende Obdachlose geschaffen werden, an welchen es bis jetzt hier mangelte'', fragt man unwillkürlich: „Woran? An solchen Räumen oder an Obdachlosen?" und in dem andern: ''Was ist dann das Land um eines Erfolges willen in die Aufregung eines Wahlkampfes gestürzt worden, der um vieles billiger zu haben gewesen wäre?'' wird man durch Stellung und Ton förmlich gezwungen, den Schlußsatz auf den ''Wahlkampf'' statt auf ''Erfolg'' zu beziehen. Daß dann vom Zweideutigen zum Lächerlichen oft nur ein Schritt ist, könnten Dutzende von Beispielen bezeugen, die alle den folgenden ähneln: ''Der Admiral W. ist von der Elbmündung in Berlin eingetroffen, wo das Amerikanische Kriegsschiff Anker geworfen hat'', oder: ''Abends Ball beim Könige, der war voll''. Denn wenn auch der Verstand nachträglich die richtige Beziehung gebietet, so ist doch das zunächst angesprochene Sprachgefühl irregegangen, das einen solchen Satz immer auf den Satzteil bezieht, der durch seine Tonstärke ihn zu tragen am geeignetsten erscheint.
Lange nicht so einfach regelt sich im Haupsatze die Stellung der beiordnenden Bindewörter und ihr Einfluß auf dessen Wortstellung, während da, wo sie Nebensatz mit Nebensatz verbinden, ihre Sonderwirkungen gegen das eben angegebene Gesetz über die Wortstellung im Nebensatze nicht aufkommen. Im allgemeinen ist ihre Stellung um so freier und willkürlicher, je deutlicher in ihnen noch ihre adverbiale Natur erkannt wird; so bei ''besonders, dennoch, ingleichen, desgleichen, daher, erstens, zweitens'' (= ''1., 2.''). Wie jedes Umstandswort, können denn auch sie fast jeden Platz einnehmen; und wenn sie selber an erster Stelle stehn, bewirken sie nach dem zweiten Hauptstellungsgesetze, wonach im Hauptsatze das Zeit- oder Hilfszeitwort stets an zweiter Stelle steht, ebenfalls gleich jedem andern Umstandsworte, daß unmittelbar nach ihnen das finite Verb und danach erst alle andern Satzteile, auch das Subjekt, folgen: ''1.'' (= ''erstens'') ''hat er nicht Wort gehalten. Damals hat er dennoch mit seiner Voraussage recht gehabt. So hat er mit seiner Voraussage damals dennoch recht gehabt. Dennoch hat er mit seiner Voraussage damals recht gehabt''. Nur die Stelle zwischen Subjekt und finitivem Verb ist den Bindewörtern höchstens ausnahmsweise zugänglich; bei der Folge: Verbum + Subjekt nämlich nur, wenn dieses einen ganz besonders starken Ton erhalten muß, weil der Gegensatz oder die Schlußfolgerung gerade auf dieses abzielt: ''Der Schuldige kann doch nur, ...kann also nur Wilhelm sein''. Bei der Folge: Subjekt + Verbum können dort gar nur die beiden Wörtchen ''nämlich'' und ''aber'' stehn: ''Karl hatte die Kränkung längst vergessen, Fritz aber hätte das nie fertig gebracht''. +
Die Forderung des Wohllautes wird heute beim Reflexiv, vor allem seiner schwachtonigsten Form ''sich'', so oft unbeachtet gelassen, daß man förmlich froh sein muß, wenn man über einen Satz mit reflexivischer Wendung einmal ohne Unebenheit hinwegkommt. Dazu vereinigt sich gerade hier mit der Forderung des Wohllautes die andre der Verständlichkeit und Sinngemäßheit, und diese fordert, daß dies Wörtchen, das oft kaum noch ein voll empfundenes Fürwort und mehr nur ein Zeichen einer besonderen Sinnesfärbung ist, nicht an einer Stelle steht, wo man das bedeutsamste, unterscheidende und deshalb zu einer Entgegensetzung auffordernde Wort erwartet, sondern dort, wo man einen Fingerzeig für die Auffassung des Satzes noch brauchen kann, möglichst an seinem Anfange. Heute, wo es oft dem Ende ganz nahe gerückt ist, kann man sich immer erst nachträglich durch einen gewaltigen Ruck in die richtige Auffassung versetzen; etwa wie einem am Ende eines Weges der Wegweiser nicht eben zur Bequemlichkeit anzeigt, daß man irre gegangen sei.
Goethe hat auch dies wohl empfunden, und so trifft man bei ihm kaum auf einen Satz, wo ''sich'' nicht möglichst weit vorgerückt wäre: ''Das Bild, auf das sich meine ganze Liebe bezog. Narciß schien sich auf seine Geliebte ohne Rückhalt etwas zugute zu tun. Dann klangen die Saiten allein, bis sich wieder die Stimme leise in gebrochenen Lauten darein mischte''. — Solchen wahrhaft melodischen Sätzen halte man zu dem Beispiele mit ''es sich'' oben nur folgende gegenüber, um sich von der herrschenden Geschmacklosigkeit abgestoßen zu fühlen: ''So wird das schmucke Büchlein sich'' (— wem denn sonst?) ''Freunde weit und breit machen'' (§ 386, 2). ''Eine Form, in die die Menschen sich'' (statt: ''sich die Menschen'') ''gezwängt haben. Damit mischten dann auch sich'' — wen denn sonst? — ''Elemente der heimischen Sage. Emerich war nur kaltblütig, solange es nicht um Frauen sich handelte''. Das Ärgste ist es freilich, wenn man es gar auch in der Stimmhebung vor dem Zwischensatze und selbst am Schlusse des Satzes erscheinen läßt: ''Es fiel ihr ein, daß ein Teil der Genossen sehr wohl sich, wie öfter'' — wen denn? — ''in letzter Zeit, bei ihr versammelt haben konnte'' (E. Bauer), und: ''So mußte ich, um zu Weihnachten in Neapel eintreffen zu können, mich, wollte ich diese indischste aller Städte überhaupt sehn, der Eisenbahn bedienen'' (O. Ehlers). Frei- $Seite 399$ lich steht auch bei W. Raabe: ''Mehr als einmal schüttelte Cesare Campolani sich, als ob ihn fröstele''//1 Diesem Mißbrauche gegenüber war die — ältere (vgl. S. 391, Anm. 1) — Möglichkeit völlig natürlich, das Reflexiv an die erste Satzstelle zu rücken: ''sich huop wider morgen ... dirre angestlîcher strît'' (H. v. Aue). — ''Sich mac halt nihtes nîht verbergen vor dem grôzen lichte''.//.
Die folgerichtige Durchführung des Grundsatzes, daß dem finiten Verb im Hauptsatze im allgemeinen die zweite Stelle gebührt, ist es, wenn innerhalb der Periode der Vordersatz, mag er auch mehrgliedrig sein, gleich einem Ganzen, einem ersten Satzgliede gilt und im Nachsatze das Zeitwort entweder an der Spitze selbst steht — „in reiner Spitzenstellung" nach Braune — oder doch unmittelbar hinter den den Vordersatz zusammenfassenden, den Nachsatz ankündigenden Wörtchen wie ''so, da''(''nn''); ''der'' usw.: ''wenn du das behauptest,'' (''so'') ''irrst du; wer das behauptet, der ist im Irrtume''. Vergleichende Sätze mit ''je — desto'' + zweiter oder ''so — so'' + erster Steigerungsstufe bilden nur scheinbar eine Ausnahme, da hier ''desto'' (''je'')//1 O. Erdmann macht S. 194 darauf aufmerksam, daß in diesen Sätzen allein durch ein in ihrer Sonderart begründetes Streben nach Parallelismus die Stellung des Zeitwortes am Ende des Hauptsatzes erhalten worden sei, die sonst heut nur noch der naiven Erzählung und Dichtung eignet: ''Je mehr sie ihn besah, je mehr sie Reize fand'' (Wieland). Meist herrscht aber auch hier schon die Regel.// oder ''so'' + Adjektiv jenen den Vordersatz aufnehmenden Wörtchen genau entspricht: ''So leicht ich mir den Abschied vorgestellt hatte, so schwer fiel er mir''. Für die wirklich und gut berechtigte Ausnahme, die der Nachsatz zu Bedingungs- oder Einräumungssätzen bildet, sind schon § 331 die geziemenden Schranken angewiesen worden. +
Die Stellung der häufigsten Verneinung ''nicht'' und ebenso des auch aus einer Verneinung (''ni waere'') hervorgegangenen ausschließenden Wörtchens ''nur'' verdient besondere Aufmerksamkeit. Beide, besonders aber ''nicht'', gehören nämlich bald zu einem einzelnen Worte, und dann sind sie vor dieses zu stellen, z. B. ''Davon hat bei uns der reine Fachlehrer oder gar der nur wissenschaftliche keine Ahnung ''(DAZ. 27). Bald gelten sie dem ganzen Satze, und dann müssen sie aus demselben Grunde, aus dem das § 386, 5 für das Reflexivum gefordert worden ist, möglichst an dessen Anfang, in Hauptsätzen möglichst nahe an den vordern Bestandteil des Zeitwortes rücken; nicht aber dürfen sie, wie es jetzt besonders bei ''nicht'' beliebt wird, möglichst für das Ende aufgespart werden, gerade als wüßte der Schreiber nichts Besseres zu tun, als den Leser mit einem unerwarteten Strich durch die Rechnung zu foppen!
Wer empfände auch nicht das Gesuchte in der Stellung des Satzes: ''Auch hüteten sich die Juden, Gold und Silber sehn zu lassen; und erschienen sie im Aufzuge vor den Päpsten, so trugen sie nur zur Schau Armut und Elend, Angst und Zittern und jammervolle Knechtsgebärden'' statt: ''... trugen sie nur Armut ... zur Schau''? Geradezu Bocksprünge möchten die Tonwellen vollends in dem folgenden Satze der Tgl. R. machen, $Seite 406$ soll anders durch ihre annähernd gleiche Höhe nur einigermaßen angedeutet werden, was zusammengehört: ''David findet darin in unserm Jahrhundert überhaupt nur ernste Nebenbuhler'' — man meint, es gäbe also gar keine oberflächlichen, soll aber — das Gegenteil verstehn — ''in den Münchner und Düsseldorfer Romantikern''; wie klar wäre alles bei der natürlichen Stellung: ''Ernste Nebenbuhler findet darin David in unserm Jahrhundert überhaupt nur in den Münchner und Düsseldorfer Romantikern''. Dem Satze: ''Nietzsche nimmt eine merkwürdige, psychologisch nur erklärbare Zwitterstellung zum theoretischen Wert ein'' (M. Meyer 1916), könnte der Sprecher durch hohen Ton auf ''psychologisch'' zwar das richtige Verständnis sichern, aber der Lesende wird durch die Nachstellung von ''nur'' beirrt.
Auch einige Beispiele für falsche Stellung von ''nicht''! Wie unnötig lange die richtige Auffassung eines Satzes hinausgezogen wird, wenn dieses Wörtchen im Nebensatze unnütz fast bis ans Ende aufgespart wird, empfindet jeder schon an dem Satze Schillers: ''Unvermeidlich war der Untergang dieser blühenden Handelsstadt, wenn Karl V., durch die Vorstellungen der Statthalterin überführt, diesen gefährlichen Anschlag nicht hätte fallen lassen'' (statt: ''wenn nicht Karl'' usw.). Noch ungehöriger ist es, wenn das Wörtchen dadurch dem Begriffe vorenthalten wird, zu dem allein es gehört: ''Seine frühere Kraft und Frische hat bedeutend nicht abgenommen; Dieser Angriff kann für begründet nicht erachtet werden'' u.ä. — liest man unzählige Male statt des Natürlichen: ''hat nicht bedeutend'' (= ''unbedeutend'') ''abgenommen'', und: ''kann nicht für begründet erachtet werden''. Falsch ist es auch, wenn die Verneinung ganz ans Verb gerückt wird, wo sie nicht ausschließlich von diesem, sondern auch von seiner Kasus- oder präpositionalen Ergänzung gilt; kommt doch dann durch die falsche Stellung gewöhnlich auch eine ungehörige Trennung zusammengehöriger Satzteile nach Art der § 386, 2 gerügten heraus: ''Während dieser Zeit können die an Höchstdieselben gerichteten Bittschriften zur Erledigung nicht gebracht werden'' (statt: ''... nicht zur Erledigung gebracht'' (besser: ''nicht erledigt'') ''werden''. Doch auch so klingt es unnatürlich, wenn man liest: ''An diesem Priester der Musen habe ich etwas Unreines — nie'' statt: ''... habe ich nie etwas Unreines entdecken können''.
Die artikellosen Orts- und Ländernamen bilden nur den Genetiv abweichend vom Nominativ, nämlich sämtlich auf ''-s'', soweit sie nicht, wie alle auf Zischlaute (''-s, -ß, -z, -x'') ausgehenden notwendigerweise, und auch andere, zumal in Titeln, für den 2. Fall lieber die Umschreibung mit ''von'' eintreten lassen //1 Doch sagt man auch: ''Bayerns König Ludwig, die Könige Bayerns, Württembergs und Sachsens ordneten sich freiwillig dem neuen Kaiser unter''; beides etwas höher und gewählter, als ''die Könige von Bayern, Württemberg und Sachsen'', wo es mehr auf die trockene Angabe des Titels ankommt.//. Also: ''die Straßen Berlins'' und ''Berlins Straßen'', wie auch ''die Straßen von Berlin, Rußlands Bevölkerung, die Bevölkerung Rußlands'', aber gewöhnlich ''der Kaiser von Rußland'' und nur ''die Straßen von Mainz, von Paris, von Bordeaux''. Bei Beiwörtern sagt man gewöhnlich nur ''des neuen Berlin'', ''des goldigen Mainz''. Dagegen sollte man bei Ländernamen besser nicht die freilich schon recht häufige Bequemlichkeit: ''die Rindviehrassen des nördlichen Rußland'' mit dem neuesten Beschreiber des Landes mitmachen, sondern gewissenhafter immer die Form: ''des nördlichen Böhmens, des kaiserlichen Deutschlands'' (L. Corinth) wählen. +
