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B
Eine Nachwirkung der Musikherrschaft steckt wieder darin, daß auch alles Unbetonbare ''betont'' statt für wichtig ''erklärt'', ''gefordert'', ''gewünscht'', ''darauf gesehen'' wird. ''Gute Behandlung betont die Dienerschaft'' und ''die Herrschaft die Ehrlichkeit'', ''ein Rektor betont die realistischen'', der andere ''die humanistischen Fächer''. Gar ''bezeugen'', das ''immer ein Zeugnis ablegen'' bedeutet, und ''bezeigen'', das ''an den Tag legen ausdrückt'', zu verwechseln, sollte billig den Sachsen überlassen bleiben, deren Ehrenbezeugung statt ''-bezeigung'' man trotz Lessing nicht nachmachen sollte. Man kann nicht sagen: ''Ich bestätige Ihren Brief vom 11. d. M.'', sondern da man keine Sache, sondern nur deren Eigenschaft oder Vorgänge bestätigen kann, nur; ''ich bestätige den Wortlaut, den Eingang'' oder ''Empfang Ihres Briefes'', wie man ''die Stärke des Sturmes, die Schärfe eines Ausdruckes'' bestätigen kann. Bequemlichkeit und Unklarheit muß es auch heißen, wenn ''meinen'' //1 Dagegen hängt ''ich bin gemeint'', das freilich auch und sogar gewöhnlich bedeutet: ''es geht auf mich'', in seinem andren Sinne: ''Ich bin gesonnen, ...willens'', mit der ursprünglichen Bedeutung des Verbs zusammen und ist früher gebräuchlicher gewesen.// statt ''sagen'' u. ä. W. angewandt wird, sogar vor wörtlicher Rede. Auch den Unterschied zwischen ''brauchen'' (mit Infin. und ''zu'' oder mit Akkusativ) = etwas nötig haben (doch auch = ''benutzen''), wofür man durchaus nicht österreichisch breit ''benötigen'' zu sagen braucht, und ''gebrauchen'' mit Akkusativ = ''etwas benutzen'', wozu sich in verwandtem Sinne überwiegend auch das Substantiv ''Gebrauch'' stellt, lohnt es sich wohl festzuhalten, da er eine recht mühsam herausgearbeitete Unterscheidung darstellt. Also mache niemand das süddeutsche ''Ich gebrauche das nicht zu sagen'', noch die Sätze aus einem Aufrufe vornehmer Damen Berlins nach: ''wir gebrauchen'' (statt ''bedürfen'') ''dazu der Mitwirkung aller''; ''wir gebrauchen'' (statt ''brauchen'') noch viel //2 Unberechtigt ist dagegen die Vorschrift, auch ''leihen'' für ''das Geben auf Borg'' und ''entlehnen'' für ''das Nehmen auf Borg'' noch streng auseinander zu halten. Vielmehr ist heute der Gebrauch so, daß ''leihen'' sowohl ''verleihen'' als ''entleihen'' bezeichnet, während sich ''entleihen'' und ''entlehnen'' wieder so unterscheiden, daß jenes mehr im eigentlichen Sinne von Geld und Sachen, dieses übertragen z. B. von ''Sitten, Bräuchen, Gedanken'' verstanden wird.//. Freilich redet noch 1918 auch P. Ernst von dem ''Futter, das die Ziege gebraucht'', und ein Kunstkritiker schreibt: ''Bellincioni, der zwei Tage zu einem Sonett gebraucht''.
Das deutlichste Zeichen, durch das eine Zusammensetzung dem Ohre als solche kenntlich wird, ist ihre Beherrschung durch einen Ton, der zumeist auf der Stammsilbe des Bestimmungswortes liegt, bei mehrfach zusammengesetzten auf der des ersten: ''Baúmschule, rótgelb, Schnéllzugsgeschwindigkeit''. Die häßliche Wirkung zu langer Zusammensetzungen beruht zum größten Teile darauf, daß infolgedessen von einer starkbetonten Silbe am Anfange der Ton bis zum Ende sinkt. Doppelt muß dies zu fühlen sein, wenn das Grundwort gegenüber dem oder den Bestimmungdwörtern zu kurz und unbedeutend ist, als daß es jene durch einen, noch besser mehrere Nebentöne einigermaßen aufwiegen könnte. Man spreche sich nur solch unrhythmische Gebilde vor wie: ''L'ebensatem-zúg, todesangstvóll, Sensations-nachrichten-bringer'': ''Pensions-vorsteherinnen-morál''. Diesem Betonungsgesetze haben sich im Laufe der Zeit auch Verbindungen untergeordnet, die bloße Zusammenrückungen waren und auf keine Artbestimmung des Grundwortes hinzielen: ''Herrgótt, Gottménsch, Christkínd''. +
Auch wenn Namen mit Titeln, Beinamen oder Regentenzahlen zusammentreffen, werden die $Seite53$ Namen gebeugt oder nicht, je nachdem sie ohne oder mit Artikel stehen. Geht der Titel und das Geschlechtswort voraus, das natürlich dann zu jenem gehört, so wird nur Geschlechtswort und Titel gebeugt, also: ''die Werke des Professors Wagner und des Kaisers Konstantin Verdienste um die Kirche'', nicht wie innerhalb sechs Zeilen der Zittauer Nachrichten hintereinander stand: ''die Beförderung des Premierleutnant Str., des Fähnrich v. E., des Abschiedsgesuchs des Hauptmann und Kompagniechef B.''; aber auch nicht wie bei W. Raabe: ''des Vetters Wassertreters''. — Ist kein Geschlechtswort vorhanden, so wird der volle Name, also mitsamt Bei- oder Zunamen, nicht der Titel gebeugt, also: ''die lange Regierung Wilhelms des Siegreichen'' wie: ''Kaiser Wilhelms I.'' (lies: ''des Ersten'') ''lange Regierung''. Richtig scheidet danach z. B. Eltze: ''von Präsident Grant, mit Graf Rechberg'' von der Form mit Artikel: ''mit dem Grafen Rechberg''. Der Beiname wird anderseits natürlich auch dann mit gebeugt, wenn der mit Artikel vorangehende Titel dekliniert wird und der Name nicht, da der Beiname nicht ungebeugt bleiben kann: ''Die Kyffhäusersage wurde erst später von dem an einem Wendepunkte der deutschen Geschichte stehenden Kaiser Friedrich II.'' (zu lesen: ''dem Zweiten'') ''auf seinen glanzvollen Vorgänger Friedrich I.'' (''den Ersten'') ''übertragen''. Im Genetiv verdient die artikellose Fügung den Vorzug, wenn sonst zwischen einem gebeugten Titel und gebeugten Beinamen der Name selbst ungebeugt stehen müßte; man sagt also lieber nicht: ''des Königs Friedrich des Großen'', sondern bloß: ''König Friedrichs des Gr.'' und familiär: ''die Tapferkeit Frau Köhls'' (DAZ. 28); ''auf dem Gesichte Vater Hangsteiners'' und: ''der Freunde Schulmeister Kaspars'' (Heer).
Wie nun aber, wenn mehrere Titel oder mehrere Namen zusammentreffen? Zunächst ohne Geschlechtswort bleiben auch zwei Titel ungebeugt: ''Professor Dr. A. Kuhns Vorlesungen''. Steht aber das Geschlechtswort davor, so wird gewöhnlich nur der erste gebeugt, indem der zweite als enger zum Namen gehörig aufgefaßt wird: ''die Vorlesungen des Professors Hofrat Alberti''. Daher kommt es auch, daß nach ''Herr'', das nebenbei bemerkt selber nie ohne Endung bleibt //1 Also selbst ohne Artikel: ''Herrn A. Richters Ansicht, ich kann Herrn A. Richter nicht beipflichten, kann Herrn A. Richter nur empfehlen.''//, der Titel gewöhnlich keine Endung mehr enthält: ''des Herrn Hauptmann Roller, des Herrn Finanzrat G''. Freilich unbedingt muß die Biegung des zweiten Titels nach ''Herren'' nur dann unterbleiben, wenn dies gemeinsam für mehrere gilt, deren jeder seinen besonderen Titel führt, der sonst auch mit gemeinsam werden würde; ''seitens der'' (besser: ''von den'') ''Herren Präsident Dr. Thielen-Hannover und Freiherr von Hammerstein-Hannover''. Sonst ist es so schlimm nicht, wenn einmal beide Titel gebeugt werden, wie etwa in der Tägl. Rundschau: ''unter dem Vorsitz des Architekten Professors C. H''. Ja die Biegung auch des zweiten ist sogar das gewöhnliche, wenn kein Name folgt, an dessen undeklinierte Form der undeklinierte Titel sich anlehnen könnte: ''der Vorschlag des Herrn Regierungsvertreters, die Meinung des Herrn Regierungsrates''; nicht minder bei gewichtigen Wörtern, wie ''Minister, Kommerzienrat, Graf, Freiherr'', überhaupt wenn es weniger auf die Angabe eines Titels als auf die gewichtige Bezeichnung eines hohen $Seite54$ Standes, ererbter Würde ankommt, denen die ältere, vollständigere Fallbezeichnung als ehrwürdiger besser zu entsprechen scheint; so hieß es denn immer: ''die Stellung des Herrn Ministers v. Bötticher, die Wahl des Herrn Kommerzienrates Öchelhäuser''; und auf die bequemere Art: ''mit dem Chef des Generalstabes Generalleutnant Graf v. Schlieffen'', kamen in derselben Tägl. Rundschau drei- bis viermal soviel Fügungen derart: ''ein Schreiben des Generals Grafen Wedel, den Kommandierenden Admiral, Vize-Admiral Freiherrn v. d. Goltz.''
Nicht so einfach ist die Frage nach den obliquen Kasus von ''man''. Die natürlich gegebenen sind die zu dem gleichbedeutenden ''einer'' gehörigen ''eines, einem, einen'', und falsch wäre es, diese in die niedere und Umgangssprache verbannen zu wollen. Steht doch bei unsern Klassikern viel ähnliches wie: ''So was erinnert einen manchmal, woran man nicht erinnert sein will''. Ja es ist dies geradezu die sauberste Art, ein und dieselbe unbestimmt gelassene Person oder Anzahl von Personen in verschiedenen Verhältnissen zu bezeichnen. Trotzdem darf es nicht ganz verpönt werden, auch ''unser'' und ''uns'' als oblique Fälle neben ''man'' zu stellen. Erstens den Dichtern nicht, denen es als bequemer für den Vers und mehr individualisierend als ''einem, einen'' nicht verdacht werden darf: ''Dabei ist es eine himmlisch schöne Sache'' ; ''Um einen rechten braven Herzensfreund'', ; ''Der, ist man fröhlich, mit uns lache'' ; ''Und ehrlich weine, wenn man selber weint'' (Bürger). Dann aber kann auch in Prosa der Redende, der sich erst unter dem allgemeinen ''man'' mit versteckt hat, durch ein dafür eintretendes ''uns'' sich selbst als wirklich dazu gehörig bekennen wollen, besonders wenn es sich um Erregung des Interesses und Gemütes handelt, auch bei anderen, in welchem Falle sogar die zweite Person eintreten kann. So ist der Wechsel in dem Goethischen Satze begründet: ''In der Welt kommt es nicht darauf an, daß man die Menschen kenne, sondern daß man im Augenblicke klüger sei als der vor uns Stehende''. Natürlich muß uns sogar eintreten, wenn die Beziehung auf das unbestimmte ''man'' zurücktritt hinter der Rücksicht auf uns Volksgenossen, Mitlebende, Menschen alle und überhaupt. Ein Redner im Reichstag wechselte also richtig: ''Wenn man bedenkt, wieviel Milliarden uns unsre Rüstung schon gekostet hat und noch kosten kann, möchte einem um die Zukunft bange werden''.
Außer in diesen Fällen aber ist die Vertretung der Formen ''eines, einem'' usw. durch ''unser, uns'' ebenso häßlich wie die Bezeichnung der nämlichen unbestimmten Person im Nominativ bald durch ''man'', bald durch ''wir''. Man nehme sich also nicht bedenkliche Klassikerstellen zum Muster wie z. B. die härteste, die ich in dieser Hinsicht kenne: ''wenn man unvermutet einen Gespielen unserer'' (statt ''seiner'') ''Jugend im fremden Lande erblickt'', sondern die besseren, wo ''man'' und die Fälle von ''einer'' streng durchgeführt sind, wie wieder bei Goethe: ''Wenn man für einen reichen Mann'' $Seite 86$ ''bekannt ist, so steht es einem frei, seinen Aufwand einzurichten, wie man will'' //1 In Grimms Wb. VI, 1523 behauptet Heyne vorsichtig, daß das in ''man'' versteckte ''ich'' und ''wir'' wohl selbst in demselben Satze mit ''man'' wechsele. In dem Beispiele: ''es ist immer eine Resolution, als wie wenn man ins kalte Wasser soll, ehe ich die Feder nehmen mag, wird ein Zustand des Ich'' (Goethes) mit einem allgemein bekannten verglichen. Im letzten: ''Obgleich uns die Eltern soviel als möglich zurückhielten, so mußte man doch bei Hof, wo wir eingeführt waren, erscheinen'', wird mit man gar keine unbestimmte Person bezeichnet, sondern in der bekannten zurückhaltenden Weise eine ganz bestimmte nur dahinter versteckt. Dieser letzte Brauch, der sehr häufig und durchaus berechtigt ist in guter — deutscher Redeweise, ist es auch, von dem aus einmal wir und uns auch da einschlüpfen, wo sie für eine wirkliche, unbestimmte Allgemeinheit nicht glücklich stehn.// ; oder bei W. Raabe: ''die Periode, in welcher man sich fragte, weshalb man eigentlich so lange gezögert habe, so glücklich zu sein, stand in ihrer vollen Blüte, und die Verwandtschaft tat das Ihrige, einem die ganze Größe seines Gewinnes klarzumachen''.
In allen solchen Fällen der in § 369 beleuchteten Art ist es nur möglich, nicht nötig, den Indikativ zu sehen. Denn auch wenn der Darsteller durch die Wahl des Indikativs andeuten könnte, daß die Mitteilung oder Vorstellung des Subjekts im regierenden Satze — soweit ihm bekannt! — mit den Tatsachen übereinstimme, verzichtet er in gewählter Darstellung öfter auf diese $Seite 378$ Andeutung und läßt demgemäß den Gedanken nur als das erscheinen, was für das denkende oder handelnde Subjekt, von dem er berichtet, bestimmend und ausschlaggebend gewesen ist. Ja grade im echtesten Sinne objektive Darsteller, Dichter voran, werden lieber darauf verzichten, verstandesmäßig festzustellen, daß eine Anschauung der von ihnen dargestellten Personen auch von anderen geteilt werde — denn wenn ich sage: ''Ich glaube jetzt auch, daß er in der Schlacht geblieben ist'', so bedeutet das eigentlich: ''So haben schon viele geurteilt und ich jetzt auch'' — sie werden sich lieber in das Innenleben der Dargestellten, oder, wenn sie, wie so oft, von sich selbst sprechen, in ihr eigenes Innenleben versetzen und so mehr geistige Bewegung zum Ausdruck bringen.
Wer z. B. den Glauben, daß es nur einen Gott gibt, durch den Hinweis auf die gleiche Überzeugung erleuchteter Heiden erhärten will, wird besser sagen: ''Selbst erleuchtete Heiden hatten schon die Erkenntnis, daß es nur einen Gott gibt''-, denn dem Verteidiger des Christentums ist dieser gewisse Satz die Hauptsache, und daß jene schon auf dem Wege zu dieser Erkenntnis waren, kommt für ihn erst nachher in Betracht. Der Geschichtsforscher, der objektiv darstellt, wird lieber sagen: ''So glaubte also Tacitus, wie sich das auch in dem Übergewicht der Einzahl „deus“ ausdrückt, daß es nur einen Gott gebe''; denn ihm kann nur daran liegen, objektiv dessen — subjektiven — Glauben darzustellen. Wer wollte es also Goethe verdenken, wenn er eine Schlußfolgerung, auf die er, wenn auch nicht zuerst, so doch von neuem durch eignes Nachdenken kommt, mit dem Konjunktiv wiedergibt: ''Daraus folgt, daß die größte Glückseligkeit sich aus der Gewalt und dem Ruf des Monarchen herschreibe''? Wer kann Grimm verargen, wenn er in Erinnerung an eine ältere Sprachstufe, wo die abhängigen Gedanken in viel größerm Umfange konjunktivisch gegeben waren, Beobachtungen und Schlüsse, mochten sie auch als richtig anerkannt werden müssen, doch zunächst als Erzeugnis seines persönlichen Denkens hinstellt? So in dem Satz: ''Daß w nicht zur bloßen Ausfüllung des Hiatus diene, folgt aus seiner Abwesenheit in andern Fällen''. Wer möchte auch folgenden Satz H. Grimms anders? ''Es liegt etwas Beruhigendes in der Gewißheit, daß Männer, deren Größe jede Probe bestanden hat, noch am Leben seien''; oder er müßte darauf verzichten, daß der Gedanke durch das ''seien'' als das innerlich Kräftigende, Beruhigende hingestellt wird. Jedenfalls liegt hier ein Gebiet vor, das zu betreten nicht gewarnt werden sollte, wie tatsächlich geschieht//1 So von Andresen, der diese und noch mehr Beispiele bei Grimm und Goethe tadelte. Aber auch mit Ausdrücken wie „aus der Untersuchung ergibt sich, es folgt“ u. ä. kann eine nur subjektive Schlußfolgerung eingeleitet und überhaupt durch den Konjunktiv die geistige Arbeit und die Bewegung des Gefühls hervorgehoben werden.//; vielmehr verdient seine Wertung und Wahrung durch Dichter und sorgfältige Stilisten, die gar nicht so leicht ist, anerkannt und nachgeahmt zu werden.
Ein Juwel unsrer Papiersprache endlich, der Stolz aller Kanzlisten und Reporter, der höchste Triumph der Bildungsphilisterlogik ist das Bindewort ''bez.'' oder ''bezw.''
Vor fünfzig Jahren gab es noch im Deutschen das schöne Wort ''respektive'', geschrieben: ''resp.''; man sagte $Seite 408$ z. B.: ''der Vater resp. Vormund — der Rektor der Schule, resp. dessen Stellvertreter — nachlässige, resp. rohe Eltern''. Was wollte man mit dem Worte? Warum sagte man nicht: ''der Vater oder Vormund''? Hätte man das nicht verstanden? I nun, der gesunde Menschenverstand des Volks hätte es schon verstanden; aber der große Logiker, der Kanzleimensch, sagte sich: ein Kind kann doch nicht zugleich einen Vater und einen Vormund haben, es kann doch nur entweder einen Vater oder (''oder aber''! sagte der Kanzleimensch) einen Vormund haben. Dieses Verhältnis kann man nicht mit dem bloßen ''oder'' ausdrücken, für dieses feine, bedingte ''oder'': ''der Vater oder'' (wenn nämlich das Kind keinen Vater mehr haben sollte!) ''Vormund'' gibt es im Deutschen überhaupt kein Wort, das läßt sich nur durch ''respektive'' sagen, dadurch aber auch „voll und ganz."
Als man nun auch im Kanzleistil den Fremdwörterzopf abzuschneiden anfing, erfand man als Übersetzung von ''respektive'' das herrliche Wort ''beziehentlich'' oder ''beziehungsweise'': ''be-zieh-ungs-wei-se''! Das war natürlich etwas zu lang, es immer zu schreiben und zu drucken, und so wurde es denn zu ''bez.'' beziehungsweise ''bezw.'' abgekürzt. Daß das Wörtchen ''oder'' auch nur vier Buchstaben hat und dabei ein wirkliches Wort ist, kein bloßer Wortstummel wie ''bezw.'', auf diesen naheliegenden Gedanken verfiel merkwürdigerweise niemand. Und doch, was bedeutet in folgenden Beispielen das ''bezw.'' anders als ''oder'': ''in einer Zeit, wo man alles den einzelnen Kreisen bezw. Staaten überließ — alles weitere ist Spezialsache bezw. Aufgabe der spätern Jahre — über den Mord bezw. Raubmord in R. ist noch immer nichts genaues festgestellt — Windschirme mit japanischer Malerei bezw. Stickerei — der Zusammenschluß zu einem genossenschaftlichen bezw. landschaftlichen Kreisverbande — die wieder bezw. neu gewählten Stadtverordneten — ein angebornes bezw. durch Überlieferung geschultes Geschick — die Bänder haben Wert als geschichtliche bezw. kulturgeschichtliche Erinnerungsstücke — nicht benutzte bezw. nicht abgeholte Bücher werden wieder'' $Seite 409$ ''eingestellt — es wird mit dem Kellergeschoß bezw. Erdgeschoß angefangen — zwei Dachstuben von je drei Meter Breite und drei bezw. vier Meter Länge — W. A. Lippert, welcher flüchtig ist bezw. sich verborgen hält — da die Anstalt nur solche Kinder aufnimmt bezw. behält, die eine Besserung erwarten lassen — wo Jahnsdorf liegt bezw. gelegen hat, ist ungewiß — viele Personen sind außer stande, selbst bei langsamem Gange des Wagens auf- bezw. abzuspringen — jeder Fachmann wird die Schrift beiseite bezw. in den Papierkorb werfen — es ist anziehend, zu sehen, wie sich dieser Kreis im Laufe der Sprachentwicklung verengert bezw. erweitert''. Und in folgenden Beispielen, was bedeutet da ''bezw.'' anders als ''und'': ''ein Haus an der Beethoven- bezw. Rhodestraße — französische Bonnen bezw. Gouvernanten haben seit Jahrhunderten in Deutschland eine Rolle gespielt — zwei Kinder im Alter von fünf bezw. drei Jahren — K. und T. wurden zu viermonatiger bezw. zweimonatiger Gefängnisstrafe verurteilt — später verfaßte er pädagogische bezw. Schulbücher — alle Bestellzettel bezw. Quittungsformulare sind mit Tinte auszufüllen — Anfragen bezw. Anmeldungen sind an den Vorstand des Kunstvereins zu richten — zur Rechten bezw. Linken des Kaisers saßen der Reichskanzler und der Staatssekretär — die Zinsen werden zu Ostern bezw. zu Michaeli bezahlt — großen Einfluß auf die Zahl der Dissertationen bezw. Promotionen üben die pekuniären Anforderungen, die die einzelnen Universitäten bezw. Fakultäten stellen — wann die noch übrigen Befestigungsreste der Burg bezw. Stadt entstanden sind, läßt sich nicht mit Sicherheit angeben — König Georg tritt eine mehrwöchige Reise nach München bezw. Stuttgart an — die Zehnpfennigmarken und die Fünfpfennigmarken sind von roter bezw. grüner Farbe — in A. sind letzte Nacht zwei Personen, ein Maler und ein Strumpfwirker, die in einem Schuppen bezw. einem Stalle nächtigten, erfroren.''
Der große Logiker, der so schreibt, denkt natürlich, $Seite 410$ wenn er ''und'' gebrauche, so könnte ihn jemand auch so verstehen, als ob „sowohl" die Zehnpfennigmarken „als auch" die Fünfpfennigmarken zweifarbig wären, nämlich beide Arten rot und grün, als ob „sowohl" der Maler „als auch" der Strumpfwirker in zwei Räumlichkeiten, nämlich gleichzeitig in einem Schuppen und in einem Stalle genächtigt hätte. Solchen Gefahren wird natürlich durch ''bezw.'' vorgebeugt: nun weiß man genau, daß die Zehnpfennigmarken rot und die Fünfpfennigmarken grün sind, daß der Maler in einem Schuppen, der Strumpfwirker in einem Stalle genächtigt hat. Maler: Schuppen = Strumpfwirker : Stall — darin liegt die tiefe Bedeutung von ''bezw.''!
Aber damit ist der große Logiker noch nicht auf dem Gipfel seines Scharfsinns angelangt. Sein schlauestes Gesicht steckt er auf, wenn er schreibt: ''und'' (!) ''bezw. Die Besitzer und bezw. Pächter der Grundstücke werden darauf aufmerksam gemacht — die Eltern und bezw. Erzieher der schulpflichtigen Kinder werden hiermit aufgefordert'' usw. Sogar solche Dummheiten werden jetzt geschrieben ''und bezw.'' gedruckt, und die, die sie leisten, bilden sich dabei noch ein, sie hätten sich wunder wie fein und scharf ausgedrückt! Leider ist das widerwärtige Wort, das übrigens neuerdings oft mit ''bezüglich'' vermengt wird,//* ''Bezüglich'' ist Präposition und bedeutet dasselbe wie ''hinsichtlich, rücksichtlich''.// aus der Papiersprache bereits in die lebendige Sprache eingedrungen. Nicht nur in Sitzungen und Verhandlungen muß man es hören, es ertönt auch immer häufiger auf Kathedern, und da es der Professor gebraucht, gebrauchts natürlich der Student mit, und selbst der Kaufmannsdiener sagt schon am Biertische: ''Sie erhalten Sonnabend Abend beziehentlich'' (oder ''bezüglich''!) ''Sonntag früh Nachricht''. Schließlich wird noch der Herr Assessor, der für seine Kinder Spielzeug eingekauft hat, zur Frau Assessorin sagen: ''ich habe für Fritz und Mariechen eine Schachtel Soldaten beziehungsweise eine Puppe mitgebracht''!
Mit den § 172 beurteilten Fällen, in denen sich eine Beifügung mit dem regierenden Hauptwort enger verbunden hatte als eine in gleich enger Beziehung stehende andere Beifügung zu demselben Worte, berühren sich sehr nahe die gleichwohl noch ein gut Teil schlimmeren, wo ein Attribut (z. B. ''zur Befreiung'') mit dem regierenden Begriffe (z. B. ''Krieg'') zu einem Worte zusammengezogen ist (''Befreiungskriege''), obwohl vom Attribute allein wieder Genetiv- oder andere Attribute abhängen (z. B. ''von der Franzosenherrschaft''), oder, wie man gewöhnlich sagt, wo eine Beifügung nur auf den ersten Teil einer Zusammensetzung bezogen ist. Immerhin darf man in der Beurteilung nicht zu engherzig sein. Denn die Häufigkeit solcher Verbindungen spricht zu deutlich davon, daß es das an sich berechtigte Bedürfnis der Sprache nach Gedrungenheit und Bequemlichkeit ist, das dadurch befriedigt werden soll//1 Damit ist angedeutet, daß die Grenze zwischen der zusammengezogenen und offenen Form flüssig ist. Das verkennt Ed. Engel, Deutsche Stilkunst 1911, S. 48, wenn er aus meinem Tadel der Wendungen „Stationsinsassen“ von M. oder „Entstehungsgeschichte des Schwäbischen Bundes“ schließt, ich mißbilligte auch den Pfeilschuß ins Schwarze. Im Gegendeil würde hier die Auflösung dieses festen Begriffs stören und gefällige Knappheit zerstören, und ebensowenig fordere ich mehr: ''Besitz des Staates an Forsten ...'' statt: ''Staatsbesitz an Forsten und Bergwerken''!//. +
Wenn mehrere Rufnamen eines Fürsten oder Vornamen mit bürgerlichen Familiennamen zusammentreffen, dann wird ausnahmslos der letzte der eine Einheit bildenden Namen gebeugt, vorausgesetzt, daß kein Geschlechtswort vorausgeht. Das ''Preußen Friedrich Wilhelms II.'' (''des Zweiten''), ''Richard Wagners Musikdramen''. Tritt zu den Rufnamen aber noch ein Name des Landes oder ein Adelsname mit ''von'', so macht es einen Unterschied, ob dieses ''von'' noch in seiner ursprünglichen Bedeutung gefühlt wird, in der es einen Besitz, die Herkunft von einem Lande, aus einer Örtlichkeit bezeichnet, oder ob es sprachlich ungerechtfertigter Weise als Zeichen jüngeren, erst verliehenen persönlichen Adels vor einen beliebigen Familiennamen gesetzt ist. Im ersteren Falle wird der letzte Name vor der Ortsbestimmung gebeugt, also gesagt: ''Friedrich Wilhelms (III.) von Preußen lange Regierung'', ''Wolframs von Eschenbach Werke''; im andern Falle bekommt der Familienname das Kasuszeichen: ''Friedrich von Schillers Gedichte''; ''Otto v. Bismarcks Reden''. Natürlich sind gerade hier Schwankungen doppelt erklärlich. Wer z. B. wie Lachmann in seiner Ausgabe der Werke Wolframs bald nur ''Wolframs'', bald nur ''Eschenbachs'' sagt, kann ebensogut ''Wolframs von Eschenbach'' als ''Wolfram von Eschenbachs'' sagen, je nachdem ihm gerade der volle, aber einheitliche Name des großen Dichters oder eine Erinnerung an seine ritterliche Stellung vorschwebt; oder umgekehrt bei Bismarck kann der Glanz und die Bedeutung des Mannes leicht über das geringe Alter und das Nicht-Ursprüngliche des Adels hinwegtäuschen und ''Ottos v. Bismarck'' Name sagen lassen. Auch hat das Bedürfnis nach Deutlichkeit der Abhängigkeitsbezeichnung dazu geführt, ohne Beachtung des Unterschiedes zwischen echten und unechten Adelsnamen das Fallzeichen an den dem regierenden Worte näherstehenden Namen anzuhängen, also zu sagen: ''Otto von Bismarcks Laufbahn, Wolfram von
Eschenbachs Heimat'', aber: ''die Laufbahn Ottos v. Bismarck, die Heimat Wolframs v. Eschenbach''.
An die Adjektive auf ''-isch'' heftet sich der Fluch einer zweifachen übertriebenen Peinlichkeit. Die eine äußert sich darin, daß die zu ''sch'' zusammengeschrumpfte Silbe ''isch'' nicht ohne Apostroph angehängt wird, und zwar selbst nach auslautendem ''e'' des Substantivs, das nach der Regel von vokalisch anlautenden Endsilben verschlungen wird. Als ob man ''Goethisch, Fichtisch, Schillerisch, unterelbisch'' u. ä. und die bequemeren Formen wie ''Wagnersch, Breitingersch'' nicht verstünde und erst durch falsche Formen wie ''Fichte'isch, unterelbe'sche'' über ein Rätsel aufgeklärt werden müßte! Nur wenn es gilt, Ableitungen von ähnlichen Namen mit und ohne ''e'' zu Scheiden, steht für diese ''-isch'' oder deutlicher '''sch'', für jene ''sch'' (ohne Apostroph!) zur Verfügung. Vgl. ''Schulzisch'' oder ''Schulz'sch'' von ''Schulz'' und ''Schulzesch'' von ''Schulze'', ebenso das ''Reich'sche'' oder ''Reichische'' und das ''Reichesche Grundstück''. Sonst ist ''-isch'' durchaus am Platze in altüberlieferten Bildungen, namentlich in Ableitungen von Namen auf Zischlaut und von Ortsnamen sowie bei prädikativem Gebrauch; dagegen ist bloßes ''sch'' (ohne ') üblich bei Namen mit unbetonter letzter Silbe. Vgl.: ''Vossische Zeitung, Vergilisch, Horazisch, Leibnizisch''. Der Ausdruck ist echt ''Goethisch. — rheinisch, Berlinisch'', $Seite 10$ aber: ''ein Lenausches Gedicht, Vegasche Logarithmen''. Die andere Art übertriebener Gewissenhaftigkeit hat die Unsitte gezeitigt, nicht ''von einer Graf'', sondern ''Gräflich Salmschen Brauerei'', nicht ''von einer Fürst'', sondern ''Fürstlich Rohanschen Jägerei'' zu reden, als ob jene von einer ''fürstlichen'', diese von einer ''gräflichen'' unterschieden werden sollte. Daß auch der Titel ins Eigenschaftswort kommt, ist nämlich nur nötig, wenn dieses statt eines landesherrlichen Titels mitsamt dem durch von angefügten Orts- oder Landesnamen eintreten soll: ''Herzoglich Anhaltischer Oberförster, Königlich Preußische Regierung.'' +
Endlich dürfen durch gleichmäßiges Eindringen des ''s'' in alle Zusammensetzungen die Bedeutungsunterschiede nicht verwischt werden, welche die Sprache vielfach durch, gleichviel ob organische oder unorganische, eigentliche und uneigentliche Zusammensetzungen mit denselben Wörtern geschaffen hat. Oder wer kennt nicht den Unterschied zwischen ''Christkind'' und ''Christenkind'', ''Lands- und Landknecht, Land- und Landesrecht, Land-und Landsmann, Land-'' (d. i. Boden-) und ''Landes-'' (d. i. im Lande gültiger) ''Wert''? So sollte auch ''Wassernot'' (= Mangel an Wasser) und ''Wassersnot'' (Überschwemmung) auseinandergehalten werden; ähnlich geht auf ''Tagarbeit'' nur der ''Tagelöhner'', während sich die Geschäftsleute über die Beendigung der ''Tagesarbeit'' freuen. Auch daß verschiedene Bestimmungswörter sich mit denselben Grundworte teils mit, teils ohne ''s'' verbinden, ist in der Geschichte der zweifachen Zusammensetzung begründet, und die schöne und oft auch bedeutsame Mannigfaltigkeit darf nicht einer falschen Gleichmäßigkeit geopfert werden. Oder wäre es nicht berechtigt, daß sich z. B. ''bundestreu, königstreu an Bundestreue, Königstreue'' anlehnen, die eigenartig deutsche Ausdrücke für das Hauptwort mit einem Objektsgenetive sind, während daneben ''worttreu'', ''sinn(ge)treu'' stehen bleiben, weil für sie keine solche Veranlassung gegeben ist, das zugrundeliegende syntaktische Verhältnis zu verwischen? Warum sollte sich nicht das jüngere unter der ''s''-Herrschaft entstandene Vertragsbruch von den viel älteren Wort- und Eidbruch unterscheiden? Auch wenn es heißt ''vergleichs-, beispiels-, gesprächsweise'', aber ''schritt-, paar-, strichweise'', so scheidet damit das Sprachgefühl bequem und deutlich zwischen genetivischen Fügungen wie „in der Weise, bei Gelegenheit eines Gespräches" von nicht genetivischen: „nach der Art, wo es Schritt für Schritt, Paar um Paar geht".
Man sieht, wieder Grund genug, das auch hierin noch gar feinsinnige Walten der Sprache zu beobachten und nicht durch täppisches Vermengen der Zusammensetzung mit und ohne ''s'' feine Sinnesunterschiede zu zerstören.
Wie die Pluralform, dringt auch ein anderes ursprünglich nur der uneigentlichen Zusammensetzung eigentümliches Zeichen vor, das ''s''//1 Ob man dies ''s'' mit Grimm, Gramm. II1, 409. 941 ff. als eine Übertragung des Genetiv-s der in der uneigentlichen Zusammensetzung überwiegenden Maskulina und Neutra Sing. auf alle Geschlechter und Zahlen ansieht oder mit M. Trautmann, Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift d. Allgem. Deutschen Sprachvereins, Nr. 1, S. 12 ff. als ein Geschenk des Niederdeutschen, das Endungen mit ''s'' auch für den Gen. Sing. Femin. länger bewahrte und — freilich nur sehr vereinzelt — die Mehrzahlen noch auf ''(e)s'' bildet, ist für das Verhalten in der Praxis ganz gleichgültig. Beide dürften einen der beiden Kanäle nachgewiesen haben, in denen dies ''s'' der neuhochdeutschen Sprache zugeflossen ist, bis jetzt fast eine Überflutung hereinzubrechen droht. Auf diese Gefahr hin- und eine zweite Quelle nachgewiesen zu haben, ist zweifelsohne Trautmanns Verdienst. Aber er ist nicht berechtigt, uns zuzumuten, daß wir ein ''s'' in Regierungspartei oder Mönchskloster noch heute entweder als niederdeutsch und deshalb ins Hochdeutsche nicht passend oder als Zeichen eines männlichen oder sächlichen Genetivs der Einzahl als widersinnig neben einer weiblichen Einzahl wie $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ neben jeder Mehrzahl empfinden sollen. Grenzen, über die hinaus das ''s'' nicht gestattet sei, zieht auch Grimm. II1, 935. 938. 940. 941. Wahllos und damit irreleitend betrieb gleich Trautmann die ''s''-Tötung auch Harden in der „Zukunft". Am ausführlichsten, zugleich umsichtig und launig behandelt die Fraqe O. Sarrazin im 19. Wissenschaftlichen Beiheft zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins (1. Juli 1900).// am Schlusse des Bestimmungswortes, auch eigentlich zusammen- $Seite 17$ gesetzte Wörter in die andere Art oder doch in eine Zwitterstellung hinüberziehend. Bei allen Formen, die noch nicht durchaus mit ''s'' eingelebt sind, lasse man dies denn draußen! Beispielsweise kann man mit Vischer schreiben ''Landschaftmalerei'' und ''Sehnsuchtlaut'' mit Uhland, ''Geschichtschreibung'' mit H. Grimm und ''Zeitungschreiber'' mit Harden, ''Vorratkammer'' mit Scheffel, ''Zufluchtstätte'', ''Empfangzimmer'' und -''säle'' mit Eltze, und mit Junker ''wahrheitliebend'', ''Hemdärmel'' und ''Mittagstunde'', wie überhaupt das ''s'' vor einem mit ''s'' beginnenden Grundworte kaum gesprochen würde. Noch weniger gehört das ''s'' an solche Bestimmungswörter, die wir besonders deutlich als nichtgenetivisch und pluralisch empfinden. Letzteres gilt von einer Bildung wie: ''ein gewisser Interessenswert'', (1917), das andere trifft zunächst aus mehreren Wörtern bestehende Bestimmungen, die Adverbialien und andere Satzteile vertreten, wie im ''Dreiuhrzug'', ''Zehnpfennigstück'', ''Zweimarkstück''; man müßte denn durch ''Zweimarkstück'' an ''Rückenmarksleiden'' erinnert sein wollen! Es gilt aber auch von derartigen Wörtern: ''Fabriksort, Gewerbsanlagen bei einem Mähren, Schlüsselsloch, Tau-sendskerl, fingersdick, armsdick, faustsgroß, Schamesröte, Nachtswache, Nachtsdienst, Stadtsgraben, Prachtsmensch, Verbandzeugstornister; faunshaft'' (R. H. Bartsch); eine schöne Sammlung, in der neben zwei Beiträgen G. Kellers lauter nord- und nordwestdeutsche stehen. Die letzten 7 verstoßen außerdem gegen den festen Brauch, außer an H''ilfe, Miete, Liebe'' an ''ein-'' oder auf ''e'' ausgehende zweisilbige Feminina nie ''s'' anzuhängen. Etwas anderes ist es, wenn solche Wörter das ''s'' in mehrfacher Zusammensetzung annehmen, wie ''Fastnachtslaune'', ''vorschriftsmäßig, Weihnachtsfest''; hier macht das ''s'' die Verbindung geschmeidiger und dient dazu, die Gliederung mehrfach zusammengesetzter Wörter besser hervorzuheben. Damit hängt es z. B. wohl auch zusammen, daß nach gewöhnlichen Sterblichen benannte Straßen, Denkmäler u. ä. kein ''s'' zeigen: ''Scharnhorstdenkmal, Goethestraße'', während Fürstennamen, denen ein Titel vorangeht, ein ''s'' erhielten, das auch blieb, wenn mit der Zeit der Titel unbequem ward und wegblieb: ''Kaiser-Franz-Josephs-Quai, Kronprinz-Rudolfs-Bahn, Ludwigs-Bahn, Wenzels-Platz''. Einheimische und mit deutscher Endung versehene Feminina erscheinen in gleichen Fällen gewöhnlich im schwachen Genitiv: ''Dorotheengarten, Luisen-Denkmal, Königin-Luisen-Apotheke'' (aber ''Gisela-Bahn'').
Das ''s'' gehört weiter nicht an die Bestimmungswörter von Hauptwörtern, die eine handelnde Person bezeichnen, oder von Partizipien, die ausschließlich in ihrer verbalen Bedeutung verstanden werden, weil zumal neben den letzteren das Bestimmungswort deutlich als Akkusativ empfunden wird. Noch deutlicher ist die eigentliche Zusammensetzung, also ''s'' erst recht unmöglich in Wörtern, deren ersten Teil ein Verbalstamm bildet. Nur ohne ''s'' sind daher möglich ''Ratgeber, vertragschließend, Rechenbuch, Regenbogen, -faß''. Die in Norddeutschland daneben stehenden Formen mit ''s'' sind $Seite 18$ ebenso ungeheuerlich als etwa das schweizerische ''Anschicksmann'' (statt ''Brautwerber'') oder der von einem norddeutschen Prinzen stammende Ausdruck: ''die heiratswollenden'' u. a. seinesgleichen wie: ''erholungssuchend, daseinsheischend, versteinerungsführend''. Den Vogel aber hat ein Bayer abgeschossen mit ''s'' am adjektivischen Bestimmungsworte mit Gemeinsamsabenden.
Auch der Gebrauch der Bindewörter hält sich jetzt nicht frei von Fehlern und namentlich nicht frei von Geschmacklosigkeiten, die sich aber natürlich gerade deshalb, weil sie so geschmacklos sind, besondrer Beliebtheit erfreuen. Richtig angewendet werden ja im allgemeinen die geläufigen Verbindungen: ''nicht nur — sondern auch'', $Seite 260$ ''sowohl — als auch, entweder — oder, weder — noch''; doch kann man bisweilen auch Sätze lesen, wo ''nicht nur — aber auch'' gegenübergestellt sind, was natürlich falsch ist. Feiner und weniger geläufig ist die Verbindung ''nicht sowohl — als vielmehr''. Bei den vorhergehenden Verbindungen sind entweder beide Glieder bejahend oder beide verneinend: hier ist das erste verneinend und das zweite bejahend. Mit dieser Verbindung wissen manche nicht recht umzugehen; sie möchten sich aber doch gern damit zieren und schreiben dann: ''nicht sowohl was die Anzahl, sondern mehr was die Bedeutung der Stücke betrifft.''
Aber selbst bei dem einfachen ''und'' werden Fehler gemacht. Ein sehr gewöhnlicher Fehler entsteht dadurch, daß sich der Schreibende nicht genügend klar darüber ist, wieviel Glieder er vor sich hat. Da schreibt z. B. einer — gleich auf dem Titelblatt eines Buches! —: ''Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnot im Dreißigjährigen Kriege.'' Wieviel Glieder sind das, zwei oder drei? Der Schreibende hat es für drei gehalten, es sind aber nur zwei. Das erste Glied ist ''Seuchen'', das zweite ist ''Hungers- und Kriegsnot'', dieses besteht selber wieder aus zwei Gliedern. Folglich fehlt die Verbindung zwischen dem ersten und dem zweiten Gliede. Vielleicht fürchtet man sich vor einem doppelten ''und'' — es spielt da wieder der Aberglaube herein, daß man nicht kurz hintereinander zweimal dasselbe Wort gebrauchen dürfe! —, aber die Logik verlangt es hier unbedingt. Beseitigen wir noch den zweiten groben Fehler, daß der Plural der vor ''Seuchen'' zugleich als Singular auf ''Hungersnot'' bezogen ist, so lautet das Ganze richtig: ''Geschichte der Seuchen und der Hungers- und Kriegsnot'' usw. Ähnliche Beispiele, wo überall ein ''und'' fehlt — wo? deuten die Klammern an —, sind folgende: ''Ex-Libris, Zeitschrift für Bücherzeichen-'' [] ''Bibliothekskunde und Gelehrtengeschichte — von der Hardts Beziehungen zum Braunschweiger Hofe'' [] ''zu Spener, Franke und dem Pietismus — die Beziehungen zum Hofe von Alexandrien'' [] ''zur alexandrinischen Kunst und Wissenschaft — das Material entnimmt er seinen'' $Seite 261$ ''eignen Erinnerungen'' [] ''Aufzeichnungen und Briefen aus dem schleswig-holsteinischen Archiv — ein gemeinsames Münz-, Maß-'' [] ''Gewichtssystem'' [] ''Patent- und Markenschutzrecht — ein Gärtchen, in dem er Gemüse baute'' [] ''Blumen und Bienen pflegte — das schlechte Essen'' [] ''Trinken und die lästigen Fliegen — wer lesen, schreiben'' [] ''rechnen kann und täglich seine Zeitung liest.'' In allen diesen Fällen liegen nur zwei Glieder vor, von denen aber das eine selbst wieder aus zwei oder mehr Gliedern besteht, und in den meisten Fällen fehlt das ''und'' gerade da, wo die beiden Hauptglieder miteinander verbunden werden müssen. Es ist genau so, wie wenn jemand schreiben wollte: ''die Räuber, Kabale und Liebe'' anstatt: ''die Räuber und Kabale und Liebe''.
Eine rechte Dummheit ist es, wenn auf Buchtiteln, in Buchhändleranzeigen, auf Konzertprogrammen usw. von zwei Männern, die, entweder gleichzeitig oder nacheinander, der eine vielleicht nach dem Tode des andern oder der eine als Übersetzer des andern, an einem Werke gearbeitet haben, die Namen durch Bindestriche miteinander verbunden werden, z. B.: ''kritische Ausgabe von Lachmann-Muncker, Quellenkunde von Dahlmann-Waitz, Phantasie von Schubert-Liszt, das Leben der Wörter von Nyrop-Vogt''. Zwei Namen so zu verbinden hat allenfalls Sinn, wenn der Mann zu seinem Namen den der Frau oder (wie in der Theaterwelt) die Frau zu dem ihrigen den des Mannes fügt. Aber zwei (!) Personen durch einen solchen Doppel- und Koppelnamen zu bezeichnen ist doch ganz sinnwidrig. Warum denn nicht: ''kritische Ausgabe von Lachmann und Muncker?'' Wozu solches Telegrammgestammel, wo es gar nicht nötig ist? Aber die Franzosen reden doch auch von ''Erckmann-Chatrian''. Nicht wahr? das wars! Das muß doch wieder nachgemacht werden. Aber es ist wieder nur gedankenlose Nachäfferei, denn diese beiden wollten doch den Schein erwecken, daß sie nur eine Person wären!
Dieselbe Dummheit — einen Bindestrich statt ''und'' zu schreiben — ist aber auch sonst noch verbreitet, namentlich in den beliebten Verbindungen: ''kritisch-historisch,'' $Seite 262$ ''historisch-kritisch, religiös-sittlich, religiös-sozial, sozial-wirtschaftlich, sozial-ethisch, technisch-konstruktiv, hygienisch-therapeutisch'' usw. Welche Unklarheit und Verwirrung haben diese törichten Koppelwörter schon in den Köpfen angerichtet! Kann es einen größern Unsinn geben als ''religiös-sittlich''? Religion und Sittlichkeit sind doch zwei ganz verschiedne Gebiete. Kann es einen größern Unsinn geben als ''historisch-kritische Anmerkungen''? Eine ''historische'' Anmerkung ist doch keine ''kritische'', und eine ''kritische'' keine ''historische''.
Sehr beliebt ist auch die Abgeschmacktheit — sie stammt aus Österreich —, statt ''und zwar'' so zu schreiben: ''so zwar'', z. B.: ''entscheidend sind die Leistungen im Deutschen, so zwar, daß ein Schüler, der im Deutschen nicht genügt, für nicht bestanden'' (!) ''erklärt wird.'' Wer logisch denkt, wird hinter so zwar stets noch ein zweites Glied erwarten, das anfängt: ''aber doch auch so, daß'' usw.
Eine ganz neue Dummheit ist es, auf Quittungen, Wechseln u. dgl. in der Angabe der Geldsumme statt ''und'' zu schreiben ''auch'': ''75 Mark auch 20 Pfennige''. Das ist schwedisch, aber nicht deutsch: ''utan svafvel och fosfor.''
Falsch ist es, einen Satz mit denn an einen untergeordneten Nebensatz anzuknüpfen, z. B.: ''leider ist der Brief nicht so bekannt geworden, wie er es verdiente, denn er ist für den Entwicklungsgang des Künstlers von großer Wichtigkeit''. Man erwartet: ''denn er ist an einer sehr versteckten Stelle abgedruckt.'' An einen untergeordneten Nebensatz kann sich immer nur wieder ein untergeordneter Nebensatz anschließen; ein Satz, der mit ''denn'' anfängt, ist aber bei- oder nebengeordnet.
Viel Nachlässigkeiten und Dummheiten werden in den Zeitangaben begangen. Ein Ausdruck wie: ''vom 16. bis 18. Oktober'' soll dabei noch nicht einmal angefochten werden, wiewohl, wer sorgfältig schreiben will, hinter ''bis'' die Präposition nie weglassen, sondern schreiben wird: ''bis zum 18. Oktober.'' Denn ''bis'' ist zwar selbst eine Präposition, es ist aber auch eine Konjunktion, es ist ein Mittelding zwischen beiden, und bei Ortsbestimmungen verlangt es noch ein ''an, auf, in, zu, nach''; nur vor Städte- und Ländernamen kann es allein stehen, aber doch auch nur dann, wenn eine Strecke, eine Ausdehnung, aber nicht, wenn ein Ziel angegeben wird. Man kann also wohl sagen: ''bis morgen, bis Montag, bis Ostern,'' sogar: ''bis nächste Woche,'' auch ''bis Berlin'', aber nicht: ''bis Haus, bis Tür''. Nur wer in den Straßenbahnwagen gestiegen ist, antwortet maulfaul auf die Frage des Schaffners: ''wie weit? Bis Kirche''. Eine ganz unzweifelhafte Nachlässigkeit aber ist es, zu schreiben: ''von Nikolaus I. bis Gregor VII''. Denn wie soll man das lesen? ''Bis Gregor den Siebenten? bis den?'' Wenn das richtig wäre, dann könnte man auch sagen: ''wenn wir vom Großvater noch weiter zurückgehen bis den Urgroßvater.'' Ebenso nachlässig ist es, zu schreiben: ''Ausgewählte Texte des 4. bis 15. Jahrhunderts, deutsche Liederdichter des 12. bis 14. Jahrhunderts'' $Seite 253$ oder mit einem Strich, den man ''bis'' lesen soll: ''des 12.—14. Jahrhunderts,''//* Dieser dumme Strich hat es mit sich gebracht, daß nun auch geschrieben wird: ''zwischen 1670 bis 1710.'' Offenbar hatte einer geschrieben: ''zwischen 1670—1710'', ein andrer schrieb das ab und wollte ein Wort aus dem Striche machen. Hier hatte er aber den Strich als ''und'' lesen sollen! Besser, man macht keine Striche, sondern schreibt Wörter.// ''Flugschriften des 16. bis 18. Jahrhunderts, Kulturbilder aus dem 15. bis 18. Jahrhundert.'' Da hört man erst den Singular ''des, dem,'' und dann kommen drei oder vier Jahrhunderte hinterher. Wie kann denn ein Jahrhundert das 4. bis 15. sein! Und doch muß man den Fehler täglich lesen, besonders oft auf Titelblättern neuer Bücher. Wer sorgfältig schreiben will, wird schreiben: ''Flugschriften des 16., des 17. und des 18. Jahrhunderts'' — oder wenigstens ''des 16., 17. und 18. Jahrhunderts'' — oder ''aus der Zeit vom 16. bis zum 18. Jahrhundert''. Das ist etwas umständlich, aber es kann nichts helfen. Wir schrecken ja sonst vor umständlicher Ausdrucksweise nicht zurück, können uns oft gar nicht breit und umständlich genug ausdrücken. Warum denn gerade da, wo es einmal angebracht ist?
Innerhalb desselben Satzes kommt ein Wechsel in der Fügung vor, insofern die ältere und bessere Fügung ohne ''zu'' wohl im ersten Gliede gewahrt, dagegen im zweiten, namentlich wenn dies mit vergleichendem ''als'' beginnt, dann doch das ''zu'' eingeschoben wird: ''besser hinausgeschleudert werden auf das unendliche Rätselmeer der Wahrheit, als inmitten der glänzenden Fülle der reichsten Glaubenslehre umzukommen''. Zumal bei längerem Ausspinnen der infinitivischen Fügungen wirkt das ganz natürlich; doch erklärt die Verwandtschaft des ''als'' mit ''anstatt zu'' dieses ''zu'' auch sonst leicht genug. ''So ungleichmäßig wie eine Zeitung so konnte ich nichts Besseres tun als die Worte zu wiederholen'', schrieb denn auch Goethe: ''Mit der Welt muß niemand leben, als wer sie brauchen will; ist er brauchbar und still, sollt er sich lieber dem Teufel ergeben als zu tun, was sie will''. Ein andrer Grundsatz Goethes: ''Es ist besser, das geringste Ding von der Welt zu tun, als eine halbe Stunde für gering halten'', mit seiner andern Zuteilung des ''zu'' verrät deutlich, daß bei dem Infinitiv als Subjekt das Schwanken nicht geringer ist. +
Die Gelehrten haben daran Teil besonders mit ihren Buchtiteln; denn nicht deren richtige Form: ''Schillers Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen ... herausgegeben von Dr. A. Jung, ordentlichem Lehrer'', überwiegt, sondern häufig liest man falsch: ''Grundriß der Physik und Meteorologie, von Dr. J. Müller ... korrespondierendes Mitglied'' (st. ''korrespondierendem Mitgliede'') oder ''Geschichte der holländischen Baukunst, von Dr. G. Galland, Privatdozent'' (st. ''-dozenten''); ''Predigten, gesammelt von N., katholischer Probst; die Gefahr des Tuberkulins, von Dr. H., approbierter Arzt''. Kein Wunder, wenn den Herren dann mit dem gleichen Fehler auf den Briefumschlägen geschrieben wird: ''An Herrn N., ordentlicher'' (statt ''ordentlichen Prof.; Herrn Medizinalrat Dr. ...* leitender Arzt'' (statt ''leitendem Arzte'' oder: ''dem''//1 Über die Bedeutung des * auf der vorigen Zeile und der nächsten Seite vgl. oben (S. 122*), zur Sache aber Wunderlich, Satzbau 2. Aufl., Bd. 2 S. 20).// ''leitenden Arzte'' oder mit Ergänzung von ''An'' vor ''Herrn'': ''(den) leitenden Arzt des Krankenhauses zu ...'' Vollends läßt sich nichts sagen gegen solche Wahrung eines Namens wie bei Alice Berend: ''Er machte ein Paar Stiefel für den ersten Liebhaber, den Schimpansen Bolo der Schöne''. Überhaupt ist es so ganz unnatürlich nicht, wenn auf Besuchskarten, Briefumschlägen und in Buchtiteln die Bezeichnung des Standes ungebeugt bleibt; denn hier stehn diese Angaben durch den Druck auf einer besonderen Zeile und in feinerem Satze vom Namen getrennt und haben so noch mehr von ihrem Ursprunge an sich, wonach sie tonlose Schalt- oder abgekürzte Relativsätze sind. Aber unbedingt unzulässig ist es, daß solche Bequemlichkeit von Umschlag und Titel auch in das Innere der Sätze dringt, wo sich solche Beisätze unbedingt dem Gefüge des Satzes einpassen müssen, oder sie beleidigen störend den guten Geist unseres Satzbaues. Da schreibt einer in seinen Jugenderinnerungen: ''das Institut des Herrn Schornsteinfegermeister'' (!),'' ein stattlicher Bürger; der Einzug Sr. kgl. Hoheit, des Erzherzogs Johann, *deutscher Reichsverweser'' (statt ''des deutschen Reichsverwesers'') u. ä. Ein Berichterstatter meldet: ''Die Delegation bestand aus vier Personen, den Herren .... und Schmidt, *Großindustrieller'' (statt ''einem Großindustriellen'') ''aus Straßburg'', und ein anderer: ''Durchnäßt kam der Verein in Bonn, sein heutiges Tagesziel, an''. Auch ein hochgestellter Verfasser von Denkwürdigkeiten (v. Dürckheim) läßt jenen nichts drauf und erzählt z. B.: ''Ich bekam meinen ersten Mantel, ein großer Reitermantel''. Ebenso natürlich Zeitungen: ''in Begleitung des Herrn ... Dsirne ... d. z. Studierender an der ... Universität; nach dem berühmten'' $Seite 233$ ''Kloster Etschmiadsin, *Sitz'' (statt ''dem Sitze'') ''des Oberhauptes der armenischen Kirche''.
Bei einer Anzahl von Hauptwörtern wird der Plural jetzt oft mit dem Umlaut gebildet, wo dieser keine Berechtigung hat. Solche falsche Plurale sind: ''Ärme, Böte, Bröte, Röhre, Täge, Böden, Bögen, Kästen, Krägen, Mägen, Wägen, Läger''. Man redet jetzt von ''Geburtstägen, Musterlägern, Fußböden, Gummikrägen'' usw. Bei den Wörtern auf ''en'' und ''er'' wird dadurch allerdings ein Unterschied zwischen der Einzahl und der Mehrzahl geschaffen, der namentlich in Süddeutschland üblich geworden ist.//* In München und in Wien fahrt man in ''Wägen''! ''Die Nägel, die Gärten'' u. a. sind freilich schon längst durchgedrungen, während es im sechzehnten Jahrhundert noch hieß: ''die Nagel, die Garten''.// Dennoch ist nur die Form ohne Umlaut richtig: ''die Arme, die Kasten, die Lager, die Rohre'' usw. Man denke sich, daß es in Eichendorffs schönem Liede: ''O Täler weit, o Höhen'' — am Schlusse hieße: ''Schlag noch einmal die Bögen um mich, du grünes Zelt''! Auch ''Herzöge'' ist eigentlich falsch; das Wort ist bis ins siebzehnte Jahrhundert hinein nur schwach dekliniert worden: ''des Herzogen, dem Herzogen, die Herzogen''. Dann sprang es aber in die starke Deklination über (''des Herzogs''), und nun blieben auch ''die Herzöge'' nicht aus: ''der Trog, die Tröge'' — ''der Herzog, die Herzöge'', die Ähnlichkeit war überwältigend. +
D
Auch bei unterordnenden Bindewörtern fehlen die Mischfügungen nicht. Die Adverbien ''dadurch, darum, darin, daraus, darüber'' stehn für ''durch das, um das'' usw. und fordern demgemäß, da das logische Verhältnis des Mittels, Ausgangspunktes usw. schon im Verhältnisworte ausgedrückt ist, nur noch die Anknüpfung der durch sie angekündigten Ausführung durch ''daß''. So richtig daher das einst sehr gebräuchliche ''darum daß'' ist, sogar besser als ''darum weil'', so daß man jenes nur nach Goethes Vorgange wieder einbürgern sollte, statt es als zu gewöhnlich zu meiden, so falsch ist ein ''dadurch, dafür, weil''. Also nicht: ''Der Gedanke wurde dadurch notwendig, weil'' (sondern ''daß'') ''man voraussah'', noch mit dem Univers. 26: ''Die Feststellung erhält dadurch Bedeutung, weil sich damit erweisen läßt ..'' ; sondern beidemal ''daß'' statt ''weil'' oder Verzicht auf ''dadurch''. Fast noch schlimmer ist ''weil'' nach dem Neutrum ''das'', ''dem'' (besser ''der, den Umstand, dem Umstande''), wie in dem Satze Auerbachs: ''Die Schuld ist allein dem'' (Umstande) ''beizumessen, weil'' richtig: (''daß'') ''wir unser Vaterland zu sehr geliebt''. Ebensowenig verdient die Verbindung ''dabei, darin, daraus, wenn'' gebilligt zu werden; und Sätze wie der folgende eines Klassikers sind nicht nachzuahmen: ''Der Wortstreit entsteht daraus, wenn ich die Sachen unter andern Kombinationen sentiere'' (!). Genau muß es entweder ''dann, wenn'' oder ''daraus'' usw. ''daß'' heißen oder ''daraus'' weggelassen werden. +
Nur einige durch ihre Bedeutung dem Verhältnisse des Dativobjektes nahekommende substantivische und adjektivische Präpositionen fordern den Dativ. So steht er durchaus bei ''dank'' als der Dativ der Person (oder Sache), der man Dank schuldet, und der Entdecker eines Erziehers der Deutschen in Höllenbreughel durfte nicht schreiben: ''dank des von den Griechen geliebten Forschungstriebes'' statt: ''dank dem ... Forschungstriebe''. Ebenso entspricht der Bedeutung von ''trotz'' der (tatsächlich jetzt seltenere) Dativ mehr als der (häufigere) Genetiv, wie jener ja auch bei Nachstellung in der Form ''zum Trotz'' allein möglich ist. Man kann also mit dem allgemeineren Brauche ''trotz alles Eingreifens'' und auch besser ''trotz allem Eingreifen'' sagen, aber nicht: ''Der junge Erzherzog wollte aller Standesvorurteile'' (statt ''allen Standesvorurteilen'') ''zum Trotz zu seiner Gemahlin'' (Tägl. R.). +
Zum Schluß einige Bemerkungen über die Pronominaladverbien: hauptsächlich demonstrativ, jedoch auch noch relativ (§ 99) sind die, deren erster Bestandteil ''dar'' ist: ''dar-unter, -über, -in, -ein, -auf'', und vor Konsonanten nur noch ''da'': ''dafür, -bei, -zwischen'', abgesehen von ''darnach'', welche ältere Form noch ebenso häufig ist als ''danach'': dagegen ausschließlich relativ und interrogativ die, in denen ebenso ''wor-'' (ursprünglich ''war'') und ''wo-'' wechseln: ''wor-auf, -an, -ein, -in, -über'' und ''wodurch, -für, -gegen'' u. a. Ihre Verwendung hat sich derart geregelt, daß sie für die entsprechenden Verhältniswörter mit einem hinweisenden, rückbezüglichen oder fragenden Fürworte eintreten können; jedoch im allgemeinen nur dann, wenn sich dies auf Sachen, und nicht, wenn es sich auf Personen bezieht: ''von dem Staube, worauf dein Blut wird bluten'', und: ''die Hütte, worin'' (Klopstock). ''An dem Hause ist eine Gedenktafel angebracht, darauf steht zu lesen; das Pferd, worauf er ritt''; aber nicht, wie besonders Norddeutsche versucht sind zu sagen: ''der Pianofortefabrikant Eduard, womit'' (statt ''mit dem'') ''er verschwägert war'' (H. Heine) oder: ''In dem Hotel wohnten auch Gutsbesitzer, womit'' (statt ''mit denen'') ''ich zu Mittag aß'' (Braun-Wiesbaden). +
Nur in Vertretung eines Teilungsgenetivs oder einer gleichwertigen Verbindung von Präposition und Pronomen können die Adverbien auch auf eine Mehrzahl von vorher kollektiv zusammengefaßten Personen gehn, so besonders ''wor-'' und ''darunter'', ''wo-'' und ''davon, wo-'' und ''dabei'', ebenso auf Sammelnamen wie ''Volk, Mannschaft, Korps, Regiment, Heer, Rotte, Leute''. Schillers Satz: ''Er bekam 30 (Bilderstürmer) gefangen, wovon auf der Stelle 22 aufgehängt wurden'', hat denn heute unzählige seinesgleichen, wie: ''Ernst hatte ein paar seiner Freunde eingeladen, wovon mir der eine, Kaulbach, besonders gefällt'' (E. Förster). Nicht minder sein anderer: ''5 Regimenter Wallonen, worüber die Grafen so und so den Oberbefehl erhielten'', in solchen: ''Eine hochansehnliche Trauerversammlung hatte sich eingefunden, worunter auch im allerhöchsten Auftrage der und der war''. Deutlicher als in diesen Sätzen ist die Ausdehnung des Gebrauches vom Verhältnisse der quantitativen Zugehörigkeit auf das der räumlichen Zu- und Einordnung $Seite 87$ noch in dem folgenden: ''Dürer sitzt im Kreise von Künstlern und schönen Frauen, deren einige Blätter studieren, andere schwatzen, während dazwischen ein junger Mann .... auf dem Stuhle sitzend, ganz entzückt von dem Blick auf eine Zeichnung scheint'' (Tägl. R.).
Selbstverständlich ist es nicht notwendig, daß diese Vertretung von Präposition und Pronomen durch das Adverb immer eintritt, wenn sie möglich ist. Denn notwendig ist sie heute nur in Beziehung auf Sätze ''der Vater hatte nach dem Sohne geschickt, wovon dieser freilich nichts erfahren hatte'', auch auf allgemeine Ausdrücke wie ''alles, nichts'' (''nichts, worin er nicht geübt wäre; er wußte alles, wovon ich dir gesprochen hatte'') und endlich auf Ortsnamen (''Gumbinnen, wohin ich in Garnison kam''). Man vermeidet sie dagegen, wenn dadurch ein Mißverständnis möglich würde: ''Dem Begnadigten waren von seinen Gönnern eine ganze Reihe Ratschläge erteilt worden, wovon er aber nicht das geringste wissen wollte'', würde z. B. bedeuten, daß er überhaupt ableugnete, daß ihm Ratschläge zuteil geworden, und darum muß es heißen: ''von denen er nichts wissen wollte'', wenn es bedeuten soll, daß er die Ratschläge abgewiesen hat. Gewöhnlich wird das relative Pronominaladverb auch nicht angewendet, wenn das Beziehungswort ein betontes Determinativum, besonders ''dér'' oder ''derjenige'', oder den bestimmten oder unbestimmten Artikel in der Betonung und Bedeutung von ''derjenige'' oder ''solch'' vor sich hat, insofern da wohl die diesen entsprechende stärkere Betonung des Relativs (besser ''welcher'' als ''der'') in dem auf dem zweiten Teile betonten Adverb zu sehr vermißt werden kann. Daher heißt es besser: ''Es war eine Nacht'' (= eine solche Nacht), ''in welcher'' (nicht ''worin'') ''man nicht gern einen Hund hinausjagt''. Das demonstrantive Adverb wird gern vermieden, wenn es auf einen erst folgenden Relativsatz hinweist; und es ist gewissenhafter zu sagen: ''Nur so können Kulturwerte zu dem'' (als mit Röttger: ''dazu'') ''gemacht werden, was sie noch nicht sind: Heilswerte''; oder: ''sein Sinn liegt gerade in dem'' (als mit R. Hönigswald: ''darin''), ''was ihn von den Naturwissenschaften unterscheidet''. Dagegen kann sich seinerseits zurückweisend das Adverb wohl auf einen vorangehenden Satz beziehen und somit gesagt werden: ''Was dieser Zeuge beim ersten Verhör ganz Unglaubliches angegeben hatte, auf dem oder darauf bestand er auch jetzt''. Ja selbst die beiden vorher angeführten Vorschriften werden nicht sonderlich peinlich beachtet, indem bald ein Adverb auch auf einen folgenden Relativsatz hinweist und bald ein relatives Adverb sich auch auf ein Determinativum zurückbezieht. Für jenen Fall hat man selbst G. Keller auf seiner Seite, z. B. mit dem Satze: ''Auch wußte sie nichts davon, was heute, an diesem schönen Sonntage, vorginge''. Noch viel häufiger stehn aber für den zweiten Fall neben zahlreichen Schillerschen Sätzen der Art: ''Er würdigte die Vorzüge der Geburt unter diejenigen hinunter, wodurch er gestiegen'', solche im heutigen Schrifttum, so bei E. Curtius: ''Wir sind mit dem Boden des klassischen Altertums in einer Weise vertraut gewesen, wovon man vor 50 Jahren keine Vorstellung hatte''. In Sätzen mit einem auf ein substantivisches Pronomen sachlichen Geschlechtes bezogenem Relativum ist sogar das Adverb oft die korrekteste Form (darüber mehr § 157, 2): ''Der liebe Gott gebe ihrer Seele das, wozu er sie geschaffen, Freude!'' (E. Förster).