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Z
Berechtigt ist die Mehrzahl auf ''-s'' auch von Eigen- und selbst von Standesnamen, wenn die Familie desjenigen dadurch benannt werden soll, dessen Namen oder Stande das ''s'' angehängt wird; denn hier liegt ein ursprünglicher Genetiv vor. Also ''Friedrichs sind zurück'' oder ''Ich war bei Hauptmanns'' sind ganz richtig; selbst der Artikel ist davor noch möglich, freilich nur in gewöhnlicherer Redeweise; ''die Wurzels, die Familiengeschichte der Wurzels'' schreibt z. B. K. v. Heigel. $Seite 50$ Etwas anders ist es, wenn Brüderpaare bezeichnet werden sollen oder durch den Namen eines einzelnen eine ganze Klasse gleichartiger Männer. Da wäre ''die Grimms'' oder ''die Scherers'' natürlich ebenso wenig deutsch wie beim Verfasser des „Rembrandt a. E." ''die Wagners'', die sich als ''Fauste'' drapieren statt der Formen ohne Mehrzahl-''s'', denen man freilich gern durch einen geeigneten Beisatz zu Hilfe kommt. Also sagt man entweder bloß ''die Scherer, die Grimm'' oder besser ''Männer wie Scherer, die beiden'' -, ''die Brüder Grimm''. — Oder soll die Mehrzahl ihre Zeichen haben, so läßt sie sich bilden meist auf ''-e'', bei den auf ''-o'' endigenden Namen auf ''-nen'' und bei den Weiblichen mit der Endung ''-e'' auf ''-n''; ''Bileame, Karle, Heinze, Abrahame, Dietriche; Ottonen, Sophien, Bettinen''. Bei denen auf ''-er'', ''-el'' und ''-en'' muß er natürlich so gut wie bei gewöhnlichen Wörtern mit diesen Endungen (Gruppe II) unbezeichnet bleiben: also die ''Hannchen, Schlegel, Luther''; am besten auch bei denen auf ''-e'' und ''-i'', z. B. ''die Goethe, die Bernhardi'', so daß schließlich nur für die weiblichen auf ''-a'' und ''-y'' die da ziemlich eingewurzelte Mehrzahl auf ''-s'' zu dulden sein dürfte: ''die Bertas, die Nannys''.  +
Mundartlich ist der Dativ in der Art, wie man ihn bes. in der Schweiz, in Österreich und Süddeutschland hört und liest, bei ''sprechen'' und ''sagen''. So und so schreibt z. B. der Wiener Chiavacci, ''sagte die dicke Hausherrin ihrem gestrengen Gatten'', und ein andermal: ''„Bitte sehr“ hatte dem Poldi in diesem Leben noch niemand gesagt''; und H. Federer: ''„Das ist unser zweiter Backofen“, sagte er oft seinem Schützling''. Beim jungen Deutschland zumal war etwas Ähnliches freilich nicht Mundart, sondern Gallizismus, ganz besonders neben wörtlicher Rede in eingeschobenen Sätzen, wie auch vor ihr: ''Er wendete sich an den Baron und sagte ihm in ärgerlichem Tone ... — „Eine große Anzahl alter Freunde und Nachbarn“, sagte er dem Bürgermeister''. Trotzdem kann bei ''reden'' und ''sprechen'' sowie bei ''sagen'' neben dem vierten Fall ein dritter stehn; bei jenen beiden aber nur in dem Sinne, in welchem er neben jedem Zeitwort ohne eigentliche Abhängigkeit von ihm stehen kann, so nämlich, daß er seinem ursprünglichsten Wesen nach die Teilnahme der durch ihn bezeichnten Person je nachdem andeuten oder abweisen und vor ihrer Erwartung warnen soll. Mit diesem sog. Dativus ethicus flehe ich z. B. einen, der aus Scham oder Trotz stumm vor mir steht, also an: ''Sage mir doch! Rede mir doch nur!'' So wehrt auch Don Carlos ab: ''Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens, von meinem Vater sprich mir nicht!'' So warnen Mütter: ''Sprich dem Vater lieber nicht erst von diesem Vorhaben!''  +
Noch schlimmer wirkt der Fehler innerhalb zusammenhängender Darstellung und am schlimmsten, wenn er auf weiter nichts als Zerdehnung einfacherer Ausdrücke beruht. Dies ist aber z. B. von folgenden Sätzen zu sagen: ''Man beklagte in Eisworth'' (so hieß er!) ''den Verlust eines jungen Offiziers'' (statt: ''einen jungen Offizier'') ''von tadellosem Charakter'' (Eltze). ''An Stelle des demnächst ausscheidenden Herrn Schuldirektor Fink hat gestern ... eine Neuwahl stattgefunden'' (Zitt. Nachr., statt: ''An Stelle des oder für den Herrn ... ist ein Nachfolger gewählt worden''). Unsere Kaiserin wurde gar mit einem Gedichte begrüßt, in dem es lautete: ''Zum erstenmal betritt dein zarter Fuß als junge Frau die wohlbekannte Stätte''. Überhaupt verführen die gleichsetzenden Wörtchen ''als, anstatt, an Stelle, außer'' u. a. ganz besonders leicht zu dem Versehen. Hansjakob sagt bequemlich: ''Statt Orgelspielern und Jahrmarktskomödianten einen Ehrenplatz anzuweisen'' (statt: ''statt daß ... ein Ehrenplatz angewiesen würde''), werden sie vielfach schikaniert, und selbst der bedächtige Stilist Moltke hat geschrieben: ''Der Gedanke, daß statt des beabsichtigten Einbruchs in fremdes Land man sich im eignen zu verteidigen'' $Seite 437$ ''haben werde'', statt regelrechter: ''anstatt in fremdes Land einbrechen zu können.'' Immerhin unterscheidet sich diese Ausdrucksweise noch himmelweit zu ihrem Vorteile von den Beisätzen mit ''als'', die schon in § 243, 2 haben getadelt werden müssen; nicht minder von so entsetzlichen Sätzen wie: ''außer einer Musikkapelle, die während des Festes konzertiert, wird ein Feuerwerk abgebrannt, wogegen die Staatsanwaltschaft auftreten müßte'', oder mit Gleichstellung des Atemholens und der Nase: ''Außer der stark gebognen Nase holt er beim Sprechen sehr stark Atem durch dieselbe'' (statt: ''Seine Nase ist stark gebogen und er holt'' usw.). In ähnlicher Weise verleitet oft auch das Wörtchen ''ander'' oder ''heute'' dafür ''sonstig'' oder gar noch häßlicher ''anderweitig'' zu falschen Gleichsetzungen. Vor ein Hauptwort gestellt, deuten diese nämlich an, daß schon andere Personen oder Gegenstände genannt seien, die derselben Gattung angehören wie das Wort, dem sie vorgesetzt sind, z. B.: ''Hafer, Gerste und andere Halmfrüchte''. Also heißt es unlogisch in einem Staatsanzeiger: ''In mehreren Gemeinden konnten Ortsvorstehern Preise zuerkannt werden ... aber auch andre Privatpersonen'' (was doch die Ortsvorsteher nicht sind!) ''blieben nicht zurück und erhielten Preise''; und in einer Berliner Ztg.: ''Von der Reichsbahn wird festgestellt, daß Deutschland in bezug auf Betriebssicherheit unter den andern Staaten am besten dasteht''. Oft wird die falsche Anwendung der Wörtchen noch lächerlicher, und selbst zu Beleidigungen kann sie führen wie in dem Satze des Frankf. General-Anzeigers: ''Ärzte werden geholt, weise Frauen und sonstige Brechmittel in Menge herbeigeschafft''. Daß es jedoch auch ohne die Beihilfe dieser Wörter höchst bedenklich werden kann, Namen, Zeichen oder Bezeichnung einer Sache mit dieser selbst gleichzusetzen, mag man noch aus den nächsten vier Beispielen ersehen, in denen sich dieser Mißbrauch von lästiger Wiederholung bis zum Unsinn steigert: ''Das Sitzen auf dem Rücken eines Gauls ist ein Königsthron für das Knabenherz'' (Hansjakob). — ''Dem neueren Geschlechte sind diese Worte'' (statt ''Dinge'') ''nur dem Namen nach bekannt. — Braut und Bräutigam sahen schön und glücklich aus, obgleich es schien, daß die beiden Beiworte bei dem Bräutigam stärker in die Augen sprangen. — Die preisgekrönten Damen'' (statt: ''die Liste, die Namen derselben''!) ''sind in Zimmer Nr. 11 ausgelegt!'' — § 415. Auf dem heute strenger als früher gewahrten Grundsatze in der Beziehung die Gleichartigkeit nicht nur der Sachen und Begriffe, sondern auch der Wortklasse festzuhalten, beruht auch die Regel, daß Fürwörter als Vertreter von Hauptwörtern//1 Es kann dies natürlich nur von den allein, d. h. substantivisch stehenden Fürwörtern gelten; denn wenn Worte wie ''ein solcher, dieser'' oder ''jener'' vor einem Hauptwort stehn, so bezeichnen sie die in irgendwelcher Weise bestimmte Art ihres Hauptworts. Falls also die Beziehung von ''welcher, dieser'' oder ''jener'' + Substantiv auf einen vorhergehenden Ausdruck unbequem empfunden wird, so kann das nur darin liegen, daß dem zugehörigen Hauptwort im vorhergehenden keine gleichmäßige Form entspricht. So wäre denn Lindaus Satz: ''Dem Gaste der Republik scheint diese Regierungsform nicht besonders zu behagen'' vollständig in Ordnung, da Regierungsform und Republik durchaus wie Art und Unterart zueinander stehn. Aber falsch sind Sätze: wie: ''Endlich erschien er'' (Tilly) ''... vor Frankfurt a. O., wo er sich mit dem Überrest der Schaumburgischen Truppen vereinigte Er übergab diesem'' (statt: ''dessen'') ''Feldherrn die Verteidigung Frankfurts'' (Schiller); Ein Madrider Privatschreiber versichert, $Fußnote auf nächster Seite fortgeführt$ es herrsche in dieser Hauptstadt nur eine scheinbare Ruhe. ''Mit keinem lateinischen und französischen Worte, welche letztere Sprache ... Denn'' (''Schaumburgische'') ''Truppen sind kein'' (''Schaumburgischer'') ''Feldherr, ebensowenig als ein'' (''Madrider'') ''Privatschreiber eine Hauptstadt oder ein'' (''französisches'') ''Wort eine'' (''französische'') ''Sprache ist''. — Davon daß die substantivischen Fürwörter Substantive vertreten, gibt es wohl nur eine Ausnahme. Sie besteht in dem prädikativischen Gebrauche des Wörtchens ''es'', jetzt auch dies(es) in Beziehung nicht nur auf ein vorhergehendes Substantiv. ''Er tat des Bischofs Anselm v. Doornik Meldung, der es von 1146—1149 war''; andere auch: ''Die Herren der Erde sind es'' — jetzt lieber: ''dieses — gerade dadurch'' usw.), auf ein Adjektiv: ''Er scheint ein verständiger Jüngling, und so werden die Eltern es sein'' (Goethe): Dagegen ist es nur eine scheinbare Ausnahme, wenn sich das Neutrum der Fürwörter auf ''Sähe'' bezieht, da dann deren Inhalt begrifflich zusammengefaßt wird.// auch nur auf wirklich vorhandene, selbständige Hauptwörter bezogen werden sollen.  
Zu Präpositionen mit dem Genetiv und besonders Dativ tritt der sächliche Akkusativ der einen Genetiv und Dativ dieses Geschlechtes entbehrenden rückbezüglichen, fragenden und unbestimmten Fürwörter ''was'' und ''etwas''; und da es für die unbestimmten keine Abhilfe gibt (''aus nichts, zu etwas mehr''), so ist die Fügung auch für die ersten beiden Arten kein Fehler, jedenfalls besser, als wenn die nur dem persönlichen Maskulinum zukommende Form ''wem'' vom Neutrum also angewendet wird: ''Die tiefste Einwirkung, welche ein Mensch erfahren kann, ist, daß er erkennt, zu wem er geschaffen ist'' (Wiese). Nicht ohne Recht hat also ein so feiner Stilist wie Fr. Th. Vischer gewagt: ''ehe noch deutlich gesagt ist, von was eigentlich die Rede ist''; Mörike: ''Ich sehne mich und weiß nicht, nach was''; und G. Keller: ''von was allem'', und: ''daß meine Anlagen zu was gut sind''. Immerhin kann nicht geleugnet werden, daß sich darin öfter eine Steigung zur Bequemlichkeit der gewöhnlichen Sprache verrät; und der Schriftsprache gemäßer stehen die entsprechenden Pronominaladverbien ''wozu, womit'', usw. zur Verfügung.  +
Wenn von den bisher gekennzeichneten Beifügungen der Vorwurf im besonderen gilt, den Friedrich der Große (De la littérature allemande, S. 19) dem Satzbau der Deutschen überhaupt macht, daß sie Bestimmung auf Bestimmung türmten und erst am Ende einer Seite den Satzteil folgen ließen, von dem die ganze Wendung abhänge, so trifft die eingeschachtelten auch der von Lessing (Laokoon XVIII) ausgesprochene Tadel, daß das wichtigste Wort nachschleppt und seine Unkenntnis es nur zu einem schwanken, wirren Bilde kommen läßt. Selbst wem aber diese feineren Gegengründe nicht fühlbar sind, dem wird bei solchen Einschachtelungen das enge Band zwischen Geschlechts- oder Verhältniswort und Hauptwort fast immer für das Ohr, oft auch für das Auge zerplatzen, so über die Maßen wird es zerdehnt. Das gilt schon für Jensens Fügung: ''Die Netze bildeten einen ständigen, mehr oder minder zerrissenen, Salzgeruch ausbreitenden, schwärzlichen Kranz''; wie viel mehr für die längere v. Hörmanns mit lauter gleichmäßigen Formen: ''Der Anblick so einer wie die Kugel aus dem Rohr heraussausenden, donnernden, krachenden und knirschenden, von Schneerauch eingehüllten und von Staubwirbeln und schneidend scharfen Windstößen begleiteten Lawine''! Der Feind solcher Unnatur freut sich ordentlich, wenn einen so geschmacklosen Satzkünstler das verdiente Schicksal ereilt, daß er selber, beim Schlußworte angekommen, von dem ersten, das doch durch dieses bestimmt wird, nichts mehr weiß und aus der Fügung fällt. So ein Musikkritiker: ''Das reiche Vermächtnis seiner Serenaden ... hätte einen weit passenderen Stoff geliefert als das zwar sehr edel gedachte und ebenso musterhaft ausgeführte wie deklamierte, aber gar zu knapp in seiner Form hingestellte, allzu grau in grau gefärbte, weil mehr in das Bereich abstrakter Reflexionsmusik zu verweisende als innerhalb schöner Formen ein reiches Gedankenleben, also Volkmanns stärkste Seite herausstellende „die Nacht“ überschriebene Phantasie für Altsolo und Orchester''. Das entsetzliche Beispiel enthält zugleich einen zweiten Fehler, der bei solcher Ausdehnung der Beifügungen leider nicht mehr selten und doch ein Widerspruch ist: in eine Beifügung, also eine nebensächliche Angabe gemeinhin einer (stehenden oder vorübergehenden) Eigenschaft wird ein Satz eingeschoben, der eine Ent- $Seite 258$ wicklung, verschiedene Zeiten angibt, z. B. die zukünftige als Absichtssatz, die vergangene oft als Zeit- und als begründender Satz. Man höre nur: ''Nach zweistündigem, wohl etwas ermüdenden'' (!) ''und, um sich an den scharfen Felskanten nicht die Hände zu verwunden, sehr vorsichtigen Bergklettern''. In einer anderen Ztg. steht noch schöner zu lesen: ''Der von dem Versuche, eine bekannte, nicht zu politischen Zwecken bestimmte Versammlung dazu zu mißbrauchen, den damaligen Prinzen Wilhelm für die kirchlich-politische Reaktion mit Beschlag zu belegen und ihn politisch zu isolieren, an bis in die neuste Zeit mit der größten Zähigkeit festgehaltene Plan''. Selbst ein Gelehrter wie Deussen mutet uns folgende Schachtelung zu: ''Nach Lukas sollen Jesu Eltern bei Gelegenheit des nach Verbannung des Archilaus vom syrischen Legaten P. Sulpicius Quirinius i. J. 7. p.'' (!) ''Chr., wo Jesus schon mindestens 7 Jahre alt war, veranstalteten Zensus gezwungen worden sein, die weite Reise von Nazareth nach Bethlehem zu machen''. Die Sache wird auch dadurch nicht gebessert, daß man solche einen Satz enthaltende Beifügung zerreißt und das übergeordnete Wort zwischen beide Teile einkeilt, wie Th. Ziegler in dem Satz: ''Mit diesem von der Aussicht getragenen Unterricht, daß in dem jungen Menschen die eigne Kraft geweckt werden müsse'' (statt: ''mit diesem Unterricht, der von der Aussicht getragen ward, daß'' oder: ''Mit der diesen Unterricht tragenden Aussicht, daß'' ....), ''stand die erzieherische Seite der Akademie in grellstem Widerspruch''.  
An dem vielen überflüssigen, was die eigene Abstumpfung des Sprachgefühls und die deshalb bei anderen vorausgesetzte Empfindungslosigkeit gegen das Einfache in unsre Sprech- und Schreibweise bringt, ist besonders die Sucht schuld, in Form wie Sache stark aufzutragen. In der Form äußert sich dies in der Zerdehnung, die statt des einfachen Zeitwortes Substantiv + Zeitwort oder statt des einfachen Adverbs Präposition + Adverb oder Präposition + Adjektiv und Substantiv setzt, sowie in der Vorliebe, mit der heute abgeleitete und zusammengesetzte Wörter, wieder Zeitwörter voran, den einfachen vorgezogen werden; da beides schon oben § 44 f. u. 262 f. besprochen worden ist, sei hier nur noch einmal darin erinnert. Oft paart sich sogar beides, wovon zur Warnung von dem immer allgemeiner einreißenden Mißbrauche nur einige Beispiele folgen mögen: statt ''oft'' heißt es ''des öfteren, zum öfteren, vielmals'' und gar ''zu öfteren, zu zahlreichen, zu wiederholten Malen''; statt ''bald'' heißt es ''in Bälde, in Kürze'', statt ''ganz'' gar ''in Gänze'', statt ''lange'' wieder ''auf (die) Dauer''. Als könnte vorher nicht mehr verstanden werden, wird süddeutsch ''im vorhinein'' oder ''lange vorhinein'' gesagt, und in Berlin folgt man diesem Gebrauche bereits mit einem ''inskünftig'' und ''in Hinkunft'' statt ''künftig''. Dem Herrn Kanzleirate mit dem Dienstkragen steht recht gut, was aus ''mitteilen, verlesen'' u. ä. geworden ist, nicht nur ''zur Mitteilung, zur Verlesung schreiten'', sondern sogar dazu ''verschreiten''. ''Fertigen'' scheint schon nirgends mehr hinzureichen und wenigstens muß man ''verfertigen'' sagen, lieber freilich ''fertigstellen'', bis gar der Gipfel erklommen wird mit der ''Fertigstellung'' und der Wendung ''zur Fertigstellung kommen'' oder ''gelangen''. Ähnlich hat sich aus ''einnehmen'' immer ein Ungetüm nach dem andern entwickelt: ''zur Einnahme kommen, vereinnahmen, zur Vereinnahmung kommen''. Dem einfachen, auslänglichen Worte berichten hat ein Handelskammersekretär die prächtige Bereicherung unsers Sprachschatzes beigesellt: ''an das Ministerium einberichten und sich berichtlich äußern''. So sehr liegt dies im Zuge der Entwicklung, daß selbst einer, der gegen unsere „sprachlichen Sünden" schreibt, einen Brauch, nachdem er schon besteht, seine Entstehung finden läßt. Es gehört wahrlich ein Th. Vischer dazu, um auch einmal ein Zeitwort in früherer Kraft zu gebrauchen, so wenn er sagt: ''Man hat Goethe als Norddeutschen angesprochen'' (wofür heute die meisten sagen: ''in Anspruch genommen''). Während Strolche früher verhaftet wurden, werden sie jetzt ''in Haft genommen'' oder ''zur Verhaftung gebracht'', was eigentlich die Tätigkeit des Publikums voraussetzt, das sie dem Polizisten zuführte, oder es kommt gar zu ihrer ''Inhaftnahme'', wo nicht ''Inhaftierung''! Auch einige Beispiele für überflüssige Verlängerung von Substantiven mögen sich anreihen; man schreibt jetzt von ''Lehrpersonen'' statt ''Lehrern'', von der ''Welt des Alltags'' statt ''Alltagswelt'', vom ''Werdeprozeß der Zeit'' statt von ''Entwicklung'' oder ''Geschichte'', von ''liebevoller Vorneigung'' statt ''Vorliebe''.  
Bei ''zufolge'' ist der Genetiv ziemlich selten und nur bei der sowieso seltenen Voranstellung der Präposition möglich: ''zufolge des Gesetzes''; der Dativ dagegen ist möglich bei derselben Stellung und allein herrschend bei der überhaupt häufigeren Nachstellung: ''zufolge deinem Geheiße'' und am gewöhnlichsten ''dem Befehle zufolge''. Das Wort sollte freilich überhaupt nicht so oft, und zwar fehlerhaft, angewendet werden, wie es jetzt auf jeder Seite einer Zeitung nicht bloß einmal zu finden ist. ''Da hofft man in ultramontanen Kreisen der Germania zufolge, daß ein besseres Gesetz zustande kommen wird. Den Hamburger Nachrichten zufolge erfreute sich Fürst Bismarck ... des besten Wohlseins und Aussehens''; und wieder ''den Schweizer Blättern zufolge waren die Opfer von Mönchenstein nicht so zahlreich''. Das ist eine verwaschene Ausdrucksweise; denn ''als zufolge einer Sache geschehend'' oder ''bestehend'' kann nur hingestellt werden, was deren Folge ist: ''er ritt dem Befehle zufolge von dannen''. Oft genügt einfach ''nach: Nach den Hamburger Nachrichten fühlte sich Herr von Miquel noch zuletzt ganz wohl''.  +
Das auf einen ganzen Satz gehende ''was'', zumal wenn es ihm nachfolgt, ist auch für einen weiterführenden Gedanken erträglicher als ein auf ein Hauptwort gehendes ''welcher'' und ''der''; nur darf die Gleichwertigkeit der Gedanken nicht durch gleichsetzende Bindewörter zu deutlich hervorgehoben sein, als daß man ihren Ausdruck in verschiedenartigen Sätzen nicht übel empfinden müßte. Während also aus diesem Grunde der Satz: ''Das Modell in Chelsea'' usw. $Seite 292$ oben S. 291 getadelt werden mußte, liest man den anderen aus einer Zeitung ohne jedes Mißbehagen: ''Unfähig des Tumultes Herr zu werden, entschloß sich Biancheri, ... die Sitzung zu unterbrechen, was laut beklatscht wurde''. Auch dem Satze Schillers steht nichts entgegen: ''Vieilleville kam ganz unversehens eines Morgens mit 70 Pferden vor den Toren von Metz an, welches'' (wir: ''was'') ''die Schuldigen in großen Schrecken setzte''. Warum sollte auch der Relativsatz nicht denselben Dienst leisten können wie beispielsweise der Umstand: ''zum großen Schrecken der Schuldigen''? Überhaupt wird man alle die weiterführenden Relativsätze billigen können, welche lediglich dadurch weiterführen, daß sie einen besonderen Umstand oder eine unmittelbar sich ergebende Folge angeben; überdies ist es für deren Zulässigkeit ein ziemlich untrügliches Mittel, daß man sie bequem fast ohne jede Änderung durch einen Satz mit ''und zwar'' ersetzen könnte. So kann nur der Mückenseiger in die Verurteilung des Goethischen Satzes einstimmen: ''Unter mancherlei Gesprächen waren sie in den Wald gekommen, in welchen Wilhelm sehr verstimmt eintrat'', da dieser Satz lediglich dem Umstande gleich kommt: ''und zwar Wilhelm in ziemlicher Verstimmung''. Sodann eignet sich natürlich von zwei Handlungen, die an sich nicht bestimmend oder beschränkend aufeinander einwirken, für einen Relativsatz die am besten, welche für den Zusammenhang das geringere Gewicht hat. So wollte ein Reisender in der Tgl. R. die Zuvorkommenheit schildern, mit der er von einem indischen Rajah aufgenommen worden war: demgemäß drückte er dessen zuvorkommende Schritte in einem Hauptsatze und daß er der Einladung nachgekommen ist, in einem Nebensatze aus: ''Am folgenden Morgen erschien eine Art Hofmarschall in Begleitung eines herrlich aufgezäumten Pferdes, auf dem ich die wenigen Schritte zum Palaste zurücklegte''. Oder man lese den Zeitungsbericht über eine Sitzung der römischen Akademie: ''Senator Br. verlas den Jahresbericht und teilte das Ergebnis der Preisbewerbung mit. Drei Preise waren von Sr. Majestät ausgesetzt, aber der historische keinem zuerkannt worden. Der Preis für Forschungen auf dem Gebiete der Morphologie wurde zwischen den Professoren Gr. in Catania und S. in Padua geteilt. Den Preis für Physik erhielt Professor R. in Bologna, der anwesend war und auf Befehl dem Könige vorgestellt wurde, welcher sich dann eingehend mit ihm unterhielt''. Niemand kann verkennen, daß die relativische Satzform den beiden letzten Gedanken, obwohl sie Neues und Weiteres bringen, wohl ansteht, da diese Begegnung des Bolognesers mit dem Könige gegenüber dem Allgemeinen, die Akademie Betreffenden etwas Persönliches, Nebensächliches ist. Außerdem ist in dem letzten Satz das Wörtchen ''dann'' nicht ohne Bedeutung; denn ein solches, häufiger übrigens ''denn, sodann, auch'', kurz lauter Wörtchen, die ausdrücklich auf den zeitlichen Fortschritt hinweisen, ebenso ''indes, aber'' u. ä., die einen Gegensatz andeuten, ermöglichen zwar durchaus nicht, jeden Hauptgedanken in einem Relativsatze auszudrücken, beugen wohl aber deutlich der Auffassung eines solchen Satzes als Attributsatz vor. Man höre nur noch einen Satz Jensens: ''Aus alter Überlieferung hat die Wirtschaftsführung noch einen gewissen Anstrich des Biedermännischen beibehalten, der ihr indes nicht mehr recht zu Gesichte steht'', oder aus älterer Zeit den Gellerts: ''Den einen Brief hatte er an'' $Seite 293$ ''einen Geistlichen aus Livland adressiert, der aber nichts von meinem Aufenthalte erfahren können''. Noch weniger steht der Fortspinnung des Gedankens durch Relativsätze im Wege, wenn sich diese nicht unmittelbar an einen Haupt-, sondern an einen Nebensatz anschließen, wodurch das Aneinanderstoßen zweier inhaltlich gleichwertigen, formell verschiedenen Sätze vermieden wird und der Rhythmus gewinnt. So in dem Zeitungssatze: ''Herr Ingenieur Koldewey schilderte die Bauart von Sindschirli, ohne indessen aus derselben weitere Schlüsse zu ziehn, die er vielmehr späteren Arbeiten überließ''; oder: in dem eines Altmeisters der deutschen Sprachforschung (R. Hildebrand): ''In der Gudrun zeigt sich das halbgöttische Doppelwesen in christliche Fassung gesetzt, in den Nibelungen aber noch in altheidnischer. Und da wird die Schwanennatur deutlicher, indem Hagen ihnen die abgelegten Kleider nimmt, um sie zum Wahrsagen zu zwingen, was sie denn tun, nachdem sie die Kleider wiederhaben, während sie vorher, noch ohne ihr wunderliches Gewand, ihm Falsches verkündet hatten''. Auch das ist nach dem unten § 327 ff. bes. gewürdigten Grundsatze der Abwechslung selbstverständlich, daß sogar der Rhythmus allein die relativische Satzform nicht nur erträglich und erklärlich, sondern erwünscht und schon machen kann; natürlich nur, wenn nicht die schwerwiegendsten Gedanken darin auftreten, sondern die, welche mehr oder minder als ein natürlicher Ausfluß der vorhergehenden erscheinen. Untadelig heißt es also bei Schiller: ''Den vierten Tag kam der König wieder zu sich und ließ die Königin rufen, der er auftrug, die Hochzeit doch sogleich vollführen zu lassen'', und ebenso bei der Ebner-Eschenbach: ''Herr E. Plössl empfing die Schwestern in seinem Bureau und bot ihnen Sitze an, auf welche sie sich niederließen, während er den Brief seines Chefs aufmerksam durchstudierte; nach einer Weile sprach er''. Am wenigsten regt sich das Gefühl, daß durch Relativsätze beschränkende und bestimmende Gedanken attributiv angeführt sein müßten, bei ''wobei, wodurch'' und ähnlichen Adverbien, wenn sie auf einen ganzen Satz gehen, oder gar bei ''weshalb, wogegen'' oder ''wie denn, wie ja auch''. Das kann jeder beim Lesen der folgenden Sätze empfinden: ''Da man an Orten wie Alasca selten freiwillig lange zu bleiben pflegt, so hat man gar nicht Zeit, ihre Eigenheit mit Feinheit zu studieren, weshalb denn alle diese arktischen Landschaften gewöhnlich wie schlecht erfundene Tapeten aussehen'' (Tgl. R.). — ''Etymologisch wird der Name von Pforzheim gewöhnlich als porta Hercynia erklärt, wogegen wohl das einfache porta mit später angehängtem fränkischem heim näher liegt'' (Jensen). —'' Meistens enthält der Keller auch der ländlich einfachen Wirtschaften einen guten alten Tropfen, freilich auch für guten Entgelt, wie im allgemeinen gesagt werden muß, daß die selbstgezogenen Landesweine keineswegs billiger sind'' (Ders.). Solche Fügungen sind offenbar dem Zuge der Sprache entsprungen, die Ausdrucksmittel für gleiche Gedankenverbindungen zu vervielfältigen. Warum sollten auch nicht für die Verhältnisse des Gegensatzes, des Grundes und der Folge, sogut wie Hauptsätze mit ''aber, denn, daher'' oder wie Nebensätze mit ''während, weil, so daß'', auch solche mit ''wogegen, weshalb'' usw. eintreten? Gerade diese Wörtchen sind auf dem Wege ihrer Entwicklung $Seite 294$ aus zurückbeziehenden Für- und Umstandswörtern zu Bindewörtern am weitesten vorgerückt, und zwar haben sie infolge ihrer Herkunft vom Relativum die Wortfolge des relativischen Nebensatzes beibehalten, ebenso aber infolge der Verblassung ihrer relativischen Kraft zugleich die Kraft straffer Gedankenunterordnung verloren. Dies letztere drückt sich am deutlichsten darin aus, daß heute schon öfter der relativisch angeknüpfte Gedanke von dem vorhergehenden durch einen Punkt geschieden wird. Ein Germanist läßt z. B. drucken: ''Nur bin ich der Meinung, daß bei der in ihr herrschenden Geistesströmung die metrische Behandlung nur noch bei dem historischen, romantischen, phantastischen und satirischen Lustspiel ... recht angemessen befunden werden dürfte. Wogegen dem das moderne Leben ... unmittelbar spiegelnden Konversationsstück die Prosarede angemessener zu sein scheint''; und in den Grenzboten stand: ''Der Ehrenkodex der französischen Edelleute ward das Muster für die Statuten der ehrgeizigen Jünglinge auch an unsern Universitäten. Woher es denn kommt, daß so viele Ausdrücke bei den Korps in unserer Zeit noch französisch sind''. Können die Bildner solcher Sätze, wie sie übrigens auch die lernende Jugend aus einer angeborenen Empfindung heraus oft bildet, durch irgend etwas besser dazu berechtigt erscheinen als dadurch, daß sie schon der junge Goethe kannte und der größte Dichter des letzten Geschlechts, G. Keller, sie sich vor anderen oft gegönnt hat? Bei jenem steht z. B.: ''Seine Schmerzen waren ... erneuerte Versuche, das Glück ... noch festzuhalten, die Möglichkeit desselben in der Vorstellung wieder zu erhaschen, seinen ... abgeschiedenen Freunden ein kurzes Nachleben zu verschaffen. Wie man einen Körper nicht ganz tot nennen kann, solange die Verwesung dauert''. Bei diesem liest man z. B.: ''Der Arzt aber warf nur ein: „So will ich eine gute Wärterin ... gleich selbst aussuchen und hersenden.“ Worauf er sich in seiner Kutsche wieder entfernte''; und ein andermal, wo das Relativum zugleich anknüpfend und bedingend ist: ''Der trägt gewiß keinen Spiegel in der Tasche, wie sonst die Herren aus der Stadt, denen man kaum den Rücken drehen darf, so holen sie den Spiegel hervor und beschauen sich schnell in einer Ecke''. Natürlich kann dieses Mittel, die besinnliche, den Eindruck malende Art der mündlichen Rede anzudeuten, auch vor anderen Nebensätzen angewandt werden. Gustav Freytag hat drucken lassen: ''Doch wollte der Grund ihrer Bekümmernis nicht laut werden. Bis endlich der ehrwürdige Bischof zu den Bürgermeistern sandte und sich eine andere Herberge forderte''. C. F. Meyer singt: ''Heut hat man mit Soldaten mir getischt. Ein ungebunden Volk. Mich hat’s erfrischt'', und Anton Springer berichtet: ''So kam der sogenannte Nationalausschuß zustande, über dessen Tätigkeit ich zu berichten hatte. Anfangs unter erschwerenden Umständen. Ich mußte im Hintergrunde des Saales, mitten unter dem andrängenden Publikum stehn''.  
Eine feine und schwierige Kunst ist es, gut zu interpungieren. Hier können nur einige Winke darüber gegeben werden. Die Interpunktion verfolgt zwei verschiedne Zwecke: erstens die Satzgliederung zu unterstützen und die Übersicht über den Satzbau zu erleichtern, zweitens die Pausen und die Betonung der lebendigen Sprache in der Schrift auszudrücken. Oft fallen beide Zwecke zusammen, aber nicht immer. Wenn z. B. geschrieben wird: ''die Berliner Künstler haben den französischen Bildern stets die besten Plätze eingeräumt und, wenn diese nicht reichten, andre Räume gemietet'' — oder: ''wer die Tagespreise kritiklos liest und, ohne es zu wissen und zu wollen, die dargebotnen Anschauungen in sich aufnimmt'' — so schließt sich zwar die Interpunktion genau dem Satzbau an, steht aber in auffälligem Widerspruch zur lebendigen Sprache; niemand wird bis zu ''und'' (oder ''oder'') sprechen und hinter ''und'' eine Pause machen, jeder wird vor ''und'' abbrechen. Daher empfiehlt es sich, das Komma hier $Seite 312$ lieber vor ''und'' zu setzen — gegen den Satzbau — und zu schreiben: ''da die Frauen mit Vorliebe männliche Verhüllungen wählen, und wenn sie ihren Vornamen nicht ausschreiben, auch die Handschrift sie nicht immer verrät — sie glaubte, oder wie es von ihrem Standpunkt aus wohl richtiger heißen muß, sie hoffte — daß Dichter wie Keller und Storm, oder um einige weniger berühmte zu nennen, Vischer und Riehl gesund blieben — die Elemente des Anschauungs- und Gestaltungsvermögens, oder anders ausgedrückt, des Einbildungs- und des Ausbildungsvermögens.''//* Ähnlich: ''der Dichter begnügt sich mit einer Skizze, da wo wir ein ausgeführtes Bild erwarten.'' Nach dem Satzbau: ''der Dichter begnügt sich mit einer Skizze da, wo wir'' usw.// Dem ersten Zwecke dienen nun vor allem die drei üblichen Zeichen: Punkt, Semikolon ('';'') und Komma. Über die Bedeutung von Punkt und Komma begeht kein Zweifel; sie werden im allgemeinen auch richtig angewandt. Der Punkt schließt ab, das Komma gliedert; der Punkt trennt größere oder kleinere selbständige Gedankengruppen, das Komma scheidet die einzelnen Bestandteile dieser Gruppen, es tritt vor jeden Nebensatz, auch vor Partizipial- und Infinitivsätze. Jeder Satz hat nur einen Punkt; die Zahl der Kommata im Satze ist unbeschränkt. Das Semikolon endlich ist stärker als das Komma, aber schwächer als der Punkt. Es ist überall da am Platze, wo zwei Hauptsätze — mögen sie nun allein stehen oder jeder wieder von einem Nebensatze begleitet sein — einander gegenübergestellt werden, wo also der eine der beiden Hauptsätze nur die Hälfte des Gedankens enthält und den andern zu seiner Ergänzung verlangt, z. B.: ''hättest du dich an den Buchstaben des Gesetzes gehalten, so träfe dich kein Vorwurf; da du aber eigenmächtig vorgegangen bist, so hast du nun auch die Verantwortung zu tragen''. Das Semikolon trennt also und vereinigt zugleich, es scheidet und verbindet. Sehr fein hat es daher David Strauß die Taille des Satzes genannt//** In dem hübschen Scherz: Der Papierreisende (Gesammelte Schriften, Bd. 2).// und auf Lessing hingewiesen als den, $Seite 313$ der den richtigsten Gebrauch davon gemacht habe. In der Tat ist das Semikolon für den, der damit umzugehen weiß, eins der ausdruckfähigsten Interpunktionszeichen, es wird nur noch vom Kolon übertroffen. Aber wie ungeschickt wird es manchmal behandelt! Besonders beliebt ist es jetzt, wenn vor einen Hauptsatz eine größere Anzahl gleichartiger Nebensätze tritt, z. B. drei, vier, fünf Bedingungssätze, diese alle durch Semikolon voneinander zu trennen. Nichts ist abgeschmackter als eine solche Anwendung. Zwischen Haupt- und Nebensatz ist einzig und allein das Komma am Platze; folgen mehrere gleichartige Nebensätze aufeinander, so hat hinter jedem immer wieder nur das Komma zu stehen. Wie der Punkt, so kann auch das Semikolon in einem gut gegliederten Satze nur einmal vorkommen; ein Satz, der mehr als ein Semikolon enthält, ist entweder schlecht interpungiert oder schlecht gegliedert. Aber auch in dem Gebrauche des Kommas werden mancherlei Fehler gemacht. Wenn vor ein Hauptwort mehrere Eigenschaftswörter treten, so gilt im allgemeinen die Regel, diese Eigenschaftswörter durch Kommata voneinander zu trennen. Manche wollen zwar neuerdings davon nichts wissen, sie schreiben: ''ein guter treuer anhänglicher zuverlässiger Mensch'': aber das verstößt gegen die Betonung der lebendigen Sprache, die bei solchen längern Attributreihen hinter jedem Attribut eine fühlbare kleine Pause macht, und vor allem: man beraubt sich damit sehr notwendiger Unterscheidungen. Es ist ein großer Unterschied, ob ich schreibe: ''er hatte eine tiefe, staatsmännische Einsicht'' oder: ''eine tiefe staatsmännische Einsicht — hier schließt der erste, historische Abschnitt'' oder; ''der erste historische Abschnitt des Buches''. Im ersten Falle stehen die beiden Attribute parallel zueinander, das zweite erläutert das erste: ''er hatte eine tiefe,'' (''wahrhaft'' oder ''echt'') ''staatsmännische Einsicht'' — ''hier schließt der erste,'' (nämlich) ''historische Abschnitt des Buches''. Im zweiten Falle bildet das zweite Attribut mit dem Hauptwort einen einzigen Begriff, sodaß tatsächlich nur ein Attribut übrig bleibt: ''er hatte staatsmännische Einsicht, und diese war tief'' — $Seite 314$ ''das Buch hat mehrere historische Abschnitte, und hier schließt der erste davon'' (vgl. S. 292). Auf solche Weise kann sogar ein drittes Attribut wieder dem zweiten übergeordnet werden. Es darf also kein Komma stehen in folgenden Verbindungen: ''ein starker demokratischer Zug, eine liebenswürdige alte Jungfer, die nackteste persönliche Herrschsucht, das jahrelange geistliche Eifern, der unvermeidliche tragische Ausgang, nach überstandnem sturmvollem Leben, von gewissen hohen österreichischen Offizieren, die ganze vielgepriesene englische Kirchlichkeit''. Ebenso muß ohne Komma geschrieben werden: ''das andre der klassischen Richtung angehörige Drama'' — wenn der betreffende Dichter mehrere der klassischen Richtung angehörige Dramen geschrieben hat, wogegen das Komma nicht fehlen dürfte, wenn er nur zwei Dramen geschrieben hätte, eins, das der modernen, und eins, das der klassischen Richtung angehört. Wenn zwei Hauptsätze oder auch zwei Nebensätze durch ''und'' verbunden werden, so gilt im allgemeinen die verständige Regel, daß vor ''und'' ein Komma stehen müsse, wenn hinter und ein neues Subjekt folgt, dagegen das Komma wegbleiben müsse, wenn das Subjekt dasselbe bleibt. Natürlich ist dabei unter Subjekt das grammatische Subjekt zu verstehen, nicht das logische. Seinem Begriffe nach mag das zweite Subjekt dasselbe sein wie das erste: sowie es grammatisch durch ein Fürwort (''er, dieser'') erneuert wird, darf auch das Komma nicht fehlen. Dagegen wird niemand vor ''und'' ein Komma setzen, wo ''und'' nur zwei Wörter verbindet. Doch sind Ausnahmefälle denkbar, z. B. ''er welkt, und blüht nicht mehr — in Leipzig, wo man so viel, und so viel gute Musik hören kann — er war unfähig als Heerführer, und als Mensch unbedeutend und wenig sympathisch. Er blüht und duftet nicht mehr'' — da wäre das Komma überflüssig. In solchen Fällen tritt der zweite Zweck der Interpunktion in seine Rechte: die Pausen und die Betonung der lebendigen Sprache auszudrücken, selbst abweichend von dem ersten, die Gliederung des Satzbaues zu unterstützen. $Seite 315$ Auch vor einem Infinitiv mit ''zu'' ist es wohl allgemein üblich, ein Komma zu setzen. Manche lassen es zwar hier jetzt weg, namentlich wenn der Infinitiv ganz unbekleidet ist; sie halten es für überflüssig, ein so kurzes, nur aus zwei Wörtern bestehendes Glied durch ein besondres Zeichen abzutrennen. Es ist aber doch gut, es überall zu setzen, da sonst leicht Zweifel oder Mißverständnisse entstehen können. Wenn jemand schreibt: ''es ist schwer zu verstehen'' — so kann der Sinn nur sein: ''es ist zu verstehen, aber schwer'' — und wenn geschrieben wird: ''ohne den Genuß zu empfinden'', so kann ''Genuß'' nur als Objektiv zu ''empfinden'' aufgefaßt werden. Wenn man aber ausdrücken will: ''es bereitet Schwierigkeiten, es zu verstehen — ohne den Genuß, der darin besteht, daß man empfindet''? Das kann nur durch ein Komma deutlich gemacht werden. Man muß also unterscheiden zwischen: ''es ist nicht gut, zu verlangen'' und: ''es ist nicht gut zu verlangen — es war ein Fest, zu sehen'' und: ''es war ein Fest zu sehen''. Aber auch in Sätzen wie: ''er befahl ihm Gläser zu bringen — die ultramontane Presse verstand es bald allerlei Mißverständnisse aufzufinden'' — entsteht der Zweifel: wozu gehört ''ihm''? wozu gehört ''bald''? zu ''verstehen'' oder zu ''auffinden''? Ein Komma hebt sofort den Zweifel. Nur in einem Falle ist es nicht nur überflüssig, sondern geradezu störend, vor den Infinitiv mit zu ein Komma zu setzen, nämlich dann, wenn der Infinitiv ein Objekt oder ein Adverb bei sich hat und dieses vor dem regierenden Verbum steht, von dem der Infinitiv abhängt, z. B. ''diesen Gedanken könnte man versucht sein, mit Wallenstein herzlich dumm zu nennen. Diesen Gedanken könnte man versucht sein'' — das ist nur ein Satzbruchstück ohne allen Sinn, was soll da das Komma? Es ist aber auch durch die lebendige Sprache hier nicht gerechtfertigt, denn niemand wird hinter versucht sein im Sprechen anhalten, alles drängt zu dem Infinitiv, der erst das Objekt verständlich macht, das vorläufig noch in der Luft schwebt. Es empfiehlt sich also, ohne Komma zu schreiben: ''bares Geld gelang es ihm nicht'' $Seite 316$ ''sich anzueignen — tatsächliche Irrtümer dürfte es schwer sein in dem bändereichen Werke aufzustöbern — was bemüht man sich mit dem Worte Sozialismus zu benennen? — alle Abfälle hatte sie sich ausgebeten ihm bringen zu dürfen — auf die Erhaltung des Waldes war die Behörde geneigt das entscheidende Gewicht zu legen — gegen diese Szene liegt es uns fern uns hier zu ereifern — ich gebe dir keinen Rat, den ich nicht bereit wäre selber zu befolgen — die Anforderungen, die wir uns gewöhnt haben an eine solche Aufgabe zu stellen — der Wust von Aberglauben, den der Vorgänger sich rühmte ausgefegt zu haben — der Unterschied, den der Offizier gewohnt ist zwischen seiner Stellung als solcher und der als Gentleman zu machen — die Oberamtsrichter, denen manche geneigt sind die Rektoren gleichzustellen — seine Verwandten, für die es vor allem seine Pflicht wäre zu sorgen.'' Unbegreiflich ist es, daß man die beiden grundverschiednen ''ja'', die es gibt, das beteuernde und das steigernde, nie richtig unterschieden findet, und doch sind sie durch die Interpunktion so leicht zu unterscheiden. Ein Komma gehört nur hinter das beteuernde ''ja'', denn nur hinter diesem wird beim Sprechen eine Pause gemacht: ''ja, es waren herrliche Tage''! Das steigernde ''ja'' dagegen wird mit dem folgenden Worte fast in eins verschmolzen: ''sie duldete diese Mißhandlungen, ja sie schien sie zu verlangen — es ist wünschenswert, ja es ist geradezu unerläßlich — hinter Frankreich liegt der Atlantische Ozean, ja man kann sagen die ganze andre Welt''. Was soll da ein Komma? Ebenso töricht ist es, ein doppeltes ''ja'' (''ja ja'') und ein doppeltes ''nein'' (''nein nein'') durch Kommata zu trennen, wie man es in Erzählungen und Schauspielen stets gedruckt lesen muß. Man spricht doch nicht ''ja'' (Pause), ''ja'', sondern ''jajjah, neinnein'', als ob es nur ein Wort wäre. Ganz verkehrt wird von vielen das Kolon ('':'') angewandt: sie setzen es statt des Semikolons ('';'') und stören damit den, der die Bedeutung der Satzzeichen kennt, auf die ärgerlichste Weise. Das Semikolon schließt ab, wie der Punkt; das Kolon schließt auf, es hat vorbereitenden, $Seite 317$ spannungerweckenden, aussichteröffnenden Sinn, ein gutgesetztes Kolon wirkt, wie wenn eine Tür geöffnet, ein Vorhang weggezogen wird. Daher steht es vor allem vor jeder direkten Rede (vor die indirekte gehört das Komma!); es ist aber auch überall da am Platze, wo es so viel bedeutet wie nämlich, z. B.: ''der Verfasser hat mehr getan als diesen Wunsch erfüllt: er hat die Aufsätze vielfach erweitert und ergänzt'' — oder wo es dazu dient, die Folgen, das Ergebnis, das erwartete oder unerwartete Ergebnis des vorhergeschilderten einzuleiten, z. B.: ''wir baten, flehten, schmollten: er blieb ungerührt und sprach von etwas anderm.'' Geschmacklos ist es, die der Betonung dienenden Zeichen, das Fragezeichen und das Ausrufezeichen, zu verdoppeln, zu verdreifachen oder miteinander zu verbinden: ''??, !!!, ?!'' Dergleichen schreit den Leser förmlich an, und das darf man sich doch wohl verbitten. Eine Abgeschmacktheit ohnegleichen aber ist es, halbe oder ganze Zeilen mit Punkten oder Gedankenstrichen zu füllen, wie es unsre Romanschreiber und Feuilletonisten jetzt lieben. Das soll geistreich aussehen, den Schein erwecken, als ob der Verfasser vor Gedanken oder Bildern beinahe platzte, sie gar nicht alle aussprechen oder ausführen konnte, sondern dem Leser sich auszumalen überlassen müßte. Es ist aber meistens Wind; wer etwas zu sagen hat, der sagt es schon.  
Verhältnismäßig wenig Verstöße werden gegen die Regeln der Kasuslehre begangen; im allgemeinen herrscht eine erfreuliche Sicherheit darüber, welchen Kasus ein Zeitwort oder ein Eigenschaftswort zu sich zu nehmen hat. Bei einer kleinen Anzahl von Zeitwörtern schwankt aber doch der Sprachgebrauch: mancher verbindet sie mit dem Dativ, mancher mit dem Akkusativ. Es sind das namentlich die Zeitwörter ''heißen, lassen, lehren, angehen, dünken, kosten'' und ''nachahmen''. Mit der berüchtigten Berliner Verwechslung von ''mir'' und ''mich'' hat dieses Schwanken nichts zu tun, sondern es hängt meist damit zusammen, daß in den Begriff dieser Verba sinnverwandte Zeitwörter hineinspielen, die teils mit dem Dativ, teils mit dem Akkusativ verbunden werden. Aber nur in den seltensten Fällen hat das Schwanken eine Berechtigung. Bei ''nachahmen'' handelt sichs eigentlich nicht um ein Schwanken, sondern um zwei verschiedne Bedeutungen des Wortes: es ist ein großer Unterschied, ob man sagt: ''ich ahme dich nach'', $Seite 235$ oder: ''ich ahme dir nach''. Mit dem Akkusativ bedeutet es ''nachmachen'' (''dich''), mit dem Dativ ''nachstreben'' (''dir''). Wenn Schüler ''dem Lehrer nachahmen'', so kann das sehr lobenswert sein: wenn sie ''den Lehrer nachahmen'', so kann ihnen das unter Umständen eine Stunde Karzer eintragen.//* In der Dichtersprache wird ''rufen'' bisweilen mit dem Dativ verbunden (Goethe im Faust: ''Wer ruft mir''? Gellert: ''Er ruft der Sonn', er schafft den Mond''). Auch hier liegt ein Bedeutungsunterschied vor; ''rufen'' steht hier im Sinne von ''zurufen, gebieten''.// Schwer ist es, bei ''kosten'' eine Entscheidung zu treffen: ''kosten'' ist ein Lehnwort, entstanden aus dem lateinischen ''constare''. Die Verbindung ''constat mihi'' ist aber gar nicht maßgebend, denn ''kosten'' ist ursprünglich im Sinne von ''aufwenden machen'' gebraucht worden. Der Akkusativ überwiegt denn auch in der guten Schriftsprache. Bei allen übrigen der genannten Verba hat der Dativ überhaupt keine Berechtigung. Sätze wie: ''laß mir das einmal sehen — das geht dir nichts an'' u. ähnl. gehören nur der niedrigsten Volkssprache an. ''Heißen'' verträgt den Dativ der Person nur ausnahmsweise: ''wer hat dir das geheißen?'' (wie: ''wer hat dir das geboten, befohlen, aufgetragen?''). Im allgemeinen verlangt es, wie ''lehren'', den Akkusativ der Person. Aber gerade für ''lehren'' und ''heißen'' verliert die ganze Frage mehr und mehr an Bedeutung, denn in der lebendigen Sprache werden diese Wörter überhaupt kaum noch in solcher Verbindung gebraucht. In Mitteldeutschland gebraucht das Volk ''lehren'' mit einem Akkusativ der Person fast gar nicht mehr, sondern nur ''lernen''; man sagt nicht bloß: ''wo hast du das gelernt''? sondern auch: ''wer hat dir das gelernt''? Und auch wo man wirklich noch ''lehren'' sagt, setzt man doch den Dativ der Person dazu. Bei Uhland heißt es noch richtig und sauber: ''Wer hat dich solche Streich’ gelehrt''? Das Volk aber sagt: ''Ich werde dir Mores lehren''. Und in einem Bibelspruche, wie: ''Herr, lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen'' — wo uns natürlich der Akkusativ ist, wird es sicherlich jetzt von vielen als Dativ gefühlt. $Seite 236$ Ganz lächerlich ist die Unsicherheit und der Streit darüber, ob es heißen müsse: ''ich versichre dir'', oder: ''ich versichre dich, der Hut kleidet dich'', oder: ''er kleidet dir, es lohnt der Mühe'', oder: ''es lohnt die Mühe''. ''Versichern'' ist unzweifelhaft ein transitives Zeitwort: ''man versichert sein Leben, seinen Hausrat, seine Ernte''. Man kann auch sagen: ''ich versichre dich meiner Freundschaft'', wiewohl das schon etwas gesucht klingt und der geläufigern reflexiven Verbindung: ''ich versichre mich deiner Person'' — nachgebildet zu sein scheint. Aber zu sagen: ''ich versichre dich, daß ich nichts davon gewußt habe'' — und das für richtig zu halten oder gar zu verteidigen, kann doch nur einem Sophisten einfallen oder einem Menschen, der wirklich ''mir'' und ''mich'' nicht unterscheiden kann. Daß es schon im achtzehnten Jahrhundert so vorkommt, hat gar nichts zu sagen: der Akkusativ ist eben vernünftigerweise mehr und mehr gewichen. Wenn auf ''versichern'' ein Objektsatz folgt, so ist doch der Inhalt dieses Satzes das Objekt ''der Versicherung'': ''diese Versicherung'' aber gebe ich nicht ''dich'', sondern ich gebe sie ''dir''. ''Versichern'' tritt dann vollständig in eine Reihe mit ''beteuern, erklären, sagen, melden, mitteilen, berichten'',//* In der ältern Sprache hatte auch ''berichten'' den Akkusativ der Person mit nachfolgendem Objektsatz bei sich, z. B.: ''ob sie gleich den Kurfürsten mit Lügen berichteten, die hohe Schule zu Wittenberg wäre die studentenreichste''. Heute ist das einzige sinnverwandte Zeitwort, das mit einem Akkusativ der Person und einem Objektsatze verbunden werden kann, das verhältnismäßig junge ''benachrichtigen''.// lauter Zeitwörtern, die mit dem Dativ der Person und einem Objekt der Sache verbunden werden. Passiv fällt es gar niemand ein zu sagen: ''ich bin versichert worden, daß'', sondern jeder sagt: ''mir ist versichert worden, daß''. Also kann auch aktiv das richtige nur sein: ''ich versichre dir, daß ich nichts davon gewußt habe''. Wenn neuerdings namentlich in Kreisen, die für vornehm gelten möchten, mit einer gewissen Absichtlichkeit wieder der Akkusativ gebraucht wird (''ich versichre Sie''), so ist das eine Modedummheit, durch die $Seite 237$ sich der gesunde Menschenverstand und ein natürliches Sprachgefühl nicht werden irre machen lassen. ''Kleiden'' mit dem Dativ zu verhinden wäre keinem Menschen eingefallen, wenn nicht die sinnverwandten intransitiven Zeitwörter ''passen, sitzen'' und ''stehen'' dazu verführt hätten. Weil man sagt: ''der Hut paßt dir, sitzt dir, steht dir'', so sagte man auch: ''er kleidet dir''. Richtig ist natürlich nur: ''er kleidet dich''. In der Redensart: ''es lohnt der Mühe'' (oder: ''es lohnt nicht der Mühe'') ist ''der Mühe'' gar nicht der Dativ, sondern der Genitiv (statt: ''für die Mühe, wegen der Mühe''). Die Redensart hat etwa denselben Sinn wie: ''es ist der Mühe wert'' (oder: ''es ist nicht der Mühe wert''). Zu sagen: ''es lohnt nicht die Mühe'' — ist also nichts als eine Ausweichung aus Unwissenheit, und wenns Goethe geschrieben hat.  
Ein persönliches Passivum kann natürlich nur von solchen Zeitwörtern gebildet werden, die ein direktes Objekt (im Akkusativ) zu sich nehmen: ''ich bestreite die Nachricht — die Nachricht wird von mir bestritten''. Von Zeitwörtern, die ein indirektes Objekt (im Dativ) haben, läßt sich nur ein unpersönliches Passivum bilden: ''ich widerspreche der Behauptung — der Behauptung'' (nicht: ''die Behauptung''!) ''wird von mir widersprochen.'' Daher ist es falsch, so, wie es unsre Zeitungen jetzt immer tun, von ''unwidersprochnen Nachrichten'' zu reden, oder zu sagen wie unsre Reichstagsabgeordneten: ''diese Äußerung möchte ich doch nicht unwidersprochen ins Land gehen lassen''. ''Unwiderlegt'' — das wäre richtig, und aufs ''Widerlegen'' kommts $Seite 239$ doch wohl auch viel mehr an als aufs ''Widersprechen''. Ebenso falsch sind ''bedankt'' und ''unbedankt'' (''nun sei bedankt, mein lieber Schwan! — der Vorstand kann Sie an diesem Tage nicht unbedankt vorübergehen lassen''); denn es heißt nicht: ''ich danke dich'', sondern: ''ich danke dir'', oder: ''ich bedanke mich bei dir''.//* Nur mit den Bildungen auf ''bar'' nimmt man es nicht so genau, wie ''unentrinnbar'' zeigt.// Ebenso kann natürlich ein Objektsgenitiv nur an solche Verbalsubstantiva gehängt werden, die aus Zeitwörtern mit direktem Objekt gebildet sind. Falsch und liederlich ist es, zu schreiben: ''die Kündigung der Arbeiter'' (wenn nicht gemeint ist, daß ''die Arbeiter kündigen'', sondern daß ''den Arbeitern gekündigt wird''), ebenso falsch: ''zur Steuerung oder zur Abhilfe des Notstandes — sie war zur Hilfeleistung ihrer Mutter anwesend'' — denn ''gesteuert'' oder ''abgeholfen'' wird ''dem Notstande'', nicht ''der Notstand''!  +
Allgemeiner als die Frage, ob Geschlechtswort oder nicht, läßt sich die andere beantworten, wann neben Verhältniswörtern der volle Artikel, wann dessen Zusammenziehungen mit jenen eintreten sollen, also die Formen: ''zur, am, im, vom, zum, beim; ans, ins, aufs, durchs, fürs, ums, vors, hinters, übers'' (nicht ''über’s'' u. ä.); auch, wenn schon etwas seltener, doch nicht weniger empfehlenswert: ''vorm, außerm, überm, hinterm, unterm, selbst gegens'' und ''widers''. Sie gehören als das allein Natürliche, und zwar in jeder Schreibart, in alle formelhaften Wendungen und alle festgeprägten, sprichwörtlichen wie andern Redensarten; und wenn schon Lessing angefangen hat, solche gern zu trennen, so ist das eine Kleinigkeit, worin der Große einmal nicht nachahmenswert ist. Gar aber solche Ausdrücke: ''er schlug die Gegner auf das Haupt'' (= er besiegte sie), ''in das Auge'' (statt ''ins Auge'') ''fassen, er kam um das'' (statt ''ums'') ''Leben, die Arbeit ist zu der'' (statt ''zur'') ''Not genügend, in das'' (statt ''ins'') ''Stocken geraten, auf das'' (statt ''aufs'') ''neue'', zumal bei schriftstellernden Frauen beliebt, doch auch bei Schriftstellern, von denen z. B. selbst Grosse ''an das Herz gewachsene Kinder'' kennt, und ein anderer in der Täglichen Rundschau gar ''mit dem Tode fortgegangen'' statt ''mit Tode abgegangen'' fertig bringt — solche Ausdrücke sind wahrlich nichts als auch ein Beweis von der schon so erschreckend großen Hinneigung unserer jetzigen Schriftsprache zu gespreizter Unnatur. Allerdings wenn in der dritten Steigerungsstufe sich ''auf das ergötzlichste, auf das beste'' besonders breit macht, so ist das nicht zu verwundern, da diese Form in Sprachlehren lange genug als die feinere hingestellt und in fremdsprachlichen Übersetzungen danach verfahren worden ist. Überhaupt ist in allen nicht formelhaften Wendungen mit Verhältniswörtern die zusammengezogene Form, besonders ''zur, am, im, beim, vom'', nicht ganz so allgemein auch die auf -''s'', so oft berechtigt, als darin die hinweisende Kraft des Artikels nicht besonders angespannt zu werden braucht, um etwa auf einen Gegenstand als den bestimmt vorher genannten oder gerade auf ihn als einen ähnlichen und doch anders gearteten, entgegengesetzten hinzuweisen. Solche Zerdehnungen: ''Die Haltung Preußens in dem Krimkriege, die Lehrer sollen die Teilnahme an dem Schulunterrichte''- $Seite 133$ ''den Kindern durchziehender Zigeuner nicht gestatten'', verraten denn auch dem Einsichtigen ihre Herkunft aus der — Schreibstube, — diese gar zweier Ministerien! Ehedem wurde sogar der Wesfall eines eingeschobenen Hauptwortes mit dem Verhältniswort zusammengezogen, und Hansjakob schrieb volkstümlicher Weise meist so: ''in's Bierkramers Haus''. Das Gewöhnliche ist die Zusammenziehung vor dem substantivierten Infinitive ''beim Lesen, beim Schreiben''. Auch ein Eigenschaftswort hat nicht an sich bestimmte Kraft, so daß auch davor möglich ist: ''im besten Alter, ... Wohlsein, am Heiligen Abend, zum nächsten Ersten''. Selbst vor einer genetivischen Beifügung, die ja den Artikel an sich oft fordert (§ 141), begnügt sich das regierende Hauptwort gern mit der zusammengezogenen Form: ''beim Lesen des Briefes, zum Aufsetzen eines letzten Willens, im Rate der europäischen Staatsmänner, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes; sich aufs Technische des Baues verstehn''. Nur die Abkürzungen auf ''s'' sind, wohl auch des Wohlklangs halber, neben Genetiven seltener, und kein gewählt Sprechender möchte anders als so hören: ''auf das Schlachtfeld des 18. August, auf das Dach des Hauses, auf das Schreiben des Ärzteverbandes''. Vollends in Ausdrücken wie: ''Ich trinke auf das Wohl des Fürsten; des Königs Sorge um'' (''für'') ''das Wohl des Staates'' fordert die Gemessenheit und Würde des Ausdruckes wie die Wichtigkeit der Sache die volle Form. Ein sich an ein Hauptwort anschließender Relativsatz macht ebenfalls vor jenem den vollen Artikel nur nötig, wenn das Hauptwort nach einer besonderen Art hin bestimmt und erläutert, wenn also der Artikel soviel ist wie ''derjenige'', also stärkere hinweisende Kraft hat. Also kann man natürlich nicht sagen: ''Goethe braucht das Wort Bildung nicht bloß im Sinne, den es heute hat'', sondern nur ''in dem Sinne''. Aber im Anfange der Glocke: ''Zum Werke, das wir ernst bereiten'', oder in dem Verse Goethes: ''als man hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei'', ist die Zusammenziehung so wenig eine dichterische Freiheit als etwa in dem Satze der Grimmschen Märchen: ''zur Zeit, wo sie herabfielen'', ein der andern Schriftsprache nicht gestattetes Zugeständnis an den Volksmund. So steht denn ein durch einen Relativsatz erläutertes Hauptwort, was sein Bedürfnis nach voller Artikelform anlangt, unter demselben Gesichstpunkte wie jedes andere Hauptwort, dem des Hinweises oder der durch eine Beifügung herbeigeführten Bestimmung noch der Art, also der Unterscheidung. Der Tuchhändler, der uns gerade den gewünschten Stoff nicht mehr geben kann, muß uns also bescheiden: ''von dem Stoffe habe ich nur noch einen Rest'', und ein Gespräch kann also abgebrochen werden: ''Ich mag von dem ganzen Gerede..., Ich will von dem Unfuge nichts mehr hören''. Wer dagegen von Dingen aus seiner Umgebung spricht und mit Leuten, die das Besprochene auch kennen, oder unter Umständen, die nur an jene zu denken verstatten, also immer die Umgangssprache muß zu den verschliffenen Formen hinneigen, und so heißt es, wenn von den Verhältnissen des Heimatortes die Rede ist, nur: ''zum Lehrer, Pfarrer, Bäcker gehn'' oder ''schicken, am Bade, am Markte wohnen, im Orte, im Städtchen geboren''. Der Kanzlist dagegen, ebenso der Reisebeschreiber, der Erzähler, die auch fremde und unbekannte Gegenstände als fremde für alle kenntlich machen und oft erst benennen und beschreiben müssen, ehe sie darauf als auf bekannte hinweisen können, werden ebenso überwiegend genötigt sein, sich für die getrennten Formen zu $Seite 134$ entscheiden. Deshalb sagt z. B. ein Reisender: ''Erst nach zehnstündigem Marsche waren wir wieder in einem Dorfe unter Menschen; doch o weh! in dem Dorfe gab es kein Wirtshaus''. Manche der über den Artikel wie auch der über die Deklinationsendungen gegebenen Bestimmungen erleiden kleine Abweichungen in den Verbindungen mehrerer deklinablen Wörter zu beigeordneten Gliedern oder gar einheitlichen Begriffen. Zunächst einiges vom Geschlechts- und vom Verhältnisworte, soweit jene Art auf dieses übertragen wird.  
Besonders oft gewinnt man den Eindruck, als ob das Gefühl für die Kraft selbst häufiger und lebendiger Ableitungssilben erschreckend abnähme; so häufig treten dafür absonderliche oder doch bei aller Gebräuchlichkeit oft unnötig breite Zusammensetzungen ein. ''Kindlich'', ''neu'', ''alt'' scheinen zu schwach und man sagt, offenbar ohne zu empfinden, wie häßlich: ''kindartige Offenheit, neuartiges Verfahren, altartiges Pulver, foltervolles Bewußtsein'' schlimmer als ''folterndes''; ''die rechte Hosentasche'', das ja als richtige aufgefaßt werden könnte, wird zur ''rechtseitigen''. Vollends in aller Munde sind unzählige unnötige Zusammensetzungen auf ''-los'', ''voll-'' und ''-reich''. ''Lichtvoll'' klingt offenbar erleuchteter als ''klar'', ''bedenkenlos'' und ''grimm-, wonne-, würde-, wollustvoll'' muß für unser stumpfes Sprachgefühl doch viel deutlicher sein als ''grimmig, wonnig, würdig, wollüstig'', so schließen die Liebhaber jener Wörter wenigstens von sich auf uns alle. Doch wir verbitten uns das, wie wir auch nicht glauben, daß jetzt alles ''anmutreich'' statt ''anmutig'' heißen müsse, und daß ''vernunftlos, bedenkenlos, bewegungslos, fraglos, hindernislos, vorsichtslos'' besser seien als ''unvernünftig, unbedenklich, unbeweglich, unbehindert, unfraglich'' und ''unvorsichtig''. Noch auffälliger wird das Zuviel, wenn sich mehr oder minder deckende Wörter zusammengefügt werden; und doch sind Wörter wie ''Treffsicherheit, Spekulationsbetätigung'' in Papieren, ''hierorts'' und ''hierstadts'', das letzte bei einem Gymnasiallehrer selbst unmittelbar neben der Ortsangabe: ''Görlitz, d.... Sept. 90, ordentlich Mode, so daß man sich schon auch über Mädchenkind nicht zu sehr verwundern darf''. — ''Bisheran'' statt ''bisher'', bis jetzt ist eine überflüssige Verlängerung W. Bölsches, und ''reglos'' statt ''regungslos'' bei Keller und Jensen eine falsche Bildung vom Verb statt vom Substantiv. Anders ist natürlich zu urteilen, wenn die Neubildung Neues bezeichnet, wie etwa ''schwereloses Fliegen'', ein Fliegen ohne das Gefühl der Schwere. Auch ''unwertig'' (ohne größern Wert, B. v. Münchh.) sagt anderes als ''wertlos'' oder ''unwert'', und der ungarländische Reformierte den zwar in Ungarn geborenen oder doch lebenden Deutschen, nicht den ungarischen, d. i. madjarischen. Allgemeiner liefern wachsend beliebtere Zusammensetzungen auf ''-haft'' leichtere Gebilde als solche mit ''-artig'', so ''element-, gestalt-, form-, juwelen-, kind-, leichen-, rausch-, schicksal-, sinn[en]-, vermächtnis-'' und ''wildnishaft'', während ''lachhaft'' auf studentische Rede und die Satzaussage beschränkt geblieben ist.  
Endlich gibt es Zusammensetzungen, die auch eine andere Reihenfolge ihrer Bestandteile zeigen als die gewöhnlichen. Während nämlich im allgemeinen nach dem § 28 angedeuteten Grundsatze der engere Begriff als Bestimmungswort vorangeht, gibt es doch auch einige mit umgekehrter Folge, die nicht angefochten werden können. Zu den ältesten Bildungen der Art, Adelsnamen wie ''Uslar-Gleichen'', ''Arnim-Boitzenburg'' haben jüngere Entwickelungen besonders des öffentlichen Lebens andere hinzugefügt, wie ''Basel-Land, Dresden-Neustadt, Dresden-Stadt(-kreis)''; ''Richter-Hagen'', auch: ''Richter (Hagen), Uhlmann-Görlitz''; $Seite 24$ ''(Zusatz-)Antrag Rickert''//1 Gewiß hatte Wustmann recht, daß hier französischer Einfluß mit im Spiele ist; mit dem parlamentarischen Leben kam auch manche seiner Redewendungen aus Frankreich in unsere Sprache. Aber ''das Kabinett Salisbury, der Fall Schnäbele'' ist der kürzeste Ersatz für eine lange Wendung (an dessen Spitze ''S''. steht u. ä.); ''Kloß-Stuttgart'' deckt sich nicht immer einfach mit ''Kloß aus Stuttgart'', sondern ist soviel als Der Kloß, der in Stuttgart gewählt ist, Stuttgart vertritt, Fremder Einfluß zeigt sich hier in jenem Austausch innerer Sprachmittel, festgeprägter Redensarten u. dgl., den O. Brenner, Zeitschrift des Allgem. Deutschen Sprachver. 1891, S. 19 richtig als unvermeidlich bezeichnet.//, ''Prozeß Wilson'' und ''Fall Schnäbele''. Überhaupt darf der Zug in der Entwicklung unserer Sprache nicht verkannt werden, der auf Knappheit, auf Ersatz besonderer Formwörtchen und -zeichen durch den bloßen Klang abzielt, die bloße Zusammenrückung in einer Tonspannung//2 Über Tonwelle u. -spannungen als Mittel der Satzgliederung u. Sprachpflege sorgfältige Ausführungen erst bei Kieseritzby a. a. O.//. Der Berichterstatter wird zwar von ''der Leipziger Ausstellung'' oder ''der Gewerbeausstellung zu Zittau'', der Wanderer von seiner Erquickung durch eine ''Nickauer Gose'' berichten; aber die Ausstellung selbst wird ''Ausstellung Leipzig'' firmieren, wie der Gosenhändler auf seine Aushänge- und Flaschenschilder ''Gose Nickau'' drucken läßt. Auch ''Magistrat Osnabrück'' und selbst ''Villa Meyer'' wird unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen sein.  
Von den ebenfalls zur Zusammensetzung dienenden Partikeln (vgl. oben § 25) erheischen ''un''- und ''be''- besondere Beachtung. 1. Den Haupt- und Eigenschaftswörtern gemeinsam ist die Zusammensetzung mit der abschwächenden, verneinenden oder den Begriff ins Schlimme oder Unnatürliche verkehrenden Vorsilbe ''un''-. Ist sie bei jenen seltener, so wirkt sie bei ihnen auch kräftiger, in alten Bildungen wie ''Unzucht, Untat'' und noch mehr in selteneren und dem einzelnen Schriftsteller eigentümlichen Bildungen wie ''Unort'' bei G. Keller, ''Unwort'' bei J. Grimm. Nie verbindet sich die Partikel mit Verben, indem Wörter wie ''verunzieren, beunruhigen, ein verungnadeter Beamter'' (Minor); ''Brechts ein wenig verunechtete Gedichtsammlung'' (DAZ. 28) und selbst das unschöne verunmöglichen Weiterbildungen von nominalen Zusammensetzungen (''Unzier'', $Seite 27$ ''unruhig'') sind. Danach ist nicht nur ein Wort, wie ''verunalten'' falsch, sondern selbst das ''un''- vor eigentlichen Verbalsubstantiven, d. h. solchen, die noch deutlich die Handlung ausdrücken, hart und unschön. Grimms ''Unbezeichnung der Länge'' ist also nicht besser als Zeitungsausdrücke derart: ''Unberüchsichtigung der Eingabe, Unentschädigung einiger Kalamitosen'' (!). Auch zum ersten Mittelwort passt die Vorsilbe wenig, solange dies nicht völlig adjektivische Bedeutung angenommen hat wie etwa ''unbedeutend'', ''unwissend, ungenügend, unvermögend''; also ''ein nicht uneinnehmendes Wesen, eine nicht unanziehende Arbeit, unstillstehend, unveraltende Prosaerzählungen'' würden besser vermieden. Selbst neben dem zweiten Mittelworte, bei dem ''un''- an sich viel häufiger ist als beim ersten, da es außerhalb der Konjugation immer, wie Haupt- und Eigenschaftswort, etwas Abgeschlossenes bezeichnet, muß die Partikel dann mißfallen, wenn es in eigentlich verbaler Kraft Objekt oder Adverbiale regiert und Zeitformen bilden hilft. Demnach wird man weder Grimm die Sätze nachmachen: ''Garten- und Feldbau sind der allgemeinen Kunde unentzogen'' (statt ''nicht entzogen''); ''es ist ihnen ungelungen, sich eigentlich anzubauen'', noch die Sätze bei B. Schulze-Schmid, Avonianus und Osk. Schmitz billigen: ''Sie waren unverwöhnt vom Leben''. Im Wallenstein erfolgt die Peripetie durch die vom Helden unerwartete Notwendigkeit, sich auch von Max trennen zu sollen. — ''Aus dem nächsten Dörfchen, vor dem ein Teil mit dem weißen Kirchturm unverdeckt war durch die gegenüberliegende Berglehne''. — Ein lebhafteres Sprachgefühl wird auch den Widerstreit empfinden, der zwischen der Vorsilbe ''un''- und den Steigerungsendungen obwaltet; oder ist ''seltener'' nicht natürlicher als ''unhäufiger''? und ist es nicht merkwürdig, wenn eine Behauptung mit dem Ausdrucke, ''sie ist unbegründet'', als ''grundlos'' bezeichnet worden ist, daß dann eine andere ''noch unbegründeter'' genannt wird? Der üble Klang endlich steht der Zusammensetzung solcher längeren Wörter mit ''un''- entgegen, deren erste Silbe allein stark betont ist, wie ''unmißverständliche Entschiedenheit, unstaatswirtschaftliche Grundsätze''. 2. Die Vorsilbe ''be''- verleitet vielfach dazu, daß die diesen zwei Buchstaben freilich kaum anzusehende Fähigkeit, jedes transitive Verbum bequemer konstruierbar (''streuen auf etwas: etwas bestreuen'') und jedes intransitive transitiv zu machen (''fallen: befallen''), überspannt wird, indem ganze Redensarten in ein Zeitwort verdichtet werden, das mit Hilfe der Vorsilbe aus einem substantivischen Bestandteile der Wendung gewonnen wird und das einen Nebenton auf dem ''be''- erhalten muß, der dessen klanglicher Nichtigkeit widerstrebt. Man braucht sich z. B. nicht zu wundern, daß unter Anlehnung an ''räuchern'' aus der Wendung ''einem Weihrauch streuen'' das Wort ''beweihräuchern'' geworden ist, wie ähnlich ''benachteiligen, bevollmächtigen'', und sich zu altem ''bemuttern'' jüngeres ''betochtern'' gesellt hat (Gundolf); und doch wird man den Spott verstehen, den Platen sein ''mit mancher Krone bediademtes Haupt Karls V.'' eingetragen hat, und wird denselben Spott auch selber für ältere Bildungen wie ''bekopfschütteln, beschandflecken, beaugenscheinigen'' bereit haben und nicht minder für das herrliche Zweigespann Jensens: ''beachselzuckt'' und ''belorbeert'' werden, und für ''befezte'' und ''beturbante Köpfe'' in der Tgl. R. oder den ''unbekochten Junggesellen'' bei Zobeltitz. Während des Krieges $Seite 28$ wurden wir ''beliefert (mit ...)'', und seit Bülows Deutscher Politik (''Bismarck wußte das Ausland zu beeindrucken'') wimmelt es von diesem Wort bei Politikern und Nichtpolitikern: ''Der Zar, durch die inzwischen eingegangenen Nachrichten stark beeindruckt'' (Helferich) — ''losgelöst von dem Eindruck und den Beeindruckten'' (Gundolf). Auch H. Federers ''bevogten'' ist nicht viel schöner als sein ''bekuttet'' (1918). Öfter dient jetzt auch ''ver''- zu knappen Neubildungen: ''Menschen, die noch naiv jedes Erlebnis versichtlichen'' (Gundolf); ''die innern Gesetze, die sich in Körper- und Menschenwelt versichtbaren''; ''seine innern Erfahrungen versprachlichen''; ''das Tempo hat sich verlangsamt''; ''verwürdigt, vergleichmäßigt'' (ders.); ''der Alte, Vergraute'' (Federer 26); ''verbedürftigen, verarmseligen'' (DAZ. 29).  
Das Bestreben, die Wiederholung gleicher oder in einer bestimmten Satzart regelmäßig wiederkehrender Satzteile zu vermeiden, hat endlich sogar dazu geführt, daß ungleichartige, d. h. Haupt- und Nebensätze zusammengezogen werden. Freilich nicht allgemein. Ein Herausgeber der Germania durfte z. B. einen Satz des Tacitus nicht also wörtlich nachmachen: ''weil die, welche zuerst den Rhein überschritten, Gallier aus ihren Sitzen vertrieben und jetzt Tungrer'' (fehlt ''heißen''), ''damals Germanen genannt worden seien''. Noch weniger können wir in dem Satzgefüge: ''Außer daß er glaubte, der Friede sei unter des Großvaters Herrschaft notwendig gewesen'', (''glaubte er'') ''auch, daß er die Ruhe, die jenem vergönnt gewesen war, nicht wohl ohne Kränkung werde haben können'', das eingeklammerte Zeitwort des Hauptsatzes $Seite 310$ entbehren, obwohl es im lateinischen Original fehlt. Vor allem dürfen bei der deutschen Art, wonach die Stellung des finiten Verbs ein Hauptmittel ist, Haupt- und Nebensatz zu unterscheiden und jenem an seiner zweiten Stelle im Verbum den Hauptträger zu verleihen, bei der Zusammenziehung höchstens Nebensätze ihr Verbum verlieren. Hauptsächlich sind es kürzere, wie der Fr. Langes: ''Wer in Liebe, der ist in Gott'', und einräumende (''obgleich, obschon, wenn auch''), begründende (''weil'', nicht: ''da'') und auch bedingende (''wenn''). Für jede dieser Satzarten möge ein Beispiel folgen: ''Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich'' (Goethe). ''Er ist, weil besser vorbebereitet, auch des Vorzugs wert. Leichte ephemere Gebilde, die, wenn einmal zerfallen, für immer dahingegangen und unwiederbringlich verloren sind''. Fehlerhaft werden die Sätze, wenigstens die mit ''wenn'' und ''weil'', sobald das Zeitwort des Hauptsatzes gar nicht als Ersatz für das Prädikat des Nebensatzes dienen kann. Also kann man nicht sagen: ''Die Lieferung muß, weil'' (oder ''wenn'') ''verspätet, entsprechend billiger berechnet werden'', sondern nur: ''Weil'' (''wenn'') ''sich die Lieferung verspätet hat, muß sie ... berechnet werden''. Bedenklich wird die Zusammenziehung auch dann, wenn das mit ''weil'' oder ''wenn'' angefügte Wort nicht auf das Subjekt, sondern auf einen andern Fall geht, so daß nicht nur das Zeitwort des Seins, sondern auch noch ein neues Subjekt zu ergänzen wäre, wie in dem Satze: ''Die Kammer bewilligte dem Manne, weil vollständig verarmt, eine jährliche Unterstützung''. Eher kann in bescheidenen Grenzen ein ''weil'' und ''wenn'' vor einer von mehreren Beifügungen gutgeheißen werden, in der Art: ''die neueste, wenn wahr, erschütternde Nachricht''. Diese Beifügungen entsprechen nämlich Sätzen, in denen die Zusammenziehung möglich wäre: ''eine Nachricht, welche, wenn'' (''sie'') ''wahr'' (''ist''), ''erschütternd ist''. Auch daß die bequeme und zugleich das Gedankenverhältnis scharf herausstellende Fügung von dem attributiven Verhältnisse auf das prädikative und adverbiale übergegangen ist, darf nicht wundern: ''Schwerer, weil noch unberechtigter als der angestammte Tyrann drückt immer der ausländische Eroberer''. Ein Zuviel, z. B. zwei solche Fügungen hintereinander, wirkt freilich satzzerstückend: ''Die Straßen sind, obgleich staubig, weil noch ungepflastert, breit angelegt'' (Tgl. R.). Überhaupt muß die Fügung, in der sich die Tagesliteratur förmlich übernimmt, wenigstens in zwei Fällen unbedingt verworfen werden. Das eine Mal, wenn dadurch eine adverbiale Bestimmung des Verbums zu einer attributiven des Subjektes oder eines anderen substantivischen Satzteiles wird: ''die letzten, weil vorurteilsfreien Freunde der Kirche stimmen darin zusammen''; das kann doch nur bedeuten, ''die, welche, weil sie vorurteilsfreier, die letzten Freunde der Kirche sind'' usw. und nicht, was es bedeuten soll: ''die letzten Freunde der Kirche stimmen, weil sie vorurteilsfreier sind, darin überein''. Sodann, und das ist häufiger, ist die Fügung falsch, wenn dadurch die krankhafte Hast befördert wird, was in einzelne Sätze gehört, in hart und scharf aneinander gerückte Satzteile zusammendrängen; verbindet sich doch damit zugleich die Verleitung zu den schon vielmals gerügten ellenlangen und unrhythmischen Attributen; so wenn es in der Tgl. R. heißt: ''die, wenn auch im Werte ungleich'' (!) ''besseren, aber nur mittels Handarbeit herstellbaren Leinenfabrikate'', und in einer $Seite 311$ andern Ztg.: ''ein so reichhaltiges und weil in seiner vorwiegenden Mehrheit der jüngsten Vergangenheit entstrahlend'' (1)//1 In dieser ungebeugten Form kommt die Empfindung zum Ausdruck, daß hier eigentlich kein Attribut, sondern eine partizipiale, besser verbale vollständige Satzfügung vorliegt. Dadurch rechtfertigt sich wohl grammatisch diese Form, aber nicht stilistisch die ganze Fügung, da wir Attribute mit eingeschachtelten Sätzen schon oben § 266 verurteilen mußten.// ''so gesichtertes Material mußte auch zu Untersuchungen führen''.  
Gewicht-, Maß- und Zahlbestimmungen haben, soweit sie männlichen oder sächlichen Geschlechtes sind und nicht zugleich die Form des Maßes oder Stoff und Wesen des Gemessenen andeuten, nach Zahlwörtern überhaupt die Mehrzahl mit der Einzahl gleichlautend, indem diese Formengleichheit von einzelnen Wörtern aus, wie ''Mann'' (''3000 Mann Fußvolk''), und besonders sächlichen, wie ''Faß, Fuder, Maß, Pfund'', und jüngeren, wie ''Taler, Meter'', bei denen sie organisch ist, für den besagten Fall auch auf andere Wörter dieser beiden Geschlechter sowie auf nicht auf ''e'' endigende Feminina übertragen wurde. Während also nie gesagt werden darf: ''3 Elle Stoff, 100 Guinee'', weil diese weiblichen Wörter auf ''e'' enden, heißt es durchaus richtig: ''6 Buch Druckpapier, 4 Fuß 5 Zoll, 2 Faß Bier, nur 3 Glas Wein, 5 Schuß Brot, eine Sendung von 25 Stab Bundeisen, für 2 Pfennig'' und ebenso von ''Mark'': ''10 Mark''//1 Auch ''vier Mandel'' sind ein Schock wird neben ''4 Mandeln'' gesagt; doppelt erklärlich bei dem Einfluß von ''Stück'' und ''Schock'' und bei dem früher und mundartlich häufigen männlichen (auch sächlichen) Gebrauche.//. Diese erstarrte und versteinerte Form ändert sich nun natürlich auch nicht, wenn diese Wendungen von Verhältniswörtern abhängig werden: mit ''4 Stück Hühnern; ein Fluß von 20 Schritt Breite, eine Höhe von 16 1/2 Meter''; ''Der Mietzins wurde mit 12 Taler berechnet (Junker)''. Die Frage ist nur, auf welche Worte alles diese Art der Mehrzahl übertragen werden dürfe. Von den Zeitteilen haben sie gern ''Jahr'' und ''Monat'', doch diese nur im Nominativ und Akkusativ: also ''drei Jahr alt, für 2 Monat'' beziehen kann man neben der Form mit ''e'' mit der Tägl. R. wohl sagen; aber es heißt nur: ''während dreier Jahre, in sechs Monaten''. Dagegen haben ''Stock'' und ''Schuß'' diese Form selbst im zweiten und dritten Falle: ''ein Haus von drei Stock, eine Salve von 20 Schuß'' (neben: ''20 Schüs-'' $Seite 151$ ''sen''). Dagegen schreibt E. Förster bedenklich: ''jedes drei Wort lange Bilett'' und, dies freilich mit manchem anderen: ''Al e Sonnabend kommt der Vikar zu Hermanns''. Überhaupt darf diese Pluralform nicht willkürlich ausgedehnt werden, und an die jüngeren ''Maße'' und ''Münzen'', wie ''Taler, Pfennig, Meter'', das Zeichen des Dativs der Mehrzahl anzuhängen, ist kein Fehler; ''eine Summe von 300 Talern, eine Tiefe von 25 Metern'' liest man und hört also mit Recht neben den Formen ohne ''n''. Selbst von ''Faß, Glas, Krug'' u. ä. tritt ja die wirkliche jetzige Pluralform sofort ein, wenn der Zusammenhang zugleich an die Form und das Aussehen der Meßgefäße denken läßt: ''Glücklicherweise ergriff das Feuer die 20 Fässer mit Erdöl nicht, die in der Niederlage lagen.''  
Sehr häufig ist auch der Fall, daß mehrere Nebensätze gleiche Form und infolgedessen einen oder mehrere Satzteile nur einmal haben und so gemeinsam an ein übergeordnetes Satzglied angeschlossen werden, zu welchem nur der eine gehört. Der Fehler wird umso weniger gemerkt, als die nicht gewollte Wirkung oft lediglich durch das für beide geltende Bindewort herbeigeführt wird. Sehr groß ist die Unstimmigkeit in der Verbindung Auerbachs: ''Nur frei heraus! ermunterte Eugen, da Vittore plötzlich stockte und nun fortfuhr'', und nicht geringer in dem Satze Goethes: ''Die herzlichen Nachrichten von den Sorgen, die sie um meinetwillen gehabt, rührten mich dermaßen, daß ich dergleichen Possen auf ewig verschwor, mir aber doch leider in der Folge manchmal etwas Ähnliches habe zuschulden kommen lassen''. Auch der folgende Satz der Tgl. R. leidet an dem Übelstande, daß in derselben Fügung, in der von der Teilnahme an einer Sache, auch von einem Nichtteilnehmer die Rede ist: ''Beim Dessert wurde ein Ausflug durch den Wald zu einem Chutorj verabredet, an dem die Jugend zu Pferde teilnehmen sollte, während die älteren Damen den Jagdwagen vorzogen und der Fürst W. zu Hause bleiben wollte'' (besser: ''nur der Fürst W. wollte zu Hause bleiben'').  +
Doppelt häßlich wird das Wegzerren der Präposition von dem abhängigen Worte dann, wenn das Einschiebsel nicht ein einfaches Adverb, sondern ein Satzglied ist, das selber wieder aus einer Präposition und einem davon abhängigen Worte besteht; dann entsteht der Fall, daß zwei Präpositionen unmittelbar hintereinander geraten — für jeden Menschen von feinerm Gefühl eine der beleidigendsten Spracherscheinungen. Und doch wird auch so jetzt fortwährend geschrieben! Da heißt es: ''in im Ratsdepositorium befindlichen Dokumenten — in zur Zeit nicht zu verwirklichenden Gedanken — durch vom Kriege unberührtes Land — durch von beiden Teilen erwählte Schiedsrichter — durch für ein weiches Gemüt empfindlichen Tadel — mit in Tränen erstickender Stimme — mit vor Freude strahlendem Gesicht — mit vor keinem Hindernis zurückschreckender Energie — mit auf die Wand aufgelegtem Papier — mit für die Umgebung störendem Geräusch — mit nach außen kräftigen Institutionen — mit über die ganze Provinz verteilten Zweigvereinen — mit mit'' (!) ''schwarzem Krepp umwundnen Fahnen — bei nach fürstlichen Personen benannten Gegenständen — das Sammeln von an sich wertlosen Dingen — die Frucht von durch Jahrtausende fortgesetzten Erfahrungen — eine große Anzahl von in einzelnen Fächern weiter ausgebildeten jungen Männern — die Schülerzahl stieg'' $Seite 311$ ''von über zwei gleich auf über sechshundert — die Falter werden mittelst auf mit'' (!) ''Öl begossene Teller gestellter Gläser gefangen''. Man kann diesen Zusammenstoß sehr leicht vermeiden und auf die verschiedenste Weise; entweder durch einen Nebensatz: ''durch Land, das vom Kriege noch unberührt geblieben war'' — oder durch einen wirklichen Genitiv statt ''von'': ''das Sammeln an sich wertloser Dinge'' — oder durch einen Ausdruck, der dasselbe sagt wie die Präposition: ''von mehr als zweihundert'' (statt ''von über'') oder durch ein zusammengesetztes Wort: ''mit freudestrahlendem Gesicht'' usw. Aber alle diese Mittel werden verschmäht, lieber versetzt man dem Leser den stilistischen Rippenstoß, unmittelbar hinter einer Präposition noch eine zweite zu bringen!//* Ein harmloses Menschenkind, dem die zwei Präpositionen hintereinander doch wider den Strich gingen, schrieb: ''mit Zumherunterlassen eingerichteten Fenstern!''//  
Seit Martin Opitz schrieb: ''Ob mich wohl dergleichen unbillige Widerwärtigkeiten oftermals kaum nicht'' (= ''fast immer'') ''zwinget zu sagen: vellem nescire'', ist diese Art, einen positiven Begriff durch zwei negative auszudrücken, immer beliebter geworden. Freilich dürfen selbst in dieser Weise zwei Verneinungen im Deutschen nur mit Maß angewandt werden. Man mag immerhin sagen: ''nicht ohne Bedenken, das war schwerlich unbeabsichtigt, bei Gott ist kein Ding unmöglich'' u. a., wo die eine Negation mit einem Worte wirklich eins ist. Aber mehr lateinisch und schwieriger zu verstehn ist es schon, wenn in der Nat.-Ztg. steht: ''Von den Dutzenden von Schauspielerinnen, die wir in der Rolle gesehen haben, hat keine nicht gefallen'' = ''hat jede gefallen'' oder ''keine mißfallen'', wie die Fortsetzung lehrt: ''die Rolle hebt eben ihre Trägerin''. Denn wenn die Sprache für das Gegenteil eines Begriffs ein einheitliches Wort ausgebildet hat, so soll es auch nicht oder doch nicht ohne besondern Grund durch die bloße Vorsetzung von ''nicht'' ausgedrückt werden. Also sage man ''ein uneigennütziger'', nicht ''ein nicht eigennütziger Mensch, Mißerfolg'', nicht ''Nicht-Erfolg''. Es ist kein Zufall, daß der Satz: ''Nichts nicht Lobwürdiges war zu sehen, von einem Altphilologen herrührt''.  +