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D
Recht vorsichtig sollte man immer in dem Gebrauche der persönlichen Fürwörter sein. Wer schreibt, der weiß//* Der Deutsche sagt dafür ''Renommage'', ein Wort, das es im Französischen gar nicht gibt!// $Seite 2019$ ja, wen er mit einem er oder ihn meint; der Leser aber versteht oft falsch, weil mehrere Hauptwörter vorhergegangen sind, auf die sich das Fürwort beziehen kann, sucht dann nach dem richtigen Wort und wird so in ärgerlicher Weise aufgehalten. Wo daher ein Mißverständnis möglich ist, ist es immer besser, statt des Fürworts wieder das Hauptwort zu setzen, besonders dann, wenn im vorhergehenden zwei Hauptwörter einander gegenübergestellt worden sind. Leider macht sich auch hier wieder der törichte Aberglaube breit, daß es unschön sei, kurz hintereinander mehreremal dasselbe Wort zu gebrauchen. Man nehme folgende Sätze: ''Schon in Goethe, ja schon in dem musikliebenden Luther findet sich das unbestimmte Vorgefühl einer solchen Entwicklung; Goethe hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht, sich der bildenden Kunst zu widmen, und die Haupttat Luthers, die Bibelübersetzung, ist eine wesentlich künstlerische Tat''. Das sind gewiß ein paar gute, tadellose Sätze, so klar, übersichtlich und wohlklingend, wie man sie nur wünschen kann. Da kommt nun der Papiermensch drüber und sagt: Entsetzlich! da steht ja zweimal hintereinander ''Goethe'' und zweimal hintereinander ''Luther''! Jedes zweite mal ist vom Übel, also weg damit! Es muß heißen: ''der eine und der andre'', oder ''jener und dieser'', oder — und das ist das schönste von allem —: ''ersterer und letzterer''. Also: ''schon in Goethe, ja schon in dem musikliebenden Luther findet sich das unbestimmte Vorgefühl einer solchen Entwicklung: ersterer hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht, sich der bildenden Kunst zu widmen; und die Haupttat des letztern, die Bibelübersetzung, war eine wesentlich künstlerische Tat''. Über die häßliche Komparativbildung ''ersterer und letzterer'' ist schon früher bei den Relativsätzen gesprochen worden (S. 121). Wie häßlich ist aber erst — dort wie hier — die Anwendung! Das angeführte Beispiel ist ja verhältnismäßig einfach, und da es vorher mit Wiederholung der Namen gebildet worden ist, so sieht man $Seite 220$ leicht, worauf sich ''ersterer und letzterer'' beziehen soll. Aber welche Qualen kann dem Leser in tausend andern Fällen ein solches ''ersterer und letzterer, dieser und jener'' bereiten! Man hat ja, wenn man arglos vor sich hinliest, keine Ahnung davon, daß sich der Schreibende gewisse Wörter gleichsam heimlich numeriert, um hinterher plötzlich von dem Leser zu verlangen, daß der sie sich auch numeriert und — mit der Nummer gemerkt habe. Auf einmal kommt nun so ein verteufeltes ''ersterer''. Ja wer war denn der erstere? Hastig fliegt das Auge zurück und irrt in den letzten zwei, drei Zeilen umher, um darnach zu suchen. ''Ersterer'' — halt, da steht er: ''Luther!'' Also: ''Luther hatte bekanntlich bis zu seinem vierzigsten Jahre die ernstliche Absicht,sich der bildenden Kunst zu widmen''. Unsinn! der andre muß es gewesen sein, also noch einmal suchen! Richtig, hier steht er: ''Goethe!'' Also: ''Goethe hatte bekanntlich die ernstliche Absicht'' — Gott sei Dank, jetzt sind wir wieder im Fahrwasser. Zum Glück verläuft ja in Wirklichkeit dieses Hinundhergeworfenwerden etwas schneller; aber angenehm ist es nicht, und doch, wie oft muß mans über sich ergehen lassen! Hier noch ein paar weitere Beispiele: ''Diskretion ist eine Tugend der Gesellschaft; diese kann nicht ohne jene bestehen — unerfahrne Kinder und geübte Diplomaten haben das oft blitzartige Durchschauen von Menschen und Charakteren miteinander gemein, aber freilich aus verschiednen Gründen: jene besitzen noch den Blick für das Ganze, diese schon den für die Einzelheiten des menschlichen Seelenlebens — wie Rafael in der Form, ist Rembrandt in der Farbe nichts weniger als naturwahr: dieser hat seinen selbständigen und in gewissem Sinne unnatürlichen Stil gerade so gut wie jener: und insofern Rembrandt in seinen Bildern sogar eine noch intensivere persönliche Handschrift zeigt als Rafael, hat der erstere noch mehr Stil als der letztere — der Gelehrte ist seinem Wesen nach international, der Künstler national; darauf gründet sich die Überlegenheit des letztern über den erstern — dieser Umschwung ist wieder durch den Egoismus bewirkt worden, nur daß $Seite 221$ es diesmal nicht der des Gebers, sondern der des Nehmers war; jener hat in diesem seinen Meister gefunden, letzterer das Werk würdig fortgesetzt''. Alle solche Sätze sind eine Qual für den Leser. Wer ist ''dieser'', wer ist ''jener'', wer ist ''letzterer''? In dem letzten Beispiele sollen ''dieser'' und ''jener'' der Geber und der Nehmer sein, aber in welcher Reihenfolge? ''Dieser'' soll sich auf den näherstehenden, ''jener'' auf den fernerstehenden beziehen, ''letzterer'' bezieht man unwillkürlich zunächst auf Meister, es ist aber wieder der Nehmer gemeint. Ist es da nicht viel gescheiter, zu schreiben: ''dieser Umschwung ist wieder durch den Egoismus bewirkt worden, nur daß es diesmal nicht der des Gebers, sondern der des Nehmers war; der Geber hat im Nehmer seinen Meister gefunden, der Nehmer hat das Werk würdig fortgesetzt''? Das ist sofort verständlich, und alles ängstliche Umkehren und Suchen fällt weg. Ein ganz besondrer Mißbrauch wird noch mit ''letzterer'' allein getrieben. Viele sind so verliebt in dieses schöne Wort, daß sie es ganz gedankenlos (für ''dieser''!) auch da gebrauchen, wo gar keine Gegenüberstellung von zwei Dingen vorhergegangen ist: sie weisen damit einfach auf das zuletzt genannte Hauptwort zurück; z. B.: ''das Preisgericht hat seinen Spruch getan, letzterer greift jedoch der Entscheidung nicht vor — das Pepton wird aus bestem Fleisch dargestellt, sodaß letzteres bereits in löslicher Form dem Magen zugeführt wird — Krüge, Teller und Schüsseln bilden das Material, dem die dichterischen Ergüsse anvertraut werden; sind letztere aber elegischer Natur, so finden wir sie auf Grabsteinen und Votivtafeln — in der offiziösen Sprache schreibt man erst dann von gestörten Beziehungen, wenn der Krieg vor der Tür steht, und daß letzteres nicht der Fall sei, glauben wir gern — je weiter entwickelt die Kultur eines Volkes ist, desto empfindlicher ist letzteres gegen gewaltsame Eingriffe — die Stellungnahme'' (!) ''des Pietismus zu den Kantoreien mußte auf die letztern lähmend wirken — die Genossen, die ohne Kündigung die Arbeit eingestellt hatten und letztere nicht sofort wieder aufnahmen — F. schlug den Wachtmeister über den Kopf, als letzterer'' $Seite 222$ (''der Kopf''?) ''seine Zelle betrat — diese Aufsätze sind verhaltne lyrische Gedichte, von letztern'' (''solchen''!) ''nur durch die Form verschieden'' usw. Wenn solche Gedankenlosigkeit weitere Fortschritte macht, so kommen wir noch dahin, daß es in lateinisch-deutschen Wörterbüchern heißen muß: ''hic, haec, hoc: letzterer, letztere, letzteres'' (ebenso wie ''qui, quae, quod: welch letzterer, welch letztere, welch letzteres'').  
Als Inversion (Umkehrung, Umstellung) bezeichnet man es in der deutschen Grammatik, wenn in Hauptsätzen das Prädikat vor das Subjekt gestellt wird. Mit Inversion werden alle direkten Fragesätze gebildet, aber auch Bedingungssätze, wenn sie kein Fügewort haben (''hätte ich dich gesehen''), und Wunsch- und Aufforderungssätze. Aber auch Aussagesätze müssen die Inversion haben, sobald sie mit dem Objekt, mit einem Adverbium oder einer adverbiellen Bestimmung anfangen; es heißt: ''den Vater haben wir — dem'' $Seite 298$ ''Himmel haben wir — gestern haben wir — dort haben wir — schon oft haben wir — aus diesem Grunde haben wir — trotzdem haben wir — zwar haben wir — freilich haben wir — auch haben wir'' usw., nicht (wie im Französischen und im Englischen) ''gestern wir haben''. Ebenso ist die Inversion in Aussagesätzen am Platze bei dem begründenden ''doch'': ''habe ich es doch selber mit angesehen!'' Dagegen ist die Inversion völlig ausgeschlossen hinter Bindewörtern; es heißt: ''oder wir haben, aber wir haben, sondern wir haben, denn wir haben''. Nur hinter ''und'', das doch unzweifelhaft ein Bindewort ist, halten es viele nicht bloß für möglich, sondern sogar für eine besondre Schönheit, die Inversion anzubringen und zu schreiben: ''und haben wir''. Der Amtsstil, der Zeitungsstil, der Geschäftsstil, sie wimmeln von solchen Inversionen nach ''und'', viele halten sie für einen solchen Schmuck der Rede, daß sie selbst da, wo zwei Aussagesätze dasselbe Subjekt haben, es also genügte, zu sagen: ''die erste Lieferung ist soeben erschienen und liegt in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus'' — nur um die Inversion anbringen zu können (!), das Subjekt wiederholen, und zwar in der Gestalt des schönen ''derselbe'', und schreiben: ''die erste Lieferung ist soeben erschienen, und liegt dieselbe in allen Buchhandlungen zur Ansicht aus — die Fluchtlinie und das Straßenniveau werden vom Rate vorgeschrieben, und sind dieselben dieser Vorschrift entsprechend auszuführen''. Bedarf es noch weiterer Beispiele? Wohl nicht. Sie stehen dutzendweise in jeder Zeitungsspalte. ''Der Beginn der Vorstellung ist auf sechs Uhr festgesetzt, und wollen wir nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen — der Verein hat sich in diesem Jahre außerordentlich günstig entwickelt, und finden die Bestrebungen desselben allgemeine Anerkennung — die alte Orgel war sehr baufällig geworden, und wurde die Reparatur dem Orgelbaumeister Herrn G. übertragen — der Austernfang ist in letzter Zeit sehr ergiebig gewesen, und wurden am Dienstag wieder 10000 Stück in die Stadt gebracht — sämtliche Stoffe'' $Seite 299$ ''sind von mir für Leipzig engagiert, und können daher dieselben Muster nicht von andrer Seite geboten werden — das Motorzweirad hat den Anhängewagen wieder in den Vordergrund gerückt, und steigt die Nachfrage nach letzterem'' (!) ''mehr und mehr'' — anders wird gar nicht geschrieben. ''Prof. Virchow ist hier eingetroffen, und fand'' — na, was fand er denn? ''eine begeisterte Aufnahme''? Gott bewahre! — ''und fand ihm zu Ehren ein Festmahl statt''. Es gibt aber auch Frauen und Mädchen, die imstande sind, in einem zweiseitigen Briefe sechs Inversionen anzubringen, und damit wunder was für ein feines Briefchen gedrechselt zu haben glauben! Einigermaßen erträglich wird die Inversion nach ''und'', wenn an der Spitze des ersten Satzes eine adverbielle Bestimmung steht, die sich zugleich auf den zweiten Satz bezieht, z. B.: ''hier hört das Rostocker Stadtrecht auf und fängt die gesunde Vernunft an — so werden unsre Reichen mit Wintergemüse versorgt und wird die Zahl der Genußmittel um einige überflüssige vermehrt — zum Glück gibt es noch anständige Meister und nehmen die Fabriken einen großen Teil der jungen Leute auf — selbstverständlich gehört Freigebigkeit gegen die Priester zu den Hauptbestandteilen der Frömmigkeit und ist Geiz gegen sie die größte aller Sünden — zur Pflege der Geselligkeit fand im Januar eine Christbescherung statt und wurden im Laufe des Sommers mehrere Ausflüge unternommen — nach der Schilderung Fletchers bestand am Ende des siebzehnten Jahrhunderts ein Fünftel der Bevölkerung aus Bettlern und befand sich die Hälfte des Grundbesitzes in den Händen einer trägen, nichtsnutzigen und gewalttätigen Menschenmasse — wo Hindernisse im Wege stehen'' (Adverbsatz), ''pflegt sich die Menge innerhalb des ersten Kreises zu halten, und kommt die Überschreitung des zweiten nur selten vor.'' Man hat diesen Fall besonders die „Inversion nach Spitzenbestimmung" genannt. Auf keinem Kunstgebiete kann es ein so schlagendes Beispiel für die Verschiedenheit des Geschmacks geben, $Seite 300$ wie auf dem Gebiete der Sprache die Inversion nach ''und''. Der Beamte, der Zeitungsschreiber, der Kaufmann hält sie für die größte Zierde der Rede; für den sprachfühlenden Menschen ist sie der größte Greuel, der unsre Sprache verunstaltet, sie geht ihm noch über ''seitens'', über ''bezw.'', über ''diesbezüglich'', über ''selbstredend'', sie erregt ihm geradezu Brechreiz. Sie ist ihm so zuwider, daß er sie auch nach der „Spitzenbestimmung" nicht schreibt; selbst da gibt er lieber, um jeden Anklang an die widerwärtige Verbindung zu vermeiden, die Inversion, die der erste Satz mit Recht hat, im zweiten Satz auf und schreibt: ''übrigens hatte diese Ordnung nichts puritanisches an sich, und das Joch der Sittenzucht war nicht übermäßig schwer'' (statt: ''und war das Joch''). Das widerwärtige der Inversion liegt nicht nur in dem grammatischen Verstoß, sondern vor allem in der logischen Lüge: die Inversion sucht den Schein engerer, ja engster Gedankenverbindung zu erwecken, und doch haben die beiden Sätze, die so verbunden werden, inhaltlich gewöhnlich gar nichts miteinander zu tun. Darum ist auch die Inversion nur selten dadurch zu verbessern, daß man die beiden Hauptsätze in Haupt- und Nebensatz verwandelt, noch seltner dadurch, daß man Subjekt und Prädikat hinter und in die richtige Stellung bringt, sondern weist dadurch, daß man den Rat befolgt, den schon der junge Leipziger Student Goethe (offenbar nach einer Vorschrift aus Gellerts Kolleg über deutschen Stil) seiner Schwester Cornelie gab, wenn sie in ihren Briefen Inversionen geschrieben hatte: einen Punkt zu setzen, das ''und'' zu streichen und mit einem großen Anfangsbuchstaben fortzufahren. Die Inversion ist aber auch eins der merkwürdigsten Beispiele des wunderlichen Standpunktes, den manche Sprachgelehrten zu der Frage über Richtigkeit und Schönheit der Sprache einnehmen. Es gibt Germanisten, die sagen: mir persönlich (!) ist die Inversion auch unsympathisch (!), aber „eigentlich falsch" kann man sie nicht nennen, denn sie ist doch sehr alt, sie findet sich schon im Althochdeutschen, im Mittelhochdeutschen, bei $Seite 301$ Luther, sehr oft im siebzehnten und im achtzehnten Jahrhundert, und ihre große Beliebtheit gibt ihr doch ein gewisses Recht. Als ob eine häßliche Spracherscheinung dadurch schöner würde, daß sie jahrhundertealt ist!//* Die Inversion findet sich in der ältern Zeit auch nach ''denn'' und ''nämlich''; wird das heute jemand nachmachen wollen? Vortrefflich schließt O. Erdmamn einen Aufsatz über die Geschichte der Inversion mit den Worten: „Das historische Studium des ältern Sprachgebrauchs soll einem vernünftigen und kräftigen Streben nach Regelrichtigkeit des gegenwärtigen und künftigen nicht hinderlich, sondern förderlich werden."// Wer hat denn zu entscheiden, was richtig und schön sei in der Sprache: der sprachkundige, sprachgebildete, mit feinem und lebendigem Sprachgefühl begabte Schriftsteller, oder der Kanzlist, der Reporter und der „Konfektionär"? Ein Schriftsteller, der die Inversion nach ''und'' aufs strengste vermieden hat, ist Lessing. Ich denke, der wird genügen.  
''Daß ich sei'' oder: ''daß ich wäre''! Oder? Was heißt ''oder''? Ist es gleichgültig, welches von beiden gesetzt wird? oder richtet sich das nach dem Tempus des regierenden Hauptsatzes? Mit andern Worten: gibt es nicht auch im Deutschen etwas ähnliches wie eine consecutio temporum, die vorschreibt, daß auf die Gegenwart im Hauptsatz auch die Gegenwart im Nebensatze, auf die Vergangenheit im Hauptsatz auch die Vergangenheit im Nebensatze folgen müsse? Das Altdeutsche hat seine strenge consecutio temporum gehabt. Die hat sich aber schon frühzeitig gelockert, und zwar ist in den nieder- und mitteldeutschen Mundarten der Konjunktiv der Vergangenheit, in den oberdeutschen der Konjunktiv der Gegenwart bevorzugt worden. Dort ist die Vergangenheit auch nach Hauptsätzen der Gegenwart, hier die Gegenwart auch nach Hauptsätzen der Vergangenheit vorgezogen worden. Eine weitere Entwicklungsstufe, auf der wir noch stehen, ist die, daß die Eigentümlichkeit der oberdeutschen Mundarten, die Bevorzugung der Gegenwart, weiter um sich griff und mit der Eigentümlichkeit der mittel- und niederdeutschen in Kampf geriet. Schon Luther schreibt (Ev. Joh. 5, 15): ''der Mensch ging hin und verkündigte es den Juden, es sei Jesus, der ihn gesund gemacht habe. Der gegenwärtige Stand ist der — was namentlich auch für Ausländer gesagt sein mag'' —, daß es in allen Fällen, mag im regierenden Satze die Gegenwart oder die Vergangenheit stehen, im abhängigen Satze unterschiedlos ''sei'' und ''wäre'', ''habe'' und ''hätte, gewesen sei'' und ''gewesen wäre, gehabt habe'' und ''gehabt hätte'' heißen kann. Es ist ebensogut möglich, zu sagen: ''er sagt, er wäre krank — er sagt, er wäre krank gewesen — er sagte, er sei krank — er sagte, er sei'' $Seite 148$ ''krank gewesen — wie: er sagt, er sei krank — er sagt, er sei krank gewesen, er sagte, er wäre krank — er sagte, er wäre krank gewesen''. In der Schriftsprache ziehen viele in allen Fällen den Konjunktiv der Gegenwart als das Feinere vor und überlassen den Konjunktiv der Vergangenheit der lässigern Umgangssprache. Wenn sich aber jemand in allen Fällen lieber des Konjunktivs der Vergangenheit bedient, so ist auch dagegen nichts Ernstliches einzuwenden. Wen vollends die Verwirrung der Tempora in seinem Sprachgefühl verletzt, wem es Bedürfnis ist, auch jetzt noch eine ordentliche consecutio temporum zu beobachten, den hindert nichts, auch das zu tun. Das alles ist nun freilich eine Willkür, die ihresgleichen sucht; aber der tatsächliche Zustand ist so. Glücklicherweise hat diese Willkür doch ihre Grenzen, und daß von diesen Grenzen die wenigsten eine Ahnung haben, ist nun wieder einer der traurigsten Beweise von der fortschreitenden Abstumpfung unsers Sprachgefühls.  
Mit wachsender Schnelligkeit hat sich endlich noch ein Fehler in der Attributbildung verbreitet, der für einen $Seite 204$ Menschen von feinerm Sprachgefühl etwas höchst beleidigendes hat, gegen den aber die große Masse schon ganz abgestumpft ist: der Fehler, die mit ''weise'' zusammengesetzten Adverbia als Adjektiva zu behandeln. Man schreibt jetzt frischweg, als ob es so ganz in der Ordnung wäre: ''die teilweise Erneuerung, die stufenweise Vermehrung, die ausnahmsweise Erlaubnis, die zwangsweise Versteigerung, die bruchstückweise Veröffentlichung, die heftweise Ausgabe, die stückweise Bezahlung, die auszugsweise Abschrift, die pfennigweisen Ersparnisse, die vergleichsweise Erledigung, die leihweise oder schenkungsweise Überlassung, der glasweise Ausschank, die probeweise Anstellung, die reihenweise Aufstellung, die versuchsweise Aufhebung, die abwechslungsweise Verteilung'' usw., ja nach einer Dorfversammlung läßt man sogar die Leute in ihre ''beziehungsweisen'' (!) ''Behausungen'' zurückkehren. Es wird einem ganz griechisch zumute, wenn man so etwas liest. Die griechische Sprache ist imstande, das zwischen Artikel und Hauptwort tretende Attribut auch durch ein Adverb oder einen adverbiellen Ausdruck zu bilden.//* Die englische in einzelnen Fällen, wie: ''the now king, the then ministry, the above rule, the above heading'', die aber nicht von allen englischen Grammatikern gebilligt werden.// Im Griechischen kann man sagen: ''das jetzt Geschlecht'' (''to nyn genos'') für: ''das jetzige Geschlecht, der heute Tag'' für: ''der heutige Tag, der jedesmal König'' für: ''der jedesmalige König, die dazwischen Zeit'' für: ''die dazwischenliegende Zeit, der zurück Weg'' für: ''der zurückführende Weg, die allzusehr Freiheit'' für: ''die allzugroße Freiheit''. Mit unsern Adverbien auf ''weise'' lassen sich im Griechischen namentlich gewisse mit der Präposition ''kata'' und dem Akkusativ gebildete Ausdrücke vergleichen, wie: ''kata mikron'' (''stückweise''), ''kat enianton'' (''jahrweise, alljährlich''), ''kath imeran'' (''tageweise''), ''kath ena'' (''einer auf einmal''), ''i kath imeran trofi, die tageweise Nahrung''. Im $Seite 205$ Deutschen sind derartige Verbindungen ganz unmöglich.//* Wenn eine Zeitung schreibt: ''das Bild zeigt den Kaiser in fast Lebensgröße'', so liegt wohl nur eine verkehrte Wortstellung vor (''in fast'' statt ''fast in'').// Dem, der sie gebraucht, fällt es auch gar nicht ein, in einer Verbindung, wie: ''die schrittweise Vervollkommnung'' das ''schrittweise'' als Adverb aufzufassen, er meint, er schreibe wirklich ein Adjektivum hin, er dekliniert ja auch: ''ein teilweiser Erlaß''. Das ist aber eben die Verwirrung. Die mit ''weise'' zusammengesetzten Wörter sind Adverbia, die aus Genitiven entstanden sind. Man sagte zunächst: ''glücklicher Weise, törichter Weise, verkehrter Weise'', wie man auch sagte: ''gewisser Maßen'' (''die Maße'' hieß es ursprünglich). Dann dachte man nicht mehr an den Genitiv, sondern wagte auch andre Zusammensetzungen (''versuchsweise'' ist eigentlich: ''nach'' oder ''auf Versuchs Weise''), und endlich bildete man sich gar ein, vielleicht verführt durch den Gleichklang mit ''weise'' (''sapiens''), diese Zusammensetzungen wären Adjektiva. Das sind sie aber nicht; man kann wohl etwas ''teilweise erneuern, ausnahmsweise erlauben, zwangsweise versteigern, bruchstückweise veröffentlichen'', man kann sich ''schrittweise vervollkommnen'', aber ''die schrittweise Vervollkommnung'' ist eine Verirrung des Sprachgefühls, die nicht um ein Haar besser ist, als ''das entzweie Glas, der extrae Teller, der sehre Hunger'', und die bisweilen im Scherz gebildeten Ausdrücke, in denen man Präpositionen wie Adjektiva behandelt: ''ein durcher Käse, eine zue Droschke, ein auses Heft'' (statt: ''ein ausgeschriebenes'').//** ''Im Stephansdom in Wien ist etwas bei sogleicher Wegweisung verboten''.// Mancher wird einwenden: daß ein Adverbium zum Adjektivum wird, ist doch kein Unglück, es ist auch sonst geschehen. Mit ''zufrieden, vorhanden, ungefähr'' ist es ebenso gegangen. Erst sagte man: ''ich kann mir das ungefähr vorstellen'', dann wagte man auch: ''ich habe davon eine ungefähre Vorstellung''. Andre werden einwenden: dieser Mißbrauch (wenn es einer ist) $Seite 206$ gewährt doch unleugbar eine Bequemlichkeit, wo soll man einen Ersatz dafür hernehmen? Früher sagte man: ''partiell'' (''die partielle Renovation''), ''fragmentarisch'' (''die fragmentarische Publikation''), ''exzeptionell, obligatorisch, relativ, provisorisch''. Nun meiden wir die Fremdwörter und sagen: ''die teilweise Erneuerung, die bruchstückweise Veröffentlichung'', und da ist es wieder nicht recht. Das sind hinfällige Einwände. Wer sich der adverbiellen Natur dieser Zusammensetzungen bewußt geblieben ist — und solche Menschen wird es doch noch geben dürfen? —, oder wer sie sich wieder zum Bewußtsein gebracht hat, was gar nicht schwer ist, der bringt Ausdrücke wie: ''teilweise Erneuerung'' weder über die Lippen noch aus der Feder.//* Heinrich von Treitschke, auch ein Meister in der Kunst, deutsch zu schreiben, haßte sie aus tiefster Seele.// Einzelne dieser Verbindungen sind ja nichts als Sprachschwulst oder Ungeschick: für ''schenkungsweise Überlassung eines Bauplatzes'' genügt doch wahrhaftig ''Schenkung'', und statt: ''die teilweise Veröffentlichung der Briefe'' kann man doch sagen: ''die Veröffentlichung eines Teils'' oder ''von Teilen der Briefe''. Alle aber lassen sich vermeiden, wenn man sich nur von der Manier freihält oder wieder freimacht, in der unsre ganze Schriftsprache jetzt befangen ist, der greulichen Manier, zum Hauptsinnwort eines Satzes immer ein Substantiv zu machen, statt ein Zeitwort. Wir müssen wieder Verba schreiben lernen, wir müssen vor allen Dingen einen Satz wieder mit dem Verbum anfangen lernen, was sich heute kaum noch jemand getraut, dann wird so mancher andre Unrat auch wieder verschwinden. Statt zu schreiben: ''es wurde eine Resolution angenommen, die die zeitweise Aufhebung der Kornzölle verlangte'' — schreibe man doch: ''die verlangte, die Kornzölle zeitweise aufzuheben'', statt: ''ihre teilweise Begründung mag diese Gleichgiltigkeit darin finden'' — schreibe man doch: ''begründet mag diese Gleichgiltigkeit zum Teil darin sein'' — und alles ist in bester Ordnung.  
Der in § 204 behandelte Fehler wird noch schlimmer, wenn die Ergänzung der dem Hauptwort vorangehenden Beifügung durch einen ganzen Satz gegeben ist. Denn ein Begriff, der erst durch einen Satz in seiner Geltung bedingt und begrenzt werden muß, ist nicht geeignet zur Beifügung, deren innerstes Wesen in der Angabe einer dauernden Eigenschaft oder doch eines für den Einzelfall abgeschlossenen Zustandes beruht. Leicht fühlt auch jeder das Ungebührliche solcher Fügungen: ''den zürnenden Gott, als die Heruler ihren Gegnern unterlagen; eine von der Regierung einberufene ... Kommission, um eine Pharmakopöe ... auszuarbeiten'' (statt ''eine Kommission, die einberufen ist, um'' usw.), ''der von den Gläubigern angenommene Vergleich, um den Fortbestand eines so alten Hauses zu ermöglichen''. Vgl. § 183 a. E.  +
Vom reflexiven Verbum ist wie gesagt im strengen Sinne ein ihm genau entsprechendes Partizip, d. h. eines mit Reflexivum neben sich, nicht möglich. Die vielen Papiermenschen, die das nicht wissen, könnten es wahrlich vom Volke lernen, das z. B. denen, die sich vorsehen sollen, zuruft: ''Vorgesehen!'' und das den Zustand derer, die sich erhitzt, erkältet, betrunken, auf etwas versessen haben, ''erhitzt, erkältet, betrunken, versessen'' nennt. Wo sich dieser Brauch nachmachen läßt, d. h. wo aus einem reflexiven Ausdrucke einer für den entsprechenden Zustand werden kann, wird er immer glücklich wirken, ob nun Schlözer sagt: ''bei den Gemeinden eingeschlichene frondfreie Personen''; Grimm: ''eine . . . vom Nordmeer an durch ganz Niederdeutschland erstreckte Sprache'', und: ''ein verkrochenes Wiesenblümchen''; oder Hagedorn: ''dein um mich bemühter Wille''; W. Hauff: ''Sie hatte die ereiferte Frau ausreden lassen''; A. Stifter: ''Steine, um die schon verfrühte Tierchen spielten''; Jensen: ''die geflüchteten Einwohner''; G. Keller: ''mit der im Ehestande angewöhnten häuslichen Tätigkeit'', und: ''die mutwillig verirrten Kinder'', oder das Volk: ''die dabei beteiligten Burschen'' und Hindenburg: ''Es erscholl kein Siegesjubel auf seiten einer der abgerungenen Parteien'', und: ''abgekämpfte Divisionen'', die Woche (26): ''mit gesträubtem Haar'' und Trentini: ''die mit gierigen Rändern in den Himmel eingefressenen Wolken''; Handel-Mazz.: ''einem überessenen Faun''; Chr. Morgenstern: ''verflogene Violenklänge'' und DAZ. 28: ''die Fabrikarbeiterin, die auf den heimgefundenen Bürgerssohn verzichtet hat''. So wird also auch nicht zu tadeln sein: ''Hoffentlich ist es gelungen zu beweisen, daß Ausstellungen keineswegs überlebt und erschöpft sind''; aber statt ''der sich veränderten Verhältnisse'' wird man fordern: ''die veränderten Verhältnisse'', öfter werden Relativsätze nötig sein, wenn nicht entweder das neben dem zweiten Partizip unmögliche ''sich'' eingeschmuggelt oder durch seine Weglassung ein anderer Sinn hervorgerufen werden soll, wie das immer der Fall sein würde beim reflexivischen Gebrauche an sich transitiver Verben. Also nicht: ''der zurückgezogene Seidenhändler'' (W. Raabe) statt: ''der Seidenhändler, der sich zurückgezogen hatte'', oder: ''viele Beispiele fremder ins Deutsche eingeschlichener Ausdrücke'', sondern: ''fremder Ausdrücke, die sich ins Deutsche eingeschlichen haben'', noch auch: ''der sich in den dunklen Hausflur eingeschlichene Dieb'', sondern: ''der Dieb, der sich eingeschlichen hatte''. Noch einige Beispiele, wie es nicht heißen $Seite 116$ soll: ''die im Elsaß herausgebildeten Zustände'' (Kronprinz Wilhelm / Rosener) und zahllos in Berichten, Gesuchen und Anzeigen der Zeitungen: ''ein sich geübter'' (statt bloß: ''ein geübter'') ''Verkäufer, die sich eingefundenen Gäste'', statt: ''die Gäster, welche'' usw.), ''die sich angemeldeten Aussteller''.  
Die Angleichung der Aussage in der Zahl an die Apposition des Subjektes statt an dieses selbst ist berechtigt, sobald der Beisatz den Begriff enthält, der für die Aussage und ihre Erklärung und Begründung wichtiger ist oder auch nur lebhafter im Bewußtsein schwingt. Wer fühlte auch nicht den Vorzug der Fügung: ''Meine Kinderjahre, die schöne unvergeßliche Zeit, verfloß mir als Berliner Schusterjungen'' (Rodenberg), vor der anderen: ''verflossen mir'' ... ? Wer stößt sich nicht mehr oder minder an der streng grammatischen in den beiden folgenden Sätzen? ''Eine große Reihe von Grußformen, das Niederwerfen aufs Gesicht und andere, immer einfachere bis zur Verbeugung hat'' (statt ''haben'', das durch die Auflösung des Sammelbegriffs empfohlen wird) ''ihren Ursprung in diesem Gebahren'' (Tgl. R.). ''Viel trägt dazu bei, daß alles, was zum Hause gehört, also Eheleute und Ehehalten, nun für einige Monate zusammen bleiben kann'' (v. Hörmann statt können). Der grammatische Schnürleib ist eben schon Mode.  +
Auch bei periodisch wiederkehrenden Handlungen auf die Frage: ''wann?'' muß stets der Genitiv stehen. Auf die Frage: ''wann ist der Eintritt ins Museum frei?'' kann nur geantwortet werden: ''Montags und Donnerstags'', wenn damit gesagt sein soll, daß es jeden Montag und jeden Donnerstag so sei. Ebenso bezeichnet ''morgens, mittags, nachmittags, abends'' Handlungen, die $Seite 256$ jeden Morgen, jeden Mittag usw. geschehen. Die einmalige Handlung dagegen wird durch den Akkusativ bezeichnet. Aber auch hier herrscht jetzt Verwirrung. Genitive wie ''Sonntags, Montags'' gelten jetzt lächerlicherweise manchen beim Schreiben für unfein, und umgekehrt drängt sich wieder der Genitiv dahin, wo er nicht hingehört. In der Umgangssprache wird er schon ganz anstandlos auch von einmaligen Handlungen gebraucht: ''kommst du mittags zurück? Nein, ich komme erst abends zurück.'' Es muß heißen: ''zu Mittag'' und ''am Abend'' oder mit dem bloßen Akkusativ: ''Mittag, Abend. Ich esse mittags zu Hause, abends pflege ich im Gasthaus zu essen'' — das ist richtig.//* Ich hatte einmal eine Zeit lang in regelmäßigen Zwischenräumen in der Zeitung bekannt zu machen, daß nächste Mitttwoch Abend 8 Uhr eine gewisse Versammlung abgehalten würde. Regelmäßig hatte mir der Zeitungsetzer, der es natürlich besser wußte, ''nächste Mittwoch Abends'' daraus gemacht, bis ich mirs endlich einmal verbat.// Ganz abscheulich ist es, zu schreiben: ''anfangs April, anfangs Dezember, anfangs der fünfziger Jahre'' oder gar ''anfangs der Spielzeit'', es muß unbedingt heißen: ''Anfang April, Anfang Dezember'', wie ''Mitte Dezember, Ende Dezember''. Auch ''Anfang Mitte, Ende'' sind hier Akkusative, ''Dezember'' ein (schlechter!) Genitiv. ''Anfangs'' kann immer nur allein, als Adverbium stehen, im Gegensatze zu ''dann, später, endlich'' (''anfangs wollt ich fast verzagen'').  +
Die Freiheit, in der alten sinnlichen Beweglichkeit und sinnigen Geschmeidigkeit nach dem auf der Verneinung liegenden Nachdrucke eine oder in wechselnder Stellung zwei Verneinungen zu setzen, ist uns längst benommen. An ihrer Statt ist vielmehr vom Lateinischen her, und zwar im allgemeinen jetzt als unverletzlich auch für uns Deutsche, das starre $Seite 408$ Gesetz übernommen worden, daß zwei Verneinungen eine Bejahung geben. Und dies gilt nicht allein für ''nicht'', sondern auch von jedem andern verneinenden Worte wie ''kaum, schwerlich, kein, nie''(''mals''), ''nirgends''. Wir dürfen weder mit Goethe mehr sagen: ''sie haben nie kein Geld'', und: ''jetzt tut er niemand nichts'' (statt: ''etwas''), noch mit Wieland: ''Kein'' (statt ''Ein'') ''stärkeres Bild hätte Lucian schwerlich kaum finden können''. Ebenso ist in den folgenden Zeitungssätzen das eingeklammerte ''nicht'' anstößig: ''Man braucht kein Kato zu sein, um über gewisse Geschichten'' (''nicht'') ''in denselben Zorn zu geraten. Traut man sich vielleicht die Kraft nicht zu, der Anziehungskraft eines großen Eisenbahnkomplexes'' (''nicht'') ''zu widerstehn? Er blieb die Bewunderung Europas, ''(''un'')''überstrahlt von keinem Fürsten''.  +
Ein widerwärtiger Mißbrauch, der aber auch neuerdings für vornehm gilt — natürlich! es klingt ja französisch —, ist der Gebrauch, auf die Frage: ''wielange?'' mit ''während'' zu antworten: ''wir waren während dreier Monate in der Schweiz — dieses Geräusch blieb während einiger Minuten hörbar — man sprach während einiger Wochen von nichts anderm als von dieser Unternehmung — die Prüfungskommission,'' $Seite 257$ ''der Gottfried Kinkel während einer Reihe von Jahren angehört hat — die Lehren, die während achtzehn Jahrhunderten als die Grundlage rechtgläubigen Christentums angesehen worden sind — der Clavigo wurde während weniger Tage in einem Gusse geschaffen — die Naturaldienste wurden nur während weniger Tage im Jahre geleistet.'' ''Während'' kann nie auf die Frage: ''wielange?'' antworten, sondern immer nur auf die Frage: ''wann?'' Vielleicht ist es nicht allen Lesern in der Erinnerung, wie die Präposition ''während'' entstanden ist. Noch im achtzehnten Jahrhundert schrieb man ''währendes Frühlings, währendes Krieges''. Allmählich wurde dieser absolute Genitiv mißverstanden, eine Zeit lang wußte man nicht recht, ob man ''währendes'' oder ''während des'' hörte, und schließlich sprang der Partizipialstamm von der Endung ab und wurde — tatsächlich also durch ein Mißverständnis, durch eine Sprachdummheit — zu einer Präposition. Trotzdem erhielt sich bei richtiger Anwendung der ursprüngliche Sinn: es wird ein Vorgang zusammengestellt mit einem andern Vorgange, mit dem er entweder ganz oder teilweise zeitlich zusammenfällt: ''er lag während des Kriegs im Lazarett — während des Vortrags darf nicht geraucht werden — während des Gewitters waren wir unter Dach und Fach. Der Krieg, der Vortrag, das Gewitter'' sind Vorgänge, Ereignisse. Aber ''ein Tag, ein Monat, ein Jahr, ein Jahrhundert'' sind bloße Zeitabschnitte oder Zeitmaße. ''Er lag während dreier Monate im Lazarett'' — ist völliger Unsinn, denn ''drei Monate'' sind kein Ereignis, womit das Liegen im Lazarett zeitlich verglichen würde, sondern sie bedeuten einfach die Zeitdauer: diese kann aber nur ausgedrückt werden durch den Akkusativ ''drei Monate'' oder ''drei Monate lang''. ''Der Clavigo wurde nicht während weniger Tage, sondern in wenigen Tagen geschaffen.'' Aber kann man denn nicht sagen: ''während des Tags?'' Gewiß kann man das; aber dann ist ''Tag'' nicht als Zeitmaß gebraucht, sondern als Erscheinung der Nacht gegenübergestellt: ''während des Tags scheint die Sonne. Die Sonne'' $Seite 258$ ''hat nur während eines Tages geschienen'' — das ist Unsinn; ''die Sonne hat während meiner Ferien nur einen Tag geschienen'' — das hat Sinn. Aber alle Romanschreiber und besonders alle Romanschreiberinnen spreizen sich jetzt mit diesem albernen, dem französischen pendant nachgeäfften Mißbrauch. ''Durch fünfzehn Monate'' endlich, ''durch lange Zeit, durch fünf Minuten'', wie die Zeitungen jetzt auch gern auf die Frage: ''wielange?'' schreiben (''die heldenmütigen Frauen, die durch fünfzehn Monate mit ihren Kindern im Buschwalde umherirrten — dieses Gefühl war durch lange Zeit künstlich genährt worden — das Publikum lärmte und applaudierte durch wenigstens fünf Minuten''), ist ganz undeutsch. Es ist ein gedankenlos dem Lateinischen nachgebildeter Austriazismus; aus österreichischen Zeitungen ist es dann in unsre Sprache geschleppt worden.  
In der Flexion innerhalb der einzelnen Tempora können keine Fehler gemacht werden und werden auch keine gemacht. Bei Verbalstämmen, die auf ''s'' oder ''ß'' ausgehen, empfiehlt sichs, im Präsens in der zweiten Person des Singular das ''e'' zu bewahren, das sonst jetzt ausgeworfen wird: ''du reisest, du liesest, du fassest, du ''hassest'', du beißest''. Allgemein üblich ist freilich: ''du mußt, du läßt'', fast allgemein auch: ''du ißt''. Aber $Seite61$ zu fragen: ''du speist doch heute bei mir''? wäre nicht fein; zwischen ''speisen'' und ''speien'' muß man hübsch unterscheiden. (Vgl. auch ''du haust'' und ''du hausest''.) In der zweiten Person der Mehrzahl wird das ''e'', wenigstens in Nord- und Mitteldeutschland, schon längst nicht mehr gesprochen; also hat es auch keinen Sinn, es zu schreiben. Über Maueranschläge, wie: ''Besuchet Augsburg mit seinen althistorischen (!) Sehenswürdigkeiten'', lacht man in Leipzig schon wegen des altmodischen ''et''. Nur bei der Abendmahlsfeier läßt man sich gern gefallen: ''Nehmet hin und esset''.  +
Bei mehreren Personenbezeichnungen im Subjekt kann, falls sie verschiedene grammatische Personen darstellen, auch die Übereinstimmung in der Person Schwierigkeiten machen. Wenn andere Personen mit der ersten zusammentreffen, hat diese den Vorzug, und zwar in der Mehrzahl: ''Damals kamen ich und du'' oder ''ich und mein Bruder zu spät; Ich muß gestehen, daß ich und die Lehrer uns freuten'' (L. Corinth). Trifft die zweite und dritte zusammen, so überwiegt meist ebenso die zweite. Gegen diese Regel verstößt freilich Grosse: ''Weder du noch der selige Vater haben'' (statt ''habt'' oder nach § 253 ''hat'') ''mich jemals darüber aufgeklärt'', und schon bei Lessing: ''Ich weiß weiter nichts, als daß du und mein Vater in Krieg verwickelt sind''; bei Kingsley- Spangenberg: ''Wenn ich ... und Sie Religion haben soll'' (statt ''sollen''), ''so muß es die Anbetung der Urquelle aller Kunst sein''. Überhaupt ist der Fehler meist nur in Übersetzungsbüchern daheim, deren Verfasser das Gesetz für die fremden Sprachen natürlich besser kennen als für die eigene. Auch ist die Gefahr zu Verstößen dadurch verringert worden, daß sich heute meist ein zusammenfassendes Fürwort der ersten oder zweiten Person der Mehrzahl zwischen die Subjekte und ihr Verbum schiebt: ''Scharfenebbe, mein Weib und ich, wir gingen zusammen'' (Goethe). Dieselbe Einschiebung ist heute die Regel, wenn ein an sich der dritten Person angehörendes Relativ, und zwar häufiger ''der, die, das'' als ''welcher'', sich unmittelbar auf ein persönliches Fürwort der ersten oder zweiten Person zurückbezieht: ''Ihr, die ihr die Kranken pflegt und den Armen helft''. Von der anderen Möglichkeit, nach dem Relativ das persönliche Fürwort nicht zu wiederholen und die dritte Person Sing. zu setzen, wird hauptsächlich nur bei der ersten Person der Einzahl, doch auch, freilich etwas harter Weise, bei der Anrede ''Sie'' Gebrauch gemacht: ''Ich, der mit jedem Herzensschlag ihr angehört'' (Wieland). ''Sie, der das erlebte, können sich ausmalen''.  
Wenn bei solchen Beispielen der Schlendrian an dem falschen Nominative schuld ist, bei manchem gelegentlichen Berichterstatter wohl auch Unkenntnis, dazu allgemein die Abneigung zumal gegen den Dativ auf ...''m'' von substantivierten Adjektiven und die Bedrohung des schwachen Akkusativs der Einzahl namentlich bei Fremdwörtern (oben § 71, 83, 238 u. ö.), so verrät die gegenteilige Erscheinung, ein falscher obliquer Kasus in der Apposition neben einem andern obliquen Kasus des zu erklärenden Wortes, vollends die schlimmste Verwirrung des Sprachgefühls, so wenn wieder v. Dürckheim schreibt: ''Die Versetzung des Unterpräfekten von Provins, eines Bezirkes'' usw. Besonders häufig ist, zumal im Zeitungsdeutsch, ein merkwürdiger falscher Dativ, manchmal veranlaßt durch unberechtigte Anlehnung; meist scheint es freilich, als ob das Sprachgewissen, das von der notwendigen Übereinstimmung zwischen der Erläuterung und dem Erläuterten und von deren häufiger Störung durch Wahl des Nominativs ein dunkles Gefühl hat, sich gegen diesen Fehler durch die Wahl des besonders kräftigen Dativs mit seinem ''m'' und ''r'' sichern wolle. Nicht bloß in Zeitungen steht z. B.: ''Am Ostufer des Muta-Nsige, d. h. dem nunmehr Albert-Eduard-Nyanza genannten See'' (Leipz. Z.); ''sie gelangten über Merw, dem südlichsten Zipfel russischer Machtsphäre, zum Amu-Darja'' (Tgl. R.); ''Das Buch war früher Eigentum des Erzbischofs von Puzzeoli, *erstem Herausgeber'' (statt ''des ersten Herausgebers'') ''der Werke Tassos'' (Roman-Z.), oder in einem Wahlaufrufe: ''Zur Bestreitung des Bedarfs für Volksgesundheitspflege, das Schulwesen, die Armenpflege, dem Wegebaue soll der Staat Zuschuß leisten'' (Plauen, Nov. 1911). Auch in Erzählungen, Geschichts- und anderen Werken findet sich Ähnliches; schon bei Stifter z. B.: ''Der Hof war gebildet durch das Haus, den Torbogen, einen Schuppen, einer Scheune und einem Stalle''; bei Junker z. B.: ''nächst den Niederlassungen des Häuptlings Jéi, einem Nachfolger''; bei Bornhak: ''nach dem Tode Kaiser Karl'' (!) ''VI., dem Gemahl der Tante Elisabeths''; bei Rud. Huch: ''um einen tiefer liegenden Grund, einem Grunde, dessen sich beide Teile bewußt waren''; bei Hohlbaum: ''während der folgenden Gänge, den Frikassees, Ragouts und Leipziger Lerchen''; und selbst in O. Spenglers „Untergang des Abendlandes“, auch stilistisch einem Meisterwerke: ''durch die schmale Pforte der Pylonenwand — dem Sinnbilde der Geburt'' — und: ''neben Teilen der Thermen und Kaiserfora, dem Forum des Nerva''. In Trinius' Schilderung der Vogesen z. B. kommt der Fehler auf 29 Seiten, S. 42—70, sechsmal vor!  
E
Was die Bildung der Formen anlangt, so erfordern nur die der Wörter auf ''-er, -el'' und ''-en'' sowie der Komparative eine Erläuterung. Die Endungen ''-e, -er'' und ''-es'' veranlassen nämlich den Ausfall des ''e'' der vorhergehenden Bildungssilbe gewöhnlich bei den Adjektiven auf ''-en'' und ''-el'', immer bei denen auf ''-er'' mit vorausgehendem Doppellaute (vgl. § 6), so daß also ''edle, edles, metallner'' gewöhnlicher sind als ''edele, edeles, metallener'' und ''sauere, ungeheuere, teuerer'' geradezu falsch statt ''saure, ungeheure, teurer''. Bei den Wörtern auf ''-en'' müssen auch die Endungen ''-en'' und ''-em'' dieselbe Wirkung haben: ''mit offnem oder offenem Rachen, an dem wohlgelungnen'' (auch ''gelungenen'') ''Bilde''; denn es würde eine unaussprechbare Lautgruppe entstehen, wenn diese auch nach der Stammsilbe ''-en'', wie sonst immer, selber ihre ''e'' verlieren, vor ihnen also die Bildungssilbe das ihre beibehalten sollte. Bei Adjektiven auf ''-el'' und ''-r'' kommen außer den mustergültigen Doppelformen: ''mit edel(e)m Anstand, in munter(e)m Lied, etwas ander(e)s, heiter(e)n Sinnes'', auch die bequemeren Formen: ''edlem, dunklem'' vor //1 Das Maßgebende, wonach man sich über den Vorzug der Formen ''edeln'' und ''heitern'' vor den auch gehörten Formen ''edlen'', namentlich ''heitren'' entscheiden muß, ist das Verhalten derselben Elemente ''l, r, n'' und ''m'' bei ihrem Zusammentreffen im Infinitiv: (''wandeln'' statt älteren ''wandelen, wandern'' statt ''wanderen'') wie bei Präpos. + Artikel: ''überm Land und Meer, unterm Mantel''. Es ist also kein Grund vorhanden, für den Dat. Sing. ''edlem, heitrem'' als ''beliebter'' hinzustellen; die Form ist es höchstens um Hannover herum, dessen Abkömmlinge man aber auch noch in der Fremde an ihren Brüdren, ''andren, wandlen'' erkennt! Falsch ist die Scheidung, daß ''anders'' nur adverbial, und adjektivisch-substantivisch nur ''anderes'' stehen könne; es heißt allerdings nur: ''das ist, liegt, verhält sich anders'', aber gleichgut: ''ein anders'' und ''anderes Mal'', wenn schon gewählt ''ein anderes Kind'' häufiger ist.//. Überdies ist es ganz gleich, ob die Endung ''-er'' die starke Endung des Positivs oder die Bildungssilbe für den Komparativ ist, indem auch für diesen aus demselben Grunde die Doppelformen nebeneinanderstehen: ''niemand ist mir willkomm(e)ner als du, ed(e)ler als er, bitt(e)rer als Galle''. Selbst das Zusammentreffen der Deklinations- mit den Komparativendungen ist ähnlich geregelt. Vor den Endungen ''-e, -er'' und ''-es'' nämlich zieht immer das Stamm-''e'' den kürzeren: ''ein heitrerer Morgen, eine muntrere Gesellschaft, ein heitreres Fest''; dagegen wiegt dies schwerer als das ''e'' der Endungen ''-en'' und ''-em'', das seinerseits weichen muß: ''mit heitererm Sinn, einen bitterern Schmerz''. Indes ist nicht ausgeschlossen, daß auch das Stamme schwindet: ''mit heitrerm Blick, bittrern Schmerz''; und ebenso wird auch von anderen Adjektiven der Komparativ ganz wie der Positiv auf ''-er'' endigender Adjektive behandelt und z. B. auch gesagt: ''zu schönerm Los, überm niedern Erdenleben'' (Schiller).  
Bei verneintem Hauptsatze ist ''nicht'' nach ''ehe, bevor, bis, vollends'' ohne ''daß'' an sich unnötig, trotzdem ist seine Einfügung nicht schlechthin zu beanstanden//1 Die Gründe, warum diese Fügung nicht als Gallizismus (wie von Grimm, Wb. II. 44, aber schon beanstandet von Lexer V. II, 700 u. deutlicher von R. Hildebrand) verbannt werden darf, liegen darin: während ''als daß'' nicht nach Komparativen hauptsächlich und so massenhaft bloß in der mit unserem Klassizismus zusammenfallenden Zeit größten Einflusses des Französischen auftauchte, jetzt aber so gut wie abgestorben ist, wurde das ''nicht'' nach ''ehe, bevor'' usw. erst in der neueren Zeit so häufig, daß es von Gutzkow, Prutz, Ruge, Redwitz bis herab zu Rodenberg, Gregorovius, Galen, F. Lewald immer gleich mit Dutzenden von Beispielen belegt werden könnte. Wenn solche Häufigkeit des ''nicht'' zum Teil auf Kosten des vollen Gefühls für die Bedeutung von ''ehe, bis, ohne'' zu sehen ist, so hat es die Sprache noch immer so gehalten, daß sie der Deutlichkeit mit dem — einfachsten Mittel zu Hilfe zu kommen suchte.//. Der Regelrechte mag sich ja nach dem Satze Goethes richten: ''Ihr Anhang wird nicht zu bändigen sein, bis wir sie ganz vor den Augen der Welt zu nichte gemacht haben''. Dafür wird es ihm aber auch versagt bleiben, in diesen Zeitsätzen zugleich den Wunsch nach der Erfüllung einer gesetzten Bedingung nachzittern zu lassen, insofern,'' bis nicht, ehe nicht'' oft soviel ist als wenn ''nicht erst''. So steht bei Bürger: ''Bevor Sie mir nichts schicken, sollen sie auch meine Ballade nicht haben''; man braucht sich den Satz nur einmal statt ''mit nichts'' mit dem vom Sprachmeisterer dafür in Klammern gesetzten ''etwas'' vorzulesen, und man wird die solcher Regelrichtigkeit entspringende Ernüchterung fühlen. Auch in der Tgl. R. steht z. B.: ''Ehe man nicht sicher sei, daß jeder Soldat mit Liebe zu seinem Berufe zur Kaserne komme, könne man nicht an die Einführung des zweijährigen Dienstes in Frankreich denken'', und sogar mit ''kein'' statt besserem ''nicht'' $Seite 413$ bei W. Paschen (Grenzboten 1908, Nr. 67, 168): ''Bis hier keine Lösung gefunden ist, bis nicht die gesamte weiße Bevölkerung Südafrikas in diesen Fragen einem bestimmten gemeinsamen Ziele zuarbeitet, so lange ist an eine gesunde Förderation nicht zu denken''. Überhaupt ist die Verneinung in den Sätzen mit ''bis, bevor'' usw, noch häufiger, weil erwünschter, wenn sie den Hauptsätzen vorangehn und ihnen sonst die verneinende Färbung erst nachträglich ausgedrückt werden könnte. Würde aber nicht auch ein Ton in der Harmonie fehlen, wenn im Nathan nach den vier verneinten Vordersätzen: ''Ich steh nicht auf, nicht eher auf —, mag eher des Sultans Antlitz nicht erblicken! — eher den Abglanz ewiger Gerechtigkeit und Güte nicht in seinen Augen, nicht auf seiner Stirn bewundern'' — der Nachsatz bloß lautete: ''eh er mir verspricht'' und nicht wie bei Lessing tatsächlich: ''Eh er mir nicht verspricht?'' Solches harmonischen Gegenspiels halber möchte ich auch das ''nicht'' in dem Satze der Augsb. Allg. Z. nicht missen: ''Nie habe ich mich bei hellem Wetter auf einem Gipfel der Allgäuer Alpen umgesehn, ohne daß ich nicht dem, was ich im Augenblicke sah, den Vorzug gegeben hätte''; ebensowenig in dem Cl. Retzkas (VKl. 26): ''Konnte ich hier wohnen, ohne nicht Tag für Tag an Hendric zu denken? ... Ja, ich konnte nicht anders'', noch in dem Zdenkos v. Kraft: ''Keines meiner letzten Lebensjahre ist dahingegangen, ohne daß ich nicht vor dem äußersten Entschlusse gestanden hätte?'' Freilich darf solches nur ein Sprachmusiker nachahmen wollen. Das war aber Gutzkow wenigstens in dem Augenblicke nicht, als er den Satz schrieb: ''Er konnte Dankwars Stimme nicht hören, ohne nicht aufzustehn und ihn an der Schwelle zu begrüßen.''  
''Nicht eher, bis'' sollte die Schriftsprache dem Volke überlassen, in dessen Tone es in den Grimmschen Märchen immer heißen mag: ''Die eine von den drei Kühen kriegt er nicht eher, bis er die andern bezahlt hat''. Ihr selber steht es besser, wenigstens das von ''eher'' geforderte ''als'' einzuschieben oder bloß zu schreiben: ''Tu es nicht, ehe du ihn'' (''nicht'') ''befragt hast''. Ganz verkehrt wäre: ''Tu das nicht, ehr du ihn gefragt hast'', mag das immerhin schon mancher dem Volke nachschreiben; denn da ist das Adverb (''Ich war eher'' [= ''früher''] ''da'') mit der Konjunktion verwechselt.  +
Der eine seltene tritt dann ein, wenn die gebeugte Form die Bedeutung des Ausdruckes verändern würde. Das wollte z. B. Fr. Th. Vischer vermeiden, wenn er schrieb: ''In Altes und Neues habe ich meine Überzeugung darüber ausgesprochen''; hätte er geschrieben: ''In Altem und Neuem'' usw., so hätte das nicht nur durch jenen Titel ganz genau bestimmte Aufsätze, sondern überhaupt ältere und neuere bezeichnen können. — 2. ''bis zu'' tritt in der Bedeutung ''gegen'', fast wie ein Umstandswort, also ohne die Fügung zu beeinflussen, vor den Wer- oder Wenfall: ''Bis zu drei verschiedene Besucher soll die Frau empfangen haben'' (D. Ztg. 1918). — 3. Der dritte Fall liegt beim Rechnen mit unbenannten Zahlen, besonders Bruchzahlen, vor: ''1/2 x 1/4 = Einhalb multipliziert mit ein Viertel ist'' (''gibt'') 1/8''.  +
Eine erste berechtigte Abweichung, mehr freilich von dem § 75 aufgestellten Muster als von den § 77 gegebenen Regeln, entspringt einer ziemlich jungen Bequemlichkeit der deutschen Zunge. Erst in der Zeit unserer neuhochdeutschen Klassiker nach Klopstock bis zu Schiller nämlich entstand die jetzt längst allgemein geteilte Abneigung gegen die starke Endung ''-es'' des Genetivus Sing. der Adjektive, sobald dasselbe mit einem -(''e'')s'' im substantivischen Genetiv zusammentrifft. Nur in einigen festgeprägten Formeln hat es sich denn halten können, wie in ''keineswegs, keinesfalls, einesteils, reines Herzens-, gutes Mutes sein''; doch müssen schon andere nicht minder alte wie ''heutiges'' $Seite64$ ''Tages, gradeswegs, stehendes Fußes'' auch die andere Form ''heutigen Tages, gradenwegs, stehenden Fußes'' neben sich dulden, und im übrigen hat die schwache Endung ganz obgesiegt: ''ein Faß alten Weines, ein Wort männlichen Geschlechtes, eine Ladung duftenden Heues''. Doch wenn auch selbst jene letzten Formeln noch der Ausgleichung zum Opfer fallen sollten, wird infolge des fein und geschmackvoll regelnden Sprachgefühls der ''es''-Form wohl wenigstens ein Altenteil bleiben in den seltenen Zusammenfügungen mit artikellosen, schwachgebeugten männlichen Haupt-und sächlichen Eigenschaftswörtern von der Art: ''Großes Ahnen größrer Sohn, beim Vergessen empfangenes Guten'' (Goethe). Den umgekehrten Fall, die Notwendigkeit, das sonst durchaus starkgebeugte ''all'' schwach zu beugen, stellt die Fügung v. Kohleneggs (VK Oktob.) dar: ''ein ernsteres Erfassen dieses allen, was Ehe ist''; denn dieses ''alles'' wäre nicht als Genetiv kenntlich. Die allgemeine Unsicherheit in der Beugung auch der mehrgeschlechtigen Fürwörter verrät deutlichst die Fügung einer Zeitung (27): ''für die Toten jeden Armeekorps und jedes Geschwaders''. Immer häufiger werden eben selbst diese pronominalen Formwörter von der schwachen Beugung angegriffen. Man liest ''jeden Mittels, die Ausmerzung jeden'' (statt ''jedes'') ''selbständigen metaphysischen Geistesbegriffes, trotz allen Ungemachs, allen gelehrten Kleinkrams'' (Lit. W.-Sch. 26); und wenn auch die Formeln ''jeden-'' und ''allenfalls'' dazu verleiten mögen, so ist das sicher besonders ungerechtfertigt, wenn, wie im zweiten Beispiele, noch Adjektive zwischen Für- und Hauptwort stehn, oder wenn damit jedes Zeichen der Abhängigkeit entfällt wie in solchen Fällen der Art: ''die Dürftigkeit jeden Sozialismus; das ideelle Ziel jeden Absolutismus ist der Führer gegen die ungegliederte Masse'' (Zeitwende, 28).  
Das Neutrum von ''jemand anders'' heißt ''etwas andres'', im Volksmunde ''was andres''. Die Mutter sagt: ''ich habe dir was Schönes'' oder ''etwas Schönes mitgebracht''. Ebenso ''etwas Gutes, etwas Rechtes, etwas Wahres, etwas Großes, etwas Wesentliches, etwas Neues, etwas Weiteres''. Dieses schlichte ''was'' oder ''etwas'' verschmäht man aber jetzt, man schreibt: ''Und noch ein Andres muß ich erwähnen — zunächst möchte ich ein Allgemeines voranschicken — und nun können wir noch ein Weiteres hinzufügen — man darf nicht glauben, daß damit ein Wesentliches gewonnen sei — auch der reichhaltigste Stoff muß ein Spezifisches haben, das ihn von tausend andern unterscheidet''; und man kommt sich äußerst vornehm vor, wenn man so schreibt. Sogar ein Lied von Oskar von Redwitz, das in der Komposition von Lißt das Entzücken aller Backfische ist, fängt an: ''Es muß ein Wunderbares sein ums Lieben zweier Seelen! Es ist aber nichts als alberne Spreizerei''. „Etwas andres" ist es, wenn ''ein'' nicht das unbestimmte Fürwort, sondern das Zahlwort bedeuten soll, z. B.: ''dann hätte das Unternehmen wenigstens ein'' $Seite48$ ''Gutes gehabt''. Das ist natürlich ebenso richtig wie: ''das eine Gute''.  +
Artikellos für sich allein natürlich: ''Zu des Landes Bestem.'' Nur wenn von mehreren gleichwertigen Adjektiven das letzte substantiviert ist, hat es neben der starken Form der vorangehenden Adjektive selber nicht notwendig, aber gern die schwache (substantivische). So notwendigerweise der Deutlichkeit halber stets im zweiten Falle der Einzahl und nach einem ungebeugten unbestimmten Fürworte: ''ein Kompendium alles für ein Frauenzimmer Wissenswerten'' — ''wegen etwas Bösen, wegen nichts Geringeren''. Gern auch — wohl zur Verbequemlichung gegenüber den mehrfachen ''er''-Endungen — im Genetivus Plur. Trotz der Notwendigkeit, damit der Fall nicht unbezeichnet bleibt, zu beugen: ''Auszeichnung Charlottenburger Beamter'' und trotz des offiziellen Titels Zentralverband deutscher Industrieller redet man denn fast häufiger von ''feinem Kreise guter Bekannten als Bekannter'', ebenso ''von der großen Zahl im Ausland lebender Deutschen'', ''von Mustern treuer Beamten'', wie auch P. Pfizer einen Briefwechsel ''zweier Deutschen'' und Goethe im Mahomet ''Vermess'ner Sterblichen beschränkter Zweifel'' geschrieben hat. Freilich R. H. Bartsch hat wieder: ''ein armes Instrument großer Toter''. Sonst gilt die Hauptregel von der gleichen Behandlung mehrerer Adjektive auch hier und es heißt: ''das kochende Innere'', aber: ''sein kochendes Inneres''; ''das auffällige Äußere'', aber: ''sein auffälliges Äußeres''. Auch im 3. Falle der Einzahl ist von ''schönem Äußerem, mit zerrüttetem Innerem'' das richtigere gegenüber der Verbequemlichung von ''schönem Äußeren'', ''mit zerrüttetem Inneren'' //2 Diese dem Gebrauche abgewonnene Auffassung trägt für ihre Richtigkeit auch noch die Gewähr in sich, daß für die schwachen Formen dieselben Kräfte wirksam scheinen, die dieser nach dem § 79 ff. Bemerkten auch in andern Fällen zum Übergewicht verhalfen, und zwar in demselben Gen. Sing. und Plur. Aber es ist falsch, wenn man von diesen in einzelnen Fällen wohl erklärlichen schwachen Formen solchen Adjektiv-Substantiven wie ''Beamter, Bedienter, Gelehrter, Verwandter'' überhaupt den starken Dativ Sing. abspricht: vielmehr ist für diesen Fall, wenn er ohne Artikel und Bestimmungswort steht, immer ,,ihm als Beamtem, Gelehrtem" das richtige und nicht die Fügung W. Presbers: ''die Freundschaft mit deren Verwandten'' (statt ''Verwandtem'') Jm. Nast.//; ''eine Mischung von ererbtem Fremden und eben gebornem Eignen'' (G. Spengler); und einfach falsch ist die Fügung bei Wolfg. Heine: ''Der Kampf der Arbeiterklasse ist vereinbar mit der Gesamtheit der Interessen'', ''die in dem gegebenen Staate als Ganzen'' (statt: ''Ganzem'') ''zum Ausdruck kommt''. Vgl. auch § 157, 185 u. 236.